(MfS) der DDR - Deutscher Bundestag
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le. 7 Hinlänglich bekannt ist die Agententätigkeit des SPD-Abgeordneten Alfred Frenzel für den<br />
tschechoslowakischen Geheimdienst von 1956 bis 1960. Mit Walter Vesper, KPD-Abgeordneter<br />
von 1949 bis 1951/52, saß außerdem ein wichtiger Funktionär des KPD/SED-Nachrichtendienstes<br />
– eines faktischen Vorläufers <strong>der</strong> HV A – im <strong>Bundestag</strong>.<br />
Die „Rosenholz“-Daten über weitere elf Abgeordnete werden im vorliegenden Gutachten als<br />
„problematisch“ eingestuft. 8 Die Karteikarten deuten in diesen Fällen darauf hin, dass die HV A<br />
von den Betreffenden über einen längeren Zeitraum Informationen bekam. Doch es bleiben, in<br />
Ermangelung zusätzlicher Dokumente, mehr o<strong>der</strong> weniger erhebliche Zweifel, ob hier eine bewusste<br />
Zusammenarbeit mit dem <strong>DDR</strong>-Geheimdienst erfolgte. Grundsätzlich ist nicht auszuschließen,<br />
dass in dem einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Fall noch weitere Archivunterlagen aufgefunden<br />
werden, die dann zur Klärung beitragen. Immerhin lagern in den Archiven des BStU noch über<br />
90 Säcke mit zerrissenen Unterlagen <strong>der</strong> <strong>MfS</strong>-Auslandsspionage, die in den kommenden Jahren<br />
computergestützt rekonstruiert werden sollen. 9<br />
Indem die gegebene Überlieferungslage im Archiv dargestellt wird, legt das Gutachten den Leserinnen<br />
und Lesern auch offene Fragen vor und thematisiert fortbestehende Unsicherheiten im<br />
Umgang mit einzelnen „Rosenholz“-Daten. Die offenen Fragen und Unsicherheiten ergeben sich<br />
vor allem aus dem Umstand, dass die HV A ihr Archiv 1990 fast vollständig vernichtete. Die „Rosenholz“-Daten<br />
schließen diese elementare Überlieferungslücke nicht. Ihnen kommt heute, ähnlich<br />
wie den SIRA-Daten, dennoch große Bedeutung zu, weil sie trotz dürftiger Aktenlage immerhin<br />
gewisse Einblicke in das Agentennetz sowie in die Strukturen <strong>der</strong> HV A ermöglichen.<br />
Doch die archivische Betrachtung überlieferter Fragmente genügt oftmals nicht, um daraus weiterführende,<br />
gesicherte Tatsachenbehauptungen abzuleiten.<br />
Das Gutachten enthält also keine abschließende statistische Angabe darüber, wie viele Abgeordnete<br />
zwischen 1949 und 1989 als IM für den <strong>DDR</strong>-Geheimdienst arbeiteten. Es steckt mit dem<br />
zuvor Dargelegten aber den Rahmen ab. Eine „Stasi-Fraktion“ hat es im <strong>Bundestag</strong> zu keinem<br />
Zeitpunkt gegeben. Gleichwohl arbeiteten zwischen 1949 und 1985 fast durchgängig ein o<strong>der</strong><br />
mehrere <strong>Bundestag</strong>sabgeordnete als inoffizielle Mitarbeiter für die HV A o<strong>der</strong> ihre Vorläufer. Das<br />
bedeutet indes nicht zwangsläufig, dass sie sich von <strong>der</strong> HV A beliebig steuern ließen. Unabhängig<br />
von den konkreten Folgen ihrer geheimdienstlichen Anbindung handelte es sich in jedem<br />
Fall um einen Vertrauensbruch gegenüber Parlamentskolleginnen und -kollegen sowie gegenüber<br />
den Wählerinnen und Wählern.<br />
Die Analyse <strong>der</strong> „Rosenholz“-Daten und ergänzen<strong>der</strong> <strong>MfS</strong>-Akten zeigt außerdem, dass das<br />
<strong>MfS</strong> im gesamten Zeitraum <strong>der</strong> deutschen Teilung große Anstrengungen unternahm, um nachrichtendienstliche<br />
Kontakte zu <strong>Bundestag</strong>sabgeordneten anzubahnen. Das Gutachten geht darauf<br />
ausführlich ein. Parlamentarier bildeten eine jener Personengruppen, unter denen das <strong>MfS</strong><br />
gezielt Quellen (IM, Kontaktpersonen) zu rekrutieren versuchte. Die Methoden <strong>der</strong> versuchten<br />
o<strong>der</strong> erfolgten Kontaktaufnahme waren vielfältig und zugleich banal. Das <strong>MfS</strong> instrumentalisierte<br />
die Beziehungen zahlreicher Abgeordneter zu ihren Verwandten in <strong>der</strong> <strong>DDR</strong>, es benutzte alte<br />
politische Freundschaften o<strong>der</strong> Bekanntschaften aus <strong>der</strong> Arbeiterbewegung o<strong>der</strong> dem Wi<strong>der</strong>stand<br />
gegen den Nationalsozialismus, es versuchte politische Gespräche in vertrauliche Informationskanäle<br />
umzufunktionieren, o<strong>der</strong> es bot materielle Vergünstigungen. Die allermeisten Kontaktanbahnungsversuche<br />
misslangen.<br />
Als vierten Punkt (Kapitel C. 3.) geht das Gutachten <strong>der</strong> Frage nach, in welchem Umfang eine<br />
aktive Einflussnahme des <strong>MfS</strong> auf den Deutschen <strong>Bundestag</strong> feststellbar ist. Das vom <strong>MfS</strong> mani-<br />
7 Siehe unten, S. 235 ff.<br />
8 Siehe unten, Kap. C. 2.6.8., S. 225–235<br />
9 Es handelt sich hierbei ausschließlich um Unterlagen <strong>der</strong> regionalen HVA-Nie<strong>der</strong>lassungen in den<br />
<strong>MfS</strong>-Bezirksverwaltungen Magdeburg (43 Säcke), Gera (26 Säcke), Leipzig (22 Säcke) und Neubrandenburg<br />
(5 Säcke). Die HVA-Nie<strong>der</strong>lassungen in den <strong>MfS</strong>-Bezirksverwaltungen firmierten dort als „Abteilung<br />
XV“. Bei <strong>der</strong> computergestützten Rekonstruktion wird ein digitales Abbild je<strong>der</strong> einzelnen Seite<br />
erstellt, aber nicht das papierene Original wie<strong>der</strong> zusammengeklebt. Die Akte eines bundesdeutschen<br />
IM, <strong>der</strong> führende SPD-Politiker in Nie<strong>der</strong>sachsen ausspionierte, wurde vor einiger Zeit von Hand zusammengefügt;<br />
siehe hierzu Anm. 396.<br />
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