(MfS) der DDR - Deutscher Bundestag
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Während Gröndahls Informationslieferungen in <strong>der</strong> SIRA-Datenbank nachgewiesen sind, sagen<br />
die <strong>MfS</strong>-Unterlagen über sein sonstiges Verhalten nichts aus. Detlef Kühn kompensiert dieses<br />
Defizit mithilfe seiner eigenen Erinnerung: „Gröndahl versuchte sich gelegentlich auch als<br />
Einflussagent“, schreibt Kühn zurückblickend. An einem konkreten Beispiel illustriert Kühn, wie<br />
Gröndahl in seiner Eigenschaft als Grundsatzreferent im innerdeutschen Ministerium offensiv<br />
für die deutschlandpolitischen Ziele <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> eintrat: Gröndahl wandte sich 1978 gegen die Empfehlungen<br />
<strong>der</strong> Kultusministerkonferenz zur Behandlung <strong>der</strong> deutschen Frage im Unterricht. 1102<br />
Dieser Hinweis ist wichtig, weil sich in den verbliebenen <strong>MfS</strong>-Unterlagen keine Hinweise darauf<br />
finden.<br />
Wahrscheinlich erinnern sich auch <strong>Bundestag</strong>sabgeordnete noch an Mitarbeiter, Fraktionskollegen<br />
o<strong>der</strong> Gesprächspartner, <strong>der</strong>en Verhalten sich rückblickend – nun im Wissen um eine<br />
<strong>MfS</strong>-Anbindung – als Einflussnahme des <strong>MfS</strong> erklären lässt. Erst das Wissen um solche diskreten<br />
Beeinflussungsversuche würde das Bild <strong>der</strong> „aktiven Maßnahmen“ des <strong>MfS</strong> vervollständigen.<br />
Als Fazit lässt sich an dieser Stelle festhalten: Versuche des <strong>MfS</strong>, Einfluss auf den <strong>Bundestag</strong> o<strong>der</strong><br />
einzelne Abgeordnete zu nehmen, lassen sich trotz großflächiger Aktenvernichtung noch in einigen<br />
Fällen anhand <strong>der</strong> <strong>MfS</strong>-Unterlagen belegen. <strong>MfS</strong> und SED waren als politische Akteure –<br />
teils sichtbar, teils unsichtbar – für die Interessen <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> in Bonn präsent und gehören bei zeitgeschichtlichen<br />
Forschungen berücksichtigt. Ihr Einfluss darf aber auch nicht überschätzt werden.<br />
Zum einen war das <strong>MfS</strong> nicht <strong>der</strong> einzige aktive Geheimdienst. Zum an<strong>der</strong>en verfügte <strong>der</strong><br />
<strong>Bundestag</strong> über genügend eigenständig handelnde und gestaltende Politiker.<br />
3.6. Transparenz als Mittel gegen geheime Einflussnahme<br />
Abschließend soll hier ein Gedanke des langjährigen SPD-<strong>Bundestag</strong>sabgeordneten Norbert<br />
Gansel stehen. Er zeigt auf, dass <strong>der</strong> unmittelbarste Eingriff des <strong>MfS</strong> in die Arbeit des <strong>Bundestag</strong>es<br />
– die manipulierte Abstimmung von 1972 – durch ein transparentes Abstimmungsverfahren<br />
hätte vermieden werden können. Sein Plädoyer für mehr Transparenz brachte Norbert Gansel<br />
1976 in die öffentliche Diskussion ein. Den unmittelbaren Anlass seiner damaligen Wortmeldung<br />
bildete die überraschende Wahl Ernst Albrechts (CDU) zum nie<strong>der</strong>sächsischen Ministerpräsidenten.<br />
Albrechts CDU verfügte im Landtag zwar nicht über die Mehrheit <strong>der</strong> Stimmen, in geheimer<br />
Abstimmung erhielt er aber auch Stimmen aus dem sozial-liberalen Regierungslager. 1103 Norbert<br />
Gansel erinnerte nun daran, dass es schon mehrfach solche Abstimmungen gegeben habe, bei<br />
denen unerkannt gebliebene Abgeordnete eine Richtungsentscheidung bewirkten und bezog<br />
sich unter an<strong>der</strong>em auch auf das Misstrauensvotum von 1972. Seine For<strong>der</strong>ung lautete: „Unsere<br />
Parlamente brauchen [...] das Licht <strong>der</strong> Öffentlichkeit. Für geheime Abstimmungen in den Parla-<br />
innerdeutsche Beziehungen] zu den mit Kontakten zwischen Volkskammer und <strong>Bundestag</strong> aus BRD-<br />
Sicht entstehenden Problemen“; BStU, <strong>MfS</strong>, HV A/MD/3, SIRA-TDB 12, SE8507416, bei <strong>der</strong> HV A am<br />
25.10.1985 eingegangen. – Einen Bericht von „Töpfer“ über eine „Sitzung <strong>der</strong> SPD-Fraktion innerhalb<br />
des innerdeutschen Ausschusses des BRD-<strong>Bundestag</strong>es am 16./17.11.1978“ schätzte die HV A mit <strong>der</strong><br />
Note 2 als „wertvoll“ ein. BStU, <strong>MfS</strong>, HV A/MD/3, SIRA-TDB 12, SE7823580, bei <strong>der</strong> HV A am 5.12.1978<br />
eingegangen. – Einen Bericht von „Töpfer“: „Zur Einschätzung des SPD-MdB Bruno Friedrich und seines<br />
Auftretens in <strong>der</strong> <strong>Bundestag</strong>sdebatte zur großen Anfrage <strong>der</strong> CDU/CSU zur Deutschlandpolitik“<br />
bewertete die HV A als eine durchschnittlich wichtige Information mit einer 3. BStU, <strong>MfS</strong>, HV A/MD/3,<br />
SIRA-TDB 12, SE7704522, bei <strong>der</strong> HV A am 24.6.1977 eingegangen.<br />
1102 Kühn: Das Gesamtdeutsche Institut, 2011, S. 22. Für Kühn bleibt am Ende ausschlaggebend, dass es ihm<br />
gelungen war, die politische Linie seines Instituts ungeachtet <strong>der</strong> geheimdienstlichen Unterwan<strong>der</strong>ungsversuche<br />
durch das <strong>MfS</strong> durchzuhalten; ebenda, S. 57 f.<br />
1103 Im Januar 1976 trat <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>sächsischen Ministerpräsident Alfred Kubel zurück, um einem jüngeren<br />
Nachfolger Platz zu machen. Die sozial-liberale Koalition im nie<strong>der</strong>sächsischen Landtag verfügte über<br />
eine knappe Mehrheit von nur einer Stimme. Der nominierte Nachfolger Helmut Kasimier erreichte<br />
im Landtag indes keine Mehrheit, statt dessen wurde in einem späteren Wahlgang am 6.2.1976 Oppositionsführer<br />
Ernst Albrecht mit Stimmen nicht identifizierter Abgeordneter aus <strong>der</strong> bisherigen Regierungskoalition<br />
zum Ministerpräsidenten gewählt.<br />
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