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(MfS) der DDR - Deutscher Bundestag

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Im Archiv des BStU sind außerdem rund 1 700 Statistikbögen aus dem Jahr 1988 überliefert,<br />

die die HV A zusammengestellt hatte. Ein Statistikbogen fasst verschiedene Angaben zu einem<br />

IM o<strong>der</strong> einer Kontaktperson zusammen. Er führt zwar nicht den Klarnamen des IM o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Kontaktperson an, aber Decknamen, Registriernummer und Charakterisierungen wie Motiv zur<br />

Zusammenarbeit, Geburtsjahr, Wohnort, Beruf, Arbeitsstelle und an<strong>der</strong>es. Die Registriernummer<br />

des Statistikbogens korrespondiert mit denen <strong>der</strong> Karteikarten F 16/F 22. Durch Kombination<br />

aller drei Teile ist es zumeist möglich, recht eindeutige Hinweise auf die Identität eines IM zu<br />

bekommen. Die überlieferten Statistikbögen beziehen sich im Wesentlichen nur auf diejenigen<br />

Bundesbürger, die 1988 bei <strong>der</strong> HV A als IM o<strong>der</strong> Kontaktperson geführt wurden.<br />

Zu den Beson<strong>der</strong>heiten von „Rosenholz“ zählt die Überlieferungsgeschichte. Ursprünglich<br />

waren die Karteien Bestandteil <strong>der</strong> <strong>MfS</strong>- bzw. HVA-Registratur und wurden 1990 beseitigt. Auf<br />

bislang ungeklärtem Wege gelangte <strong>der</strong> amerikanische Geheimdienst CIA an Mikrofilme <strong>der</strong><br />

Karteien. Das Bundesamt für Verfassungsschutz konnte in den USA seit 1993 Abschriften anfertigen.<br />

Das Archiv des BStU erhielt zwischen 1999 und 2003 elektronische Faksimiles <strong>der</strong> „Rosenholz“-Unterlagen,<br />

sofern die Karteien zu deutschen Staatsbürgern angelegt waren. Seit 2003 kann<br />

diese Überlieferung beim BStU wie an<strong>der</strong>e Archivbestände genutzt werden.<br />

Bei „Rosenholz“ handelt es sich we<strong>der</strong> um eine Agentenkartei, noch um Akten <strong>der</strong> HV A, son<strong>der</strong>n<br />

nur um ein „Findhilfsmittel“, wie es Helmut Müller-Enbergs zutreffend charakterisiert hat. 489<br />

Dieses Findhilfsmittel ermöglichte den HVA-Mitarbeitern einen systematischen Zugriff auf die<br />

aktuellen und archivierten Aktenvorgänge, also auf die vorhandenen Unterlagen bei <strong>der</strong> HV A<br />

o<strong>der</strong> auch bei an<strong>der</strong>en <strong>MfS</strong>-Diensteinheiten. In diesen Akten waren alle relevanten Dokumente<br />

zu dem jeweiligen Vorgang enthalten. Doch da die HVA-Unterlagen 1990 größtenteils beseitigt<br />

wurden, steht das Findhilfsmittel heute weitgehend ohne die dazugehörigen Akten da. Wie noch<br />

zu zeigen sein wird, können an<strong>der</strong>e Archivüberlieferungen (SIRA-Datenbank, <strong>MfS</strong>-Akten mit<br />

HVA-Bezug) einige Lücken füllen, aber die Aktenvernichtung von 1990 nicht kompensieren o<strong>der</strong><br />

die nicht mehr vorhandenen Akten ersetzen.<br />

Diese Situation erfor<strong>der</strong>t einen beson<strong>der</strong>s sorgfältigen Umgang mit den „Rosenholz“-<br />

Unterlagen und eine beson<strong>der</strong>s umsichtige Quellenkritik. Im Hinblick auf einzelne Abgeordnete<br />

des Deutschen <strong>Bundestag</strong>es lassen die „Rosenholz“-Unterlagen mitunter keine eindeutigen Aussagen<br />

zu, son<strong>der</strong>n bieten einen gewissen Raum für Interpretationen. Diese vermeintliche Unsicherheit<br />

liegt nicht darin begründet, dass die HVA-Unterlagen ungenau o<strong>der</strong> unzuverlässig wären.<br />

Das sind sie nicht. Es handelt sich bei „Rosenholz“ um eine Archivüberlieferung, die wie jede<br />

Archivüberlieferung den üblichen Fragen <strong>der</strong> Quellenkritik zu unterziehen ist. Dazu gehören<br />

Fragen nach Urheber, Adressat, Zweck, Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte <strong>der</strong> Unterlagen.<br />

490<br />

Das spezifische Problem mit den „Rosenholz“-Unterlagen besteht darin, dass sie gelegentlich<br />

mit überhöhten Erwartungen für Fragestellungen herangezogen werden, zu denen sie nur in<br />

begrenztem Umfang Antworten geben können. Gelegentlich wird erwartet, dass die „Rosenholz“-Karteien<br />

einen Ersatz für die vernichteten HVA-Akten bieten. Das können sie nicht leisten.<br />

Gleichwohl enthalten die „Rosenholz“-Unterlagen eine Fülle an Daten zu Personen, HVA-<br />

Strukturen und zur Aktenführung. Da die Karteikarteneinträge bestimmten Regeln und normativen<br />

Grundlagen folgten, bilden sich darin die Arbeitslogik, die Struktur und die Spionageaktivi-<br />

489 Müller-Enbergs, Helmut: Kleine Geschichte zum Findhilfsmittel namens Rosenholz. In: Deutschland<br />

Archiv 36(2003)5, S. 751–761.<br />

490 Ausführlich hierzu Müller-Enbergs: Rosenholz. Eine Quellenkritik, 2007; Fiebig-Weng, Sabine: Die<br />

Rosenholz-Dateien im Archiv des Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen (= FH Potsdam, Diplomarbeit).<br />

Potsdam 2011. In den Ermittlungsverfahren <strong>der</strong> 1990er Jahre erwiesen sich die Rosenholz-<br />

Unterlagen als weitgehend zutreffend, wie <strong>der</strong> damalige Bundesanwalt Joachim Lampe bestätigt: Lampe,<br />

Joachim: Juristische Aufarbeitung <strong>der</strong> Westspionage des <strong>MfS</strong>. Eine vorläufige Bilanz. Hg. BStU. 3.,<br />

durchges. Aufl., Berlin 2002, S. 12 f. Lampe schreibt an dieser Stelle, Rosenholz habe sich „in keinem<br />

Falle [...] als unzuverlässig erwiesen, wobei zu beachten ist, dass <strong>der</strong> Begriff Quelle aus dem Verständnis<br />

des <strong>MfS</strong> verwendet wurde. Namentlich im subjektiven Tatbereich besagt die Kategorisierung nicht<br />

viel.“ Zum Begriff „Quelle“ siehe Anm 551.<br />

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