Biochemie
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Pädagogische Hochschule Chemie<br />
St. Gallen<br />
<strong>Biochemie</strong><br />
"Die Perfektion und das Gleichgewicht der von Jahrmillionen<br />
geschliffenen Natur sind ihre weiseste Lehre an den Menschen."<br />
Prof. Dr. Peter Bützer<br />
Altstätten, Dezember 2008<br />
(César Manrique, spanischer Architekt und Künstler)
Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 2<br />
Inhalt<br />
1 Energie und Reaktionsabläufe .........................................................................................3<br />
1.1 Energie .....................................................................................................................3<br />
1.2 Reaktionsablauf........................................................................................................7<br />
1.3 Mikro ist einfach ein kleines Makro?.........................................................................8<br />
1.4 Biochemische Prozesse als System.......................................................................10<br />
1.4.1 Der Regelkreis ................................................................................................10<br />
1.4.2 Der Regler ......................................................................................................12<br />
1.4.3 Regulation des Stoffwechsels.........................................................................14<br />
1.4.4 Steuerung durch Enzyme ...............................................................................14<br />
1.4.5 Endprodukthemmung .....................................................................................16<br />
1.4.6 Die Regulation des Grundumsatzes ...............................................................19<br />
1.4.7 Der biochemische Prozess der Blutzuckerregelung .......................................21<br />
1.5 Metabolismus als Netzwerk....................................................................................25<br />
1.5.1 Stabilität von Netzwerken ...............................................................................30<br />
1.5.2 Folgerungen für Massnahmen........................................................................32<br />
1.6 Stoffgruppen ...........................................................................................................34<br />
1.7 Empfindungen als biochemische Wirkungen..........................................................36<br />
2 Aminosäuren, Peptide, Proteine.....................................................................................38<br />
2.1 Aminosäuren ..........................................................................................................38<br />
2.1.1 Aufbau ............................................................................................................38<br />
2.1.2 Pufferwirkung..................................................................................................38<br />
2.1.3 Stereochemie der Aminosäuren (Chiralität)....................................................40<br />
2.1.4 Besonderheiten einiger AMCS .......................................................................41<br />
2.1.5 Stoffwechsel von Aminosäuren ......................................................................44<br />
2.1.6 Reaktionen von AMCS ...................................................................................65<br />
2.1.7 Polypeptide .....................................................................................................68<br />
2.1.8 Ein Süssstoff aus Aminosäuren......................................................................69<br />
2.1.9 Die chemischen Waffen der Natur..................................................................70<br />
2.1.10 Antibiotika .......................................................................................................70<br />
2.1.11 Unsere Abwehr von Mikroorganismen............................................................73<br />
2.1.12 Peptide als Gifte .............................................................................................74<br />
2.1.13 Peptide als Hormone ......................................................................................76<br />
2.2 Proteine (MM > 10’000 g/mol) ................................................................................78<br />
2.2.1 Strukturen bei Proteinen .................................................................................78<br />
2.2.2 Strukturen in der Literatur als Vergleich..........................................................79<br />
2.2.3 Primärstruktur .................................................................................................80<br />
2.2.4 Sekundärstruktur ............................................................................................80<br />
2.2.5 Tertiärstruktur .................................................................................................82<br />
2.2.6 Quartärstruktur................................................................................................83<br />
2.2.7 Beispiele .........................................................................................................85<br />
2.3 Enzyme...................................................................................................................92<br />
2.3.1 Entdeckung und Wesen der Enzyme .............................................................92<br />
2.3.2 Eigenschaften der Enzyme.............................................................................94<br />
2.3.3 Messung der Enzymaktivität...........................................................................97<br />
2.3.4 Umkehrbarkeit der Enzymwirkung................................................................101<br />
2.3.5 Klassifizierung der Enzyme ..........................................................................102<br />
2.3.6 Funktionen der Enzyme................................................................................103<br />
2.3.7 Ein Modell der Enzymwirkung ......................................................................106<br />
2.3.8 Hemmung von Enzymen ..............................................................................108<br />
3 Glossar: <strong>Biochemie</strong> ......................................................................................................115<br />
4. Stichwortverzeichnis.....................................................................................................128<br />
Titelbild: Stick and Ball Modell von Penicillin G mit den Elektronendichten als Hülle.<br />
Chemie, 6sm
Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 3<br />
1 Energie und Reaktionsabläufe<br />
<strong>Biochemie</strong> ist eine von Hoppe-Seyler 1877 geprägte Bezeichnung für das<br />
Grenzgebiet zwischen Chemie, Medizin und Biologie. Die <strong>Biochemie</strong> befasst sich mit<br />
dem Aufbau der Verbindungen und den Reaktionen von Lebensprozessen.<br />
1.1 Energie<br />
Energie, die treibende Kraft aller Reaktionen.<br />
Die für Arbeit verfügbare Energie einer chemischen Reaktion:<br />
G = H - TS; Gibbsche Energie<br />
G: Freie Reaktionsenthalpie, für Arbeit nutzbare Energie (J)<br />
H: Reaktionsenthalpie (heat) (J)<br />
T: Thermodynamische Temperatur (K)<br />
S: Reaktionsentropie (J/K))<br />
G = 0; „totes“, inaktives System (Eine Reaktion im Gleichgewicht kann keine Arbeit<br />
leisten).<br />
G = H - TS; zwei Extremfälle<br />
mechanisches System: H ist wichtig, S ist unwichtig<br />
Weltall: H ist unwichtig, S ist wichtig<br />
Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass es eine extensive<br />
Zustandsgrösse Entropie S gibt, die in einem abgeschlossenen System niemals<br />
abnimmt.<br />
Entropie (von griech.: entrepein = umkehren, Symbol S). Vom 2. Hauptsatz der<br />
Thermodynamik abgeleitete Zustandsfunktion, die nach Clausius ein Mass für den<br />
Ordnungszustand eines thermodynamischen Systems bzw. ein Mass für die<br />
Nichtumkehrbarkeit (Irreversibilität) eines Vorganges in einem abgeschlossenen<br />
System darstellt.<br />
Die Entropie kann auf zwei Arten zunehmen 1 :<br />
Durch Verteilen von Materie (z.B. beim Verdunsten)<br />
Durch Verteilen von Energie (z.B. wenn Wärme frei wird)<br />
Beispiele:<br />
Wenn die Energie bei endothermen Reaktionen konzentriert wird, muss sich die<br />
Materie stark verteilen (schmelzen von Eis, aufbrechen von Kristallgittern).<br />
Wenn die Materie, z.B. beim Kristallisieren konzentriert wird, muss sich dafür die<br />
Energie stark verteilen und die Reaktion muss exotherm sein.<br />
1 Koch K., Chemische Thermodynamik, Zentralkurs Chemie, Romanshorn, 2006<br />
Chemie, 6sm
Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 4<br />
Lebende Strukturen (selbstorganisierende Systeme Chaostheorie) bauen<br />
Ordnung auf (Gräser, Bäume, Tiere, Menschen), die Entropie nimmt dabei ab, dabei<br />
kann H>0 (endotherm) oder H
Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 5<br />
In unserem Beispiel der Mikrozustände wächst die Entropie durch ein immer<br />
grösseres, verfügbares Volumen damit entsteht eine immer grössere Unordnung.<br />
n<br />
n!<br />
Berechnung: <br />
m<br />
; Kombination von n Elementen zu je m, die sich nur<br />
m!(<br />
n m)!<br />
durch die Auswahl unterscheiden, bei denen es aber nicht auf die Reihenfolge<br />
ankommt.<br />
Entropie S: S = k ln(W);<br />
k ist die Gaskonstante pro Teilchen, also k = R/NA= 1,380658· 10 –23 J/K<br />
W: Zahl der Möglichkeiten zu einer bestimmten Situation zu gelangen (Anzahl<br />
Mikrozustände)<br />
R: allg. Gaskonstante R=8,31451 J mol -1 K -1<br />
NA: Avogadrokonstante NA = 6,022 x 10 23 mol -1<br />
In einem isolierten System (kein Austausch von Energie und Materie) kann die<br />
Ordnung gesamthaft niemals abnehmen. Das trifft nicht zu für ein geschlossenes<br />
(Austausch von Energie) oder gar ein offenes System (Austausch von Energie und<br />
Materie).<br />
Leben = Aufbau von Ordnung! (für die Organismen: S < 0, Selbstorganisation)<br />
Dafür braucht es Energie als G (Lösungen entmischen sich nie selbständig).<br />
Die Entropie kann in Organismen zu- und abnehmen Strukturen, Energiegewinnung).<br />
Beispiel 3 : Unsere Energiewährung ATP, Adenosin-5'-triphosphat<br />
Syntese ADP + P ATP durch die<br />
kleinen „Motoren“ ATP-Synthase<br />
(ca. 1000 Umdrehungen pro<br />
Sekunde!!! 4 )<br />
C6H12O6(s) + 6 O2(g) 6 CO2(g) +<br />
6 H2O(l); G° = -2870 kJ<br />
ADP + Pi ATP; G° = + 30,5<br />
kJ/mol<br />
HO<br />
O<br />
P O<br />
OH<br />
O<br />
P O<br />
OH<br />
O<br />
P O<br />
OH<br />
5'<br />
CH2<br />
O<br />
N<br />
N<br />
38 ADP + 38 Pi 38 ATP;<br />
G° = 38 x 30,5 kJ/mol = +1160 kJ;<br />
HO OH<br />
C6H12O6(s) + 6 O2 + 38 ADP(s) +<br />
38Pi(s) 6CO2(g) + 6 H2O(l) +<br />
38 ATP(s);<br />
Die Entropie nimmt gewaltig zu,<br />
weil aus Festkörpern Flüssigkeit<br />
und sogar Gas wird!<br />
(s g, gewaltige Änderung,<br />
S>>0 )<br />
Abbildung 2: ATP<br />
3<br />
Dickerson R.E., Geis I., Chemie – eine lebendige und anschauliche Einführung, Verlag Chemie,<br />
Weinheim, 1981, 309<br />
4<br />
Boyer Paul D., Walker John E., The Binding Change Mechanism (Nobelprize 1997),<br />
http://nobelprize.org/nobel_prizes/chemistry/laureates/1997/illpres/boyer_walker.html, 2007-<br />
04-25<br />
Chemie, 6sm<br />
NH2<br />
N<br />
N
Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 6<br />
Total: G° = -2870 + 1160 = -1710 kJ<br />
Vergleich mit der Alkoholgärung:<br />
C6H12O6(s) 2 C2H5OH(l) + 2 CO2(g); (stark<br />
vereinfachte Summengleichung)<br />
Gesamte Reaktion: H° = -82 kJ; S° = + 458 J/K<br />
(25°C) G° = H - TS<br />
= - 82 –298x458/1000<br />
= -82 – 136.5 = -218.5 kJ<br />
Der grösste Teil der treibenden Freien Energie ist<br />
bei der Alkoholgärung auf die Zunahme der<br />
Entropie, und nicht auf die Wärmeproduktion<br />
zurückzuführen!!<br />
Statt 38, werden nur 2 ATP-Moleküle synthetisiert.<br />
2 ADP + 2 Pi 2 ATP; G° = + 61 kJ<br />
Abbildung 3: Hefezelle 10’000x<br />
Bei den Hefezellen, einem Mikroorganismus, nimmt die Entropie ab, da sie mit der<br />
Energie der Gärung aufgebaut werden.<br />
Strategie:<br />
Die Lebewesen versuchen ein Maximum an Energie für ihren eigenen Stoffwechsel<br />
zu gewinnen.<br />
Chemie, 6sm
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Reaktionsablauf<br />
Energie<br />
direkte<br />
chemische<br />
Umsetzung<br />
bichemische<br />
Umsetzungen<br />
Reaktionsablauf<br />
Zeit<br />
Biochemische Reaktionen teilen einen<br />
Reaktionsschritt in viele kleine Teilschritte<br />
auf (physiologische Energiefreisetzungen)<br />
Chemisch: A X<br />
Biochemisch: A B C D E X<br />
Energie<br />
Abbau<br />
Synthese<br />
Reaktionsablauf<br />
Zeit<br />
Biochemische Reaktionen setzen pro<br />
Reaktionsschritt nur kleine Energiemengen<br />
um (kleine Leistungen pro Volumen, wegen<br />
der empfindlichen Gewebe).<br />
Abbildung 4: Vergleich einer direkten chemischen Umsetzung mit dem entsprechenden<br />
biochemischen Prozess<br />
Viele Teilreaktionen verlangen, dass<br />
die richtigen Reaktionen einander folgen (Reaktionsabfolge),<br />
die Prozesse spezifisch sind (Spezifität),<br />
die Prozesse genügend rasch sind (Reaktionsgeschwindigkeit).<br />
Strategie der Natur<br />
- eine räumliche Strukturierung (Kompartimentierung, Kanalisierung) und<br />
- sehr spezifische und hochwirksame Katalysatoren (Enzyme).<br />
- Enzyme und Rezeptoren in Regelsystemen (Rückkopplungen).<br />
Enzym<br />
A<br />
Enzym<br />
B<br />
Enzym<br />
C<br />
Enzym<br />
D<br />
Enzym<br />
E<br />
Abbildung 5: Erzwungene Reaktionsabfolge mit lokal hohen Konzentrationen<br />
Die meisten Enzyme (Katalysatoren) sind membrangebunden oder in<br />
Kompartimenten eingeschlossen. Die Folge davon ist:<br />
Dadurch wird eine zwangsläufige Sequenz (Stoffwechsel) erreicht.<br />
Die Konzentrationen der Edukte sind bei jedem Enzym lokal sehr hoch.<br />
Die Gesamtreaktionen sind ausserordentlich spezifisch und sehr rasch.<br />
Chemie, 6sm
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Die Temperaturen durch die schrittweise freiwerdende Energie relativ klein<br />
sind.<br />
Dass die kleinen Energieänderungen (ΔG) chemische Gleichgewichte<br />
ermöglichen.<br />
Diese Enzymketten für die Regelsysteme mit Endprodukthemmung<br />
besonders gut geeignet sind.<br />
Insgesamt wird erreicht, dass lokal keine sehr grossen Energien frei werden, die das<br />
empfindliche Gewebe und die Enzyme zerstören könnten, und anderseits, dass die<br />
Reaktionen auch bei relativ tiefen Temperaturen wegen der hohen Konzentrationen<br />
trotzdem noch "vernünftige" Geschwindigkeit aufweisen.<br />
Beispiel: Dies zeigt sich sehr gut bei der Atmung, wo ein Gleichgewicht zwischen<br />
Sauerstoffaufnahme und Kohlendioxidabgabe vorliegt, welches ohne grossen<br />
Energieaufwand verschoben werden kann (reversible Reaktion = umkehrbare<br />
Reaktion).<br />
Für Hämoglobin:<br />
Hb + O2 HbO2 Hb + O2<br />
Lunge Bluttransport Gewebe<br />
Spannend ist bei dieser Reaktion, dass das Eisen (Fe 2+ ) in der Häm-Guppe nicht<br />
irreversibel oxidiert wird!!<br />
Diese feine Steuerung der Reaktionen setzt ein konstantes Milieu (Ionenkonzentrationen,<br />
pH) voraus, welches im Meer recht gut verwirklicht ist. Bei der<br />
Entwicklung der Lebewesen, dem Schritt auf das Land, ist diese konstante<br />
Umgebung verloren gegangen.<br />
Ozean Flussänderungen Süsswasser Land<br />
Bei Landlebewesen mussten die inneren Organe diese Funktion übernommen<br />
werden, ein konstantes Milieu zu gewährleisten (Niere z. B.).<br />
1.2 Mikro ist einfach ein kleines Makro?<br />
Sind Zellen einfach kleine Kompartimente mit gleichen Prozessen, wie Reaktionen im<br />
Glaskolben? Ja und nein.<br />
1) Ja, denn die chemischen Reaktionen von Molekül/Ion zu Molekül/Ion laufen<br />
prinzipiell gleich ab.<br />
2) Nein, denn die chemischen Reaktionen laufen sicher unterschiedlich rasch<br />
und sind von der Umgebung viel stärker beeinflusst.<br />
Begründung:<br />
Der Schritt von der Makro- auf die Mikroebene verändert das Volumen zu<br />
Oberflächenverhältnis ganz entscheidend.<br />
Chemie, 6sm
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Beispiel Würfel:<br />
Kantenlänge 10 cm = 100'000 μm 1 μm<br />
Oberfläche 6•10 10 μm 2 6 μm 2<br />
Volumen 10 15 μm 3 1 μm 3<br />
Oberfläche/Volumen-Verhältnis 6•10 -5 6<br />
Im Makrosystem „sieht“ ein Molekül<br />
die Oberfläche ausserordentlich viel<br />
seltener als im Mikrosystem. Anders<br />
ausgedrückt, im Mikrosystem spielt<br />
die Oberfläche des Kompartiments<br />
eine bedeutend grössere Rolle, als<br />
im Makrosystem. Das hat<br />
verschiedene Folgen für kleine<br />
Systeme, wie die Zelle.<br />
1) Die Chemie der Oberflächenwand (Grenzflächenchemie) wird entscheidend<br />
Die Reaktivität der Ecken und Kanten steigt enorm an.<br />
2) Die Temperaturübertragung von der Reaktionslösung auf die Wand ist sehr<br />
effizient.<br />
3) Moleküle treffen sich alleine auf Grund der Diffusion sehr rasch (siehe: Die<br />
Synapse, eine chemische Schaltstelle).<br />
4) Die Kompartimentierung eines Gewebes in viele kleine Zellen führt hoher<br />
Spezifität, zu hohen Konzentrationen, kurzen Distanzen und in der Zelle und<br />
damit zu hohen Geschwindigkeiten Diffusion!<br />
Somit muss man davon ausgehen, dass die sich Reaktionsgeschwindigkeiten von<br />
Makro- und Mikrosystemen erheblich unterscheiden.<br />
Viele kleine Mikrosysteme, also ein Zellverband, unterscheiden sich ganz<br />
entscheidend von einem Reaktionssystem ohne Kompartimentierung in<br />
Reaktionsgeschwindigkeit und dem energetischen Verhalten 5 .<br />
Strategie der Natur<br />
Die Lebewesen können die Reaktionsgeschwindigkeiten und die Selektivität durch<br />
Kompartimentierung und mit Mikrostrukturen gewaltig erhöhen.<br />
Ein qualitativer Sprung von Gross zu Klein:<br />
Klein ist oft nicht bloss eine Verkleinerung von Grossem. Die Kapillarkräfte sind nur<br />
dort von Bedeutung, wo kleine Kanäle auftreten. Ein Stück Tuch mit naheliegenden<br />
Fasern kann Flüssigkeiten und gelöste Stoffe entgegen der Schwerkraft aufsteigen<br />
lassen – das können Strukturen mit grossen Zwischenräumen nicht.<br />
5 O’Discoll C., Small is bountiful, Chemistry World, January 2004, p.26<br />
Chemie, 6sm
Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 10<br />
Biochemische Prozesse als System<br />
Biochemische Prozesse zeichnen sich durch eine grosse Vernetzung der Prozesse<br />
(Komplexität) aus.<br />
Überall, wo es auf die genaue Einhaltung von Gleichgewichten (Homöostase) und<br />
Reaktionsbedingungen ankommt, ist es erforderlich den Prozess zu verfolgen,<br />
Abweichungen von einem geforderten Verhalten zu registrieren und in geeigneter Art<br />
und Weise auf diese Abweichungen zu reagieren, so dass sich der geforderte<br />
Zustand wieder einstellt. Zur Regelung müssen Signale gemessen werden, die das<br />
Systemverhalten beschreiben bzw. die Informationen über die herrschenden<br />
Zustände liefern (z.B. Konzentration, Wirkung, Temperatur, Druck, ...). Der Vergleich<br />
des aktuellen mit dem angestrebten Zustand, sowie die notwendigen Eingriffe<br />
können entweder von der Natur selbst, dem Menschen oder Geräten vorgenommen<br />
werden. In allen Fällen spricht man von Regelung.<br />
Regelung ist gekennzeichnet durch die drei Schritte: Messen - Vergleichen –<br />
Stellen.<br />
1.2.1 Der Regelkreis<br />
Ein Regelkreis dient dazu, eine vorgegebene Grösse (Regelgrösse x, z.B. eine<br />
bestimmte Konzentration, ein gewisses Potential etc.) auf einen gewünschten Wert<br />
(Sollwert w) zu bringen und dort zu halten.<br />
Störgrösse (z)<br />
(Wirkstoff)<br />
Stellsystem<br />
Synthese<br />
Stellgrösse<br />
(y)<br />
Steuergrösse<br />
(u)<br />
Abbildung 6: Prinzip eines Regelkreises<br />
Regelstrecke<br />
Wirkungsort<br />
Regler<br />
Soll-/Istvergleich<br />
Regelgrösse (x)<br />
(Konzentration)<br />
Messwert<br />
(m)<br />
Messsystem<br />
Sensor<br />
Sollwert (w)<br />
Um die gestellte Aufgabe zu erfüllen (x=w), muss der Wert der Regelgrösse (x) - die<br />
Istgrösse (Istwert) - gemessen werden Messwert (m). Dies geschieht durch<br />
einen Sensor (in der Technik: Messeinrichtung). Dieser wird mit einem Sollwert (w)<br />
verglichen. Tritt zwischen Soll- und Istwert der Regelgrösse eine Differenz auf (xw,<br />
Sollwertabweichung (e)), so muss dieser durch eine entsprechende Einflussnahme<br />
auf die Anlage entgegengewirkt werden. Die Grösse, die zu diesem Zweck geändert<br />
Chemie, 6sm
Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 11<br />
werden muss, heisst Stellgrösse (y) und kann eine beliebige physikalische oder<br />
chemische Grösse sein. Sie muss lediglich die Bedingung erfüllen, dass eine<br />
Änderung der Stellgrösse eine Änderung der Regelgrösse (x) nach sich ziehen<br />
muss. Der Regelkreis hat nun die Aufgabe die Abweichung zu verringern bzw. ganz<br />
zu beseitigen (Homöostase: die Natur versucht das alte Gleichgewicht wieder zu<br />
finden). Das entsprechende Glied im Regelkreis, wird als Stellsystem bezeichnet<br />
(also der Ort, der die Synthese steuert, z.B. DNA, Proteinsynthese, Hormonsynthese<br />
etc). Das Stellsystem besteht aus dem Stellantrieb und dem Stellglied.<br />
Ein Regelvorgang wird entweder durch Änderung der Sollgrösse (z.B. Krankheit)<br />
oder durch Auftreten einer Störung ausgelöst. Eine Störung kann z.B. eine<br />
plötzliche Änderung der Konzentration, der Umgebungstemperatur oder eines<br />
Volumenstromes sein. Die Grösse, welche die Störung verursacht, wird als<br />
Störgrösse (z) bezeichnet. Jede Änderung der Störgrösse bewirkt eine Änderung<br />
des Istwertes der Regelgrösse. Würde sich die Störgrösse nicht ändern und wäre<br />
keine Änderung des Sollwertes erwünscht, so würde ein einmal in den Sollzustand<br />
gebrachtes System in diesem Zustand verharren. Es wäre keine weitere Änderung<br />
notwendig.<br />
Ein Glied, das den Vergleich zwischen Ist- und Sollwert durchführt und letztendlich<br />
den Wert für das Stellsystem (Steuergrösse u=u(t)) vorgibt, wird als Regler<br />
bezeichnet.<br />
Beispiel: Temperaturregulation des Körpers<br />
Führungsgrösse: Körpertemperatur ca. 37°C (36.4 – 37.2 °C)<br />
Fühler, Regler, Stellglied: Hypothalamus (Thermostat der Körpertemperatur)<br />
Regelgrösse: Stoffwechsel<br />
Störgrösse: Körperliche Aktivität, Bekleidung, Umgebungstemperatur,<br />
Entzündungen<br />
Schematische Darstellung<br />
Ein vereinfachtes Blockschaltbild eines Regelkreises, wie es oft in der<br />
Regelungstechnik verwendet wird, ist in Abb. 2 dargestellt.<br />
w<br />
e<br />
Regler<br />
Abbildung 7: Schematische Darstellung eines Regelkreises<br />
Chemie, 6sm<br />
y<br />
Regelstrecke<br />
Wirkungsort<br />
x<br />
x<br />
z
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Stellgrösse Regelgrösse<br />
Abbildung 8: Prinzip eines Regelsystems<br />
Rückkopplung<br />
Führungsgrösse<br />
Sollgrösse<br />
Regelsysteme:<br />
Alle chemischen und biochemischen Prozesse können mit Regelsystemen und<br />
Regelkreisen beschrieben werden (positive/negative Rückkopplungen,<br />
Gleichgewichte) Systemdynamik<br />
1.2.2 Der Regler<br />
Ein Regler verändert das zeitliche Verhalten der Sollwertabweichung e(t) in<br />
geeigneter Weise derart, dass der Regelkreis insgesamt das geforderte Verhalten<br />
zeigt. Der Regler beginnt an der Messstelle und endet am Stellsystem. Damit gehört<br />
die Vergleichsstelle, welche die Differenz zwischen Ist- und Sollwert bildet (w-x),<br />
sowie der Antrieb des Stellgliedes ebenfalls zum Regler.<br />
Ein Regelkreis besteht aus den beiden Hauptteilen Regelstrecke und Regler.<br />
Die Regelstrecke<br />
Die Regelstrecke ist der Teil der Anlage, der vom Regler beeinflusst wird (z.B. die<br />
Neurotransmitter-, Hormon- oder Proteinsynthese). Die Regelstrecke beginnt am<br />
Stellort (die Stelle, an der das Stellglied in die Wirkungskette einwirkt) und endet am<br />
Messort (die Stelle, an der die Regelgrösse gemessen wird). Das Stellglied (in der<br />
<strong>Biochemie</strong> die Substanzproduktion) zählt zur Regelstrecke.<br />
Regelstrecken werden nach ihrem Zeitverhalten beurteilt – wie rasch reagiert das<br />
System. Um die Kenngrössen einer Regelstrecke zu bestimmen (Verstärkungsfaktor,<br />
Zeitkonstanten), wird das betrachtete System mit einem definierten Eingangssignal<br />
(y=y(t), z.B. einmalige Zufuhr einer Dosis) beaufschlagt und das Ausgangssignal als<br />
Funktion der Zeit aufgenommen (Sprungantwort, zeitlicher Verlauf des Effekts).<br />
Chemie, 6sm
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Simulation<br />
Regler<br />
k Steuergrösse<br />
Istwert<br />
Sollwert<br />
Simulationsmodell<br />
k=0.1, Istwert =0, Sollwert =2<br />
Regler: k * (Sollwert- Istwert)<br />
Abbildung 9: Simulation eines einfachen Reglers<br />
Beispiele für Rückkopplungen<br />
Exotherme Reaktion<br />
Reaktions-<br />
Geschwindigkeit<br />
steigt<br />
2<br />
1.5<br />
1<br />
0.5<br />
0<br />
Istwert<br />
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />
Time (Second)<br />
Istwert : Current mmol<br />
Zeitdiagramm: Abszisse: Zeit, Ordinate: Istwert<br />
Der Istwert strebt einem Gleichgewicht zu negative Rückkopplung<br />
Stabilisierung<br />
Temperatur<br />
wird höher<br />
Positive Rückkopplung<br />
Abszisse: Zeit<br />
Ordinate: Temperatur<br />
Positive Rückkopplungen treten bei<br />
allen exothermen Reaktionen auf.<br />
Diese Rückkopplung zeigt ein<br />
exponentielles Verhalten (exponentieller<br />
Anstieg).<br />
Algen bilden<br />
wenig DMS<br />
wenig<br />
Sonnenlicht<br />
Zunahme der<br />
Wolkenbildung<br />
wenig Keime<br />
für Wolkenbildung<br />
Abbildung 10: Beispiele positiver und negativer Rückkopplung<br />
Chemie, 6sm<br />
DMS: CH3-S-CH3<br />
Abnahme der<br />
Wolkenbildung<br />
viel<br />
Sonnenlicht<br />
viel Keime<br />
für Wolkenbildung<br />
Negative Rückkopplung<br />
Algen bilden<br />
viel DMS<br />
Wolkenbildung durch DMS (Dimethylsulfid, von<br />
Algen mit Sonnenlicht produziert) nach James<br />
Lovelock.<br />
Negative Rückkopplungen führen zu stabilen Systemen.<br />
Diese Art der Rückkopplung strebt einem<br />
Gleichgewichtszustand zu (siehe oben).
Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 14<br />
1.2.3 Regulation des Stoffwechsels<br />
-<br />
E1 E2<br />
E3 E4<br />
A B C D E<br />
Stoffwechselkette: A E1 B E2 C E3 D E4 E<br />
Wichtig: Substrat und Enzym sind in einem dynamischen Gleichgewicht.<br />
Aus dem Ausgangsstoff A wird über drei Zwischenprodukte B, C und D das<br />
Endprodukt E synthetisiert. Man nennt das eine sogenannte Stoffwechselkette, die<br />
hier von vier Enzymen E1, E2, E3 und E4 katalysiert wird. Da sich das Endprodukt E in<br />
seiner Struktur erheblich vom Ausgangsstoff A unterscheidet, sind mehrere Enzyme<br />
und mehrere Zwischenschritte für die Synthese von E notwendig sind. Wenn nun<br />
genug Endprodukt E hergestellt ist, sollte die Zelle dessen Herstellung einstellen.<br />
Erstens könnte eine zu hohe Konzentration des Endproduktes E für die Zelle<br />
schädlich sein, zweitens verbraucht die Synthese Energie und Rohstoffe, die man an<br />
anderer Stelle sinnvoller nutzen könnte. Wie lässt sich eine Stoffwechselkette<br />
regeln? Ganz einfach könnte das letzte Enzym E4 gehemmt werden, dann würde<br />
kein Endprodukt mehr gebildet. Der Nachteil dieses Verfahrens wäre, dass weiterhin<br />
A abgebaut wird und die Zwischenprodukte B, C und D entstehen. Da D nicht mehr<br />
weiterverarbeitet wird, käme es in kurzer Zeit zu einer Anhäufung von D mit<br />
möglicherweise negativen Folgen für die Zelle. Zudem würde weiterhin der<br />
Ausgangsstoff (A) und Energie verbraucht. Eine viel günstigere Stelle, an der die<br />
Stoffwechselkette beeinflusst werden kann, ist das erste Enzym der Kette, E1. Wenn<br />
E1 gehemmt wird, wird A nicht mehr umgesetzt, und sowohl die Zwischenprodukte B,<br />
C, D wie das Endprodukt E werden nicht mehr gebildet. Es werden keine Edukte und<br />
keine Energie mehr umgesetzt, und die Zwischenprodukte akkumulieren sich in der<br />
Zelle nicht.<br />
1.2.4 Steuerung durch Enzyme<br />
Wie kann das erste Enzym gehemmt werden? So zum Beispiel: Die Hemmung soll<br />
dann eintreten, wenn die Endproduktkonzentration E einen bestimmten Wert erreicht<br />
hat. Warum wird aber E1 nicht auch durch eines der Zwischenprodukte B, C, oder D<br />
gehemmt? Möglich wäre das schon, aber die Konzentration der Zwischenprodukte B,<br />
C und D im Zellplasma ist sehr gering. Sobald das Enzym E1 wenig B synthetisiert<br />
hat, wird das Zwischenprodukt vom nächsten Enzym E2 sofort zu C umgesetzt. Es<br />
kommt somit nicht zu einer Akkumulation von B. Das gleiche trifft für das<br />
Zwischenprodukt C zu. Sobald die Konzentration von C genügend gross ist, werden<br />
die Moleküle C durch das Enzym E3 zu D umgebaut. Und weiter, wenn die<br />
Konzentration von D einen bestimmten Wert erreicht hat, steigt sie auch nicht mehr<br />
weiter an, denn jetzt wandelt das letzte Enzym der Stoffwechselkette D zum<br />
Endprodukt E um. Erst das Endprodukt E wird nicht weiterverarbeitet (sonst wäre es<br />
ja kein Endprodukt). E kann sich daher in der Zelle anhäufen. Also ist es sinnvoll,<br />
dass das Schlüsselenzym E1 vom Endprodukt mit einer negativen Rückkopplung<br />
gehemmt wird!<br />
Chemie, 6sm
Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 15<br />
Wie kann das Enzym E1 durch das Endprodukt E gehemmt werden? Wenn das<br />
Endprodukt E ähnlich aufgebaut ist wie der Ausgangsstoff A, dann könnte eine<br />
sogenannte kompetitive Hemmung stattfinden: Das Endprodukt E setzt sich in das<br />
aktive Zentrum des Enzyms E1, kann aber nicht weiter verarbeitet werden. Je höher<br />
die Endprodukt-Konzentration E, desto häufiger sind die E1-Moleküle blockiert, und<br />
desto unwahrscheinlicher ist es, dass ein Molekül A umgesetzt werden kann. Dieser<br />
einleuchtende Mechanismus hat eine wichtige Voraussetzung: Der Hemmstoff E<br />
muss dem eigentlichen Substrat A sehr ähnlich sein. Bei der Stoffwechselkette mit<br />
den vier Enzymen dürfte dies allerdings sehr unwahrscheinlich zutreffen. Das<br />
Substrat A wird ja viermal umgebaut, durch die Enzyme E1, E2, E3 und E4. Das<br />
Endprodukt E wird dem Ausgangstoff A molekular sehr wenig ähnlich sein, sondern<br />
dürfte eine wesentlich andere Struktur zeigen. Eine kompetitive Hemmung durch<br />
einen substratähnlichen Stoff ist also als Mechanismus für die Endprodukthemmung<br />
wenig wahrscheinlich, weil das Endprodukt E eine von Substrat A sehr verschiedene<br />
Struktur hat.<br />
Enzyme können in unterschiedlichen Konformationen vorkommen. Nur in einem der<br />
möglichen Zustände passt das Substrat A in das aktive Zentrum und kann zum<br />
Produkt umgesetzt werden. Der andere allosterische Zustand des Enzyms hat ein<br />
verformtes aktives Zentrum, welches das Substrat nicht aufnehmen kann: dieser<br />
Zustand ist somit inaktiv. Eine hohe Konzentration von Endprodukt E führt dazu, dass<br />
das Enzym E1 lange in der inaktiven Konformation verweilt, eine kleine<br />
Endproduktkonzentration führt zu einer kurzen inaktiven Zeit (Geschwindigkeit der<br />
Gleichgewichtseinstellung). Wenn die Endproduktkonzentration niedrig ist, liegt das<br />
Enzymmolekül hauptsächlich in der aktiven Konformation vor, damit kann viel<br />
Endprodukt synthetisiert werden.<br />
Neben dem aktiven Zentrum hat ein sogenanntes allosterisches Enzym ein zweites<br />
reaktives Zentrum, das allosterische Zentrum. Dieses kann von einem Effektor<br />
besetzt werden (Schlüssel-Schloss-Prinzip). Bei der Endprodukthemmung übernimmt<br />
ein Endproduktmolekül E die Rolle des Effektors, genauer, die Rolle eines Inhibitors<br />
(Hemmstoffs).<br />
Mit Substrat: A E1 B ;<br />
Mit Inhibitor: E E1 B (E ist hier Inhibitor)<br />
Wichtig: Inhibitor und Enzym sind ebenfalls in einem dynamischen Gleichgewicht.<br />
Befindet sich ein Inhibitor (hier E) im allosterischen Zentrum, so liegt das Enzym in<br />
der inaktiven Konformation vor– allosterische Hemmung. Erst wenn der Inhibitor E<br />
das allosterische Zentrum wieder verlässt, kann das Enzym in die aktive<br />
Konformation "zurückklappen" und wieder ein Substrat A umsetzen (allosterisches<br />
Enzym).<br />
Chemie, 6sm
Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 16<br />
1.2.5 Endprodukthemmung<br />
Modell:<br />
-<br />
E1 E2<br />
E3 E4<br />
A B C D E<br />
Abbildung 11: Endprodukthemmung, Wirkungsdiagramm<br />
Das Endprodukt E blockiert das Enzym E1. Je höher die Konzentration des<br />
Endproduktes E ist, desto grösser ist auch der Anteil der inaktiven Enzymmoleküle<br />
E2 bis E4, und desto niedriger wird die Produktion von E.<br />
Wenn die Endproduktkonzentration wieder sinkt (z.B. weil das Endprodukt E von<br />
einer anderen Stoffwechselkette umgesetzt wird), so erhöht sich der Anteil der<br />
aktiven Enzymmoleküle, und es wird wieder Endprodukt E hergestellt. Das erneut so<br />
lange, bis wieder eine hohe Konzentration erreicht ist.<br />
Simulation einer Stoffwechselkette<br />
Mit einer Simulation kann gezeigt werden, wie diese Regelung der Endprodukthemmung<br />
als dynamischer Prozess abläuft.<br />
rg01<br />
k12 k21 k22<br />
k23<br />
S1 ES1 S2<br />
ES2<br />
rg12 rg22<br />
rg23<br />
kr<br />
Ef1 Eg1 Ef2 Eg2<br />
rge12<br />
rge23<br />
Abbildung 12: Endprodukthemmung, Simulationsdiagramm 6<br />
6 Software: Programm Vensim ® PLE, Ventana Systems, Inc.<br />
Chemie, 6sm<br />
k32<br />
k33<br />
rg33<br />
k34<br />
S3<br />
rg34
Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen<br />
0.002<br />
0.0015<br />
0.001<br />
0.0005<br />
0<br />
Chemie, 6sm<br />
S3<br />
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />
Time (Second)<br />
S3 : Current mmol<br />
Abbildung 13: Zeitdiagramm: Endprodukthemmung, Zeitdiagramm und Parameter<br />
Charakteristisch für diese Enzymketten ist der verzögerte Start der Reaktion, der bei<br />
der Gärung mit Hefe sehr gut beobachtet werden kann.<br />
Bei dieser Simulation kann die bei der Gärung gemessene Verzögerung erst mit<br />
minimal 7 „Enzymen“ erreicht werden (man vermutet bei der Gärung 12 Reaktionen).<br />
Gleichungen<br />
(01) Ef1= INTEG ( -rge12, 0.01)<br />
Units: mmol [0,?]<br />
Enzym frei<br />
(02) Ef2= INTEG ( -rge23, 0.01)<br />
Units: mmol [0,?]<br />
Enzym frei<br />
(03) Eg1= INTEG (rge12, 0)<br />
Units: mmol [0,?]<br />
Enzym gebunden (Enzym-Substrat-Komplex)<br />
(04) Eg2= INTEG (rge23, 0)<br />
Units: mmol [0,?]<br />
Enzym gebunden (Enzym-Substrat-Komplex)<br />
(05) ES1= INTEG (rg12-rg22, 0.01)<br />
Units: mmol [0,?]<br />
s2: Substratmenge; in einem vorgegebenen Volumen entspricht das<br />
einer Konzentration; ES: Substrat gebunden im<br />
Enzym-Substrat-Komplex<br />
(06) ES2= INTEG (rg23-rg33, 0.01)<br />
Units: mmol [0,?]<br />
s3: Substratmenge; in einem vorgegebenen Volumen entspricht das<br />
einer Konzentration; ES: Substrat gebunden im<br />
Enzym-Substrat-Komplex<br />
(07) FINAL TIME = 100<br />
Units: Second<br />
17
Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 18<br />
The final time for the simulation.<br />
(08) INITIAL TIME = 0<br />
Units: Second<br />
The initial time for the simulation.<br />
(09) k12= 1<br />
Units: 1/(Second*mmol) [0,1]<br />
(10) k21= 0.1<br />
Units: 1/Second [0,1]<br />
(11) k22= 1<br />
Units: 1/Second [0,1]<br />
(12) k23= 1<br />
Units: 1/(mmol*Second) [0,5]<br />
(13) k32= 0.1<br />
Units: 1/Second [0,1]<br />
(14) k33= 0.1<br />
Units: 1/Second [0,1]<br />
(15) k34= 0.5<br />
Units: 1/Second [0,?]<br />
(16) kr= 100<br />
Units: 1/(mmol*Second) [0,1000]<br />
Rükkopplungskonstante<br />
(17) rg01= 1<br />
Units: mmol/Second [0,10]<br />
rasche Zufuhr --> rgo1=1 --> das Gleichgewicht wird von unten<br />
erreicht; langsame Zufuhr --> rg01=0.05 --> das Gleichgewicht<br />
wird von unten erreicht<br />
(18) rg12= k12*S1*Ef1-k21*ES1-kr*ES2*Ef1<br />
Units: mmol/Second<br />
Es ist eine Gleichgewichtsreaktion; Annahme: Jedes Molekül s3<br />
blockiert ein Molekül s1; die wirksame Konzentration ist dann<br />
nur noch (s1-s3)<br />
(19) rg22= k22*ES1<br />
Units: mmol/Second [0,?]<br />
(20) rg23= k23*S2*Ef2-k32*ES2<br />
Units: mmol/Second<br />
Es ist eine Gleichgewichtsreaktion<br />
(21) rg33= IF THEN ELSE( ES2>0.001 , k33*ES2 , 0)<br />
Units: mmol/Second [0,1]<br />
Die Elimination erfordert eine minimale Konzentration, unterhalb<br />
dieser Konzentration findet keine Ausscheidung statt<br />
(22) rg34= k34*S3<br />
Units: mmol/Second [0,?]<br />
(23) rge12= k12*Ef1*S1-(k21+k22)*Eg1<br />
Units: mmol/Second [0,?]<br />
(24) rge23= k23*S2*Ef2-(k32+k33)*Eg2<br />
Units: mmol/Second [0,?]<br />
(25) S1= INTEG ( rg01-rg12, 1)<br />
Units: mmol<br />
s1: Substratmenge; in einem vorgegebenen Volumen entspricht das<br />
einer Konzentration<br />
(26) S2= INTEG ( rg22-rg23, 0)<br />
Units: mmol [0,?]<br />
(27) S3= INTEG (rg33-rg34, 0)<br />
Units: mmol [0,?]<br />
(28) SAVEPER = TIME STEP<br />
Units: Second [0,?]<br />
The frequency with which output is stored.<br />
(29) TIME STEP = 0.01<br />
Units: Second [0,?]<br />
The time step for the simulation.<br />
Chemie, 6sm
Vergleich der Simulation mit Messdaten des zeitlichen Verlaufs der Ethanolmenge bei<br />
Gärung mit Hefe<br />
Hefezellen/0.004 Mikroliter<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
0 50 100 150<br />
Zeit (s)<br />
Abbildung 14: Vergleich von Messung 7 und Simulation<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
Ethanol mg/ml<br />
Hefe<br />
Ethanol<br />
Die Regulierbarkeit des Stoffwechsels durch Enzyme spielt eine mindestens<br />
ebenso wichtige Rolle wie ihre katalytische Aktivität.<br />
Die Regulierbarkeit bestimmt z.B., welcher von zwei alternativen Stoffwechselwegen in<br />
einer gegebenen Situation eingeschlagen wird.<br />
Die Reversibilität der Vorgänge garantiert, dass eine Anpassung zu jedem Zeitpunkt<br />
möglich ist und sich die Zelle auf Änderungen im Substrat- und Produktangebot mit<br />
kleinem Zeitverzug einstellen kann. Es ist leicht erkennbar, dass es sich hierbei um<br />
äusserst wirtschaftliche und effizient arbeitende Mechanismen handelt.<br />
1.2.6 Die Regulation des Grundumsatzes<br />
Iod, aufgenommen als Iodid I - wird in unserem Körper in der Schilddrüse in das Molekül<br />
Thyroxin eingebaut. Dieses Hormon ist ganz entscheidend für die Geschwindigkeit des<br />
Stoffwechsels. Das TSH (Thyroid Stimulating Hormone) regelt über die Schilddrüsenhormon-Konzentration<br />
den Einbau von Iod in Thyroxin (und auch T3). Die TSH-<br />
Produktion in der Hypophyse sinkt bei steigender Schilddrüsenhormon-Konzentration<br />
im Blut. Damit stellt sich mit Hilfe dieses negativen Rückkopplungsprozesses die<br />
bedarfsgerechte Hormonproduktion ein 8 .<br />
7<br />
Krebs, Ch.J.: Ecology; The experimental analysis of distribution and abundance, New York 1972<br />
(1.Auflage) und 1984 (3.Auflage), S.217<br />
8<br />
Lüllmann H., Mohr K., Ziegler A., Taschenatlas der Pharmakologie, Georg Thieme Verlag,<br />
Stuttgart/New York, 1994, 238
Iodidaufnahme<br />
Schilddrüse<br />
Thyroxin<br />
Rückkopplung<br />
Konzentration<br />
Grundumsatz<br />
Abbildung 15: Schilddrüse, Unterfunktion: Kretinismus, Überfunktion: Basedowsche Krankheit<br />
(siehe Stoffwechsel von Tyrosin); Regelkreis<br />
Dieses Beispiel ist nur ein einfachster Regler in einem sehr grossen (komplizierten) und<br />
sehr vernetzen (komplexen) biochemischen Stoffwechsel. Durch die Grösse und die<br />
Vernetzung werden Gleichgewichte erreicht (Homöostase), welche bei vielen<br />
Krankheiten gestört sind. Paracelsus 9 hat mehrere Arbeiten verfasst, in welchen er eine<br />
dynamische und dynamistische Schau der Welt zeigte. Die Krankheit ist nach dieser<br />
Ansicht nicht in der Materie, besteht nicht in zu viel oder zu wenig an Materie 10 : „Sie ist<br />
mit den Kräften verknüpft, die nach einer vorgegebenen Anordnung zusammen den<br />
menschlichen Organismus bilden, dessen Gleichgewicht in vielförmiger und<br />
charakteristischer Weise gestört werden kann.“ Das angesprochene Gleichgewicht<br />
(Homöostase) ist wohl der wichtigste Teil der Aussagen von Paracelsus, ein<br />
dynamisches Gleichgewicht, das von vielen Faktoren beeinflusst und dauernd in<br />
Veränderung ist.<br />
Kälte<br />
- negative Rückkopplung<br />
+ positive Rückkopplung<br />
Steigerung<br />
des<br />
Grundumsatzes<br />
Blutstrom<br />
Blutstrom<br />
+<br />
Hypothalamus<br />
TRH<br />
Hypophyse<br />
TSH<br />
+<br />
+<br />
+ + + +<br />
Schilddrüse<br />
Thyroxin<br />
Zielzellen<br />
Einfluss der Kälte auf den Stoffumsatz<br />
des Körpers<br />
Abbildung 16: Regulation des Grundumsatzes<br />
-<br />
-<br />
Orte der Wirkstoffproduktion (Drüsen und<br />
Wirkstoffe, Hormone)<br />
9 Theophrastus Bombastus von Hohenheim-Arzt, Astrologe, Theologe, geb.10. November 1493 in<br />
Einsiedeln (Schweiz) gest. 24. September 1541 in Salzburg<br />
10 Braun L., Paracelsus, SV international/Schweizer Verlagshaus, Zürich, 1990, 126<br />
Chemie, 6sm<br />
20
1.2.7 Der biochemische Prozess der Blutzuckerregelung<br />
Beispiel: Aufnahme von Kohlenhydraten aus der Nahrung.<br />
STH<br />
Somatotropin<br />
Protein<br />
Glucocorticoide<br />
Leberglycogen<br />
Insulin<br />
Glucagon<br />
Adrenalin<br />
Kohlenhydrate<br />
in der Nahrung<br />
Blutzucker<br />
Fett<br />
Insulin<br />
Adrenalin<br />
Thyroxin, T4<br />
T3<br />
Muskelglycogen<br />
Kohlendioxid<br />
+<br />
Wasser<br />
Abbildung 17: Stark vereinfachtes Schema des KH-Stoffwechsels mit einigen in diesen Unterlagen<br />
behandelten Substanzen.<br />
Somatotropin, STH: somatotropes Hormon, Wachstumshormon (human growth<br />
hormone, HGH) aus 191 AMCS ( Doping).<br />
Glukokortikoide: Nebennierenrindenhormone, Steroidhormone, die den<br />
Kohlehydratstoffwechsel steuern.<br />
Glykogen: Reservekohlehydrat, lange Ketten aus Glukoseresten MG 1 Mio. bis<br />
16 Mio. g/mol.<br />
Adrenalin: Neurotransmitter und Hormon des KH- Stoffwechsels<br />
Glukagon: Hormon, welches Glucose für die Insulinwirkung mobilisiert besteht<br />
aus 29 AMCS, wird in den Langerhansschen Inseln des Pankreas<br />
synthetisiert und durch Glucose freigesetzt.<br />
Insulin: Polypeptidhormon aus 81 AMCS, beeinflusst den Stoffwechsel von<br />
Leber, Fettgewebe und Muskulatur, wird in den Langerhansschen Inseln<br />
des Pankreas produziert ( Doping).<br />
Thyroxin: Für Wachstum, Entwicklung und Stoffwechsel unentbehrliches<br />
Schilddrüsenhormon.<br />
Ein noch viel stärker vereinfachtes Schema der Enzym-Regelung mit den Hormonen<br />
Insulin und Glucagon ist im Folgenden dargestellt und diskutiert:<br />
Chemie, 6sm<br />
21
Fr eiset zun g<br />
vo n In sulin<br />
Pankreas<br />
-Zellen<br />
Leb er b aut Glyco gen<br />
ab und set zt<br />
Gluco se f r ei<br />
Insulin Körperzellen nehmen Muskelzelle<br />
mehr Glucose auf<br />
Beta-Zellen<br />
w erden<br />
st im uliert<br />
Leb er sp eich er t<br />
Gluco se als<br />
Glyco gen<br />
-<br />
Leber<br />
Leber<br />
hoch<br />
Homöostase<br />
Blutzucker-<br />
Konzent r at ion<br />
tief<br />
Glucagon<br />
-<br />
Blut zucker sp iegel<br />
sin kt<br />
-Zellen<br />
w er d en st im ulier t<br />
Pankreas<br />
-Zellen<br />
Fr eiset zun g<br />
vo n Glucago n<br />
Abbildung 18: Die Gegenspieler im Kohlenhydratstoffwechsel: Insulin und Glucagon<br />
Für die Regelung des Blutzuckergehaltes sind im Wesentlichen 2 Regelkreise<br />
verantwortlich:<br />
1) Regelkreis, der bei hoher Konzentration die Blutzuckerkonzentration verringert<br />
(mit Insulin) negative Rückkopplung<br />
2) Regelkreis, der die bei tiefer Konzentration die Blutzuckerkonzentration erhöht<br />
(mit Glucagon) negative Rückkopplung<br />
Beide Regler versuchen zusammen im Wechselspiel, die Blutzuckerkonzentration bei<br />
einem optimalen Wert zu halten, und das auch bei unregelmässiger Zuckerzufuhr<br />
(Nahrung) und variablem Zuckerverbrauch (Leistung).<br />
Alleine das Weiterleiten des Insulinsignals ist noch viel komplexer und ist selbst dann<br />
noch stark vereinfacht, nicht vollständig 11 :<br />
11 nature insight, review article,<br />
http://www.nature.com/nature/journal/v414/n6865/fig_tab/414799a_F2.html, 2004-03-03<br />
Chemie, 6sm<br />
22
Abbildung 19; Insulinwirkung bei der Zielzelle<br />
Simulation der Blutzuckerregulation<br />
Bei aller Komplexheit des Systems kann man versuchen, die wesentlichsten Prozesse<br />
herauszugreifen, zu simulieren und mit der Realität zu vergleichen (Reduktion). Wenn<br />
die Simulation im Aufbau den bekannten Kopplungen und Prozessen weitgehend<br />
entspricht und prinzipiell ein ähnliches Verhalten zeigt, kann man davon ausgehen,<br />
dass die Modellvorstellung nicht ganz falsch sein könnte. Damit kann man eine Theorie<br />
untermauern.<br />
Für die Regelung des Blutzuckergehaltes kennt man Messwerte und man hat<br />
chemische und physiologische Erkenntnisse, wer was regelt. Diese Fakten sind im<br />
Folgenden dargestellt:<br />
Blutglucose (mg/l)<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0 1 2 3 4 5<br />
Zeit (Stunden)<br />
Gesunder<br />
Kranker<br />
Verlauf der Blutglucosekonzentration<br />
Man beachte das Überschiessen (Hyperglycämie) am<br />
Anfang und das Unterschiessen (Hypoglycämie) beim<br />
Gesunden.<br />
Chemie, 6sm<br />
Zuckeraufnahme<br />
in die Zellen und<br />
zur Verbrennung<br />
Nahrung<br />
Stress<br />
23<br />
Insulin<br />
Blutzucker-<br />
Konzentration<br />
Glucagon<br />
Synthese<br />
100 mg/100 ml Blut<br />
Je mehr Blutzucker<br />
desto mehr<br />
Insulin<br />
Bewegung<br />
Physiologische Regelung der<br />
Blutglucosekonzentration<br />
-<br />
Glucogenabbau<br />
und Freisetzung von<br />
Glucose ins Blut<br />
+<br />
Glycogenabbau<br />
Je mehr Blutzucker<br />
desto weniger<br />
Glucagon
Simulation mit Software Stella:<br />
Zeit (Stunden)<br />
Leberglycogen<br />
Insulin Glucagon<br />
Blutzuckerkonz<br />
24<br />
Insulinbildung Speicherung<br />
Freisetzung Glucagonbildung<br />
Diabetes<br />
Insulinabbau<br />
Simulation der Blutzuckerkonzentration Simulationsmodell<br />
kverb<br />
Verbrauch<br />
Zufuhr<br />
Resorption<br />
kres<br />
Glucagonabbau<br />
Abbildung 20: Simulation des zeitlichen Verhaltens der Blutzuckerkonzentration bei einer raschen<br />
Zugabe von Zucker<br />
Folgerung:<br />
Regelprozesse spielen in der Chemie, der <strong>Biochemie</strong>, der Biologie, der Technik und der<br />
Wirtschaft eine überragende Rolle. Sie steuern nicht nur Zustände, sondern auch die<br />
Dynamik mit welcher diese Zustände erreicht werden.<br />
Regelung der Hormonproduktion durch die Hormonkonzentration im Blut als Simulation:<br />
0.06<br />
0.03<br />
0<br />
Sollwert<br />
kp<br />
externe<br />
Zufuhr<br />
Hormon<br />
Produktion<br />
0 4 8 12 16 20 24 28<br />
Time (Minute)<br />
Hormon Produktion : Current mmol/Minute<br />
Ohne externe Zufuhr von Hormon wird ein<br />
Gleichgewicht erreicht<br />
Chemie, 6sm<br />
ke<br />
Hormon im<br />
Blut Elimination<br />
0.06<br />
0.03<br />
0<br />
0 4 8 12 16 20 24 28<br />
Time (Minute)<br />
Hormon Produktion : Current mmol/Minute<br />
Mit externer Zufuhr von Hormon, wird die<br />
Produktion ganz rasch heruntergefahren!
