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(MfS) der DDR - Deutscher Bundestag

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war das Opfer eines sogenannten Romeos geworden: Der <strong>DDR</strong>-Bürger Wolfgang Hammer, den<br />

die HV A im IMA-Vorgang „Hulda“ führte, suchte auftragsgemäß den Kontakt zu <strong>der</strong> ledigen<br />

Sekretärin. Hammer trat im Westen unter dem Namen „Rudolf Reggentin“ auf. Unter diesem<br />

Namen heiratete er Kreß 1969 und schöpfte sie fortan über ihr berufliches Wissen ab. Als es <strong>der</strong><br />

bundesdeutschen Spionageabwehr 1976/77 gelang, zahlreiche eingeschleuste Agenten systematisch<br />

zu enttarnen, setzte sich Hammer alias Reggentin im Februar 1977 in die <strong>DDR</strong> ab, während<br />

Hanneliese Kreß im März 1977 in <strong>der</strong> Bundesrepublik verhaftet wurde. Die Bundesanwaltschaft<br />

ging im Ergebnis ihrer Ermittlungen davon aus, dass Hammer seinen geheimdienstlichen Hintergrund<br />

gegenüber Kreß nicht offenbart hatte. Kreß soll Informationen über Barzel, aber auch<br />

über den deutschlandpolitischen Sprecher <strong>der</strong> CDU/CSU-Fraktion Manfred Abelein weitergegeben<br />

haben. 809 In <strong>der</strong> SIRA-Datenbank sind von den drei IMA-Vorgängen „Theobald“, „Hanna“<br />

und „Hulda“ nur für letzteren Informationseingänge nachgewiesen. Offenbar liefen dort die von<br />

Kreß preisgegebenen Informationen zusammen. Demnach lieferte „Hulda“ zwischen 1969 und<br />

1974 insgesamt neun Informationen, davon allein vier 1969. Sie handelten von deutschland- und<br />

ostpolitischen Zielen und Aktivitäten <strong>der</strong> CDU/CSU und von CDU-internen Einschätzungen <strong>der</strong><br />

sozial-liberalen Regierungsparteien. 810 Diese Informationsausbeute ist gering. Offenbar trifft<br />

Markus Wolfs Erinnerung zu, wonach Hanneliese Kreß „ihrem Dienstherrn Rainer Barzel gegenüber<br />

loyal und ihrem Ehemann gegenüber enttäuschend zugeknöpft“ gewesen sei. 811<br />

2.6.8. Karteikarten – sonst nichts? Deutung problematischer Karteikarten-Erfassungen<br />

Frühere Mitarbeiter <strong>der</strong> <strong>DDR</strong>-Spionage behaupten im Rückblick gerne, die Buchführung <strong>der</strong><br />

HV A sei unsystematisch und willkürlich erfolgt und daher nicht aussagekräftig. Doch das sind<br />

Schutzbehauptungen. Die bisherige Analyse <strong>der</strong> „Rosenholz“-Unterlagen hat gezeigt, dass die<br />

HV A Karteikartenerfassungen nicht beliebig und grundlos vornahm. Sie befolgte interne Regeln<br />

und Vorgaben, was Ausnahmen und Abweichungen im Einzelfall nicht ausschloss. Die Systematik<br />

war erfor<strong>der</strong>lich, um den Überblick über das Agentennetz und an<strong>der</strong>e Verbindungen zu behalten<br />

und Informanten im Westen nicht in Gefahr zu bringen. Der Umgang mit den „Rosenholz“-Unterlagen<br />

bleibt dennoch schwierig, denn sie gleichen einem Fragment. Dadurch entsteht<br />

Raum für Interpretationen.<br />

809 GBA, Anklage gegen 4 Obersten <strong>der</strong> HVA-Abteilung II vom 28.7.1992 – Az. 3 StE 10/92-1, S. 40 f. GBA,<br />

Anklage gegen Markus Wolf vom 16.9.1992 – Az. 3 StE 14/92-3, S. 146. Der Spiegel 31(1977)42 v.<br />

10.10.1977, S. 78–87: Spionage: Beinahe lachhaft. Zu Hammer alias Reggentin siehe auch BStU, <strong>MfS</strong>, Bestand<br />

Rosenholz sowie BStU, <strong>MfS</strong>, HV A/MD/6, SIRA-TDB 21, Recherche zu Reg.-Nr. XV/541/64 u.<br />

XV/4557/80. Hammer wurde 1978 vom IM zum „Offizier im beson<strong>der</strong>en Einsatz“ (OibE) umregistriert.<br />

Seine Akte trug den Decknamen „Hulda“, den Markus Wolf in seinen Erinnerungen auf die Barzel-<br />

Sekretärin übertrug. Wolf: Spionagechef, 1997, S. 153 f. Der Vorgang „Hulda“ wurde 1986 archiviert. Zu<br />

den Methoden des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die zur Enttarnung zahlreicher eingeschleuster<br />

Agenten führten, siehe: „Die <strong>DDR</strong> hat entscheidende Fehler gemacht“. Verfassungsschutz-Präsident<br />

Richard Meier über die jüngsten Abwehr-Erfolge. Interview in: Der Spiegel 30(1976)26 v. 21.6.1976,<br />

S. 24–27. Zu den Details <strong>der</strong> angesprochenen Spionageabwehr-Methoden des BfV siehe Dörrenberg,<br />

Dirk: Erkenntnisse des Verfassungsschutzes zur Westarbeit des <strong>MfS</strong>. In: Herbstritt; Müller-Enbergs:<br />

Das Gesicht dem Westen zu, 2003, S. 72–111, hier 84–90; sowie Tiedge, Hansjoachim: Der Überläufer.<br />

Eine Lebensbeichte. Berlin 1998, S. 165–177 u. 187–203.<br />

810 BStU, <strong>MfS</strong>, HV A/MD/3, SIRA-TDB 12, Recherche zu Reg.-Nr. XV/541/64. Die Informationseingänge<br />

zur Reg.-Nr. XV/541/64 sind in <strong>der</strong> SIRA-Datenbank überwiegend nur in Form von Ausgangsinformationen<br />

nachgewiesen, in denen Berichte aus verschiedenen Quellen zusammengeführt wurden. Wert<br />

und Profil einzelner Informationsquellen können anhand <strong>der</strong> Ausgangsinformationen nur sehr eingeschränkt<br />

analysiert werden.<br />

811 Wolf: Spionagechef, 1997, S. 154. Das menschliche Leid <strong>der</strong> von <strong>der</strong> HV A ausgenutzten Bonner Sekretärinnen<br />

rücken zwei Darstellungen aus den 1990er Jahren in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung: Pfister,<br />

Elisabeth: Unternehmen Romeo. Die Liebeskommandos <strong>der</strong> Stasi. Berlin 1999; Quoirin, Marianne:<br />

Agentinnen aus Liebe. Warum Frauen für den Osten spionierten. Frankfurt/M. 1999.<br />

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