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(MfS) der DDR - Deutscher Bundestag

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vember 1974 legte die HV A zu ihm den IMA-Vorgang „Havel“ an. Im Jahr darauf wurden Herta<br />

Däubler-Gmelin und eine Person aus ihrem Umfeld zu dem IMA-Vorgang „Havel“ hinzuregistriert.<br />

Weitere Personen erfasste die HV A in diesem Vorgang nicht. 592 Die Karteikartenüberlieferung<br />

legt die Schlussfolgerung nahe, dass Seiffert vorrangig Herta Däubler-Gemlin ausspionieren<br />

und abschöpfen sollte. Der IMA-Vorgang „Havel“ wurde 1987 archiviert.<br />

Im Falle Seifferts sind einige Akten erhalten geblieben. Demnach erwies sich <strong>der</strong> Vorgang<br />

„Havel“ als Misserfolg. Die HV A hatte spätestens 1977 damit begonnen, Seiffert wegen seiner<br />

eigenwilligen Ansichten und Verhaltensweisen von einer an<strong>der</strong>en <strong>MfS</strong>-Abteilung überprüfen zu<br />

lassen. Dabei stellte sich heraus, dass er zwischen 1975 und 1977 insgesamt 217-mal in westliche<br />

Län<strong>der</strong> ausreiste, überwiegend in die Bundesrepublik und nach Westberlin. Dort nahm er an<br />

wissenschaftlichen Veranstaltungen teil, schien aber auch mit <strong>der</strong> Redaktion des Spiegel in Verbindung<br />

zu stehen. Viele dieser Reisen waren mit <strong>der</strong> HV A nicht abgesprochen. 593 Seiffert selbst<br />

schreibt in seinen Erinnerungen von rund 400 Auslandsreisen, die er in <strong>der</strong> ersten Hälfte <strong>der</strong><br />

siebziger Jahre unternommen habe. Herta Däubler-Gmelin erwähnt er überhaupt nicht. 594 Insgesamt<br />

begegnete er ihr zwei- o<strong>der</strong> dreimal. 595 Ganz offenkundig wi<strong>der</strong>spiegeln die „Rosenholz“-<br />

Karteikarten die West-Kontakte Seifferts unvollständig. Außerdem geht aus ihnen nicht hervor,<br />

dass <strong>der</strong> Vorgang „Havel“ 1977 faktisch zu einem Überwachungsvorgang mutierte. Spätestens<br />

nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik 1978 war Seiffert nicht mehr für die HV A tätig, und<br />

politisch orientierte er sich zunehmend in eine konservative Richtung. Kontakte zu Herta Däubler-Gmelin<br />

hatte er nicht mehr.<br />

Die SIRA-Daten reflektieren diese Entwicklung. Sie verzeichnen insgesamt 14 Berichte, die die<br />

HV A von Seiffert bezog. Davon behandelten neun die innerparteiliche Situation <strong>der</strong> Bundes-<br />

SPD und hierbei vorrangig die Lage des linken Parteiflügels, zu dem auch Herta Däubler-Gmelin<br />

zählte. 596 Offenbar interessierte sich die HV A vorrangig für Seifferts Kenntnisse aus diesem Bereich,<br />

während sie seine Verbindungen in die bundesdeutsche Wissenschaft nicht geheimdienstlich<br />

zu nutzen versuchte. Diese Zielstellung <strong>der</strong> HV A kann am ehesten erklären, warum unter<br />

den vielen bundesdeutschen Bekannten Seifferts gerade Herta Däubler-Gmelin zu dem Vorgang<br />

„Havel“ hinzuregistriert wurde.<br />

Die 14 Berichte Seifferts gingen ausschließlich in den Jahren 1975 bis 1977 bei <strong>der</strong> HV A ein<br />

und wurden fast durchgängig als durchschnittlich wertvoll (Note 3) eingeschätzt. Aus Sicht <strong>der</strong><br />

HV A sank jedoch Seifferts Glaubwürdigkeit 1977 erheblich. 597 Konsequenterweise verzichtete<br />

sie nach 1977 darauf, ihn weiterhin als Quelle zu nutzen. Hätte man nur die „Rosenholz“-<br />

1.12.1977 hervorgeht. BStU, <strong>MfS</strong>, GH 65/88, Bd. 3, Bl. 292. In seinen Erinnerungen schreibt Seiffert<br />

nichts über seine HVA-Verbindungen. Er erwähnt nur, dass er in den 1980er Jahren im Westen vom<br />

<strong>MfS</strong> überwacht wurde. Seiffert: Selbstbestimmt, 2006, S. 133.<br />

592 BStU, <strong>MfS</strong>, Bestand Rosenholz, Reg.-Nr. XV/2477/74. Das Erfassungsdatum auf <strong>der</strong> Karteikarte zu Herta<br />

Däubler-Gmelin ist nicht eindeutig zu erkennen. Herta Däubler-Gmelin war 1972 zunächst im Sicherungsvorgang<br />

„Teleskop“ erfasst worden. Siehe hierzu Anm. 390.<br />

593 <strong>MfS</strong>-Auskunftsbericht, 1.12.1977; BStU, <strong>MfS</strong>, GH 65/88, Bd. 3, Bl. 292 f. Die Überprüfung wurde von <strong>der</strong><br />

<strong>MfS</strong>-Hauptabteilung XX vorgenommen.<br />

594 Seiffert: Selbstbestimmt, 2006, S. 104.<br />

595 Telefonische Auskunft von Herta Däubler-Gmelin an den BStU-Mitarbeiter Georg Herbstritt am<br />

7.12.2011.<br />

596 BStU, <strong>MfS</strong>, HV A/MD/3, SIRA-TDB 12, Recherche zu Reg.-Nr. XV/2477/74. Die restlichen 5 Berichte<br />

behandelten außenpolitische Themen. Ein verschrifteter Bericht <strong>der</strong> Quelle „Havel“ über die SPD-<br />

Linke vom 4.8.1977 liegt vollständig vor in: BStU, <strong>MfS</strong>, HA XX, 11446, Bl. 247–254.<br />

597 In <strong>der</strong> HVA-internen Zuverlässigkeitsskala, die von „A“ = „zuverlässig“ über „B“ = „vertrauenswürdig“,<br />

„C“ = „nicht überprüft“, „D“ = „fragwürdig“ bis zu „E“ = „Doppelagent“ reichte, wurde Seiffert 1975 und<br />

1976 als „A“ eingestuft, 1977 jedoch auf „C“ herabgestuft. Das bedeutet, dass die HV A ihm deutlich<br />

misstraute. Zu dieser Entwicklung passt die Eintragung auf <strong>der</strong> Karteikarte F 22, wonach zwar 1975 die<br />

Bände 2 bis 4 von Seifferts Berichtsakte angelegt wurden, danach aber kein weiterer Berichtsband<br />

mehr folgte. Vgl. BStU, <strong>MfS</strong>, Bestand Rosenholz, Reg.-Nr. XV/2477/74. Der Zuverlässigkeitsgrad wurde<br />

von <strong>der</strong> HV A in <strong>der</strong> Regel bei je<strong>der</strong> SIRA-Eingangsinformation vermerkt. Die HVA-interne Zuverlässigkeitsskala<br />

ist vorhanden in: Dienstanweisung Nr. HV A 1/88 (wie Anm. 313), Bl. 12.<br />

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