1.3 Metabolismus als Netzwerk<br />
Im Stoffwechsel sind zwangsläufig viele Vorgänge miteinander verknüpft. Man kann<br />
deshalb die Stoffwechselvorgänge als Karte aufzeichnen, bei der die Prozesse die<br />
Knoten und die Reaktionen die Verbindungen darstellen, als System von Reglern 12,13,14<br />
(wie das Internet). Das Produkt P einer enzymatischen Reaktion wird dabei zum<br />
Substrat S (Edukt) der nächsten Reaktion. Nun gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten<br />
des Ablaufs von Reaktionen: Hintereinander (sequenziell) oder gleichzeitig (simultan,<br />
parallel).<br />
P - S P - S P - S<br />
a b c d<br />
a) Serieller Ablauf<br />
Das Produkt des Enzyms a wird zum Substrat des<br />
Enzyms b, das Produkt des Enzyms b wird zum<br />
Substrat des Enzyms c etc.<br />
a<br />
P - S<br />
P - S<br />
P - S<br />
b<br />
c<br />
d<br />
25<br />
b) Paralleler Ablauf<br />
Das Produkt des Enzyms a wird zum Substrat der<br />
Enzyme b, c und d.<br />
Abbildung 21: Sequenzieller Metabolismus von Enzymen, b) simultaner Metabolismus<br />
Jedes Enzym kann die Reaktionen reversibel durchführen und stellt in einem Netzwerk<br />
des Stoffwechsels einen sogenannten Knoten dar.<br />
Werden Netzwerke aufgebaut, dann sind sie entweder vorwiegend durch viele Knoten<br />
mit wenig Verbindungen (seriell) oder wenig Knoten mit vielen Verbindungen (parallel,<br />
Konvergenz) dominiert.<br />
Viele „einzelne“ Verknüpfungen führen zu einem Random-Netzwerk, wobei die mittlere<br />
Anzahl der Verbindungen die Dimension (scale) bestimmt.<br />
Mit „zentralen“ Knoten mit vielen aus- und oder eingehenden Verbindungen hat die<br />
mittlere Anzahl der Verbindungen keinen grossen Aussagewert, weshalb man hier von<br />
einem Scale-free-Netzwerk spricht.<br />
Die Knoten mit einer grossen Anzahl von Verbindungen sind Angelpunkte oder<br />
Drehscheiben (hubs) im Netz (ca. 5% hubs halten ein Scale-free Netzwerk<br />
zusammen!).<br />
Die sequenziellen Verbindungen haben den Vorteil der grösseren Selektivität, die<br />
simultanen Verbindungen den der grösseren Geschwindigkeit.<br />
12 Cohen D., All the World’s a Net, New Scientist, 13 April, 2002, 24<br />
13 Jeong H., Tobor B., Albert R., Ottavi Z.N., Barabási A.-L., The large-scale organization of metabolic<br />
networks, Nature, Vol 407, 5 October, 2002, 651<br />
14 editorial, Proteomics in a small world, nature structural biology, vol 9, Nr 3, march, 2002, 153<br />
Chemie, 6sm
Random-Netzwerk (exponentiell)<br />
a) Alle Knoten haben ungefähr dieselbe Anzahl<br />
Verbindungen (links). Die mittlere Anzahl gibt den<br />
Grad (scale) des Netzwerks an (Mitte der<br />
Verteilungskurve).<br />
Scale-free Netzwerk<br />
26<br />
b) Es macht keinen eigentlichen Sinn über den Grad<br />
(scale) oder die durchschnittliche Anzahl der<br />
Verbindungen zu Knoten zu sprechen.<br />
Sogenannte Scale-free-Netzwerke haben viele<br />
Knoten mit wenig und wenig Knoten mit einer grossen<br />
Anzahl Verbindungen (hubs).<br />
Abbildung 22: Prinzipielle Unterscheidung von Random- a) und Scale-free-Netzwerken b).<br />
Diese beiden Netzwerktypen lassen sich mathematisch charakterisieren, wenn k die<br />
Anzahl Verbindungen pro Knoten sind.<br />
Anteil Knoten mit k Verbindungen(k)<br />
Scale-free network<br />
Random network<br />
Anzahl Verbindungen (k)<br />
Abbildung 23: Unterschied von Random- und Scale-free-Netzwerken in der grafischen Darstellung<br />
(Random zeigt ein exponentielles Verhalten).<br />
Für das Internet gilt:<br />
Das rasche Wachstum bringt denen Vorteile, die früh ins Netz eingetreten sind.<br />
Je länger ein Knoten existiert, desto grösser ist seine Anzahl Verknüpfungen.<br />
Vorsprung ist hier sehr wichtig. (preferetial attachement positive<br />
Rückkopplung)<br />
In einer Umgebung mit Informationsüberfluss werden rasch zugängliche Knoten<br />
besser gefunden. Das verbessert die Verknüpfungen mit wichtigen Knoten<br />
nochmals.<br />
Je grösser die Kapazität der hubs (Bandbreite, Zugänge, Vernetzung..) desto<br />
rascher ist sein Wachstum.<br />
Chemie, 6sm
Im übertragenen Sinne gelten diese Regeln auch für Terrornetze 15 , Geschäftsbeziehungen,<br />
Infektionen etc.<br />
Praktisch sehen Darstellungen für grosse Netze wie folgt aus:<br />
Random-Netzwerk<br />
Doppelt logarithmische Darstellung<br />
Abszisse: Anzahl Verbindungen k pro Knoten<br />
Ordinate: Anteil Knoten mit k Verbindungen<br />
Scale-free-Netzwerk<br />
Doppelt logarithmische Darstellung<br />
Abszisse: Anzahl Verbindungen k pro Knoten<br />
Ordinate: Anteil Knoten mit k Verbindungen<br />
Abbildung 24: Grafischer Vergleich von grossen Netzwerken unterschiedlicher Struktur<br />
Welches sind Beispiele von Knoten im Metabolismus:<br />
Das Enzym ATP-ase, da ATP als „Energiewährung“ überall in der Zelle benötigt wird.<br />
Die Adenylatcyclase, ein Enzym, das in der Zellmembran (Innenseite) die Umwandlung<br />
von ATP in zyklisches AMP katalysiert; wird aktiviert durch Bindung von als »Erstbote«<br />
(»first messenger«) fungierenden Hormonen an den spezifischen Rezeptor und wirkt<br />
als deren Effektor = Reizvermittler (= »second messenger«) im Adenylatcyclase-<br />
System. Angeregt werden viele biologische Effekte.<br />
Folgerungen für medizinische Massnahmen:<br />
Werden „zentrale“ Enzyme beeinflusst, dann sind die Wirkungen sehr gross. Für<br />
Therapien sind sie jedoch völlig ungeeignet, da sie zu wenig spezifisch sind und die<br />
Wirkungen sich zu breit zeigen.<br />
Aber:<br />
Impfungen sind in der heutigen Zeit der vielen Reisen und Kontakte ausserordentlich<br />
wichtig, wenn Epidemien verhindert werden sollen (etwa 90%!) 16 , vor allem für<br />
Personen, welche viele Kontakte haben (Lehr-, Pflege, Verkaufs-, Bedienungspersonen<br />
etc.).<br />
15 Nagaraj S., Global Guerrillas,<br />
ttp://globalguerrillas.typepad.com/globalguerrillas/2004/05/scalefree_terro.html, 2004-09-25<br />
16 Ahmes E., A. S. Hegazi A.S., A. S. Elgazzar A.S., AN EPIDEMIC MODEL ON SMALL-WORLD<br />
NETWORKS AND RING VACCINATION, International Journal of Modern Physics C<br />
[Computational Physics and Physical Computation], Vol. 13, No. 2 (2002) 189-198<br />
Chemie, 6sm<br />
27
Man kann sich auch ein metabolisches Netzwerk, aufbauend auf den Substanzen als<br />
Knoten vorstellen. Ein Beispiel dazu die Prostaglandine, Substanzen mit den<br />
vielfältigsten Wirkungen 17 , 18 :<br />
HO<br />
O<br />
HO Prostacyclin<br />
HO<br />
6-Keto-PGF 1alpha<br />
O<br />
HO<br />
OH<br />
OH<br />
O<br />
COOH<br />
PGD 2<br />
COOH<br />
OH<br />
Hemmung durch:<br />
Glucocorticoide<br />
Prostacyclin-<br />
Synthetase<br />
Hemmung durch:<br />
Antuphlogistika<br />
Prostacyclin-<br />
Synthetase<br />
Reduktase<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
Isomerase<br />
COOH<br />
HO<br />
HO<br />
Membran-Phospholipide<br />
Phospholipase A 2<br />
COOH<br />
COOH<br />
PGG2 OOH<br />
Cyclooxygenase<br />
(PG-Hydroperoxidase-Aktivität)<br />
OH<br />
Arachidonsäure<br />
Cyclooxygenase<br />
(cycl. Lipoxygenase Aktivität)<br />
OH<br />
PGH 2<br />
COOH<br />
Isomerase<br />
PGF 2alpha<br />
Abbildung 25: Teile des Metabolismus der Prostaglandine<br />
Anregung durch:<br />
Bradikinin, Angiotensin II; ADH<br />
COOH<br />
Lipoxygenase<br />
O<br />
HO<br />
Thromoxan-<br />
Synthetase<br />
Thromoxan-<br />
Synthetase<br />
HO<br />
Reduktase<br />
O<br />
O<br />
Leukotriene<br />
C 3, D 3, E 3<br />
OH<br />
O<br />
OH<br />
PGE 2<br />
S<br />
H 2N<br />
OH<br />
OH<br />
COOH<br />
O<br />
28<br />
COOH<br />
H<br />
N COOH<br />
COOH<br />
Throboxan A 2<br />
TXA 2<br />
COOH<br />
Throboxan B 2<br />
TXB 2<br />
Die Substanz PGH2 bildet einen Ausgangspunkt mit besonders vielen Verbindungen,<br />
während die anderen Substanzen über wenige Wege weiterreagieren. Dieser kleine<br />
Ausschnitt aus dem Stoffwechsel gibt einen Eindruck dafür, dass diese Prozesse mit<br />
Scale-free-Netzwerken dargestellt werden müssen. Das gilt in sehr grossen Bereichen<br />
des Metabolismus.<br />
Beispiel: Der zentrale Stoffwechsel des Darmbakteriums Escherichia coli, ist ein gut<br />
untersuchter Modellorganismus. Das Stoffwechselmodell umfasst 89 Komponenten und<br />
110 Reaktionen und ermöglicht die Beschreibung von Nährstoffaufnahme, -umsetzung<br />
und Zellwachstum. Die Analyse dieses Netzwerkes ergibt, dass es sich - je nach dem<br />
verwerteten Nährstoff - in bis zu eine halbe Million Funktionseinheiten zerlegen lässt.<br />
17 Prostaglandine, Roche-Lexikon Medizin Version 4.0, 1984/1987/1993/1999 Urban & Fischer Verlag,<br />
CD-ROM - 4., neubearb. und erw. Aufl. - 1999<br />
18 Prostaglandine, Römpp Lexikon Chemie – Version 2.0, Stuttgart/New York: Georg Thieme Verlag 1999<br />
Chemie, 6sm
Die Glycolyse als Hub 19<br />
Was ist nun das Besondere an diesen Netzwerken? Die Natur, aber auch die Technik<br />
baut sehr oft Scale-free-Netzwerke auf, mit wenigen, aber hochvernetzten und einer<br />
grossen Anzahl wenig vernetzter Knoten (Stoffwechsel der Bakterien, Telefone mit<br />
Zentralen, Energieverteilung, Wasserversorgung etc.). Das trifft für unseren<br />
Metabolismus wie das Internet zu. Im Durchschnitt kann man im Internet mit 19 „clicks“<br />
von einer Seite auf eine beliebige andere Seite gelangen. Selbst wenn das Web um<br />
1000% wachsen würde, wären bei dieser Netzstruktur maximal 21 „clicks“ notwendig 20 .<br />
Neue Verbindungen, z.B. im Internet, werden bevorzugt zu Knoten gemacht, die<br />
bekannt, berühmt und daher auch schon gut verknüpft sind. Das gilt auch für soziale<br />
Strukturen. Auch dort haben bevorzugte Individuen mehr Kontakte, und die Reichen<br />
werden reicher.<br />
19<br />
Nicholson Donald, IUBMB-Nicholson Metabolic Maps, Minimaps & Animaps http://www.iubmbnicholson.org/gif/01.html,<br />
2007-01-29<br />
20<br />
Cohen D., All the World’s a Net, New Scientist, 13 April, 2002, 26<br />
Chemie, 6sm<br />
29
a) Ausschnitt aus der Karte des Metabolismus des<br />
Menschen<br />
b) Ausschnitt aus der Karte der<br />
weltweiten Internet-<br />
Verbindungen<br />
Abbildung 26: Netzwerke des Metabolismus a) und des Internet b). Beide Netzwerke sind in<br />
grossen Bereichen Scale-free.<br />
Für viele biochemische Abläufe wurde der Scale-free-Charakter nachgewiesen. Welche<br />
besonderen Eigenschaften haben diese Scale-free-Netzwerke, dass sie von der Natur<br />
in der ganz langen Evolution bevorzugt vor Random-Netzwerken gebaut wurden?<br />
Die Scale-free Netzwerke folgen somit den beiden zentralen Regeln 21 :<br />
1. Neue Knoten kommen zum bestehenden Netzwerk hinzu.<br />
2. Die neuen Knoten werden mit den alten so vernetzt, dass die Wahrscheinlichkeiten<br />
für Verbindungen zu hochvernetzten Knoten (hubs) grösser sind als zu wenig<br />
vernetzten Knoten.<br />
1.3.1 Stabilität von Netzwerken<br />
Scale-free Netzwerke haben inhärent die Eigenschaft, gegenüber zufälligen Störungen<br />
weniger anfällig zu sein. Das lässt sich an einem einfachen Beispiel zeigen.<br />
21 Barabási A.-L., Albert R., Jeong H., Mean-field theory for scale free random networks, Physica, A 272<br />
Chemie, 6sm<br />
(1999) 173-187<br />
30
P - S P - S P - S<br />
a b c d<br />
d<br />
Fällt aus a b c d Fällt aus a b c d<br />
a - 0 0 0 a - 0 0 0<br />
b 1 - 0 0 b 1 - 1 1<br />
c 1 1 - 0 c 1 1 - 1<br />
d 1 1 1 - d 1 1 1 -<br />
Summe = 6 3 2 1 0 Summe = 9 3 2 2 2<br />
Abbildung 27: Laufende Reaktionen nach einem zufälligen Ausfall eines Enzyms, wenn das<br />
Produkt des Vorläuferenzyms Substrat beim Nachfolger ist (1: arbeitet, 0: fällt aus)<br />
Wenn in den 4 Fällen alle Enzyme arbeiten, dann sind 12 Fälle möglich. Wenn bei<br />
jedem Fall eine Störung bei je einem Enzym auftritt, dann laufen im seriellen 6, im<br />
parallelen Fall immer noch 9 Reaktionen. Es zeigt sich, dass selbst bei einem so<br />
einfachen Modell die parallele Verarbeitung gegen Fehler robuster ist.<br />
Fällt ein Enzym durch Mutation (zufälliges Ereignis) oder anderweitige Störung aus,<br />
kann auf diese Weise rasch ein neuer Weg gefunden werden – das System ist robust<br />
gegen zufällige Veränderungen (Fehler) wie z.B. Mutationen. Mit 100'000 Knoten, total<br />
1’000’000 Verbindungen, wovon 100 hubs mit beispielsweise je 1000 Verbindungen, ist<br />
die Chance 1‰ einen dieser Angelpunkte zu treffen. Man könnte auch sagen, diese<br />
Scale-free Netzwerke sind fehlertolerant. Die Zufallstörung eines Blitzeinschlags in eine<br />
Leitung des Elektrizitätsnetzes führt, bei richtiger Auslegung 22 nur zum kurzen Ausfall<br />
kleiner Teile. Selbst wenn ca. 5% der Knoten ausfallen, ist das Netz noch voll<br />
funktionsfähig. Es ist aber auch sehr verletzlich. Wenn jedoch 5% der hochvernetzten<br />
Knoten ausfallen, steigt die Anzahl der Schritte um das Netz zu durchqueren auf das<br />
Doppelte. Das heisst, gegenüber intelligenten Angriffen sind die Scale-free-Netzwerke<br />
wesentlich mehr gefährdet.<br />
Bei einem Random-Netzwerk, mit durchschnittlich 10 Verbindungen pro Knoten fallen<br />
mit 5% ca. 5000 Verbindungen aus, ein Mehrfaches im Vergleich zu Scale-free-<br />
Netzwerken mit grossen hubs.<br />
Die Hypothese, dass die Natur Scale-free Netzwerke aufbaut, weil sie robust sind, kann<br />
so nicht bestätigt werden 23 . Auch anorganisch-chemische Systeme verschiedener<br />
Planetenatmosphären zeigen dieses Verhalten. Tatsache ist, dass Schlüssel-<br />
Substanzen im Metabolismus hubs darstellen, an denen auch viele neue Reaktionen<br />
ankoppeln. In diesem Sinne konnte gezeigt werden, dass hochvernetzte Knoten<br />
(Substanzen) auch evolutionsmässig alte Substanzen sind.<br />
22 D. Hass, J. Schwarz, H. Zimmermann, Elektrizitätswirtschaft, Jg. 80,S. 923, Heft 25 (1981)<br />
23 Wagner A., The large scale structure of metabolic networks: a glimpse at life's origin?,<br />
http://eclectic.ss.uci.edu/~drwhite/Complexity/Complexity1www.pdf, 29.05.2002<br />
Chemie, 6sm<br />
a<br />
P - S<br />
P - S<br />
P - S<br />
b<br />
c<br />
31
Sehr viele unserer technischen Systeme sind, wie die natürlichen Systeme, über die<br />
Jahre nach diesen Regeln gewachsen und somit Scale-free.<br />
1.3.2 Folgerungen für Massnahmen<br />
Das Gen p53 hat auf das Verhalten von<br />
Tumorzellen einen grossen Einfluss.<br />
Trotzdem ist es für die Krebstherapie sehr<br />
kritisch das Gen p53 zu beeinflussen, da es<br />
für den Bau vieler wichtiger Proteine<br />
verantwortlich ist, p53 ist ein hub.<br />
Andererseits müsste das Ziel von<br />
Wirkstoffen z.B. beim Bakterium<br />
Helicobacter pylori (Abbildung), das<br />
Magengeschwüre verursacht, hubs bei den<br />
Proteinen oder Genen sein.<br />
Abbildung 28: Bakterium Helicobacter<br />
pylori<br />
Bei der Bekämpfung der Ausbreitung von Seuchen ist die „Behandlung“ der „hubs“ vital,<br />
das zeigt das Verhalten der Netze. Ein historisches Beispiel ist die Übertragung von<br />
Kindbettfieber in Spitälern durch das Personal (hubs).<br />
Interessant ist, dass sich die Vernetzungen im Wissenschaftsbetrieb (auch bei<br />
Publikationen gibt es Schlüsselarbeiten), im sozialen Bereich (Beziehungsnetze,<br />
Soziogramme), bei der Gesetzgebung (wichtige Paragraphen), bei Wahlen<br />
(Informationsknoten mit Einfluss) und in der Wirtschaft (Schlüsseltechnologien) sehr oft<br />
mit einem Scale-free-Netzwerk beschreiben lassen. Es lohnt sich daher, die<br />
Eigenschaften, die Strukturen und das Verhalten dieser Netze zu verstehen.<br />
To stop AIDS, find hub, scientists say 24<br />
Mike Martin<br />
SOUTH BEND, Ind., July 23 (UPI) -- Getting the best AIDS treatments money can buy to nations without<br />
money to buy them may be the only way to eradicate the global plague, according to new findings by<br />
Notre Dame University researchers.<br />
Until now, the best arguments for providing costly AIDS drugs to impoverished African and Asian nations<br />
drowning in the illness were humanitarian.<br />
Albert-Laszlo Barabasi and Zoltan Deszo have now provided what may be the first convincing scientific<br />
evidence that slowing acquired immune deficiency syndrome in developing nations may actually halt its<br />
global course. They said poorer nations represent highly concentrated "hubs" or disease centers with just<br />
enough global connectedness to make eradicating the disease within their borders absolutely essential.<br />
"The continued spreading of the HIV virus is remarkable because relatively effective therapies are<br />
available that not only expand the lifetime of infected individuals, but also lower the transmission<br />
probability," Barabasi said in a recent paper on the subject. "The problem is that these expensive<br />
therapies are beyond reach in developing countries."<br />
Building on previous work by Boston University researchers Luis Amaral, H.E. Stanley and coworkers<br />
Barabasi and Deszo claim newly quantified patterns of human sexual contact create a "node-hub"<br />
architecture more typical of a computer network than a populated community.<br />
24 Martin M., To stop AIDS, find hub, scientists say, United Press International - Monday, 23 July 2001<br />
Chemie, 6sm<br />
32
These hubs and nodes, they said, are so concentrated and yet so connected that eradicating any<br />
sexually transmitted disease requires concentrated efforts at the hubs. As in any computer network -- or a<br />
chain of Christmas lights --interrupting the flow of information or electricity at a hub can cause flows to<br />
cease network wide.<br />
So too, Barabasi and Deszo claim, with AIDS. Slow or stop the disease at a hub, they said, and you<br />
severely reduce its ability to spread anywhere else.<br />
"We are indeed familiar with the results by Barabasi and co-workers and are certainly excited by all the<br />
developments coming out," Luis Amaral told United Press International. "We believe that the new focus<br />
on the possibility of characterizing the structure of networks could help the understanding of epidemics<br />
both for human and animal diseases."<br />
The discovery of this new pattern of epidemic transmission is a major step in a worldwide effort. Amaral<br />
and Stanley revealed humans engage in "scale-free" patterns of intimacy: A very few individuals have the<br />
largest number of sexual contacts.<br />
Sociologists and epidemiologists previously had taken for granted the idea that human sexual activity<br />
followed a standard bell-shaped curve: The largest clusters of people would have an average number of<br />
sexual contacts with very few people engaging in either very few or very many sexual encounters at<br />
either ends of the curve.<br />
Instead, the Boston researchers found a curve that gradually curves upward and keeps rising. Most<br />
surprising, a very few 10 percent of men have 48 percent of all sexual encounters, a pattern more like the<br />
distribution of wealth where 1 percent of people control 95 percent of all assets.<br />
Capitalizing on this discovery, Spanish scientists Yamir Moreno, Romualdo Pastor-Satorras and<br />
Alessandro Vespignani showed that "scale-free" transmission patterns allow even the weakest infective<br />
diseases to spread unchecked. The frightening upshot is that given the scale-free pattern of human<br />
sexual contact, "short of a cure or vaccine available to all, the HIV virus will eventually reach the so far<br />
uninfected segments of the population exposed to the disease," Barabasi explained in a recent paper on<br />
the topic.<br />
Now Barabasi imposes a network architecture on AIDS transmission patterns. "Epidemics spread without<br />
a threshold on a scale-free network thanks to hubs and nodes with an unexpectedly large number of<br />
links," Barabasi said. "Once infected, hubs offer an efficient conduit for disease spreading by reaching an<br />
unusually high percentage of other nodes."<br />
As a result, anything less than attacking the disease at its hub represents random treatments that cannot<br />
contain the epidemic because, Barabasi said, they "leave the scale-free nature of the network unaltered."<br />
Mit Netzwerksimulationen konnte man nachweisen, dass grosse Knoten im<br />
