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(MfS) der DDR - Deutscher Bundestag

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Weise das bürgerliche Lager bei <strong>der</strong> <strong>Bundestag</strong>swahl 1953 zu schwächen und Adenauers Wie<strong>der</strong>wahl<br />

zu verhin<strong>der</strong>n. 1039<br />

Im Hinblick auf die <strong>Bundestag</strong>swahl 1957 war es Walter Ulbricht, <strong>der</strong> bereits am 11. Mai 1956<br />

die <strong>MfS</strong>-Führung dazu auffor<strong>der</strong>te, alle Möglichkeiten zu nutzen, um Adenauer 1957 eine Wahlnie<strong>der</strong>lage<br />

zu bescheren. Das <strong>MfS</strong> entfaltete daraufhin umfangreiche Aktivitäten. 1040 Erich Mielke<br />

setzte Ulbrichts For<strong>der</strong>ung in <strong>der</strong> <strong>MfS</strong>-Direktive Nr. 2/56 vom 25. August 1956 betreffend „Erfassung<br />

aller operativer Möglichkeiten des <strong>MfS</strong> im Zusammenhang mit den <strong>Bundestag</strong>swahlen<br />

1957“ um. Darin ordnete er an, mithilfe von West-IM, Kontaktpersonen und <strong>DDR</strong>-IM die Wahlvorbereitungen<br />

<strong>der</strong> Parteien zu erkunden, kompromittierende Unterlagen zu beschaffen, Differenzen<br />

zwischen den Koalitionsparteien zu verstärken und IM in den <strong>Bundestag</strong>, in die Parteien<br />

und in Regierungsstellen einzuschleusen. 1041<br />

Die <strong>DDR</strong>-Kampagnen gegen westdeutsche Politiker insbeson<strong>der</strong>e in den sechziger Jahren gingen<br />

von <strong>der</strong> SED aus, worauf insbeson<strong>der</strong>e Jochen Staadt hinweist. Das <strong>MfS</strong> lieferte in erheblichem<br />

Umfang die Materialien für die Kampagnen und beteiligte sich maßgeblich an <strong>der</strong>en Umsetzung.<br />

1042<br />

Die heutige Kenntnis über aktive Maßnahmen bzw. Desinformationskampagnen gegen Bundespolitiker<br />

speist sich aus verschiedenen Quellen: Dazu zählen bereits in den fünfziger Jahren die<br />

Aussagen von HVA-Überläufern 1043 , in den neunziger Jahren dann die mit gewisser Vorsicht zu<br />

lesenden Erinnerungen ehemaliger HVA-Angehöriger, ferner die Erkenntnisse <strong>der</strong> Ermittlungsbehörden,<br />

die in den neunziger Jahren die <strong>DDR</strong>-Spionage aufarbeiteten, außerdem Unterlagen<br />

aus den Archiven von SED und <strong>MfS</strong>. Zu den gängigen Methoden aktiver Maßnahmen gehörte es,<br />

gefälschte Briefe, kompromittierende Materialien o<strong>der</strong> verfälschte Informationen so geschickt in<br />

die bundesdeutsche Öffentlichkeit zu lancieren, dass die Herkunft aus <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> nicht erkennbar<br />

war. In den vergangenen 20 Jahren wurde darüber viel geschrieben. Nachdrücklich sei an dieser<br />

Stelle vor allem auf die Anklageschrift <strong>der</strong> Bundesanwaltschaft von November 1993 gegen den<br />

langjährigen Leiter <strong>der</strong> HVA-Desinformationsabteilung Rolf Wagenbreth und einige seiner Mitarbeiter<br />

hingewiesen. Darin werden die Methoden und Strukturen <strong>der</strong> HVA-Desinformation<br />

offengelegt, konkrete Einzelmaßnahmen beschrieben und die Namen von Opfern sowie West-<br />

IM genannt. Der <strong>Bundestag</strong> war dabei nur eines von zahlreichen Zielen <strong>der</strong> „aktiven Maßnahmen“,<br />

die im Übrigen als eine „Spielwiese“ von HVA-Chef Markus Wolf galten. Diese Anklageschrift,<br />

auf die sich spätere Publikationen oft beziehen, wurde 2004 ediert. 1044 Sie ist nach wie vor<br />

lesenswert.<br />

1039 Herbstritt, Georg: Brückenbau o<strong>der</strong> Seitenwechsel? Die umstrittene Deutschland- und Ostpolitik des<br />

Reichskanzlers a. D. Dr. Joseph Wirth in <strong>der</strong> Zeit des Kalten Krieges (1945/51–1955). Frankfurt/M. u. a.<br />

1993; Amos, Heike; Wilke, Manfred: Die Deutschlandpolitik <strong>der</strong> SED und ihre „bürgerlichen Bündnispartner“<br />

in <strong>der</strong> Bundesrepublik 1949 bis 1989. In: Jahrbuch für historische Kommunismusforschung<br />

2010. Berlin 2010, S. 49–65; Amos: Westpolitik, 1999, S. 99–106.<br />

1040 Neubert: Ein politischer Zweikampf, 2002, S. 82 f.; Neubert fasst hier die Aktionen des <strong>MfS</strong> vor <strong>der</strong><br />

<strong>Bundestag</strong>swahl 1957 so zusammen: „Neben dem Schüren von Spannungen zwischen den bürgerlichen<br />

Parteien wurden [vom <strong>MfS</strong>] gefälschte Schreiben in Umlauf gebracht, kompromittierendes Material<br />

in die Presse eingeschleust und die ‚Friedenspropaganda’ verstärkt“. Zur Rede Ulbrichts vom<br />

11.5.1956 siehe Fricke: Die <strong>DDR</strong>-Staatssicherheit und Konrad Adenauer, 1996, S. 34 f.<br />

1041 BStU, <strong>MfS</strong>, BdL/Dok 2613, Bl. 1–5. Nachdem die CDU/CSU bei den Wahlen 1957 die absolute Mehrheit<br />

errangen, musste sich HVA-Chef Markus Wolf auf <strong>der</strong> Kollegiumssitzung des <strong>MfS</strong> am 19.9.1957 rechtfertigen.<br />

Er behauptete gegenüber Mielke und an<strong>der</strong>en <strong>MfS</strong>-Generälen und Obersten, dass er das<br />

Wahlergebnis erwartet habe und machte den Einfluss <strong>der</strong> Westmächte, das „Monopolkapital“, die<br />

„Gleichschaltung <strong>der</strong> öffentlichen Meinung“, die Haltung <strong>der</strong> Kirchen, die „Demagogie <strong>der</strong> CDU“ und<br />

vor allem die Haltung <strong>der</strong> SPD-Führung, die gegen ein Zusammengehen mit Kommunisten eintrat,<br />

verantwortlich. Protokoll <strong>der</strong> Kollegiumssitzung am 19.9.1957; BStU, <strong>MfS</strong>, SdM 1900, Bl. 128.<br />

1042 Staadt: Versuche <strong>der</strong> Einflussnahme, 1995, S. 2406–2600; vgl. auch Ders.: Die geheime Westpolitik,<br />

1993.<br />

1043 Siehe hierzu Kapitel 2.8., S. 249 ff. in diesem Gutachten.<br />

1044 Marxen; Werle: Spionage, 2004, S. 459–550. „Aktive Maßnahmen“ <strong>der</strong> HV A in <strong>der</strong> Bundesrepublik sind<br />

unter an<strong>der</strong>em Gegenstand <strong>der</strong> folgenden Titel: Baron: Kalter Krieg und heißer Frieden, 2003; Dörren-<br />

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