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(MfS) der DDR - Deutscher Bundestag

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Bundesinnenminister Hermann Höcherl äußerte sich entsprechend. Ihr Telefon wurde abgehört.<br />

Kettig wies alle Vorwürfe zurück. 779 In den „Rosenholz“-Unterlagen ist sie als Hautperson des<br />

IMA-Vorgangs „Wurzel“ registriert. Der Vorgang lief vom 16. Juni 1961 bis zum 16. November<br />

1964. Er umfasste zwei nicht näher bezeichnete Aktenbände, die die HV A archivierte. 780 Das<br />

kann darauf hindeuten, dass die HV A in <strong>der</strong> fraglichen Zeit einen Zugang zu Alma Kettig hatte.<br />

Doch we<strong>der</strong> lässt sich feststellen, ob Kettig abgeschöpft wurde o<strong>der</strong> bewusst Informationen – an<br />

wen auch immer – weitergab, noch lässt sich etwas über Inhalt und Umfang des möglichen Informationsflusses<br />

sagen.<br />

Über den SPD-Abgeordneten Fritz Erler führte die HV A seit Januar 1957 bis November 1970 den<br />

IMA-Vorgang „Baum“. Der Vorgang füllte vier Aktenbände. Auf <strong>der</strong> Karteikarte F 22 ist nicht<br />

vermerkt, ob es sich hierbei um Personen- o<strong>der</strong> Berichtsakten handelte. 781 Erler gehörte zu den<br />

führenden Sozialdemokraten, war seit 1951 im Vorstand <strong>der</strong> SPD-<strong>Bundestag</strong>sfraktion, seit 1956<br />

Mitglied im SPD-Parteivorstand und rückte bis Anfang 1964 schließlich zum stellvertretenden<br />

SPD-Vorsitzenden und zum Vorsitzenden <strong>der</strong> SPD-<strong>Bundestag</strong>sfraktion auf. Früh entwickelte er<br />

sich zu einem Experten in sicherheits- und verteidigungspolitischen Fragen. 782 Markus Wolf<br />

schreibt in seinen Erinnerungen, die HV A habe über „vertrauliche politische Kontakte“ zu Erler<br />

verfügt. Ein „alter Freund Erlers“ sei in die „nachrichtendienstliche Arbeit eingebunden“ gewesen<br />

und habe die HV A „mit den Problemen [...] ehemals linke[r] Sozialdemokraten“ vertraut gemacht.<br />

783 Wolf belässt es bei diesen Anspielungen. Die „Rosenholz“-Karteien tragen nicht viel zur<br />

Präzisierung bei. Aber sie deuten in die gleiche Richtung, wonach die HV A im nahen Umfeld<br />

Erlers präsent war.<br />

Der Erler-Biograf Hartmut Soell schreibt von einem „regen direkten und indirekten Informationsaustausch<br />

mit einzelnen in <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> und Ost-Berlin ansässigen Mitstreitern und Leidensgefährten<br />

aus <strong>der</strong> NS-Zeit“, den Erler pflegte. 784 Im Vorgang „Baum“ erfasste die HV A neben <strong>der</strong><br />

Hauptperson Erler noch sieben an<strong>der</strong>e Personen. Darunter befand sich einer dieser Korrespondenzpartner<br />

aus <strong>der</strong> <strong>DDR</strong>. Ferner registrierte die HV A im Vorgang „Baum“ ein in Westberlin<br />

lebendes, früheres Mitglied <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>standsgruppe „Neu Beginnen“, <strong>der</strong> auch Erler angehört<br />

hatte. Außerdem erfasste sie darin den <strong>DDR</strong>-Historiker Wolfgang Schumann, <strong>der</strong> damals am<br />

Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK <strong>der</strong> SED arbeitete. 785 Damit sind jedoch nur die<br />

779 Die biografische Darstellung folgt Notz, Gisela: Linkssozialistin im <strong>Bundestag</strong>: Alma Kettig (1915–1997).<br />

In: Junke, Christoph (Hg.): Linkssozialismus in Deutschland. Jenseits von Sozialdemokratie und Kommunismus?<br />

Hamburg 2010, S. 106–123, insbes. 110–117. Siehe auch Appelius, Stefan: Als Pazifistin in<br />

Bonn: Alma Kettigs Weg in <strong>der</strong> sozialdemokratischen <strong>Bundestag</strong>sfraktion. In: Ders. (Hg.): Alma Kettig.<br />

Verpflichtung zum Frieden. Biographie einer <strong>Bundestag</strong>sabgeordneten. Oldenburg 1990, S. 121–136.<br />

Appelius zufolge galt Kettig als Vertraute des MdB Arno Behrisch, <strong>der</strong> Anfang 1961 von <strong>der</strong> SPD zur<br />

DFU wechselte; Appelius: Als Pazifistin in Bonn, 1990, S. 135. Zu Behrisch siehe auch S. 217 und 317.<br />

780 BStU, <strong>MfS</strong>, Bestand Rosenholz sowie BStU, <strong>MfS</strong>, HV A/MD/6, SIRA-TDB 21, Recherche zu Reg.-Nr.<br />

XV/4543/61. Ein Jahr nach Kettig wurde noch eine Kommunalpolitikerin aus Witten zu dem Vorgang<br />

hinzuregistriert. Kettig war zuvor, ab 14.2.1961, von <strong>der</strong> HV A in einem Hinweisvorgang erfasst worden.<br />

781 BStU, <strong>MfS</strong>, Bestand Rosenholz sowie BStU, <strong>MfS</strong>, HV A/MD/6, SIRA-TDB 21, Recherche zu Reg.-Nr.<br />

XV/14057/60. Den letzten, 4. Aktenband legte die HVA-Abteilung II am 8.2.1964 an. Erler starb am<br />

22.2.1967, gleichwohl schloss die HV A den ihn betreffenden Aktenvorgang erst knapp 4 Jahre später.<br />

782 Soell: Fritz Erler, 1976, S. 1181 f.<br />

783 Wolf: Spionagechef, 1997, S. 183–185, hier 184.<br />

784 Soell: Fritz Erler, 1976, S. 916–929, Zitat S. 916, ferner S. 90 u. 542.<br />

785 BStU, <strong>MfS</strong>, Bestand Rosenholz, Recherche zu Reg.-Nr. XV/14057/60. Zu Schumann siehe auch ebenda,<br />

Reg.-Nr. XV/229/65: die Karteikarte F 16 zu Schumann trägt einen „Dokument“-Stempel, und unter<br />

<strong>der</strong>selben Reg.-Nr. XV/229/65 liegt auch eine Karteikarte F 16 zu einem Wolfgang Schumacher mit<br />

Wohnsitz in Hannover vor, dessen Geburtsdaten und Geburtsort mit denen Schumanns übereinstimmen.<br />

Dies deutet darauf hin, dass die HV A für Schumann ein bundesdeutsches Personaldokument auf<br />

den Namen Wolfgang Schumacher angefertigt hat. Ob und in welcher Weise es zum Einsatz kam, lässt<br />

sich den Karteikarten nicht entnehmen. Man müsste in an<strong>der</strong>en Archiven prüfen, ob Schumann Mitte<br />

<strong>der</strong> 1960er Jahre eine direkte o<strong>der</strong> indirekte Verbindung zu Erler unterhielt. Schumann war noch Ende<br />

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