Luftverkehrsnetz, wie London, New York oder Frankfurt, für eine rapide weltweite<br />
Ausbreitung einer Epidemie verantwortlich sind - und das weitest gehend unabhängig<br />
vom Ort des ersten Auftretens eines Krankheitserregers. Dabei ist die Kapazität des<br />
Flughafens an einem Knotenpunkt viel weniger entscheidend als der Grad seiner<br />
Vernetzung.<br />
Strategie der Natur:<br />
Sie Stoffwechselprozesse der Natur müssen sehr stabil sein, daher sind Scale-Free-<br />
Netzwerke häufig anzutreffen.<br />
Bewährte Strukturen sind in den Hubs immer wieder anzutreffen, wie z.B. die<br />
Hämgruppe in Hämoglobin, Myoglobin, Cytochrom, Catalase etc..<br />
Chemie, 6sm<br />
33
1.4 Stoffgruppen<br />
Leben hat als Voraussetzung:<br />
Zeit (Leben = Dynamik, Leben = Reaktionen)<br />
Materie (Proteine als „Maschinen“, Mineralstoffe etc,)<br />
Energie (hauptsächlich Kohlehydrate und Fette und andere ATP)<br />
Information (RNA, DNA, Hormone, evtl. Proteine)<br />
„Was die Menschen erschreckt, ist die Tatsache, dass Genetik nichts anderes<br />
ist als Chemie.“<br />
Arthur Kornberg (1918 -) amerikanischer Biochemiker. Nobelpreisträger 1959 „für die<br />
Entdeckung des Mechanismus in der biologischen Synthese der Ribonukleinsäure und der<br />
Desoxyribonukleinsäure“.<br />
Die Substanzen die Lebewesen aufbauen und für die Funktionen benötigen setzen sich<br />
im Wesentlichen aus fünf Stoffgruppen zusammen:<br />
1. Zwanzig verschiedene Aminosäuren, als Bausteine der Peptide und Proteine.<br />
(H2N-CH-R-COOH) (Nährstoffe: Proteine).<br />
2. Fünf verschiedene Purine und fünf verschiedene Pyrimidine,<br />
die Bausteine der Nukleinsäuren, der Energiewährung und der<br />
Energieüberträger. (RNA, DNA, NADH, ADP, ATP...). Pro Tag<br />
kann die ATP-Produktion bis zur Hälfte des Körpergewichts<br />
ausmachen!<br />
N<br />
N<br />
N<br />
N<br />
N N<br />
H<br />
Pyrimidin Purin<br />
Bausteine der Nukleinsäuren<br />
Purin: Baustein von Guanin und Adenin, Pyrimidin: Baustein von Uracil, Thymin und<br />
Cytosin.<br />
3. Einfache Zucker als Energiestoffe und Strukturmaterialien (Nährstoffe:<br />
Kohlehydrate mit der Summenformel {CH2O}).<br />
H<br />
HO<br />
H<br />
HO<br />
HOC<br />
CHO<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
a)<br />
1<br />
H 2<br />
H<br />
OH<br />
OH<br />
H<br />
HO<br />
HO<br />
H 1<br />
2<br />
3<br />
H<br />
HO<br />
CHO<br />
CH2OH H<br />
4<br />
5<br />
OH<br />
H<br />
b) c)<br />
4<br />
HO<br />
HO<br />
3<br />
6<br />
CH2OH<br />
O<br />
Abbildung 29: a) Zick-Zack-, b) Fischer- c) Sessel-Konformationsformel von Glucose<br />
Chemie, 6sm<br />
5<br />
2<br />
HO<br />
1<br />
OH<br />
O<br />
N<br />
O<br />
N<br />
34<br />
Coffein<br />
N<br />
N
4. Einfache Fettsäuren, Terpene und Steroide sowie Lipide, die im Körper<br />
Zellmembranen, Reservestoffe und Hormone bilden (Nährstoffe: Fette).<br />
Arachidonsäure<br />
Isopren<br />
5. Vitamine sowie viele Sekundär- und Nebenbestandteile. Mineralstoffe und<br />
Spurenelemente als Ionen (Fe, Cu, Co, Se, Zn...)<br />
Syntheseleistungen einer Zelle:<br />
Für die oben erwähnten Stoffgruppen wird unterschiedlich viel Energie aufgewendet:<br />
Einen Begriff von der Synthese-Leistung einer wachsenden Zelle mögen die folgenden<br />
Angaben (Anzahl der pro Sekunde synthetisierten Moleküle, in Klammern % der<br />
aufgewendeten Biosynthese-Energie) für das Bakterium Escherichia coli geben:<br />
Proteine 1400 (88.0),<br />
DNA 0.033 (2.5),<br />
RNA 12.5 (3.1),<br />
Polysaccharide 32.5 (2.7) ;<br />
Lipide 12’500 (3.7) ;<br />
Eine Bakterienzelle wendet also ca. 88% ihrer Energie alleine für die Protein-<br />
Synthese auf!<br />
Chemie, 6sm<br />
O<br />
OH<br />
35
1.5 Empfindungen als biochemische Wirkungen<br />
Die Empfindungen: Geruch, Geschmack, Gehör, Sehen, Tasten sind logarithmisch, das<br />
besagt das Weber-Fechnersches Gesetz:<br />
Effekt/Reiz<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
0 20 40 60 80 100<br />
Stimulus/Reiz<br />
Effekt/Reiz<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
1 10 100<br />
Stimulus/Reiz<br />
x-Achse: linear x-Achse: logarithmisch<br />
Abbildung 30: Die logaritmische Empfindung<br />
Abbildung 31: Die 4 Rezeptoren für verschiedene<br />
Geschmacksrichtungen sind überall auf der Zunge verteilt –<br />
hier nur die grössten Konzentrationen.<br />
36<br />
Diese Darstellung ist etwas<br />
ungenau!<br />
Die Zunge ist nicht in einzelne<br />
Zonen für verschiedenen<br />
Geschmack eingeteilt 25 . Eine<br />
Geschmacksnervenzelle<br />
reagiert bei mehreren<br />
Geschmacksqualitäten.<br />
Der 5. Geschmack Umami fehlt!<br />
Man kennt 5 verschiedene Rezeptoren auf der Zunge:<br />
süss sauer salzig bitter „Umami“<br />
Aminosäuren<br />
Zucker Essigsäure Kochsalz Chinin Glutamat (das<br />
Salz), auch<br />
andere AMCS<br />
b<br />
0.5 % 0.007 % 0.25 % 0.000’05 % c<br />
1000<br />
bestimmte<br />
140<br />
H3O<br />
500 1 d<br />
Moleküle<br />
+ Na + bestimmte bestimmte e<br />
Moleküle Moleküle<br />
vergeht schnell<br />
vergeht langsam f<br />
binden Süssstoffe<br />
an einen<br />
membrangebundenen<br />
Rezeptor<br />
H + -Ionen<br />
blockieren die K + -<br />
Kanäle<br />
wirkt über einen<br />
Membranrezeptor,<br />
IP3 und<br />
Ca 2+<br />
im Wesentlichen<br />
ein „Geschmacksverstärker“.<br />
a: Geschmack; b: Beispiel; c: Mittlere feststellbare Konzentration; d: Verhältnisse relativ zu bitter = 1; e:<br />
Welche Stoffe; f: Besonderes, g: chemische Reaktion.<br />
Alle Mittel, welche die Bewegung der Moleküle einschränken, stumpfen den<br />
Geschmack ab (Sirup, Fett, Gelatine etc.) verfeinern einer Sauce!<br />
Beispiele: Rahm nimmt dem Kaffee oder Tee den bitteren Geschmack, ebenso Sauce<br />
oder Eiweiss in Bouillon.<br />
25<br />
Smith D.V., Margolskee R.F., Das Geheimnis des Geschmacksinns, Spektrum der Wissenschaft, Juli<br />
2001, 44<br />
Chemie, 6sm<br />
a<br />
g
Folgerung:<br />
Rezeptoren sind sehr spezifisch aber auch sehr unterschiedlich in der Empfindlichkeit.<br />
Wir essen viel Süssstoffe: Die Empfindlichkeit ist klein, der Geschmack vergeht rasch.<br />
N.B. Man kennt heute möglicherweise einen 6. Geschmack: „Hot“, heiss. Dieser hat<br />
eigene, spezielle Rezeptoren (z.B. Capsaicin).<br />
Capsaicin 26<br />
[8-Methyl-trans-6-nonensäure-(4-hydroxy-3- methoxybenzylamid)] CAS 404-86-4<br />
H 3CO<br />
HO<br />
N<br />
H<br />
O<br />
C18H27NO3, MR 305,42. Es ist in Wasser kaum, in den meisten organischen Lösungsmitteln<br />
gut löslich. Capsaicin verursacht den scharfen Geschmack der Paprika-Früchte,<br />
Chillies und anderen Capsicum-Arten (noch in einer Verdünnung von 1:105), in denen<br />
es zu 0,3–0,5% enthalten ist. Capsaicin ist ein starkes Reizmittel. Die Schärfe der<br />
Capsicum-Früchte ist neben Capsaicin auf mindestens 9 weitere Capsaicinoide<br />
zurückzuführen.<br />
Verwendung: In alkoholischer Lösung für hyperämisierende Einreibungen gegen Frostbeulen,<br />
Gliederreissen, Rheuma (ABC-Pflaster) und dergleichen. In geringen Dosen<br />
steigert Capsaicin die Salzsäure-Sekretion (Ausscheidung) im Magen. Eine chronische<br />
Überdosierung des Gewürzes bewirkt chronische Gastritis 27 , Nieren- und Leberschädigungen.<br />
Auf der Schleimhaut verursacht Capsaicin schon in kleinen Mengen<br />
Reizungen; bei längerer Einwirkung entstehen Geschwüre und Nekrosen<br />
(abgestorbenes Gewebe).<br />
Biosensor als Analogie zu Empfindungen<br />
R e z e ptor<br />
Abbildung 32: Prinzip eines Biosensors<br />
Signal<br />
CH 3<br />
Transduktor Elektronik<br />
Anwendung:<br />
Kommerziell verfügbar sind zur Zeit insbesondere Enzym-Elektroden. Sie werden im<br />
Gesundheitswesen eingesetzt, zur Kontrolle biotechnologischer Prozesse, in der<br />
Lebensmittel-Industrie sowie im Umweltschutz. Mit Biosensoren analysiert werden z. B.<br />
Glucose, Galactose, Lactose, Ethanol, Milchsäure oder Harnsäure.<br />
26 Capsaicin, Römpp Lexikon Chemie – Version 1.2, Stuttgart/New York: Georg Thieme Verlag 1996<br />
27 Gastritis: Entzündung der Magenschleimhaut<br />
Chemie, 6sm<br />
CH 3<br />
37
2 Aminosäuren, Peptide, Proteine<br />
Jöns J. Berzelius prägte 1838 den vom griechischen Wort proteios ("erstrangig")<br />
abgeleiteten Begriff "Protein", um die Wichtigkeit jener Stoffgruppe zu betonen.<br />
2.1 Aminosäuren<br />
2.1.1 Aufbau<br />
Jede Aminosäure, die an der Zusammensetzung von Proteinen (Eiweiss) beteiligt ist,<br />
besitzt wenigstens eine Amino- (-NH2) und eine Carboxylgruppe (-COOH) und beide<br />
sind mit dem gleichen Kohlenstoffatom verknüpft (Aminocarbonsäure). Die allgemeine<br />
Strukturformel ist daher folgende:<br />
+<br />
NH 2<br />
R C COOH<br />
H<br />
NH 3<br />
-<br />
R C COO<br />
Abbildung 33: Eine Aminosäure in der neutralen und der zwitterionigen Form<br />
R steht dabei für unterschiedliche Gruppen Seitenkette, diese ist ein<br />
Charakteristikum jeder Aminocarbonsäure (AMCS).<br />
Die funktionellen Gruppen von allen AMCS sind:<br />
Amin (schwach basisch) und<br />
Säure (schwach sauer).<br />
Aminosäuren sind in Wasser gelöst Zwitterionen, sie sind amphoter (können als Säure<br />
oder Base fungieren).<br />
2.1.2 Pufferwirkung<br />
Puffer<br />
Von Fernbach 1890 in bildlicher Übernahme der entsprechenden mechanischen<br />
Vorrichtung an Eisenbahnwagen geprägte Bezeichnung für eigentlich als Puffer-Lösung<br />
zu bezeichnende Lösung aus einer schwachen Säure (z. B. Essigsäure) mit einem<br />
praktisch völlig dissoziierten Neutralsalz derselben Säure (z. B. Natriumacetat).<br />
Wird etwas Base oder Säure zu einer Aminosäurelösung zugegeben, so ändert sich der<br />
pH-Wert kaum (Pufferung).<br />
Die AMCS funktionieren als Puffer (wandeln eine starke Säure in eine schwache Säure,<br />
eine starke Base in eine schwache Base um) – sie sind wichtig für die Säure-Basen-<br />
Regulation 28 .<br />
28 Davenport H.W., Säure-Basen-Regulation, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1973<br />
Chemie, 6sm<br />
H<br />
38
Die Wirkung der in Puffer-Lösung enthaltenen Puffer-Substanzen (hier AMCS) beruht<br />
auf der Abfangreaktion von Wasserstoff- bzw. Hydroxid-Ionen unter Bildung schwacher<br />
Säuren bzw. Basen auf Grund ihres Dissoziationsgleichgewichts.<br />
Chemische Reaktionen eines Aminosäure-Puffers:<br />
Zugabe von Säure: Aus der schwachen Base -NH2 wird die „schwache“<br />
korrespondierende Säure –NH3 +<br />
Zugabe von Base: Aus der schwachen Säure –COOH wird die „schwache“<br />
korrespondierende Base –COO -<br />
Beispiel:<br />
(R-COO - + Na + )<br />
Gelöstes Salz<br />
der schwachen<br />
Säure<br />
+ HX R-COOH + (Na + + X - )<br />
Zugabe der<br />
starken Säure<br />
Herleitung der Puffergleichung:<br />
gelöste<br />
schwache<br />
Säure<br />
gelöstes Salz<br />
der starken<br />
Säure<br />
Allg. Gleichung für eine Säure: HA + H2O H3O + + A - ; HA: Säure, A - : konj. Base<br />
<br />
<br />
[ H3O<br />
] [ A ]<br />
[ A ]<br />
Säurekonstante: Ks [ H3O<br />
] ; beidseitig –log<br />
[ HA]<br />
[ HA]<br />
[ A ]<br />
pH pKs log ;<br />
[ HA]<br />
<br />
<br />
<br />
; Henderson Hasselbalchsche Gleichung, Puffergleichung<br />
<br />
Beispiel: Wirkung der Aminosäure Glycin<br />
Sie haben eine Lösung mit 0,1 mol/l Glycin (pH 7, pKs =7). Zu dieser geben Sie 0,01<br />
mol/l Salzsäure. Wie stark ändert sich der pH-Wert im Vergleich zu dest. Wasser?<br />
[ A ] 0.<br />
09 <br />
Glycinlösung: pH pKs log<br />
7 log<br />
6.<br />
91<br />
[ HA]<br />
<br />
<br />
0,<br />
11 <br />
Dest. Wasser: pH = -log[H3O+] = -log[HCl] = -log[0,01] = 2<br />
Aminosäuren, Peptide (kleine Moleküle aus AMCS) und Proteine (grosse Moleküle aus<br />
AMCS) sind in unserem Blut wichtige Puffer – sie halten den pH-Wert stabil.<br />
L-Alanin Elektronendichte HOMO<br />
hohe<br />
Elektronendichte<br />
beim Stickstoff<br />
(freies EP)<br />
Abbildung 34: Struktur und elektronische Eigenschaften des Moleküls L-Alanin<br />
Chemie, 6sm<br />
39<br />
LUMO<br />
kleine<br />
Elektronendichte<br />
beim zentralen<br />
Kohlenstoff (+ Pol)
Viele Aminosäuren sind sowohl frei als auch in Verbindung durch spezielle<br />
Farbreaktionen zu erkennen, und allen gemeinsam ist eine Farbreaktion mit einem<br />
Reagenz, das man Ninhydrin nennt. Diese Reaktion wird auch zum Nachweis der<br />
Aminosäuren von Fingerabdrücken verwendet 29 .<br />
2.1.3 Stereochemie der Aminosäuren (Chiralität)<br />
R<br />
H2N C OH<br />
H<br />
H<br />
H2N C OH<br />
R<br />
O<br />
O<br />
L-Aminosäure D-Aminosäure<br />
Abbildung 35: Chiralität bei alpha-Aminosäuren 30,31<br />
L-AMCS: H ist bei der Kette hinten D-AMCS: H ist bei der Kette vorne<br />
L-Phenylalanin<br />
-H: rechts hinten<br />
-NH2: links hinten<br />
schmeckt süss<br />
Abbildung 36: Räumliche Darstellung der Chiralität<br />
D-Phenylalanin<br />
-H: links hinten<br />
-NH2: rechts hinten<br />
schmeckt bitter<br />
Bei Asparagin ist R-Asparagin süss, S-Asparagin bitter. Die räumlichen Verhältnisse<br />
sind so, dass das alpha C-Atom bei Asparagin genau umgekehrt ist, wie beim<br />
Phenylalanin.<br />
Die 20 proteinogenen Aminosäuren unterscheiden sich fast nur in ihrer Seitenkette R<br />
(es gibt exotische Ausnahmen). Das zentrale C stellt ein chirales Zentrum dar (4<br />
unterschiedliche Gruppen angehängt). Nur die einfachste -AMCS, das Glycin, mit R =<br />
H, ist achiral. Die Aminosäuren Threonin und Isoleucin besitzen ein zweites chirales<br />
Zentrum in der Seitenkette. Fast nur L-Aminosäuren werden in Proteine eingebaut (D-<br />
AMCS sind sehr selten, wenn, dann oft in Ringen).<br />
29<br />
Sodhi G.S., Kaur J., Chemical Methods for Developing Latent Fingerprints, J.of Chem.Educ., Vol. 76,<br />
No.4, April 1999, 488A<br />
30<br />
Brunner H., Rechts oder links. In der Natur und anderswo, VCH Weinheim, 1999<br />
31<br />
Wachtel S., Jendrusch A., Der Linksdrall in der Natur, Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co.<br />
KG, München, 1993<br />
Chemie, 6sm<br />
40
2.1.4 Besonderheiten einiger AMCS<br />
Man gruppiert die AMCS entsprechend den chemischen Eigenschaften der<br />
Seitenketten (in Klammer Abkürzung mit 3 Buchstaben, Abkürzung mit 1 Buchstaben):<br />
A. mit unpolaren Seitengruppen:<br />
NH +<br />
3 H3C NH +<br />
3<br />
H3C C<br />
-<br />
COO H3C CH C<br />
-<br />
COO<br />
H<br />
H<br />
H 3C<br />
CH 3<br />
L-Alanin L-Valin L-Leucin<br />
(Ala,A) (Val,V) (Leu,L)<br />
H 3C<br />
NH 3<br />
-<br />
H3C CH2C C COO<br />
H H<br />
+<br />
NH 2<br />
L-Isoleucin L-Prolin<br />
(Ille,I)<br />
(Pro,P)<br />
NH 3<br />
-<br />
CH2 C COO<br />
H<br />
+<br />
+<br />
H<br />
COO<br />
-<br />
CH<br />
H<br />
N<br />
NH 3<br />
-<br />
CH2 C COO<br />
H<br />
NH 3<br />
+<br />
CH2 C COO<br />
-<br />
L-Tryptophan<br />
(Trp,W)<br />
-<br />
H3C S CH2CH2 C COO<br />
L-Phenylalanin L-Methionin<br />
(Phe,F)<br />
(Met,M)<br />
Diese Aminosäuren sind lipophil, fettlöslich. Die Seitenketten dieser Aminosäuren<br />
binden kein Wasser, sondern stossen dieses ab (sie sind hydrophob).<br />
Besonderheiten zeigt:<br />
Isoleucin mit 2 chiralen Zentren.<br />
Tryptophan mit einem Stickstoff in der Seitenkette und<br />
Methionin mit einem Schwefelether.<br />
Chemie, 6sm<br />
H<br />
NH 3<br />
H<br />
+<br />
+<br />
41
A. mit polaren ungeladenen Seitengruppen:<br />
NH 3<br />
-<br />
H C COO HO CH2 C COO<br />
- -<br />
HO<br />
CH2 C COO<br />
H 3C<br />
H<br />
+ + +<br />
NH 3<br />
H<br />
Glycin L-Serin L-Tyrosin<br />
(Gly,G) (Ser,S) (Tyr,Y)<br />
H<br />
-<br />
C C COO<br />
HO<br />
NH 3 +<br />
H<br />
NH 3<br />
H<br />
H2N NH +<br />
3<br />
C CH2C -<br />
COO<br />
L-Threonin L-Cystein<br />
L-Asparagin<br />
(Thr,T)<br />
(Cys,C)<br />
(Asn,N)<br />
H 2N<br />
O<br />
C CH 2<br />
NH 3<br />
-<br />
HS CH2 C COO<br />
H<br />
NH 3 +<br />
+<br />
CH2 C<br />
H<br />
-<br />
COO<br />
L-Glutamin<br />
(Gln,Q)<br />
Cysteine können unter Abspaltung von 2 H eine Schwefelbrücke (-S-S-) bilden (mittlere<br />
Bindungsenergie: 255 kJ/mol). Diese Brücke ist wichtig für die Stabilisierung vieler<br />
Peptide und Proteine. Andererseits sind diese Schwefelverbindungen gegen Oxidation<br />
sehr empfindlich. Die Schwefelatome, auch jene von Methionin, können mit vielen<br />
Schwermetallen eine Verbindung eingehen, was die Toxizität der Schwermetalle z.T.<br />
erklärt.<br />
Abbildung 37: Elektronendichte- Verteilung von Tyrosin mit -NH3 + und -COO -<br />
Chemie, 6sm<br />
O<br />
H<br />
42
Saure A. (besitzen neg. geladene Seitengruppen):<br />
-<br />
O<br />
NH +<br />
3<br />
-<br />
O<br />
NH +<br />
3<br />
C CH2C COO<br />
-<br />
C CH2CH2 C<br />
-<br />
COO<br />
O<br />
Basische A. (besitzen pos. geladene Seitengruppen):<br />
NH 3<br />
+<br />
-<br />
H3N CH2CH2 CH2 CH2 C COO<br />
H 2N<br />
H2N +<br />
+<br />
HN<br />
C<br />
N<br />
H<br />
H<br />
L-Aspartat L-Glutamat<br />
(L-Asparaginsäure;Asp,D)<br />
(L-Glutaminsäure;Glu,E)<br />
NH CH 2<br />
CH 2<br />
NH 3<br />
C<br />
H<br />
+<br />
-<br />
COO<br />
O<br />
H<br />
+<br />
+<br />
CH<br />
-<br />
2 CH2 C COO<br />
H<br />
L-Lysin (Lys,K)<br />
L-Arginin (Arg,R)<br />
L-Histidin (His,H; bei pH 6)<br />
Diese Seitenketten sind besonders empfindlich auf pH-Änderungen, da sie dabei eine<br />
Ladung aufbauen können (Ionen):<br />
Saure Seitenketten sind im basischen negativ geladen (Anionen),<br />
basische Seitenketten sind im sauren positiv geladen (Kationen).<br />
Anwendung:<br />
Das Salz von Acetylsalicylsäure und Lysin ist sehr gut wasserlöslich:<br />
Erstens biltet die Aminosäure ein Zwitterion (geladen) und<br />
Zweitens bildet die Acetlysalicylsäure mit dem Amin des Lysins ein zweites<br />
Ionenpaar.<br />
Chemie, 6sm<br />
NH 3<br />
H<br />
43
2.1.5 Stoffwechsel von Aminosäuren<br />
2.1.5.1 Von Cystein zu Taurin<br />
Endprodukt des Abbaus von L-<br />
Cystein (-CO2)<br />
C2H7NO3S, MG: 125.14 g/mol<br />
C: 19.19%; H: 5.64%; N:<br />
HS<br />
Oxidation<br />
HO3S<br />
11.19%; O: 38.35%; S: 25.62% H2N COOH<br />
H2N<br />
Farblose Säulen in Wasser mit<br />
neutraler Reaktion<br />
Cystein<br />
Taurin<br />
Gut löslich in Wasser 6.5% bei 12°C. Unlöslich in Alkohol , Ether.<br />
Smp. 300°C (Zers.), Liegt als Zwitterion vor, pK1: 1,5; pK2: 8,74<br />
Säure<br />
Base<br />
Taurin (Aminoethansulfonsäure) kommt vor allem als Konjugationspartner gepaarter<br />
Gallensäuren, Glykochol- und Desoxycholsäure als Taurocholsäure vor.<br />
Taurin wurde erstmals von Gmelin 1824 aus<br />
Ochsengalle hergestellt; der Name Taurin ist<br />
von griechisch tauros= Stier hergeleitet, da<br />
beim Kochen von Ochsengalle mit Säure<br />
Taurin aus der Taurocholsäure abgespalten<br />
wird. Im Organismus (ausser in dem von<br />
OH<br />
H<br />
Katzen!) entsteht es aus Cystein.<br />
Taurin ist ein inhibitierender Neurotransmitter<br />
(Klasse der Neuropeptide) und<br />
stabilisiert Zellmembranen. Relativ hohe<br />
HO<br />
H<br />
OH<br />
Cholsäure<br />
Konzentrationen von Taurin findet man im ZNS, in der Retina und im Herz. Taurin-<br />
Defizite können bei Epilepsie, Mongolismus, Sehschwächen und Herzrhythmus-<br />
störungen<br />
eine Rolle spielen.<br />
Es ist ein wichtiger Bestandteil für die Entwicklung bei Säugern. Kommt in Muttermilch<br />
beim Menschen, aber nur in sehr geringen Mengen in der Kuhmilch vor. In einigen<br />
Kindernahrungsmitteln<br />
wird Taurin deshalb auf den Wert der Muttermilch angereichert.<br />
In Fleisch kommt Taurin in der Lunge, in Ochsenfleisch, in Haifischblut, in Austern<br />
etc.<br />
vor. Mono-, Di- und Trimethyl-Taurin wurden bei Rotalgen und Riesenkieselschwämmen<br />
nachgewiesen. Taurin ist ein Zwischenprodukt bei der Herstellung von<br />
Farbstoffen, Arzneipräparaten, Reinigungsmitteln<br />
usw., es wird unter anderem gegen<br />
Gallensteine und Schimmel angewendet.<br />
Chemie, 6sm<br />
- O3S<br />
+ H3N<br />
O<br />
44<br />
OH
2.1.5.2 Tyrosin im Stoffwechsel<br />
Tyrosin: eine Aminosäure im Stoffwechsel<br />
HO<br />
HO<br />
HO<br />
HO<br />
HO<br />
HO<br />
HO<br />
COMT<br />
HO<br />
HO<br />
O<br />
O<br />
OH<br />
NH 2<br />
OH<br />
NH 2<br />
OH<br />
NH 2<br />
OH<br />
NH 2<br />
NH<br />
Tyrosin<br />
Hydroxylierung<br />
Decarboxylierung<br />
