(MfS) der DDR - Deutscher Bundestag
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keine Karteikarte F 22 zugeordnet werden. Das bedeutet, Rückschlüsse auf eine Erfassungsart –<br />
IMA o<strong>der</strong> eine an<strong>der</strong>e – sind nicht möglich.<br />
Einige <strong>der</strong> hier beschriebenen Karteikarten F 16 führen auf <strong>der</strong> Rückseite einen bemerkenswerten<br />
Eintrag: „Achtung – auf Dossier [Vorgangsnummer] keine Auskunft erteilen u. keine Information<br />
an Abt. VII/HV A“. 695 Dieses Sperrgebot findet sich in leicht abgewandelter Form auch<br />
auf den zugehörigen Karteikarten F 22: „Achtung – keine Auskunft erteilen – frei stempeln“. 696<br />
Die Sperrvermerke erscheinen zumindest auf den ersten Blick wi<strong>der</strong>sprüchlich. Denn sie bezogen<br />
sich vor allem auf solche Aktenvorgänge, die von eben dieser Auswertungsabteilung geführt<br />
wurden. Wie es zu diesem scheinbaren Wi<strong>der</strong>spruch kam, lässt sich hier nicht klären. Doch gewiss<br />
kann man diese Karteikarteneinträge als Hinweis auf beson<strong>der</strong>s abgeschottete Vorgänge<br />
und Informationen verstehen und somit als Ausdruck extremer Geheimhaltung innerhalb <strong>der</strong><br />
HV A.<br />
Wie bereits weiter oben im Zusammenhang mit Erich Mende erwähnt, deutet Helmut Müller-<br />
Enbergs diese Vermerke dahingehend, dass die HV A im Umfeld des betreffenden Abgeordneten<br />
„eine beson<strong>der</strong>s zu schützende Person“ führte, die eine „persönlich-stabile Verbindung“ zu dem<br />
Abgeordneten unterhielt. Die Informationen, die die HV A von dieser Person erhielt, hätten „allein<br />
von <strong>der</strong> Leitung <strong>der</strong> HV A gelesen, aber nicht einmal innerhalb <strong>der</strong> HV A ausgewertet“ werden<br />
dürfen. Die Existenz dieser Vorgänge sei selbst innerhalb des <strong>MfS</strong> verheimlicht worden. 697<br />
Solche Einträge finden sich auf den Karteikarten zu Willy Brandt, Ludwig Erhard, Eugen Gerstenmaier,<br />
Heinrich Krone, Will Rasner, Hans Reif, Gerhard Schrö<strong>der</strong> (CDU), Hans-Christoph Seebohm<br />
und Franz Josef Strauß, <strong>der</strong>en Vorgänge alle von <strong>der</strong> Auswertungsabteilung <strong>der</strong> HV A geführt<br />
wurden. Ferner finden sich diese Einträge auf den Karteikarten zu Erich Mende, Franz<br />
Neumann, Carlo Schmid und Erwin Schoettle, und vermutlich auch zu Herbert Wehner. Die<br />
Vorgänge <strong>der</strong> fünf zuletzt Genannten wurden, soweit erkennbar, nicht von <strong>der</strong> Auswertungsabteilung<br />
<strong>der</strong> HV A geführt. 698<br />
Bemerkenswert ist <strong>der</strong> Deckname, den die HV A dem IMA-Vorgang zu Wehner verpasst hatte:<br />
„Wotan“. Denn die <strong>MfS</strong>-Hauptabteilung IX/11, die in den sechziger Jahren belastendes Material<br />
aus Wehners Emigrationszeit suchte, benutzte in ihren Akten ebenfalls den Decknamen „Wotan“<br />
für Wehner. 699 In diesen Unterlagen <strong>der</strong> Hauptabteilung IX/11 befindet sich auch ein Vermerk<br />
fend als Ministerpräsident Schleswig-Holsteins erfasst wurde. Siehe ebenda, Reg.-Nr. (Vorgangsnummer)<br />
5857.<br />
695 Der Wortlaut variiert je nach Karteikarte geringfügig; hier zitiert nach <strong>der</strong> Karteikarte F 16 zu Franz<br />
Josef Strauß, Reg.-Nr. XV/19816/60. Im Falle von Strauß wird als Vorgangsnummer des Dossiers angegeben<br />
„<strong>MfS</strong> 19816/60“. Da diese Art von Registrier- bzw. Vorgangsnummer erst 1960 eingeführt wurde,<br />
kann auch <strong>der</strong> gesamte, oben zitierte Eintrag frühestens 1960 erfolgt sein. In an<strong>der</strong>en Fällen wurde die<br />
alte Vorgangsnummer angegeben, sodass <strong>der</strong> Eintrag schon vor 1960 erfolgt sein kann, siehe beispielsweise<br />
die auf S. 194 zitierte Karteikarte zu Erich Mende.<br />
696 Hier zitiert nach <strong>der</strong> Karteikarte F 22, die sich auf Franz Josef Strauß bezieht, Reg.-Nr. XV/19816/60.<br />
697 Müller-Enbergs: Rosenholz. Eine Quellenkritik, 2007, S. 83.<br />
698 BStU, <strong>MfS</strong>, Bestand Rosenholz, Reg.-Nr. XV/13757/60 (Mende) bzw. Vorgangsnummer 737 (Neumann)<br />
5849 (Schmid), 768 (Schoettle). Zu Mende siehe auch S. 194. Teilweise ist die Angabe zur vorgangsführenden<br />
Abteilung schwer lesbar und eine sichere Zuordnung nicht möglich. Von <strong>der</strong> Karteikarte F 16<br />
zu Herbert Wehner liegt im BStU-Archiv nur eine Verfilmung <strong>der</strong> Karteikartenvor<strong>der</strong>seite vor. Darauf<br />
findet sich wie auf den an<strong>der</strong>en Karteikarten dieser Gruppe <strong>der</strong> Hinweis „Achtung b.w.“, was auf einen<br />
Eintrag auf <strong>der</strong> Rückseite hindeutet. Die Nummer des Vorgangs, 5847, steht in einer Reihe mit den<br />
Nummern <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Vorgänge, zu denen keine Auskunft erteilt werden sollte. Das spricht ebenfalls<br />
dafür, dass auch Wehner in dieser Kategorie erfasst war. Aber <strong>der</strong> konkrete Eintrag liegt nicht vor, auch<br />
nicht auf <strong>der</strong> überlieferten Vor<strong>der</strong>seite <strong>der</strong> Karteikarte F 22. Die Vorgangsnummer 5847 wurde 1960<br />
auf XV/13840/60 umgestellt. Siehe auch unten, Anm. 710. Die Aktenvorgänge zu Mende und Wehner<br />
wurden als IMA-Vorgänge archiviert, während für die Karteikarten F 16 zu Neumann, Schmid und<br />
Schoettle keine Karteikarte F 22 vorliegt, die Rückschlüsse auf die Vorgangsart zulässt.<br />
699 Die <strong>MfS</strong>-Hauptabteilung IX/11 stellte in 56 Aktenbänden Material über Wehner zusammen. BStU, <strong>MfS</strong>,<br />
HA IX/11, AS 95/65. Darunter befanden sich neben Dokumenten aus Wehners Emigration auch Zeu-<br />
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