L-Dopa<br />
Decarboxylierung<br />
Aromatische Aminosäure-Decarboxylase, AAD<br />
Dopamin,<br />
reguliert komplexe Bewegungsabläufe<br />
kann Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden<br />
Hydroxylierung, stereoselektiv<br />
HO<br />
Noradrenalin<br />
stimuliert den Wachzustand,<br />
die Stimmungslage,<br />
den Blutdruck<br />
Methylierung<br />
Catecholamin-O-Methyltransferase, COMT<br />
Adrenalin<br />
steigert den Blutdruck und<br />
die Herzfrequenz<br />
Thyramin,<br />
z.B in Käse<br />
NH 2<br />
Thyroxin, T4, T3<br />
Melanin<br />
Dopaminmangel: Parkinsonsche Krankheit (Symptome: leise Stimme, gebückte<br />
Haltung, Traurigkeit, Abnahme des Mienenspiels, verlangsamte Denkabläufe,<br />
Störungen des vegetativen Systems) Medikament: L-Dopa mit AAD- und COMT-<br />
Hemmern, weil sonst nur ca. 1% des L-Dopa im Gehirn zu Dopamin wird!! Mit diesen<br />
Enzym-Inhibitoren sind es 20-30% 32 .<br />
32<br />
Diederich F., Lerner Ch., Chemischer Baustein im Kampf gegen Parkinson, Bulletin ETH-Zürich, Nr.<br />
282, Sept. 2001, 14ff<br />
Chemie, 6sm<br />
45
Dopamin Noradrenalin Adrenalin<br />
(Die Halbwertszeit ist mit<br />
10-30 Sekunden extrem<br />
kurz.)<br />
Abbildung 38: Stick and Ball-Modelle einiger Neurotransmitter<br />
Die chemische Synthese von L-Dopa geschieht heute mit einer sogenannt<br />
asymmetrischen katalytischen Hydrierung, die 1968 erstmals von William Knowles<br />
durchgeführt wurde. Er erhielt dafür, zusammen mit Ryoji Noyori und Barry Sharpless<br />
2001 den Nobelpreis für Chemie:<br />
Abbildung 39: Asymmetrische katalytische Hydrierung zu L-Dopa, asymmetrischer Katalysator<br />
DiPAMP<br />
Chemie, 6sm<br />
46
Me<br />
HO<br />
Rezeptor<br />
HO<br />
Komplexbindung<br />
Mg, Ca van der Waals<br />
OH<br />
H- Brücke<br />
NH+<br />
Ionenbindung<br />
Abbildung 40: Adrenalin chemisch gebunden am Rezeptor (verschiedene Bindungstypen)<br />
Nicht nur die Form der Wirkstoffe ist entscheidend, die chemischen Bindungen an<br />
den Rezeptor spielen bei der Wirkungsauslösung eine ebenso grosse Rolle.<br />
Neurotransmission: L- Adrenalin ist ein Neurotransmitter des adrenergen<br />
Nervensystems, wird in dessen Neuronen synthetisiert und von ihnen freigesetzt. Es<br />
wirkt auf - und -Adrenozeptoren, wobei die -Affinität überwiegt.<br />
Hormonwirkung: L-Adrenalin wird als Nebennierenhormon zusammen mit dem<br />
chemisch und physiologisch nahe verwandten L-Noradrenalin im Nebennierenmark<br />
gebildet und von dort ins Blut ausgeschüttet. Im Stoffwechsel der Leber und der Muskulatur<br />
aktiviert L- Adrenalin die zur Bildung von Adenosin-3',5'-monophosphat notwendige<br />
Adenylat-Cyclase, was durch eine Aktivierungskaskade (Phosphorylierungen<br />
durch Protein-Kinasen) schliesslich zur Stimulierung der Phosphorylase und zu<br />
erhöhtem Glykogen-Abbau führt. Der damit verbundene Anstieg des Blutzuckers<br />
ermöglicht dessen Vergärung zu Milchsäure in den Muskeln. In Fettgewebe bewirkt L-<br />
Adrenalin die Aktivierung von Lipasen und somit eine Steigerung des Fettabbaus. Da L-<br />
Adrenalin ausserdem den oxidativen Stoffwechsel in den Zellen steigert, bewirkt es<br />
insgesamt eine erhöhte Einsatzbereitschaft des Organismus, sei es zu Arbeit, Angriff<br />
oder Flucht. Dementsprechend beobachtet man auch eine Steigerung der L- Adrenalin -<br />
Ausschüttung in Stress-Situationen. In kleineren Dosen bewirkt z. B. auch Nicotin eine<br />
Freisetzung von L- Adrenalin und L-Noradrenalin.<br />
Der Abbau des in das Blut abgegebenen Adrenalins (wie auch des Noradrenalins)<br />
erfolgt durch Catechol-O-Methyltransferase = COMT und Monoaminooxidase = MAO<br />
(d.h. durch O-Methylierung bzw. Desaminierung zu Vanillinmandelsäure = 3-Methoxy-4hydroxymandelsäure).<br />
Es wird aber auch in geringen Mengen unverändert durch die<br />
Nieren ausgeschieden.<br />
Chemie, 6sm<br />
47
2.1.5.3 Nervenreizleitung<br />
Am gleichen Nervenreizleitung-Prozess, an dem auch der Neurotransmitter<br />
(Botenstoff, Nervenreizüberträger) Dopamin beteiligt ist, können auch andere<br />
Substanzen reagieren (siehe Neurochemie 33 , 34 ).<br />
Synaptosomen<br />
präsynaptisch<br />
Freisetzung<br />
Rückresorption<br />
Enzymat.<br />
Abbau<br />
Rezeptor<br />
Reaktion<br />
Elektr.<br />
Bindung<br />
Impuls Gleichgewicht<br />
Nervenreiz<br />
Enzym<br />
Produktion<br />
synaptischer<br />
Spalt<br />
postsynaptisch<br />
Abbildung 41: Die Synapse mit den chemischen Prozessen (ein Regelsystem)<br />
Das Simulationsdiagramm zu diesem Schema:<br />
Reizstärke<br />
Synaptosomen freisetzen Synapse binden<br />
Rezeptoren<br />
synthetisieren<br />
ks<br />
rückresorbieren<br />
kr<br />
kb<br />
abbauen<br />
ka<br />
desorbieren<br />
Die entsprechenden Gleichungen (mit Vensim PLE):<br />
(01) abbauen= ka*Synapse (Abbaurate prop. Konzentration)<br />
(02) binden= kb*Synapse (Bindungsrate prop. Konzentration)<br />
(03) desorbieren= kd*Rezeptoren (Desorptionsrate prop. Konzentration)<br />
(04) Effekt= IF THEN ELSE(Rezeptoren>=1,Rezeptoren ,0 ) (Proportionalitätskonstante hier<br />
=1)<br />
(05) FINAL TIME = 100<br />
Units: millisec<br />
The final time for the simulation.<br />
(06) freisetzen=IF THEN ELSE(Synaptosomen
(07) INITIAL TIME = 0<br />
Units: millisec<br />
The initial time for the simulation.<br />
(08) ka= 0.1<br />
(09) kb= 0.1<br />
(10) kd= 0.1<br />
(11) Kdiss= kd/kb (Dissoziationskonstante entspr. ED(50))<br />
(12) kr= 0.1<br />
(13) ks= 0.1<br />
(14) Reizstärke= 0.1<br />
(15) Rezeptoren= INTEG (binden-desorbieren, 0)<br />
(16) rückresorbieren= kr*Synapse (Rückresorptionsrate prop. Konzentration)<br />
(17) SAVEPER = TIME STEP<br />
The frequency with which output is stored.<br />
(18) Synapse= INTEG (+freisetzen-binden+desorbieren-rückresorbieren-abbauen,0)<br />
(19) Synaptosomen= INTEG (+rückresorbieren-freisetzen+synthetisieren,1)<br />
(20) synthetisieren= ks<br />
(21) TIME STEP = 1<br />
The time step for the simulation.<br />
Agonisten oder Antagonisten können:<br />
gleich wirken, aber vielleicht stärker oder schwächer (Agonisten)<br />
blockieren (Antagonisten)<br />
die Freisetzung aus den Synapsenbläschen fördern oder blockieren<br />
den Abbau blockieren (Inhibition der Enzyme im synaptischen Spalt)<br />
den Abbau beschleunigen (Adaption, Sucht)<br />
die Rückaufnahme (Reuptake) beschleunigen, unterdrücken<br />
das Gleichgewicht stören (Adaption, Sucht)<br />
Neurotransmitter<br />
Ausschüttung<br />
Nervenreiz<br />
Rückresorption/Abbau<br />
Abbildung 42: Ein einfacher Regler im Körper (schematisch)<br />
Abbildung 43: Dopamin, mikroskopische Aufnahme 35<br />
Neurotranmitterkonz.<br />
synapt. Spalt<br />
35 Dopamin: http://micro.magnet.fsu.edu/micro/gallery/neurotrans/neuro1.html, 27.02.01<br />
Chemie, 6sm<br />
49
Dopamin und Konkurrenten<br />
HO<br />
H2 N<br />
OH Dopamin<br />
H 3 C<br />
OCH3<br />
OCH3<br />
H2 N<br />
Dom<br />
H3 C O<br />
H3 C O<br />
Abbildung 44: Die Neurotransmitter Dopamin und zwei Drogen im Vergleich<br />
O CH 3<br />
NH2<br />
Mescalin<br />
Mescalin: Psychodelicum, hochwirksames Halluzinogen, Wirkstoff des Peyotl Kaktus,<br />
verwendet von Azteken und mexikanischen Indianern<br />
DOM: hochwirksames Psychodelicum, 1967 an einem Hippie - Fest in San Francisco<br />
aufgetaucht, Name STP (serenity (Heiterkeit, Gelassenheit), tranquility, peace).<br />
Folgerung:<br />
Die Drogen greifen im Zentralnervensystem dort an, wo auch die Neurotransmitter<br />
wirksam sind.<br />
Tabelle 1: Wirkungen von Agonisten und Antagonisten<br />
Wirkung der Nerven<br />
Wirkung der Substanz anregend dämpfend<br />
Agonist + -<br />
Antagonist - +<br />
2.1.5.4 Die Synapse, eine chemische Schaltstelle<br />
Eine Synapse ist wie eine Diode Leitet nur in einer Richtung.<br />
<br />
Stärke eines Nervenreizes<br />
Ein Nerv „feuert“ ca. 10-50 mal pro Sekunde (50 Hz), was bei einem sehr starken Reiz<br />
auf bis zu 500 mal steigen kann (500 Hz). Die Stärke eines Nervenreizes ist somit nicht<br />
von der Amplitude (Spannung) sondern von der Geschwindigkeit der Impulse abhängig<br />
(digitales Verhalten).<br />
Geschwindigkeit der Übertragung im synaptischen Spalt:<br />
Synaptischer Spalt: 15 - 25 nm (1 nm = 10 -9 m = 10 -7 cm, 20 nm = 2010 -9 m)<br />
Zum Vergleich: Die Bindungslängen C-C im aromatischen Ring sind ca. 0,14 nm<br />
Chemie, 6sm<br />
50
Zeit t für die Reizübertragung durch Diffusion 36 :<br />
Diffusionszeit: t = l 2 /D;<br />
l : Distanz (m);<br />
D: Diffusionskonstante 10 -9 m 2 sec -1 (in Wasser)<br />
Für 1 cm Wasser: t 10 -4 /10 -9 sec = 1666 Min = 27.8 Stunden !!<br />
Für den Synaptischen Spalt (l = 20 nm = 2010 -9 m):<br />
t = (210 -8 ) 2 /10 -9 = 410 -7 sec = 0.4 s !!<br />
Folgerung:<br />
Bei den ausserordentlich kleinen<br />
Distanzen des synaptischen<br />
Spalts ist die Diffusion als sehr<br />
langsamer Prozess genügend<br />
rasch.<br />
Molekulare Ebene (1 nm = 10 -9<br />
m):<br />
t = (10 -9 ) 2 /10 -9 = 10 -9 sec = 1 ns !!<br />
Nanobereich<br />
In doppelt logarithmischer<br />
Darstellung ergibt sich eine<br />
Gerade, welche die<br />
zusammenhände deutlich macht.<br />
Diffusionszeit (s)<br />
1.00E+06<br />
1.00E+03<br />
1.00E-03<br />
1.00E-06<br />
1.00E-09<br />
51<br />
1.00E-09 1.00E-06 1.00E-03<br />
1.00E+00<br />
1.00E+00<br />
Länge (m)<br />
Strategie der Natur (auch der Mikrotechnik)<br />
Die Kanäle und Spalten sind auf zellulärer und vor allem auf molekularer Ebene so<br />
klein, dass Diffusionsvorgänge und Mischungsvorgänge im Vergleich zum<br />
Makroskopischen ausserordentlich rasch ablaufen.<br />
Besonderheit der Nanotechnologie (und damit auch der chemischen Prozesse auf<br />
zellulärer Ebene): Hier sind auch Prozesse sehr rasch, die makroskopisch langsam<br />
sind.<br />
An den Grenzflächen verhalten sich die Moleküle anders, als in den beiden<br />
Phasen.<br />
Die Geschwindigkeit der Nervenreizleitung über die Nervenbahnen ist mit ca. 100<br />
Meter pro Sekunde oder 1/3 der Schallgeschwindigkeit 37 relativ langsam.<br />
36 Herleitung mit den Fickschen Gesetzen<br />
37 Rauland M., Chemie der Gefühle, S.Hirzel Verlag, Stuttgart/Leipzig, 2001, 60<br />
Chemie, 6sm
Thyroid-Hormone 38<br />
Im Jahre 1915 verkündete der Landarzt Heinrich<br />
Hunziker 39 : „Der Kropf entsteht durch Iodmangel in der<br />
Nahrung. Iod ist kein Gift. In kleinen Mengen regelmässig<br />
verabreicht, lässt Iod die Kröpfe zurückbilden und verhindert<br />
auch ihre Entstehung.“ Im selben Jahr gelang die erste<br />
Reinherstellung von T4 von Kendall durch alkalische<br />
Hydrolyse von tierischen Schilddrüsen (etwa 3000 kg<br />
Schilddrüsen ergaben nur 33 g Reinthyroxin).<br />
1922 führte<br />
der Kanton Appenzell-Ausserrhoden als erster Schweizer<br />
Kanton das Kochsalz mit Iodzusatz ein. Der Erfolg blieb<br />
nicht aus. 1926/27 erfolgten Strukturermittlung und<br />
Synthese durch Harington<br />
und Barger.<br />
Thyroid-Hormone sind eine Sammelbezeichnung für die<br />
beiden in der Schilddrüse (Thyreoidea) aus Tyrosin<br />
gebildeten Hormone:<br />
3,3',5-Triiod-L-thyronin (T3, C15H12I3NO4, MR 651,01) und<br />
Abbildung 45:<br />
Schilddrüse<br />
L-Thyroxin (3,3',5,5'-Tetraiod-L-thyronin, T4, C15H11I4NO4, MR 776,88). Die Schilddrüse<br />
wiegt bei Neugeborenen etwa 2g, bei Schulkindern 10 bis 15 g und bei Erwachsenen<br />
bis 25 g.<br />
Bildung und Abbau: Der menschliche Organismus enthält ca. 10–30 mg Iod, und zwar<br />
zu 99% in der Schilddrüse. Das mit der Nahrung aufgenommene Iodid (empfohlene<br />
Zufuhr 0,15–0,20 mg/Tag 40,41 ) geht über Mono- und 3,5-Diiodtyrosin schliesslich in T3<br />
und T4 über (siehe Schema). Die tägliche Sekretionsrate wird auf ca. 90 g T4 bzw.<br />
10 g T3 geschätzt. Im Blut werden sie an Proteine gebunden transportiert. Die<br />
normale Serumkonzentration beträgt ca. 10 nmol/l.<br />
Die Schilddrüsenhormone beeinflussen z.B.:<br />
Eiweissstoffwechsel,<br />
Kohlenhydratstoffwechsel,<br />
Fettstoffwechsel,<br />
Energiestoffwechsel,<br />
Muskelstoffwechsel,<br />
Mineralhaushalt,<br />
Temperaturregulation,<br />
körperliche und geistige Entwicklung im Wachstumsalter,<br />
körperliche und geistige Leistungsfähigkeit bei Erwachsenen,<br />
Tätigkeit anderer Drüsen, z.B. auch der Keimdrüsen, die der Fortpflanzung dienen.<br />
38<br />
Thyroid-Hormone, Römpp Lexikon Chemie – Version 2.0, Stuttgart/New York: Georg Thieme Verlag<br />
1999<br />
39<br />
Kiechler N., Salzige Tatsachen in: Das Wissen- und Mutbuch über Wundermittel und Gifte, Verlag<br />
AARE Solothurn, 1986, 88<br />
40<br />
Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr, Umschau/Braus, 2000, Schweizerische Vereinigung für<br />
Ernährung (Hrsg.)<br />
41<br />
Baltes W., Lebensmittelchemie, 4. Auflage, Springer-Verlag Berlin, 1995,16<br />
Chemie, 6sm<br />
52
HO<br />
Peroxidase+<br />
Iodinase<br />
Monoiodtyrosin<br />
HO<br />
HO<br />
NH 2<br />
OH<br />
NH 2<br />
O<br />
O HO<br />
OH<br />
I I<br />
I<br />
NH 2<br />
OH<br />
O<br />
Tyrosin<br />
I I<br />
HO<br />
NH 2<br />
OH<br />
NH 2<br />
OH<br />
Abbildung 46:Biosynthese von T4 und T3 aus Tyrosin<br />
T3 ist etwa fünf bis zehn mal<br />
stärker wirksam anregend auf<br />
den Stoffwechsel als T4 42 . Die<br />
Thyroid-Hormone steigern den<br />
Grundumsatz und wirken auf den<br />
Stoffwechsel von<br />
Kohlenhydraten, Lipiden und<br />
Proteinen. Die<br />
wachstumsfördernde Wirkung ist<br />
eine wesentliche Voraussetzung<br />
für eine ungestörte kindliche<br />
Entwicklung. Die Regulation der<br />
Schilddrüse-Aktivität erfolgt über<br />
das Zentralnervensystem.<br />
Die Hormonkonzentration von T3<br />
und T4 im Blut wirkt hemmend<br />
I<br />
I<br />
Diiodtyrosin Triiodthyronin, T3<br />
O<br />
O<br />
HO<br />
HO<br />
I<br />
I<br />
I<br />
O<br />
O<br />
Thyroxin, T4<br />
auf die Freisetzung von TRH (Regelkreis negative Rückkopplung).<br />
I<br />
I<br />
I<br />
I<br />
NH 2<br />
NH 2<br />
53<br />
O<br />
OH<br />
O<br />
OH<br />
Abbildung 47:Thyroxin (T4), links erkennt man die<br />
grossen unpolaren Iodatome, rechts den Sauerstoff der<br />
Säuregruppe. Bei T3 fehlt das obere Iodatom.<br />
Ihr Abbau erfolgt in Leber und Niere durch Desaminierung, Decarboxylierung oder<br />
Konjugation, besonders aber durch Desiodierung, wobei ca. 20% des freiwerdenden<br />
Iodids erneut zur Synthese von Iodaminosäuren zur Verfügung stehen<br />
(Rückresorption).<br />
Die biologische HWZ (chemischer Abbau, Metabolisierung + Ausscheidung) des T4<br />
beträgt ca. 7 Tage, die des T3 etwa 1-1,5 Tage. Etwa 15% der Thyroid-Hormone<br />
werden mit dem Stuhl (Lipophilie!!), nur sehr geringe Mengen mit dem Harn ausgeschieden.<br />
42<br />
Lüllmann H., Mohr K., Ziegler A., Taschenatlas der Pharmakologie, Georg Thieme Verlag,<br />
Stuttgart/New York, 1994, 239<br />
Chemie, 6sm
Urin-<br />
Ausscheidung<br />
Aufgenommenes<br />
Iodid<br />
G.I. Trakt<br />
Iodid<br />
Iodid<br />
im Blut<br />
Aktiver Transport<br />
gehemmt durch: I-, SCN-,<br />
ClO4gesteigert<br />
durch: TSH, I-<br />
Mangel<br />
Enzymat. Oxidation<br />
gehemmt durch:<br />
Thioharnstoff,<br />
Imidazol,<br />
Aminobenzol-Deriv.<br />
gesteigert durch: TSH<br />
Abbildung 48: Iod und Iodid im Stoffwechsel 43<br />
Periphere Wirkung<br />
und Metabolismus<br />
Iod + Tyrosin -><br />
MIT -> DIT<br />
MIT + DIT -> T3<br />
DIT + DIT -> T4<br />
-> Leber -><br />
Faeces<br />
Zirkulierendes<br />
Protein-gebundenes<br />
T3 und T4<br />
Proteolyse<br />
gehemmt durch:<br />
Igesteigert<br />
durch:<br />
TSH<br />
Enzymat. Kopplung<br />
T3, T4 -><br />
Thyreoglobulin<br />
43 Lemmer B., Wiethold G., Saller R., Hodgson M., Lehrbuch der Pharmakologie, Springer-Verlag,<br />
Berlin/Heidelberg/New York, 1975, 360<br />
Chemie, 6sm<br />
54
Kropferzeugende Stoffe<br />
In den Kohl- und Krautarten der Gattung Brassica sind kropferzeugenden (strumige)<br />
Substanzen enthalten. Beispiele sind: Weisskraut, Rotkraut, Wirsig, Kohlrabi,<br />
Sommerraps, Blumenkohl, und Speiserüben. Auch Senfarten, Rettich, Meerrettich<br />
Gartenkresse, Zwiebel und Cassava kommen solche Substanzen vor 44 .<br />
Hier sind es zwei molekulare Mechanismen, die zu Kropf (Struma) führen können:<br />
Verminderung der Iodaufnahme (SCN - , ClO4 - )<br />
Hemmung der Schilddrüsenfunktion (Thioharnstoff)<br />
R<br />
C<br />
S<br />
N O<br />
C 6 H 11O 5<br />
T h i o g l u c osidase/H2O S O<br />
2 K<br />
- C 6 H 1 2 O 6, - KHSO 3<br />
R N C S R C N<br />
I s o t h i o c yanat Nitril +<br />
Schwefel<br />
R<br />
C<br />
S<br />
N<br />
55<br />
R S C N<br />
T h i o c y a n at<br />
Abbildung 49: Bildung kropferzeugender Substanzen aus Nahrungsmitteln ohne Zusatzstoffe<br />
Das Thiocyanat (SCN - ) verdrängt, möglicherweise<br />
wegen seinem sehr ähnlichen Ionenradius wie Iodid<br />
(I - ) und seiner grossen Affinität zu den<br />
Aufnahmestellen im Schilddrüsenepithel die<br />
Iodionen. Wichtig: Beide Substanzen sind negativ<br />
geladene Ionen!<br />
Am meisten SCN - wird von Wirsigkohl gebildet (bis<br />
zu 30 mg/100 g). Blumenkohl enthält bis zu 10<br />
mg/100 g, Kohlrabi etwa 2 mg/ 100 g. Wenn die<br />
Abbildung 50: Iodid- und<br />
Thiocyanat- Anion<br />
Nahrung lange Zeit und sehr einseitig aus Kohlgewächsen besteht, kann die Bildung<br />
eines Kropfes begünstigt werden. Solche Verhältnisse waren in besonders iodarmen<br />
Gebieten 45 , Zeiten der Armut, unter Kriegsverhältnissen und in Gefangenenlagern<br />
gegeben. Obwohl diese Erkenntnisse für den Menschen sehr wichtig sind, wurden sie<br />
erst 1928 bei Kaninchen beobachtet, bei denen die Fütterung mit reichlich Kohl zu einer<br />
Schilddrüsenvergrösserung führte. Iodmangel, Kretinismus, zeigt sich in der extremen<br />
Form nicht nur in der Bildung eines Kropfes, sondern auch in schweren geistigen<br />
Schäden.<br />
44 Lindner E., Toxikologie der Nahrungsmittel, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1979, 27<br />
45 Miniger Max, La Chaux, Eine verschwundene Geissel der Menschheit: Der Kretinismus der Alpen, DIE<br />
ALPEN (SAC), 4. Quartalsheft, 1983, S. S. 239 – 246. (Die Originalsprache des Beitrags ist<br />
französisch: LES ALPES, 4 Trimestriel 1983, pages 239.)<br />
Chemie, 6sm
Durch Zufuhr von Iodid kann Thiocyanat (SCN - ) kompensiert werden. Thioharnstoff<br />
(und ähnliche Medikamente) verhindert die Oxidation von Iodid zu Iod und kann somit<br />
mit einer höheren Iodidzufuhr nicht kompensiert werden.<br />
H 2 N<br />
H 2 N<br />
C<br />
HN<br />
S C<br />
H2N<br />
SH<br />
Thioharnstoff Isothioharnstoff<br />
Nur Iod kann die Substitutionsreaktion am aromatischen Ring durchführen, da das Iodid<br />
das Oktett schon erreicht hat und nicht mehr reaktiv ist (keine treibende Kraft!).<br />
Im Jahre 1915 verkündete der Landarzt Heinrich Hunziker 46 : „Der Kropf entsteht durch<br />
Iodmangel in der Nahrung. Iod ist kein Gift. In kleinen Mengen regelmässig verabreicht,<br />
lässt Iod die Kröpfe zurückbilden und verhindert auch ihre Entstehung.“ 1922 führte der<br />
Kanton Appenzell-Ausserrhoden als erster Schweizer Kanton das Kochsalz mit<br />
Iodzusatz ein. Heute ist dieser Zusatz, da sehr sinnvoll, üblich.<br />
Abbildung 51: Zusätze von Fluorid und Iodid zum Tafelsalz<br />
Die zugesetzte Menge an Iodid beträgt 0.02%, d.h. 20 Mikrogramm pro Gramm Salz.<br />
Somit muss man ca. 7.5 - 10 Gramm Salz einnehmen, um auf die erforderlichen 150 –<br />
200 Mikrogramm Iodid zu kommen – also weit mehr, als der tägliche Kochsalzkonsum<br />
von 2 – 3 Gramm bei mässiger körperlicher Arbeit.<br />
46<br />
Kiechler N., Salzige Tatsachen in: Das Wissen- und Mutbuch über Wundermittel und Gifte, Verlag<br />
AARE Solothurn, 1986, 88<br />
Chemie, 6sm<br />
56
Die Chemie des Bräunens<br />
Alle Reaktionen in unserem Körper sind sehr komplex, so auch das Bräunen der Haut.<br />
Fehlen die entsprechenden Enzyme, dann hat das bei Menschen und Tieren<br />
Albinismus zur Folge.<br />
H<br />
N<br />
Schon der braune Farbstoff, das Melanin ist keine einheitliche Substanz<br />
Indol<br />
47 .<br />
Chemisch handelt es sich bei den Melaninen um komplexe Aggregate<br />
chinoider Substanzen der empirischen Formel (C8H3NO2)x, die sich vom<br />
Indol ableiten 48 .<br />
Abbildung 52: Vereinfachtes Schema der Chemie der Melanin-Bildung<br />
3<br />
NH2 HO<br />
4<br />
CH2 C COOH<br />
H<br />
L-Tyrosin (AMCS)<br />
farblos<br />
<br />
HO<br />
HO<br />
H 2N<br />
Tyrosinase L-Dopa<br />
farblos<br />
Unter Einwirkung bestimmter Enzyme, wie der<br />
Tyrosinase, welche sich in den Melanosomen<br />
befindet, entstehen Melanine. Dabei spielen<br />
Hydroxylierungen (von L-Tyrosin zu L-Dopa),<br />
Oxidationen mit Phenol-Oxidasen (z. B. von L-Dopa<br />
zu L-Dopachinon) und Cyclisierungen<br />
(Ringbildungen) eine Rolle. Diese Reaktion ist<br />
kinetisch kontrolliert, denn eine Rückreaktion ist<br />
nicht möglich.<br />
O<br />
OH<br />
<br />
<br />
Phenol-<br />
Oxidasen<br />
Das Braunwerden von Obst und die Bräunung<br />
Die Phenol-Oxidasen, welche auch für die Bräunung<br />
der Haut verantwortlich sind, sind ebenfalls<br />
zuständig für die Bräunung der Schnittflächen bei<br />
Kartoffeln, Obst und Pilzen, die Braun- und<br />
Schwarzfärbung von abgefallenem Herbstlaub.<br />
Polyphenol-Oxidasen werden durch Sonnen-, -<br />
oder Röntgenstrahlung aktiviert, durch Kochen<br />
zerstört und beispielsweise durch L-Ascorbinsäure<br />
(Vitamin C), Schwefeldioxid, Blausäure und Kohlenmonoxid gehemmt.<br />
O<br />
O<br />
HN<br />
NH<br />
O<br />
Melanin<br />
braun<br />
O<br />
57<br />
Abbildung 53: Oben: Banane, der eine<br />
dünne Haut abgeschält ist.<br />
Unten: Die Bananenhaut über eine<br />
Lichtsonde gestülpt (die Farbe ist<br />
schon ganz braun)<br />
Wenn Äpfel aufgeschnitten werden, laufen sie rasch braun an. Noch intensiver ist diese<br />
Reaktion bei Bananenhaut. Die Banane wird mit ähnlichen chemischen Reaktionen<br />
braun, wie unsere Haut im Sommer.<br />
Somit können wir an einem einfachen Beispiel die Bräunung im Zeitraffer verfolgen.<br />
(Das Experiment funktioniert auch mit einer dünnen Scheibe Apfel, ist jedoch<br />
wesentlich weniger rasch und die Verfärbung ist weniger stark.)<br />
47 Jakubke H.D., Jeschkeit H., Lexikon <strong>Biochemie</strong>, Verlag Chemie, Leipzig 1974, 354<br />
48 Römpp Lexikon Chemie – Version 2.0, Stuttgart/New York: Georg Thieme Verlag 1999<br />
Chemie, 6sm
Experiment<br />
Ganz wenig Bananenhaut wird mit dem Messer weggeschnitten. In kurzer Zeit verfärbt<br />
sich die Bananenhaut braun.<br />
Die Innenseite muss von der weichen Schicht befreit werden, wenn man<br />
Durchlichtmessungen machen will (sonst ist die Haut zu wenig lichtdurchlässig). Die<br />
Geschwindigkeit der Braunfärbung kann mit einer Photodiode oder einem<br />
Photowiderstand leicht gemessen werden.<br />
Lichtintensität<br />
0,14<br />
0,12<br />
0,1<br />
0,08<br />
0,06<br />
0,04<br />
0,02<br />
0<br />
y = 0,11e -0,0004x<br />
R 2 = 0,91<br />
0 1000 2000 3000 4000<br />
Zeit (s)<br />
Abbildung 54: Messung der Lichtdurchlässigkeit einer Bananenhaut (Braunwerden)<br />
Interpretation:<br />
Die Reaktion lässt sich mit Pseudo 1. Ordnung recht gut beschreiben<br />
(Korrelationskoeffizient R>0,9).<br />
Die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante ist k = -0,0004 [s -1 ], die Halbwertszeit t½ =<br />
ln(„)/k = 1730 [s]., d.h. in rund einer halben Stunde ist die Lichtdurchlässigkeit auf die<br />
Hälfte gesunken.<br />
Wenn man die Oberfläche der Banane unter einer Stereolupe genau betrachtet, dann<br />
sieht man die Pigmentierung anhand von kleinen dunklen Punkten.<br />
Wenn man die Bananenschale in das Tiefkühlfach legt, bis sie gefroren ist, und dann<br />
eine Messung durchführt, dann sieht man dass die Bananenschale aus dem<br />
Kühlschrank viel rascher nachdunkelt. (Erklärung: die Zellen werden durch die<br />
Eiskristalle zerstört und somit tritt mehr Phenolase aus, welche das braune Pigment,<br />
Melamin bildet.).<br />
Unter Wasser findet die Bräunung nicht statt, da kein Sauerstoff vorhanden ist.<br />
Was lässt sich weiter auch qualitativ untersuchen? Der Einfluss von Licht, Temperatur<br />
und Sauerstoff, die Wirkung von Zitronensaft, SO2 etc.<br />
Die chemischen Reaktionen sind heute recht gut verstanden. Sie lassen sich wie folgt<br />
beschreiben:<br />
Chemie, 6sm<br />
58
n<br />
O<br />
O<br />
HO<br />
HO<br />
HO<br />
HO<br />
O<br />
HO<br />
O<br />
N<br />
H<br />
N<br />
H<br />
N<br />
H<br />
N<br />
H<br />
HO<br />
NH<br />
O<br />
OH<br />
HO OH<br />
OH<br />
H2N O<br />
O<br />
OH<br />
H<br />
OH<br />
HO<br />
HO<br />
HO<br />
O<br />
O 2<br />
H 2N<br />
L-Tyrosin<br />
N<br />
H<br />
O<br />
N<br />
H<br />
L-Dopachrom<br />
H<br />
OH<br />
H<br />
OH<br />
O<br />
O<br />
L-Leukodopachrom<br />
Melanin<br />
H<br />
OH<br />
O<br />
O 2<br />
HO<br />
Tyrosinase<br />
HO<br />
O 2<br />
Tyrosinase<br />
O<br />
O<br />
CO2 HO<br />
HO<br />
5,6-Dihydroindol<br />
O<br />
O<br />
H 2N<br />
O 2<br />
H 2N<br />
L-Dopachinon<br />
O 2<br />
5,6-Indolchinon<br />
Abbildung 55: Raper-Manson-Schema der Melaninsynthese (Raper 1928/Manson 1948)<br />
N<br />
H<br />
N<br />
H<br />
H<br />
OH<br />
H<br />
OH<br />
O<br />
O<br />
L-Dopa<br />
Abbildung 56: Elektronendichteverteilung von Sepiamelanin (Nicolaus 1968). Aussen: polare<br />
Gruppen, innen unpolar.<br />
Folgerung:<br />
Eine Ausgangssubstanz, wie z.B. Tyrosin oder Tryptophan, kann zu den<br />
verschiedensten wirksamen Stoffen führen.<br />
Chemie, 6sm<br />
59
Zusammenfassung<br />
Chemie, 6sm<br />
Dopaminhydroxylase<br />
Phenylaminoethanol<br />
N-Methyltransferase<br />
Enzyme im Phenylalanin-Stoffwechsel<br />
Phenylalanin-4-hydroxylase<br />
Tyrosinhydroxylase Peroxidase<br />
Iodinase<br />
Dopadecarboxylase o-Diphenoloxidase<br />
Dopamin<br />
Nuerotransmitter<br />
Noradrenalin<br />
Neurotransmitter<br />
Adrenalin<br />
Neurotransmitter<br />
Oxidasen<br />
Phenylalanin<br />
essentielle Aminosäure<br />
Tyrosin<br />
Dopa Thyroxin<br />
T3, T4<br />
Hormone<br />
Dopachinon<br />
Dopachrom<br />
Melanin<br />
Pigment<br />
60
2.1.5.5 Stoffwechsel von Tryptophan<br />
HO<br />
HO<br />
H<br />
N<br />
H<br />
N<br />
H<br />
N<br />
O<br />
NH 2<br />
Physiologische Effekte:<br />
OH<br />
O<br />
NH 2<br />
NH 2<br />
OH<br />
Tryptophan<br />
Basische AMCS<br />
Tryptophan-5hydroxylase<br />
(Oxidation)<br />
5-Hydroxy-tryptophan<br />
Ein Medikament gegen<br />
Depressionen<br />
Decarboxylase<br />
(- CO2)<br />
Serotonin<br />
Führt Schlaf herbei<br />
Regelt den Appetit<br />
Hat Einfluss auf das<br />
Sexualverhalten<br />
Regelt motorische<br />
Aktivität<br />
Beeinflusst<br />
Schmerzwahrnehmung<br />
Eine erhöhte Serotoninausscheidung kann bei der Akkupunkturbehandlung<br />
nachgewiesen werden.<br />
Bei Depressionen ist der Serotoningehalt im Gehirn deutlich vermindert; Prozac, ein<br />
Antidepressivum (Manager Glückspille) vermindert die Serotoninrückresorption.<br />
Schokolade enthält relativ viel Tryptophan Glücksgefühl??<br />
Das Indigoblau, ein Produkt aus Tryptophan:<br />
L-Tryptophan<br />
Chemie, 6sm<br />
H<br />
N<br />
NH 2<br />
H<br />
COOH<br />
H<br />
N<br />
Indoxyl OH Indigo<br />
H<br />
N<br />
O<br />
O<br />
N<br />
H<br />
61
2.1.5.6 Ernährung als Muntermacher? 49<br />
Fettkonsum<br />
Freie Fettsäuren verdrängen<br />
Tryptophan aus dem<br />
Blut-Albumin<br />
Höhere Konzentration<br />
an Tryptophan im Blut<br />
Körperliche Betätigung<br />
Alltag oder Sport<br />
Kohlenhydrataufnahme<br />
Gesteigerte<br />
Insulinausscheidung<br />
Verstärkte Aufnahme<br />
konkurrierender AMCS<br />
z.B. Tyrosin in die Muskulatur<br />
Relative Anreicherung von<br />
Tryptophan im Blut<br />
Erhöhte Transportrate von Tryptophan<br />
durch die Blut-Hirn-Schranke<br />
Gesteigerte Serotoninbildung<br />
"Glücksgefühl und Wohlbefinden"<br />
Abbildung 57: Gesteigerte Serotoninausschüttung durch gewisse Speisen<br />
Sonnenlicht<br />
Beispielsweise kann die Schokolade die Serotoninbildung auf dem oben dargestellten<br />
Weg stimulieren 50 .<br />
49 Bruinsma K., Taren D.L., „Chocolate: Food or Drug?“, J. American Dietic Ass., 99/10, 1999, 1249-1256<br />
50 Adler B., „Kann Schokolade glücklich machen?“, Ernährungsratgeber der CMA, 11, 1999<br />
Chemie, 6sm<br />
62
2.1.5.7 Melatonin ein Hormon aus Tryptophan Serotonin<br />
HO<br />
NH 2<br />
Serotonin<br />
H<br />
N<br />
Serotonin-<br />
N'-Acetyltransferase<br />
"Lichthemmung"<br />
Abbildung 58: Chemische Bildung von Melatonin aus Tryptophan<br />
HO<br />
O<br />
NH<br />
H<br />
N<br />
Acetylserotonin- O<br />
O-Methyltransferase<br />
Melatonin ist ein acetyliertes (bei -NH2) und methyliertes (bei –OH) Serotonin<br />
(C13H16N2O2, M:232,28) N-Acetyl-5-methoxytryptamin, es ist ein biogenes Amin.<br />
Abbildung 59: Stick and Ball-Modell von Melatonin<br />
O<br />
H<br />
N<br />
H<br />
N<br />
Melatonin<br />
Melatonin ist lipophil, alle Zellen, auch die Blut-Hirnschranke, sind für dieses Hormon<br />
durchlässig.<br />
Melatonin ist ein Hormon der Zirbeldrüse (Epiphyse, Corpus pineale), hergestellt aus<br />
Serotonin durch die organspezifische Hydroxiindol-O-Methyltranferase. Es hat einen<br />
wichtigen Einfluss auf den Pigmentstoffwechsel bei Tieren 51 . Bei diesen ist es auch der<br />
Gegenspieler des Melanotropins. Ein Tagesrhythmus bei der Ausschüttung 52 und der<br />
Ausscheidung war schon früh nachweisbar 53 . Durch die „Lichthemmung“ der Serotonin-<br />
N-Acetyltransferase kann die Rhythmik moduliert werden (Anpassung) 54 . Melatonin hat<br />
einen Einfluss auf die „biologische Uhr“ 55 , 56 . Es ist schlafinduzierend. Es wird deshalb<br />
gegen Jet-Lag 57 , 58 , Stress und Schlaflosigkeit 59 [Dosis 2 - 20 mg] eingesetzt.<br />
51 H.D. Jakubke, H. Jeschkeit, Lexikon <strong>Biochemie</strong>, Verlag Chemie GmbH, Weinheim (1976) 355<br />
52 P. Karlson, <strong>Biochemie</strong>, Georg Thieme Verlag, Stuttgart (1974) 325<br />
53 Roche, Lexikon Medizin, Verlag Urban & Schwarzenberg, München/Wien/Baltimore (1984) 1042<br />
54 Jatzkewitz H, Neurochemie, Georg Theime Verlag, Stuttgart (1978) 185<br />
55 R.J. Reiter, The melatonin rhythm: both a clock and a calendar, Experientia (1993), Aug 15, 49(8), 654<br />
664<br />
56 H.W. Korf, The pineal organ as a component of the biological clock, Ann. N.Y. Acad. Sci. (1994) May<br />
31, 719, 13-42<br />
57 Brown G.M., Day-night rhythm disturbance, pineal function and human disease, Horm. Res. (1992) 37<br />
Suppl 3, 105 111<br />
58 Redfern P. H., Can pharmological agents be used effectively in the alleviation of jet-lag, Drugs (1992)<br />
Feb 43(2), 146-153<br />
59 Sahelian R., (Los Angeles): Melatonin: Nature’s Sleeping Pill (Verlag unbekannt), (1995)<br />
Chemie, 6sm<br />
63
Melatonin hat antioxidative Eigenschaften in sehr vielen Zellen und verlangsamt das<br />
Altern der Zellen 60 (wichtig für das Immunsystem, teilweiser Einfluss auf Krebsbildung<br />
[Dosis 10 mg/Tag]).<br />
Erst bei täglichen Dosen von 6000 mg während eines Monats traten Magenbeschwerden<br />
und Müdigkeit auf.<br />
LSD (Lysergsäure-diethylamid): eine halluzinogene Droge<br />
LSD<br />
N<br />
O<br />
N<br />
H<br />
N<br />
H<br />
OH<br />
HN<br />
Serotonin<br />
Abbildung 60: Der Neurotransmitter Serotonin und LSD im Vergleich<br />
LSD kann an die Stellen andocken, an denen auch Serotonin eine Bedeutung hat<br />
(Serotoninantagonist). Es greift somit im Zentralnervensystem bei den Neurotransmitter<br />
ein ED(50) ca. 1 g/kg, HWZ im Plasma ca. 3 Std.).<br />
NH 2<br />
Folgerung:<br />
Die Droge LSD wirkt auf das Zentralnervensystem. Diese Aussage gilt für alle<br />
psychoaktiven Drogen, auch für Ecstasy.<br />
O<br />
O HN<br />
5.71 A<br />
N<br />
H<br />
HO<br />
6.69 A<br />
Ecstasy Serotonin mit den<br />
Rezeptorbindungsstellen<br />
Abbildung 61: Die wichtigen Abstände für die Bindung am Rezeptor<br />
NH 2<br />
5.84 A<br />
60 W. Pierpaoli, V.A. Lesnikow, The pineal aging clock, Evidence, models, mechanisms, interventions,<br />
Ann. N.Y. Acad. Sci. (1994) May 31, 719, 461-473<br />
Chemie, 6sm<br />
64
2.1.6 Reaktionen von AMCS<br />
Unter dem Gesichtspunkt der Proteinstruktur ist die wichtigste Eigenschaft der<br />
Aminosäuren, dass sie miteinander reagieren können, indem die Carboxylgruppe der<br />
einen Aminosäure sich durch Kondensation unter Wasserabspaltung mit der<br />
Aminogruppe der nächsten verbindet und so weiter, bis sie eine lange, mehr oder<br />
weniger aufgewickelte oder spiralige Kette von Aminosäuren bilden, die durch<br />
sogenannte Peptidbindungen verknüpft sind.<br />
2.1.6.1 Die Peptidbindung<br />
Zwei Aminosäuren werden unter Abspaltung von Wasser zu einem Dipeptid verknüpft.<br />
In gleicher Weise werden Ketten von mehreren hundert Aminosäuren gebildet<br />
(Proteine).<br />
H<br />
N<br />
H<br />
R 1<br />
O<br />
Aminosäure 1<br />
OH<br />
+<br />
H<br />
N<br />
H<br />
R 2<br />
O<br />
Aminosäure 2<br />
OH<br />
N<br />
R 1<br />
Dipeptid<br />
O<br />
H<br />
N<br />
Amid<br />
Aminosäure + Aminosäure Peptid + Wasser<br />
Abbildung 62: Die Peptidbildung<br />
Bei der Proteinsynthese wird jeweils die -Aminogruppe (-NH2, Angriff durch das freie<br />
Elektronenpaar beim N) einer Aminosäure mit der -Carboxylgruppe (-C=O, Angriff auf<br />
den positiven Dipol von C) der nächsten Aminosäure unter Abspaltung von Wasser<br />
verknüpft. Die dabei entstehende Amidgruppe wird in diesem Spezialfall auch<br />
Peptidgruppe genannt.<br />
Räumlich ist das bei den chiralen AMCS wie folgt:<br />
H 2N<br />
R 1<br />
H<br />
C OH<br />
O<br />
H 2N<br />
C OH<br />
H R 2<br />
O<br />
H 2N<br />
R 1<br />
C<br />
H<br />
O<br />
H<br />
N<br />
R 2<br />
O<br />
OH<br />
C OH<br />
H R 2<br />
Dabei ist die Peptidbindung (C=O-NH) planar!! (Rot, dick: Backbone, Rückgrat)<br />
Chemie, 6sm<br />
Ra<br />
O<br />
N<br />
H<br />
P e p t i d -<br />
b i n d u n g<br />
R b<br />
O<br />
H<br />
N<br />
Rc<br />
O<br />
N<br />
H<br />
Rd<br />
O<br />
H<br />
N<br />
R e<br />
O<br />
O<br />
+<br />
65<br />
H 2O<br />
+ H 2O
Die Peptidbindung ist physikalisch stark, lässt sich chemisch aber von vielen Enzymen<br />
spalten (Peptidasen).<br />
Kurze Ketten von Aminosäuren nennt man Peptide oder Polypeptide, lange Ketten<br />
(>100 Aminosäuren) Proteine (Eiweiss-Stoffe). Neben den wichtigsten 20 Aminosäuren<br />
gibt es weitere, die durch posttranslationelle Modifikation im Protein aus diesen gebildet<br />
werden. Andere Aminosäuren spielen als Stoffwechsel-Zwischenprodukte eine wichtige<br />
Rolle, kommen aber in Proteinen sehr selten vor.<br />
Frage: Warum kann man nicht einfach 10 AMCS in einem Kolben mit einem Reagens<br />
für die Peptidbindung geben um die richtige Reihenfolge zu erhalten?<br />
Torsionswinkel<br />
Die Faltung der Peptidkette ist<br />
definiert durch die Torsionswinkel um<br />
die Bindungen der Hauptkette. Die<br />
Peptidbindung ist planar, die<br />
Torsionsfreiheit um diese Bindung<br />
daher stark eingeschränkt. Dagegen<br />
sind<br />
die Phi und Psi-Torsionswinkel<br />
sehr variabel.<br />
Intermolekulare Bindungen<br />
Die Peptidketten haben von ihrem Aufbau her die Möglichkeit an folgenden Bindungen<br />
für Quervernetzungen teilzunehmen:<br />
Elektronenpaarbindung, kovalente Bindung (Schwefelbrücken, -S-S-)<br />
en Seitenketten (-NH3 , COO - +<br />
Ionenbindung der geladen<br />
)<br />
Komplexbindung mit Metallen (freie Elektronenpaare)<br />
Dipol-Dipol-Bindungen<br />
Wasserstoffbrücken – Bindung (>N-H ....O=C
2.1.6.2 Merrifield-Synthese<br />
Die automatisierte Herstellung von Proteinen kann mit der Merrifield-Technik vorgenommen<br />
werden (Bruce Merrifield, Nobelpreis 1984). Die erste Aminosäure wird dabei<br />
an einen Festkörper gebunden. Die Festkorper sind so gross, dass sie von einem Filter<br />
zurückgehalten werden. Alle folgenden Schritte laufen sich dann nur noch mit Zudosieren,<br />
Reagieren, Filtrieren und Waschen. Um die Reaktionen möglichst vollständig<br />
ablaufen zu lassen, verwendet man sehr grosse Überschüsse an Reagentien.<br />
O H<br />
+<br />
O O C A 1<br />
- Boc<br />
O O C A 1<br />
- H 2 O + H OOC A 2 NH Boc<br />
O O C A 1<br />
O O C<br />
A 1<br />
HOOC A 1 NH Boc<br />
NH Boc<br />
NH2<br />
NH CO A NH Boc<br />
-Boc<br />
NH CO A<br />
-H2O<br />
2<br />
HOOC A 3 NH Boc<br />
NH CO A 2<br />
A 1<br />
3<br />
O O C NH CO A NH B o c<br />
Abbildung 63: Prinzipschema der Merrifield-Synthese (Abspaltung der Boc-Schutzgruppe mit HCl,<br />
Kupplung mit DCCI (Dicyclohexylcarbodiimid))<br />
Die stereotype Aufeinanderfolge gleichartiger Reaktionen macht die Merrifield-Synthese<br />
für die Automation geeignet. Mit kommerziell erhältlichen „Synthesizern“ lassen sich<br />
ohne jegliche manuelle Eingriffe beliebige Aminosäuren in grosser Zahl<br />
aneinanderreihen – für die Synthese der Ribonuclease (124 Aminosäure-Reste)<br />
benötigten Gutte und Merrifield etwa drei Wochen (für 11 931 Einzeloperationen und<br />
11 mg Ausbeute, ein Produkt, das allerdings stark verunreinigt war).<br />
Routinemässig werden heute Peptide mit 50 AMCS in guter Ausbeute und Reinheit<br />
synthetisiert. Die Attraktivität der automatisierten Merrifield-Synthese erklärt sich aus<br />
einem drastisch gesunkenem Zeitaufwand im Vergleich zur manuellen Methode bei<br />
gleichzeitig deutlich gestiegener Ausbeute.<br />
Chemie, 6sm<br />
3<br />
+<br />
NH 2<br />
-Boc<br />
etc.<br />
67
Proteinnachweis<br />
Die Peptidbindung findet sich in allen Proteinen. Alle Substanzen, die zwei oder mehr<br />
Peptidbindungen enthalten, geben die sogenannte Biuretreaktion, die also als<br />
allgemeiner Proteinnachweis benutzt werden kann.<br />
Die Reaktion hat ihren Namen vom Biuret, einer einfachen Verbindung, in der zwei<br />
Peptidbindungen vorkommen. Biuret wird gewonnen, indem man Harnstoff sehr<br />
vorsichtig erhitzt, so dass Ammoniak entweicht und Biuret übrigbleibt.<br />
O<br />
O<br />
NH2 C<br />
NH2 NH2 C<br />
NH2 NH 3 +<br />
Abbildung 64: Biuretreaktion für den Eiweissnachweis<br />
NH 2<br />
O C<br />
NH<br />
O C<br />
Biuret<br />
In Gegenwart einer starken Base und Spuren von Kupferionen gibt Biuret mit Protein<br />
eine blass-rosarote, rosa oder hellviolette Färbung, die von Substanz zu Substanz<br />
etwas anders ausfällt, aber für Protein insgesamt charakteristisch ist. Die anderen<br />
üblichen Farbteste für Proteine sind nicht allgemeingültige Nachweise, sondern hängen<br />
von der Gegenwart bestimmter R-Gruppen in den Molekülen ab. Die meisten der 20<br />
Aminosäuren kommen in allen Proteinen vor, aber es gibt auch Proteine, denen einige<br />
bestimmte Aminosäuren fehlen. Gelatine ist ein Beispiel dafür.<br />
Benennung<br />
Kurze Ketten von Aminosäuren (AMCS) nennt man Peptide oder Polypeptide, lange<br />
Ketten (>100 Aminosäuren) Proteine (Eiweiss-Stoffe).<br />
2.1.7 Polypeptide<br />
DNA Transkription<br />
<br />
mRNA Translation<br />
<br />
NH 2<br />
Protein<br />
Polypeptide werden an den Ribosomen produziert: m-RNA, t-RNA mit AMCS <br />
Peptidkette (Primärstruktur, 2 dimensional)<br />
1. Die m-RNA bindet sich an das Ribosom.<br />
2. Eine Aminosäure beladene t-RNA bindet sich entsprechend dem Triplett an die<br />
m-RNA (P-Bindungsstelle).<br />
3. Eine Aminosäure beladene t-RNA bindet sich entsprechend dem Triplett an die<br />
m-RNA (A-Bindungsstelle).<br />
4. Eine Peptidbindung bildet sich.<br />
5. Das Peptid wird weitergeschoben, die A-Bindungsstelle ist wieder frei.<br />
Faltung (Sekundärstruktur, 3 dimensional)<br />
Strategie<br />
Festkörpergebundene Reaktionen sind sehr effektiv.<br />
Wichtig: An den Ribosomen können direkt nur Ketten hergestellt werden.<br />
Chemie, 6sm<br />
68
2.1.8 Ein Süssstoff aus Aminosäuren<br />
L-Asparagin- phenylalaninmethylester<br />
HO<br />
O<br />
NH 2<br />
O<br />
O O<br />
N<br />
H<br />
Abbildung 65: Der Süssstoff Aspartam<br />
Herstellung:<br />
Aspartam<br />
1. Von Asparagin wird die Säure der Seitenkette und das Amin je durch eine<br />
Schutzgruppe geschützt. Die Säuregruppe wird an die Aminogruppe vom<br />
Pheylalanin-methylester unter Wasserabspaltung gekoppelt.<br />
2. Die beiden Schutzgruppen werden entfernt.<br />
3. Die Substanz wird gereinigt.<br />
Tabelle 3: Süsse Aminosäuren und Peptide<br />
Dipeptid (Methylester)<br />
H 2N COOH Gly (glycos = süss)<br />
HOOC<br />
H 2N<br />
H 2N COOH Phe<br />
H<br />
N<br />
O<br />
Asp O Gly<br />
HOOC<br />
O<br />
H 2N<br />
Asp<br />
HOOC<br />
H 2N<br />
Asp<br />
O<br />
O<br />
H<br />
N<br />
H<br />
N<br />
O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
Val<br />
Phe<br />
Süssigkeit (bezogen auf Saccharose =1)<br />
1.5<br />
7<br />
8<br />
170 - 200 (Aspartam)<br />
bitter !<br />
Heutiger Zuckerkonsum pro Kopf und Jahr: USA ca. 60 kg, Schweiz: 45 kg. Folgen:<br />
Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck, Herzinfarkt, Zahnkaries.<br />
4 g Zucker entspr. 65 J<br />
20 mg Aspartam entspr. 0.35 J entspr. 58 Fastentagen bei vollkommenem Ersatz<br />
von allem Zucker während eines Jahres (45 kg).<br />
Chemie, 6sm<br />
69
2.1.9 Die chemischen Waffen der Natur<br />
2.1.10 Antibiotika<br />
Penicillin G, ein Tripeptid<br />
Ein Pilz wehrt sich gegen Bakterien.<br />
Aus drei Aminosäuren aufgebaut: L--Aminoadipinsäure, L-Valin, L-Cystein<br />
H<br />
H<br />
H<br />
HOOC<br />
L<br />
C (CH2 ) 3 COOH HOOC<br />
L<br />
C CH2 SH HOOC<br />
L<br />
C C<br />
NH 2<br />
L--Aminoadipinsäure<br />
NH 2<br />
NH2 CH3 L-Cystein L-Valin<br />
H<br />
H<br />
HOOC<br />
L<br />
C (CH2 ) 3 CO NH<br />
L<br />
C CO NH<br />
HOOC<br />
HOOC<br />
NH 2<br />
H<br />
L<br />
C<br />
CH 2<br />
CH 3<br />
ACV-Synthetase<br />
-(L--Aminoadipyl)-Lcysteinyl-D-valin-Synthetase<br />
pcb AB-Genprodukt<br />
SH<br />
-(L--Aminoadipyl)-L-cysteinyl-D-valin<br />
NH 2<br />
NH 2<br />
C<br />
D<br />
H<br />
(CH 2 ) 3<br />
(CH 2 ) 3<br />
CO<br />
NH<br />
O<br />
Isopenicillin N<br />
CO<br />
NH<br />
O<br />
Penicillin N<br />
CH(CH 3 ) 2<br />
C COOH<br />
D<br />
H<br />
Cyclase<br />
Isopenicillin-N-Synthetase<br />
pcb C-Genprodukt<br />
H<br />
N<br />
S<br />
CH 3<br />
CH 3<br />
COOH<br />
Epimerase<br />
H<br />
N<br />
S<br />
CH 3<br />
CH 3<br />
COOH<br />
Abbildung 66: Biosynthese von Penicillin N (besonders interessant ist die Bildung des gespannten 4-<br />
Rings, des beta-Lactam-Rings).<br />
Chemie, 6sm<br />
70
Abbildung 67: Räumliche Struktur von Benzylpenicillin (Penicillin G)<br />
Was ist das Besondere am Penicillin:<br />
Es ist aus 3 AMCS aufgebaut.<br />
Es hat sehr gespannte Ringe (4-Ring,<br />
Lactamring).<br />
Es wird von einem Pilz (Schimmelpilz,<br />
Penicillium notatum) produziert.<br />
Es wurde sehr spät gefunden (1928<br />
Alexander Fleming).<br />
Es wurde erst 1939 in der Medizin eingesetzt<br />
(Howard Florey, Oxford arbeitete eine<br />
industrielle Reinigung aus).<br />
1941 erste Versuche an Patienten.<br />
1945 erstmals am Kantonsspital St. Gallen<br />
eingesetzt.<br />
Bakterien wehren sich wiederum gegen Pilze<br />
und bauen Enzyme, welche Penicillin abbauen<br />
können, z.B. die Penicillinase (beta-Lactamase). Damit werden diese Bakterien<br />
resistent.<br />
Ein Penicillinderivat, das diesem enzymatischen<br />
Angriff widerstehen kann ist Oxacillin.<br />
Die Bakterien wehren sich gegenüber anderen<br />
Bakterien mit chemischen Stoffen, welche an ganz<br />
unterschiedlichen Orten im Stoffwechsel angreifen.<br />
Chemie, 6sm<br />
Abbildung 68:Bakterien vom Typus<br />
Staphylococcus aureus unter dem<br />
Elektronenmikroskop; sie können<br />
Wundinfektionen auslösen. Ein<br />
Antibiotikum hat das obere Bakterium<br />
bersten lassen.<br />
O<br />
N<br />
CH 3<br />
C 6 H 5<br />
CO<br />
NH<br />
O<br />
H H<br />
Abbildung 69: Oxacillin<br />
N<br />
S<br />
COOH<br />
71<br />
CH 3<br />
CH 3
Gramicidin S 61 (aus Bacillus brevis Kulturen)<br />
Ein Bazillus wehrt sich gegen Bakterien.<br />
Val-Orn-Leu-D-Phe-Pro<br />
Val-Orn-Leu-D-Phe-Pro<br />
AMCS- Sequenz<br />
D-Phe: nicht normal, sonst fast immer L-Phe (häufig<br />
in Ringen von Antibiotika)<br />
Orn: Ornithin; NH2-(CH2)3-CH(NH2)-COOH<br />
Abbildung 70: Gramicidin S, ein cyclisches Peptid als Antibiotikum<br />
72<br />
Räumliche Anordnung des Ringes.<br />
30 gliedriger, symmetrischer Ring (Tennisball-<br />
Muster- Form: siehe links).<br />
Kann Komplexe bilden (mit freien Elektronenpaaren<br />
von Amiden und -NH2).<br />
Me(H2O)n + polydentater Ligand polydentater Ligand(Me) + n H2O<br />
2 Teilchen (n+1) Teilchen<br />
S > 0; Die Entropie nimmt zu.<br />
G = H - TS;<br />
TS ist negativ,<br />
G ist negativ, falls H nicht zu gross ist.<br />
Beispiel: Aquokomplex von Ca 2+ mit 6 Wasser<br />
(Oktaeder) bindet sich mit dem polydentaten<br />
Liganden (z.B. Gramicidin S): n = 6 d.h.<br />
2 Teilchen ([Ca(H2O)6] 2+ + Ligand) 7 Teilchen<br />
(Gebundenes Ca 2+ + 6 H2O)<br />
Abbildung 71: Mikroskopische<br />
Aufnahme von Gramicidin S<br />
Diese Reaktionen laufen auch dann, wenn H praktisch Null ist, also keine<br />
Wärmetönung vorhanden ist - wichtig für biochemische Reaktionen (Temperatur). Die<br />
treibende Energie ist in diesem Falle die Entropieänderung S.<br />
Diese Molekülketten sind so angeordnet, dass die hydrophoben (wasserabstossenden)<br />
Aminosäuren nach innen gekehrt sind und die hydrophilen (mit Wasser<br />
benetzbaren, wasserlöslichen) Aminosäuren nach aussen weisen. Dort können sie mit<br />
anderen Komponenten, speziell mit anderen Proteinen, in Wechselwirkung treten.<br />
Globuläre Proteine zum Beispiel können mit einem Vitamin-Derivat (einer Variante)<br />
sogenannte Coenzyme bilden oder mit einem anderen Protein zusammen eine<br />
Aufgabe in der Zelle übernehmen.<br />
61 Davidson M.W., Gramicidin S.,<br />
http://micro.magnet.fsu.edu/micro/gallery/pharm/antibiotic/antibiotic.html, 27.02.01<br />
Chemie, 6sm
2.1.11 Unsere Abwehr von Mikroorganismen<br />
Vor vielen Jahrhunderten wurden Eingeborene beobachtet, welche Froschhäute gegen<br />
verschiedenste Krankheiten verwendeten. In den späten 80iger Jahren fand Michael<br />
Zasloffs Gruppe das erste Breitbandantibiotikum auf der Haut des südafrikanischen<br />
Klauenfrosches „Xenopus laevis“ 62 . Es stellte sich heraus, dass es sich um ein kleines<br />
Peptid mit dem Namen Magainin handelte (nach dem Hebräischen Wort für Schutz).<br />
Dieses Peptid aus 23 Aminosäuren hat eine -helicale Form und ist membranaktiv.<br />
HGlyIleGlyLysPheLeuHisSerAlaGlyLysPhe GlyLysAlaPheValGlyGluIleMetLysSerOH Magainine sind antibakteriell und antifungiell wirksam, besonders aktiv gegen<br />
Protozoen wie Amöben und Paramecien. So kleine Konzentrationen, wie 10 g/mL<br />
Magainin lassen die Einzeller in Minuten anschwellen und platzen. Diese osmotische<br />
Wirkung lässt vermuten, dass Magainine den Flüssigkeitstransport durch die<br />
Zellmembran unterbrechen.<br />
Peptid-Antibiotika wurden viel später auch auf<br />
unserer Haut und im Schweiss gefunden.<br />
Wichtige Gruppen sind die Defensine und die<br />
Cathelicidine. Sie schützen uns vor<br />
mikrobiellen Infektionen.<br />
Defensine sind eine Gruppe weit verbreiteter<br />
antimikrobieller und in höheren<br />
Konzentrationen cytotoxische Peptide (MR<br />
3000–4000; 29–35 Aminosäure-Reste), die<br />
kationisch vorliegen und 3 Disulfid-Brücken<br />
besitzen. Strukturell zerfallen sie in 3 Familien:<br />
klassische Defensine, - Defensine und<br />
Insekten-Defensine. Diese Antibiotika kommen<br />
in Phagocyten, Darm, Luftröhre und Lunge von<br />
Säugern sowie in Hämolymphe von Insekten vor. Ähnlich wie Peptid-Hormone oder -<br />
Neurotransmitter werden Defensine als grössere Vorläufer (Präprodefensine, 94–100<br />
Aminosäure-Reste) synthetisiert, proteolytisch aktiviert, in Granula gespeichert und<br />
durch Exocytose ausgeschüttet.<br />
62 Gross M., Peptides shielding our skin, Chemistry in Britain, March 2002, 23<br />
Chemie, 6sm<br />
22<br />
10<br />
Abbildung 72: Die Abwehr von Mikroben<br />
auf unserer Haut<br />
73
2.1.12 Peptide als Gifte<br />
Pilze wehren sich nicht nur gegen Mikroorganismen.<br />
Phallatoxine, Amatoxine (Gifte des weissen und grünen Knollenblätterpilzes)<br />
Abbildung 74: Grüner Knollenblätterpilz<br />
Giftigkeit: LD(50) weisse Maus: 2 - 25 mg/kg<br />
90% der tödlichen Pilzvergiftungen sind auf diese<br />
Toxine zurückzuführen. Erste Symptome sind:<br />
Erbrechen, Nausa, Diarrhöe (Durchfall) treten<br />
gewöhnlich erst 10 - 24 Stunden nach dem Pilzgenuss<br />
auf. Die Wirkung beruht auf der Zerstörung des<br />
Endoplasmatischen Retikulums der Leber.<br />
Abbildung 73:<br />
Endoplasmatisches Retikulum<br />
CH2<br />
H 3C C CO NH C CO NH C CH2 C CH2 R<br />
H<br />
R<br />
H<br />
NH<br />
CO<br />
H<br />
5<br />
N<br />
CO<br />
H 2C<br />
C<br />
NH<br />
S<br />
H<br />
H<br />
H 2C<br />
CO<br />
N<br />
C<br />
(S) CH<br />
R<br />
NH<br />
OH<br />
H<br />
CO<br />
NH<br />
H 3<br />
H<br />
4<br />
Phallotoxine<br />
H<br />
C R<br />
Abbildung 75: Phallatoxine, cyclische Hexapeptide (6 AMCS) mit einer D-AMCS!!<br />
Chemie, 6sm<br />
CO<br />
OH<br />
R<br />
1<br />
2<br />
74
Tabelle 4: Daten zu den 7 natürlich vorkommenden Phallotoxinen<br />
Phallotoxine R 1 R 2 R 3 R 4 R 5 Summenformel MR LD50 (Maus i. p.)<br />
[mg/kg]<br />
Phalloidin OH H CH3 CH3 OH C35H48N8O11S 788,87 2,0<br />
Phalloin H H CH3 CH3 OH C35H48N8O10S 772,87 1,5<br />
Prophalloin H H CH3 CH3 H C35H48N8O9S 756,87 >100<br />
Phallisin OH OH CH3 CH3 OH C35H48N8O12S 804,87 2,5<br />
Phallacin H H CH(CH3)2 COOH OH C37H50N8O12S 830,91 1,5<br />
Phallacidin OH H CH(CH3)2 COOH OH C37H50N8O13S 846,91 1,5<br />
Phallisacin OH OH CH(CH3)2 COOH OH C37H50N8O14S 862,91 4,5<br />
Welche Besonderheiten zeigen die Moleküle, die am giftigsten sind?<br />
Diese Peptide überwinden den Abbau im Magen und können die Magenwand<br />
intakt durchdringen.<br />
Die molekulare Anordnung des Ringes ist so, dass die hydrophilen Gruppen<br />
innen, die lipophilen aussen sind. Damit ist die Passage der lipophilen<br />
Darmwand besser möglich und ein Abbau stark behindert (keine Dipole für<br />
chemische Angriffe.)<br />
Eine weitere Klasse der Gifte des weissen und grünen Knollenblätterpilzes sind die<br />
Amanitine.<br />
Die Toxizität der auch peroral giftigen Amanitine ist sehr hoch; so genügen schon 1 mg<br />
des - Amanitins bzw. 2,5 mg des - Amanitins, um eine Maus zu töten. Das Gift wird<br />
weder durch Kochen oder Trocknen noch durch die Proteasen des Verdauungstraktes<br />
zersetzt; seine Wirkung geht auf die allosterische Blockierung der m-RNA-Synthese<br />
durch Komplexbildung mit der RNA-Polymerase im Zellkern zurück, wodurch die<br />
gesamte Enzym-/Proteinsynthese in der Leber zum Erliegen kommt.<br />
Die Resistenz gegenüber den Proteasen sowie die Aufnahme durch den<br />
Verdauungstrakt ist eine grosse Besonderheit.<br />
Der Knollenblätterpilz enthält auch das cyclische Decapeptid Antamanid mit<br />
antitoxischen Wirkung gegenüber Phalloidin:<br />
L Pro L Phe L Phe L Val L Pro<br />
L Pro L<br />
Phe<br />
Phe<br />
Charakteristisch an diesem Antamanid ist die grosse Lipophilie.<br />
Chemie, 6sm<br />
L<br />
L<br />
Ala<br />
L<br />
Pro<br />
75
2.1.13 Peptide als Hormone<br />
Cys-Tyr-Ile-Glu-Asn-Cys-Pro-Leu-Gly-NH 2<br />
Oxytocin<br />
Cys-Tyr-Phe-Glu-Asn-Cys-Pro-Arg-Gly-NH 2<br />
Vasopressin<br />
Abbildung 76: Hormone Oxytocin und Vasopressin (die S-S-Brücke ist sehr oxidationsempfindlich)<br />
Bildung im Hypothalamus, Speicherung im Hypophysenhinterlappen<br />
Wirksame therapeutische Dosis 10 -9 mol<br />
Beobachtbarer Effekt bei 8-Arg-Vasopressin 10 -12 mol (ca. 5 l Blut)<br />
Abbau durch Aminopeptidasen vom Aminoende (H2N-) her (rascher Abbau).<br />
S t i r n l a p p e n<br />
B a l k e n<br />
Th a l a m u s<br />
Hy p o t h a l a m u s<br />
Hy p o p h y s e<br />
M i t t e l h i r n<br />
B r ü c k e<br />
v e r l ä n g e r t es Mark<br />
Scheitellappen<br />
Schläfenlappen<br />
Ep i p h y s e<br />
H i n t e r h a u p t sl<br />
a p p e n<br />
Kle i n h i r n<br />
Abbildung 77: Gehirn mit Hypothalamus und Hypophyse, den für Oxytocin und Vasopressin<br />
wichtigen Bereichen.<br />
Hypophyse (Hirnanhangsdrüse). Kleines, 0,6 g schweres Hormon-bildendes Organ von<br />
6 mm Durchmesser am Boden des Zwischenhirns.<br />
Der Hypophysen-Hinterlappen, die Neuro-Hypophyse, besteht im Wesentlichen aus<br />
den Endigungen von Nervenzellen, deren Zellkörper im Hypothalamus liegen. Von<br />
diesen Endigungen werden 2 Hormone in das Blut abgegeben, das antidiuretische<br />
Hormon (ADH, Vasopressin), dessen Zielorgan die Niere ist, und das Oxytocin, das auf<br />
die Gebärmuttermuskulatur und die Brustdrüse wirkt.<br />
Chemie, 6sm<br />
76
Tabelle 5 : Wirkungen von Hypohysen-Hinterlappen Hormonen<br />
Oxytocin<br />
Vasopressin<br />
Vasotoxin<br />
(8-Arg-Oxytocin)<br />
Oxypressin<br />
(3-Phe-Oxytocin)<br />
Uterus-<br />
Kontrakt.<br />
Milchejektion<br />
Blutdruck<br />
erhöhung<br />
Antidiurese<br />
(Na-<br />
Ausscheidung,<br />
H20-<br />
Rückresorpt.)<br />
Stellung<br />
3<br />
100 % 100% 1% 0.5% Ile<br />
lipophil<br />
H 2N CH C<br />
3% 15% 100% 100% Phe<br />
lipophil<br />
CH<br />
CH 2<br />
CH 3<br />
O<br />
H 2N CH C<br />
CH 2<br />
CH 3<br />
O<br />
OH<br />
OH<br />
Stellung<br />
8<br />
Leu<br />
lipophil<br />
H 2N CH C<br />
CH 2<br />
O<br />
CH CH 3<br />
CH 3<br />
Arg<br />
hydrophil,<br />
basisch<br />
H 2N CH C<br />
80% 80% 80% 80% Ile Arg<br />
5% 15% 100% 600% Phe Leu<br />
Folgerungen für die Rezeptoren:<br />
Spricht auf sehr geringe Konzentrationen an.<br />
Hat eine lipophile Tasche, die zwischen den beiden lipophilen AMCS in Stellung 3<br />
unterscheiden kann (sterischer Effekt).<br />
Bildet bei Vasopressin H- Brücken bei Stellung 8. Diese Stellung ist für die Spezifität<br />
ausserordentlich wichtig (Dipol).<br />
Chemie, 6sm<br />
Abbildung 78: Oxytocin<br />
CH 2<br />
CH 2<br />
CH 2<br />
NH<br />
C<br />
NH 2<br />
O<br />
NH<br />
77<br />
OH<br />
OH
2.2 Proteine (MM > 10’000 g/mol)<br />
Proteine (Eiweisse, Eiweissstoffe, Eiweisskörper). Protein ist eine auf Berzelius<br />
zurückgehende und seit Mulder (1838) gebräuchliche, von griechisch: proteuein = „der<br />
Erste sein“ abgeleitete Sammelbezeichnung für natürlich vorkommende Copolymere,<br />
die sich in der Regel aus 20 verschiedenen -Aminosäuren (im Folgenden: AS) als<br />
Monomeren (Grundbausteine) zusammensetzen. Von den nahe verwandten<br />
Polypeptiden werden sie aufgrund ihrer molekularen Grösse unterschieden, wenn auch<br />
nicht immer streng abgegrenzt: Ab etwa 100 Monomer-Einheiten (AS-Resten) spricht<br />
man meist von Proteinen. Es ergeben sich Molmassen von 10 000 bis mehrere<br />
Millionen Gramm pro Mol.<br />
2.2.1 Strukturen bei Proteinen<br />
Amino-Terminus<br />
R 1 O R 2 O R 3 O<br />
H2N CH C NH CH C NH CH C<br />
Carboxy-Terminus<br />
R<br />
n<br />
O<br />
NH CH C OH<br />
AS-Rest 1 AS-Rest 2 AS-Rest 3 AS-Rest n<br />
Abbildung 79; Primärstruktur: AMCS1-AMCS2-AMCS3-AMCS4- (Sequenz, bestimmt mit<br />
Sequenzanalyse))<br />
Abbildung 80: Sekundärstruktur Tertiärstruktur Quartärstruktur<br />
Proteine lassen sich kristallisieren. Das war sehr lange die Voraussetzung dafür, die<br />
räumliche Struktur zu bestimmen. Diese wurde normalerweise mit Röntgenstrukturanalyse<br />
bestimmt.<br />
Chemie, 6sm<br />
78
2.2.2 Strukturen in der Literatur als Vergleich<br />
DASSICHERKENNE,WASDIEWELTIMINNERSTENZUSAMMENHÄLTSCHAUALLEWI<br />
RKENSKRAFTUNDSAMENUNDTUNICHTMEHRINWORTENKRAMEN<br />
Reihenfolge, Sequenz: Primärstruktur<br />
DASS ICH ERKENNE, WAS DIE WELT IM INNERSTEN ZUSAMMENHÄLT SCHAU<br />
ALLE WIRKENSKRAFT UND SAMEN UND TU NICHT MEHR IN WORTEN KRAMEN<br />
Gliederung, Strukturierung: Sekundärstruktur<br />
DASS ICH ERKENNE, WAS DIE WELT<br />
IM INNERSTEN ZUSAMMENHÄLT<br />
SCHAU ALLE WIRKENSKRAFT UND SAMEN<br />
UND TU NICHT MEHR IN WORTEN KRAMEN<br />
Anordnung, Form: Tertiärstruktur<br />
Die Aussage dieser Passage im Zusammenhang von Faust I<br />
Funktion, Aussage: Quartärstruktur<br />
Abbildung 81: Röntgendiagramm eines Proteinkristalls (Myoglobin), J. D. KENDREW,<br />
Cambridge. Durch Auswertung des Diagramms erhält man die Elektronendichtverteilung<br />
im Molekül und muss diese mit einem Molekülmodell zur Deckung bringen.<br />
Chemie, 6sm<br />
79
2.2.3 Primärstruktur<br />
Die Reihenfolge der Aminosäuren in einem Protein (Aminosäuren-Sequenz,<br />
Primärstruktur des Proteins) wird häufig mit Hilfe der 1-Buchstaben-Symbole für die<br />
Aminosäuren dargestellt. Dabei beginnt man mit der Aminosäure, die die freie -<br />
Aminogruppe enthält (Aminoterminus, N-term) und endet mit der Aminosäure, die die<br />
freie -Carboxylgruppe enthält (Carboxyterminus, C-term). Dies entspricht auch der<br />
Reihenfolge, in der die Aminosäuren am Ribosom in das Protein eingebaut werden. Die<br />
Primärstruktur eines Proteins kann mit chemischen Methoden (Sequenzanalyse,<br />
Edmann-Abbau) bestimmt werden. Technisch ist es jedoch vor allem bei sehr grossen<br />
Proteinen einfacher, mit Hilfe einer Teilsequenz des Proteins das für das Protein<br />
kodierende Gen zu isolieren und dessen DNA zu sequenzieren.<br />
Das menschliche Deoxy-Hämoglobin-Molekül mit der PDB-Datenbank-Bezeichnung<br />
"2HHD" besteht aus vier Ketten mit den Aminosäuren-Sequenzen.<br />
Die folgende Reihenfolge von Aminosäuren im 1-Buchstaben-Code beschreibt die<br />
Primärstruktur.<br />
Tabelle 6: Primärstruktur des Proteins Hämoglobin (4 gleiche Einheiten:<br />
Tetramer)<br />
1 VLSPADKTNV KAAWGKVGAH AGEYGAEALE RMFLSFPTTK TYFPHFDLSH<br />
51 GSAQVKGHGK KVADALTNAV AHVDDMPNAL SALSDLHAHK LRVDPVNFKL<br />
101 LSHCLLVTLA AHLPAEFTPA VHASLDKFLA SVSTVLTSKY R<br />
1 VHLTPEEKSA VTALWGKVNV DEVGGEALGR LLVVYPWTQR FFESFGDLST<br />
51 PDAVMGNPKV KAHGKKVLGA FSDGLAHLDN LKGTFATLSE LHCDKLHVDP<br />
101 ENFRLLGNVL VCVLAHHFGK EFTPPVQAAY QKVVAGVANA LAHKYH<br />
1 VLSPADKTNV KAAWGKVGAH AGEYGAEALE RMFLSFPTTK TYFPHFDLSH<br />
51 GSAQVKGHGK KVADALTNAV AHVDDMPNAL SALSDLHAHK LRVDPVNFKL<br />
101 LSHCLLVTLA AHLPAEFTPA VHASLDKFLA SVSTVLTSKY R<br />
1 VHLTPEEKSA VTALWGKVNV DEVGGEALGR LLVVYPWTQR FFESFGDLST<br />
51 PDAVMGNPKV KAHGKKVLGA FSDGLAHLDN LKGTFATLSE LHCDKLHVDP<br />
101 ENFRLLGNVL VCVLAHHFGK EFTPPVQAAY QKVVAGVANA LAHKYH<br />
2.2.4 Sekundärstruktur<br />
Die Sekundärstruktur bildet sich durch die räumliche Anordnung der Peptidketten im<br />
Raum aus. Verantwortlich dafür sind:<br />
Die Torsionswinkel, Spannungen und Drehungen in einer Kette.<br />
Die Bindungen zwischen Kettenteilen (Ionenbindung, H-Brücken, Van der Waals,<br />
Komplexbindung bei Metallen).<br />
Die sterischen Verhältnisse (Raumerfüllung).<br />
Die Sekundärstruktur lässt sich nur teilweise aus der Primärstruktur ableiten (z.B. -<br />
Helix, -Faltblatt, keine Struktur: random coil).<br />
Der bunt hervorgehobene Code bezeichnet die Sekundärstruktur der einzelnen<br />
Proteinketten des Hämoglobins. H steht dabei für α-Helix, T für Turn.<br />
Chemie, 6sm<br />
80
Mehr als 2/3 der Aminosäuren von Hämoglobin haben eine α-helikale Konformation.<br />
Tabelle 7: Sekundärstruktur von Hämoglobin<br />
1 VLSPADKTNV KAAWGKVGAH AGEYGAEALE RMFLSFPTTK TYFPHFDLSH<br />
HHHHHHH HHHHHHHTT HHHHHHHHHH HHHHH T<br />
51 GSAQVKGHGK KVADALTNAV AHVDDMPNAL SALSDLHAHK LRVDPVNFKL<br />
T HHHHHHHH HHHHHHHHHH HTTT HHHHT HHHHHHHHHT T HHHHHH<br />
101 LSHCLLVTLA AHLPAEFTPA VHASLDKFLA SVSTVLTSKY R<br />
HHHHHHHHHH HHTTTTTTHH HHHHHHHHHH HHHHHHHHT<br />
1 VHLTPEEKSA VTALWGKVNV DEVGGEALGR LLVVYPWTQR FFESFGDLST<br />
HHHHHH HHHHHTT H HHHHHHHHHH HHHHT TTT<br />
51 PDAVMGNPKV KAHGKKVLGA FSDGLAHLDN LKGTFATLSE LHCDKLHVDP<br />
HHHHHHTHHH HHHHHHHHHH HHHH TT HHHHHTHHHH HHHHTT T<br />
101 ENFRLLGNVL VCVLAHHFGK EFTPPVQAAY QKVVAGVANA LAHKYH<br />
HHHHHHHHHH HHHHHHHH HHHHHHH HHHHHHHHHH H TT<br />
1 VLSPADKTNV KAAWGKVGAH AGEYGAEALE RMFLSFPTTK TYFPHFDLSH<br />
HHHHHHH HHHHHHH HHHHHHHHHH HHHHH TTT T<br />
51 GSAQVKGHGK KVADALTNAV AHVDDMPNAL SALSDLHAHK LRVDPVNFKL<br />
T HHHHHHHH HHHHHHHHHH HTTT HHHHT HHHHHHHHHT T TTHHHH<br />
101 LSHCLLVTLA AHLPAEFTPA VHASLDKFLA SVSTVLTSKY R<br />
HHHHHHHHHH TTTTTTTTHH HHHHHHHHHH HHHHHHHTT<br />
1 VHLTPEEKSA VTALWGKVNV DEVGGEALGR LLVVYPWTQR FFESFGDLST<br />
HHHHHH HHHHHHHTTH HHHHHHHHHH HHHH T<br />
51 PDAVMGNPKV KAHGKKVLGA FSDGLAHLDN LKGTFATLSE LHCDKLHVDP<br />
HHHHHTTHHH HHHHHHHHHH HHHHHTTTT HHHHHTHHHH HHHHT T<br />
101 ENFRLLGNVL VCVLAHHFGK EFTPPVQAAY QKVVAGVANA LAHKYH<br />
HHHHHHHHHH HHHHHHH HHHHHHH HHHHHHHHHH HHTT<br />
Chemie, 6sm<br />
81
a ) b )<br />
c )<br />
W a s s e r s t o f f - B r ü cke n b i n d u n g<br />
= C = H = N = O = S e i tenkette<br />
Abbildung 82: Helixstruktur, oben rechts: paralleles unten: antiparalleles Faltblatt (β-sheet) (N-C-<br />
Enden gleichgerichtet, N-C-Enden entgegengesetzt)<br />
Abbildung 85: Eine α-Helix (rot) und β-Faltblätter (blau) mit<br />
Turns (gelb und rot, dünn)<br />
2.2.5 Tertiärstruktur<br />
Weil die Proteine meist in Wasser vorliegen, ist die<br />
Struktur ganz wesentlich durch diese polare Umgebung<br />
bestimmt. Als Tertiärstruktur ordnen sich die Sekundärstrukturelemente<br />
eines Proteins im Raum so an, dass<br />
sich die hydrophoben ("wasserscheuen" = lipophilen,<br />
„Fett liebenden“) Seitenketten der Aminosäuren Valin,<br />
Leucin, Isoleucin, Methionin, Phenylalanin, Tyrosin und<br />
Tryptophan möglichst im Innern der Proteins<br />
zusammenlagern können (so wie sich Öl- und Fett-<br />
Chemie, 6sm<br />
Cys<br />
S S<br />
Cys<br />
Abbildung 84: Schwefelbrücke<br />
einer Peptidkette<br />
+<br />
-<br />
Abbildung 84: Durch Ionen<br />
stabilisierte Peptidkette<br />
82
moleküle im Wasser sofort zu Tröpfchen zusammenlagern), während die hydrophilen<br />
("wasserliebenden" = lipophoben, „fettscheuen“) Seitenketten der Aminosäuren<br />
Glutamat, Aspartat, Arginin, Lysin, Histidin, Serin, Threonin, Asparagin und Glutamin<br />
die Oberfläche des Proteins bilden. Glycin und Prolin sind aufgrund ihrer speziellen<br />
strukturellen Eigenschaften häufig in Turns lokalisiert. Paare von Cystein-Seitenketten<br />
können zu Disulfiden oxidieren und so entfernte Teilen der Peptidkette kovalent<br />
verbinden. Disulfidbrücken durch Oxidation der Thiolgruppen zweier Cystein-<br />
Einheiten zu Cystin:<br />
(R-S-H + H-S-R R-S-S-R).<br />
Entgegengesetzt geladene Ionen können Ketten ebenfalls zusammenhalten, ebenso<br />
van der Waals Bindungen.<br />
Die durch die Faltung bestimmte exakte räumliche Anordnung der Atome eines Proteins<br />
bezeichnet man als die Tertiärstruktur des Proteins. Sie kann durch Kernresonanzspektroskopie<br />
und durch Röntgenkristallographie experimentell bestimmt werden.<br />
Sehr lange Proteine bilden dabei mehrere, unabhängig voneinander faltende Struktureinheiten<br />
aus (Domänen), die über flexible, hydrophile Teile der Kette verknüpft sind.<br />
Denaturierung bezeichnet den Verlust der biologischen Aktivität durch Zerstörung der<br />
Sekundär- und Tertiärstruktur, z.B. durch Erhitzen.<br />
2.2.6 Quartärstruktur<br />
Viele Proteine bestehen aus mehreren Peptidketten. Die räumliche Anordnung der<br />
einzelnen, gefalteten Peptidkette zum biologisch aktiven Komplex bezeichnet man als<br />
die Quartärstruktur. Dabei können sowohl mehrere Kopien der gleichen Proteinkette<br />
wie auch unterschiedliche Ketten im Komplex enthalten sein. Kleinere Nicht-Protein-<br />
Moleküle können in den Komplex eingebunden und für dessen Aktivität wichtig sein.<br />
(Cofaktoren, Coenzyme, prostetische Gruppen).<br />
Abbildung 87: Eine Untereinheit von<br />
Hämoglobin (das ganze Molekül besteht<br />
aus 4 Untereinheiten). Die Proteinkette<br />
ist als Band dargestellt.<br />
Abbildung 86: Hämoglobin als Tetramer mit 4 Häm-<br />
Gruppen<br />
Was ist z.B. der Vorteil der Quartärstruktur beim Hämoglobin, bei welcher sich 4<br />
Grundeinheiten zu einem Tetramer zusammenlagern? Dabei sind die 4 Einheiten<br />
eigentlich alle gleich.<br />
Chemie, 6sm<br />
83
Setzt eine Einheit im Gewebe den Sauerstoff frei, dann geben auch die anderen 3<br />
Einheiten den Sauerstoff ab. Das wird durch eine räumliche Änderung bemerkbar:<br />
Beladen sind die Einheiten näher zusammen, entladen sind sie weiter auseinander.<br />
Verantwortlich dafür ist die Änderung der Bindungen am zentralen Eisenion.<br />
Wenn in der Lunge ein O2-aufgenommen ist, nehmen die anderen drei Einheiten die<br />
Sauerstoffe leichter auf! Man kann hier von einem kooperativen Effekt sprechen.<br />
Der Nobelpreisträger Perutz bezeichnete diesen kooperativen Effekt als „Matthäus-<br />
Effekt“:<br />
„Denn wer da hat, dem wird mehr gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer<br />
aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden.“ (Matt. 25,29)<br />
Abbildung 88: Mikroskopische Aufnahme von Hämoglobin 63<br />
Die Oberflächenladung wird bei der Elektrophorese ausgenützt, um eine Trennung bei<br />
einem bestimmten pH-Wert zu erreichen. Isoelektrische Fokussierung: Die Proteine<br />
laufen bis zu dem Punkt in einem pH-Gradienten, bei welchem sie neutral sind. Sie<br />
erklärt auch, warum Eiweisse bei bestimmten pH-Werten denaturieren.<br />
Neuere NMR-Untersuchungen haben ergeben 64 : „Das Innere eines Proteins ist viel<br />
'flüssiger' als ursprünglich angenommen. Alles ist ständig in Bewegung und verändert<br />
sich sogar unglaublich schnell.“<br />
63 Hämoglobin, http://micro.magnet.fsu.edu/micro/gallery/proteins/prot2.html, 27.02.01<br />
64 University of Pennsylvania Medical Center, Nature 411: 501-504 (2001)<br />
Chemie, 6sm<br />
84
2.2.7 Beispiele<br />
2.2.7.1 Insulin<br />
Abbildung 89: Bauchspeicheldrüse (Pankreas) : ca. 15 cm lang, hinter dem Magen.<br />
Langerhans’sche Inselzellen (Insulin von den -Zellen, in der Mitte, synthetisiert. Aussen - und -<br />
Zellen)<br />
Biochemischer Aufbau:<br />
Aufbau geschieht als lange Kette bei den Ribosomen<br />
als Prä-Proinsulin 107 AMCS).<br />
Prä-Sequenz aus ca. 23 AMCS: eine<br />
Signalpeptidsequenz (Leader-Sequenz), mit der<br />
Information, dass die nachfolgende Sequenz<br />
(Proinsulin) an der Membran des endoplasmatischen<br />
Retikulums aufgebaut und in das Innere der Kanälchen<br />
desselben transportiert werden soll.<br />
Proinsulin: 84 AMCS<br />
A-Kette: 21 AMCS (Bereich A8 bis A10 ist artspezifisch)<br />
B-Kette: 30 AMCS<br />
C-Peptid: 33 AMCS<br />
S- Verbindungen: A6, A11; A7,B7; A20, B19<br />
Insulin MG ca. 6000 g/mol<br />
Signalpeptid<br />
connecting peptide<br />
C-Peptid<br />
Aufbau an den Ribosomen als eine Kette, Primärstruktur.<br />
Entfernung des Prä-Insulins (Signalpeptid).<br />
Sekundärstruktur: Verformung und Stabilisierung durch S-S- Brücken (2 Cystein 1<br />
Cystin).<br />
Entfernung des C-Peptids durch Enzyme (Peptidasen): Proinsulin Insulin<br />
Tabelle 8: Aminosäuresequenz und Struktur von Humaninsulin<br />
Chemie, 6sm<br />
85
A - K e t t e<br />
G l y - I l e - V a l - G l u - G l n - C y s - C y s - T h r - S e r - I l e - C y s - S e r - L e u - T y r - G l n - L e u - G l u - A s n - T y r - C y s - A s n<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 1 1 1 2 1 3 1 4 1 5 1 6 1 7 1 8 1 9 2 0 2 1<br />
B - K e t t e<br />
P h e - V a l - A s n - G l n - H i s - L e u - C y s - G l y - S e r - H i s - L e u - V a l - G l u - A l a - L e u - T y r - L e u - V a l - C y s - G l y - G l u<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 1 1 1 2 1 3 1 4 1 5 1 6 1 7 1 8 1 9 2 0 2 1<br />
T h r L y s P r o T h r T y r P h e P h e G l y A r g<br />
3 0 2 9 2 8 2 7 2 6 2 5 2 4 2 3 2 2<br />
1922 Isolierung aus Pankreas durch Banting und Best<br />
1934 Kristallines Insulin D.A. Scott mit Zinkionen<br />
1964 Totalsynthese des Schafinsulins durch Zahn und Mitarbeiter<br />
Wirkung: Insulin lagert Glucose in Form von Glycogen ab. Die blutzuckersenkende<br />
Wirkung wird wahrscheinlich durch Permeabilitätserhöhung der Zellmembranen für<br />
Glucose erreicht: Förderung des Abbaus der Glucose nach deren Eintritt in die Zelle.<br />
Die räumliche Struktur von Insulin enthält alle wichtigen Elemente:<br />
Die alpha-Helix<br />
Das beta-Faltblatt und<br />
Den Turn<br />
Die Stabilität wird vor allem durch die<br />
oxidationsempfindlichen Schwefelbrücken (-S-S-<br />
) erreicht.<br />
Die beiden Amino- und Säure-Enden sind frei,<br />
was einen leichten Abbau ermöglicht. Die<br />
Halbwertszeit im Blut beträgt ca. 5 Minuten.<br />
Insulin bewirkt die Einlagerung von Glucogen in<br />
den Zellen, diese werden mit Zucker gefüllt. Das<br />
wird von Bodybuildern und Athleten ausgenützt –<br />
sie verwenden Insulin als Doping 65 -<br />
wahrscheinlich eines der potenteren<br />
Dopingmittel!!<br />
65 Coghlan A., Race to the death, New Scientist, 11 August 2001, 4<br />
Chemie, 6sm<br />
Abbildung 90: Die räumliche Struktur<br />
von Rinder-Insulin<br />
86
3.3.7.2 Beispiele von grossen Proteinen<br />
Enzyme Biochemische Katalysatoren, Regler<br />
Bsp.: Catalase 1 Molekül spaltet pro Min. 5.10 6 H2O2<br />
Strukturproteine Bausteine mit Stütz- und Schutzfunktionen (z.B. Collagen,<br />
Keratin oder Elastin)<br />
Kontraktile Elemente Mechanische Energie (Muskelzellen, Actin-,<br />
Myosinfilamente))<br />
Sauerstoffhaushalt Transport Hämoglobin<br />
Speicherung Myoglobin<br />
Übertragung (Oxidation) Cytochrom<br />
Membranproteine der Zellwand (z.B. Rezeptoren, Transportproteine)<br />
Plasmaeiweisse (Albumin)<br />
Blutgerinnungsfaktoren<br />
Antikörper<br />
Die Häm-Gruppe tritt in der Natur in verschiedensten Formen auf.<br />
Strategie der Natur<br />
Erfolgreiche Strukturen treten an verschiedensten Orten und für unterschiedlichste<br />
Aufgaben auf (Corrine in Häm, Vitamin B12, Chlorophyll, Bakterienchlorophylle...).<br />
Innere Abwehr Immunoglobuline (Antikörper)<br />
Toxine Abwehr von Fremdem<br />
LD(50):Botulinustoxin: 0.000'000’03 mg/kg: 10 -6 g töten 10 7 Mäuse<br />
LD(50):Tetanustoxin: 0.000’00001 mg/kg<br />
LD(50):Diphterietoxin: 0.000’03 mg/kg<br />
Umsatz der menschlichen Eiweissstoffe:<br />
Proteine der Leber werden in 10–20 Tagen, diejenigen der<br />
Proteine der Haut und Muskulatur in ca. 160 Tagen zur Hälfte erneuert.<br />
Die Hälfte des menschlichen Bluteiweisses wird in 10 Tagen ab- und wieder<br />
aufgebaut, und<br />
täglich werden 9% der Plasma-Albumine (Proteine in Flüssigkeiten und Geweben)<br />
umgesetzt (HWZ 70/9 = 7,8 Tage).<br />
Abbildung 91: Botulinus Toxin (Botox)<br />
Chemie, 6sm<br />
87
3.3.7.3 Faserartige Proteine<br />
Proteine gehören zu den wichtigen „Baustoffen“ der Lebewesen.<br />
Die wichtigsten Faserproteine sind Collagen, Keratin, Fibrinogen und Muskelproteine;<br />
sie werden im Folgenden kurz beschrieben.<br />
Collagen<br />
Abbildung 92: Collagen-Fasern<br />
Collagen ist das weitaus häufigste Protein bei Wirbeltieren. Knochen, Haut, Sehnen und<br />
Knorpel bestehen aus Collagenfasern. Das Molekül ist normalerweise aus drei sehr<br />
langen Aminosäureketten zusammengesetzt, jede mit etwa 1000 Aminosäuren (Gly-<br />
Pro-Hypro--), die zu einer Dreifach-Helix gezwirbelt sind (Hypro kann dabei H-Brücken<br />
bilden). Dadurch entsteht die grosse Festigkeit von Haut und Sehnen. Denaturiert man<br />
lange Collagenfasern durch Kochen, so entstehen kürzere Ketten; das Produkt ist<br />
Gelatine.<br />
Abbildung 93: Dreifach-Helix von Collagen<br />
3.3.7.4 Keratin<br />
Keratin bildet die äussere Schicht der menschlichen Haut, Haare und Nägel sowie der<br />
Schuppen, Hufe und Federn von Tieren. Seine Struktur ist eine reguläre α-Helix.<br />
Chemie, 6sm<br />
88
Keratin ist in Wasser nicht löslich – eine wichtige Eigenschaft, um den Körper vor<br />
äusseren Einflüssen zu schützen. Durch viele Schwefelbrücken (-S-S-) ist das Protein<br />
sehr stabil und lässt sich auch durch proteolytische (proteinlösende) Enzyme nicht<br />
lösen. Die Behandlung des Haares zur Erzeugung von Dauerwellen beruht auf dem<br />
Prinzip, die Zahl der Schwefelbrücken durch ein Reduktionsmittel, zum Beispiel<br />
Thioglycol, zu verringern. Sie werden wieder gebildet, sobald das Haar mit Sauerstoff in<br />
Berührung kommt.<br />
Abbildung 94: Haar einer Europäerin<br />
Bei übermässiger Keratin-Bildung, z. B. in Hühneraugen, Schwielen und Warzen spricht<br />
man von Hyperkeratose.<br />
3.3.7.5 Fibrinogen<br />
Fibrinogen ist ein Blutplasmaprotein, das für die Blutgerinnung zuständig ist. Durch die<br />
katalytische Wirkung des Thrombin wird Fibrinogen in das schwer lösliche Protein Fibrin<br />
überführt. Dieses bildet Blutpfropfen.<br />
Muskelproteine<br />
Ein Protein, das in erster Linie für die Muskelkontraktion zuständig ist, ist das Myosin.<br />
Zusammen mit Aktin, einem weiteren Muskelprotein, bildet es den Aktomyosin-<br />
Komplex. Durch Verkürzung der Filamente des Aktomyosin entsteht die Kontraktion des<br />
Muskels.<br />
Chemie, 6sm<br />
89
Spinnfaden<br />
Abbildung 95: Die Struktur eines Spinnfadens<br />
Anwendung: Unterscheidung von Baumwolle und Wolle/Seide durch den „Brenntest“<br />
3.3.7.6 Globuläre Proteine<br />
Im Gegensatz zu Faserproteinen sind globuläre Proteine kugelförmig und löslich. Sie<br />
spielen eine wichtige Rolle im Stoffwechsel des Körpers. Beispiele für globuläre<br />
Proteine sind: Albumin, Globulin, Casein, Hämoglobin, Enzyme und Peptidhormone.<br />
Albumine und Globuline sind lösliche Proteine aus tierischen Zellen, Blutserum, Milch<br />
und Eiern. Hämoglobin ist ein Protein, das für den Sauerstofftransport im Blut zuständig<br />
ist. Die rote Farbe der Blutkörperchen stammt von diesem Protein.<br />
Man kennt heute mehr als 100 verschiedene Varianten des menschlichen Hämoglobins.<br />
Das Hämoglobin S ist Ursache der Sichelzellenanämie, einer Erbkrankheit<br />
unter Schwarzafrikanern.<br />
3.3.7.7 Protein-Hormone<br />
Diese Proteine stammen aus Hormondrüsen und wirken nicht als Enzyme. Sie<br />
stimulieren vielmehr bestimmte (enzymatische) Reaktionen in den Zielorganen. Auf<br />
diese Weise haben sie Einfluss auf lebenswichtige Körperfunktionen, wie Grundumsatz,<br />
Produktion der Verdauungsenzyme und Milchproduktion, um nur einige zu nennen. Ein<br />
wichtiges Enzym ist z. B. Insulin oder TRH (Thyroid Releasing Hormone). Es stammt<br />
aus der Bauchspeicheldrüse, wo es in den Langerhans-Inseln produziert wird, und<br />
beeinflusst den Blutzuckerspiegel. Ein anderes Enzym, das Thyroglobulin aus der<br />
Schilddrüse, kontrolliert den Grundumsatz. Calcitonin, ein weiteres Enzym der Schilddrüse,<br />
senkt den Calciumspiegel im Blut.<br />
3.3.7.8 Antikörper<br />
Antikörper sind ein wichtiger Teil unserer „Verteidigung“.<br />
Antikörper, auch Immunoglobuline genannt, sind Tausende<br />
verschiedener Proteine im Blutserum. Sie reagieren mit<br />
Antigenen (Erregern oder Fremdkörpern) im Blut. Ein<br />
einzelnes Antigen ist in der Lage, die Produktion vieler<br />
Antikörper zu stimulieren, die dann das Antigen von<br />
verschiedenen Seiten her angreifen und unschädlich<br />
machen.<br />
Chemie, 6sm<br />
90<br />
Abbildung 96: Schematische<br />
Struktur eines Antikörpers
Abbildung 97: Antigen-Antikörper-Reaktion: Immunkomplexbildung (AG: Antigen, AK: Antikörper)<br />
a) Optimales AG-AK-Verhältnis (Komplexe unlöslich); b) AK-Überschuss (Komplexe meist<br />
unlöslich); c) AG-Überschuss (Komplexe überwiegend löslich)<br />
Chemie, 6sm<br />
91
2.3 Enzyme<br />
2.3.1 Entdeckung und Wesen der Enzyme 66<br />
Unter den vielen Proteinen, die am Aufbau und der Funktion der lebenden Zelle beteiligt<br />
sind, haben die biologischen Katalysatoren, die wir Enzyme (Fermente) nennen,<br />
besondere Bedeutung. Ihre Zahl ist nicht klein. Man kennt heute wenige tausend<br />
verschiedene Enzyme, und es gibt viele Gründe anzunehmen, dass im Laufe der Zeit<br />
noch sehr viel mehr hinzukommen werden. Viele sind isoliert und genügend rein<br />
dargestellt worden, um ihren Aufbau nachzuweisen.<br />
Ausserordentlich ist, dass Andreas Libavius (1555-1616) bereits 1597 in seinem Buch<br />
„Alchymia“ die enzymatische Katalyse als Fermentation verwendet 67 .<br />
Die Bezeichnung Ferment ist seit dem 17. Jahrhundert in Gebrauch zur qualitativen<br />
Beschreibung der Gärung von Stärkeprodukten, aber auch der Verdauung und der<br />
Fäulnis.<br />
Eines der ersten Enzyme, das entdeckt<br />
wurde - obgleich seine wahre Natur damals<br />
kaum erahnt werden konnte - war das<br />
Pepsin, ein proteinabbauendes Enzym des<br />
Magensaftes. Der grosse italienische<br />
Physiologe Lazzaro Spallanzani fütterte<br />
Falken mit Fleischstückchen, die in feinsten<br />
Drahtgehäusen eingeschlossen waren. Als<br />
die Vögel später wie gewohnt die<br />
unverdauten Reste (das („Gewölle“)<br />
erbrachen, fand man, dass die<br />
Drahtbüchschen leer waren. Dies zeigte,<br />
dass der Magensaft der Vögel etwas<br />
enthalten musste, das Fleisch verdauen<br />
konnte. Diese Experimente wurden schon<br />
Abbildung 98: Ein Wanderfalke und<br />
Fermente?<br />
1783 ausgeführt. Dennoch dauerte es noch lange, bis Enzyme systematisch untersucht<br />
wurden.<br />
1833 begannen die chemischen Untersuchungen der Enzyme, als der französische<br />
Chemiker Anselme Payen (1795 - 1871) Amylase (damals noch Diastase genannt) das<br />
erste Enzym überhaupt entdeckte. Die Enzyme spielen eine zentrale Rolle im<br />
Stoffwechsel aller lebenden Organismen. Der Grossteil der chemischen Reaktionen,<br />
von der Energieumwandlung bis zur Übertragung der Erbinformation, wird von<br />
Enzymen katalysiert und gesteuert.<br />
1858 konnte der grosse Louis Pasteur beim Studium des Gärungsprozesses zeigen,<br />
dass Zuckerlösungen vollkommen stabil sind, sofern sie steril und unter Luftabschluss<br />
bleiben. Gelangt aber Luft an die Lösungen, so fallen Hefezellen aus der Luft hinein und<br />
der Gärungsprozess setzt unmittelbar ein. Ebenso konnte nachgewiesen werden, dass<br />
die Säuerung von Wein und Milch von der Tätigkeit anderer Mikroorganismen abhängt,<br />
66<br />
Grossteils nach: Baldwin E., Das Wesen der <strong>Biochemie</strong>, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1968, 39<br />
67<br />
Libavius Andreas, Die Alchemie des Andreas Libavius, Ein Lehrbuch aus dem Jahre 1597, Verlag<br />
Chemie, Weinheim, 1964, S. 103<br />
Chemie, 6sm<br />
92
die Pasteur seinerzeit „Fermente“ nannte. Er glaubte, dass an der Fermentation, der<br />
Säuerung und an verwandten Prozessen spezielle Mikroorganismen beteiligt und diese<br />
Vorgänge mit ihrem Leben untrennbar verknüpft sind.<br />
40 Jahre später, genauer 1897, bereiteten zwei deutsche Chemiker, die Brüder<br />
Buchner, einen Saft, in dem sie lebende Hefezellen mit Sand und Kieselgur (einer<br />
silikathaltigen Erde) zerrieben und das Produkt in einer hydraulischen Presse<br />
auspressten. Der resultierende Hefesaft sollte medizinischen Zwecken dienen, aber er<br />
wurde sehr schnell schlecht und das Problem der Konservierung musste gelöst werden.<br />
Unter anderem versuchten es die beiden Buchner mit der Kochbuchchemie, indem sie<br />
grosse Mengen Rohrzucker hinzufügten. Ohne es zu wissen, legten sie auf diese<br />
Weise das Fundament für unsere gesamte heutige Kenntnis über die Enzyme, denn<br />
obgleich ihr Hefesaft keine intakten Hefezellen mehr enthielt, brachte er den Zucker zur<br />
lebhaften Gärung. Hier wurde zum ersten Mal ein „Ferment“ künstlich von den Zellen,<br />
die es hervorgebracht hatten, getrennt.<br />
Dieser Zucker fermentierenden Substanz wurde der Name „Enzym“ gegeben, was<br />
wörtlich „in der Hefe“ heisst. Als man später fand, dass von anderen Zellen Saft mit<br />
anderen katalysierenden Eigenschaften gewonnen werden konnte, wurde der Name<br />
„Enzym“ als kollektive Bezeichnung unternommen und dem Hefeenzym der<br />
differenzierende Name Zymase gegeben. Innerhalb weniger Jahre wurde die neu<br />
entdeckte Zymase besonders von Harden und Young in England ausführlich<br />
untersucht. Sie fanden beispielsweise, dass Zymase ihre Aktivität durch Kochen verliert<br />
und dass sie aus mindestens zwei Komponenten besteht, einem Apoenzym und einem<br />
sogenannten Coenzym, welches hitzestabil ist. Das kann mit einer Methode<br />
nachgewiesen werden, die man Dialyse nennt. Wenn man Hefesaft in ein Kollodium-<br />
oder Zellophansäckchen füllt, das in ein grosses Gefäss mit destilliertem Wasser<br />
gehängt wird, kann das niedermolekulare Coenzym durch das Cellophan in die<br />
Wasserumgebung hinaustreten. Die Proteinmoleküle des Apoenzyms sind zu gross, um<br />
durch die Membranporen hindurch zu schlüpfen und werden deshalb zurückgehalten.<br />
Das Enzym, das auf diese Weise von niedermolekularen Substanzen befreit wird, ist<br />
inaktiv. Aber es gewinnt seine Aktivität zurück, wenn das Wasser aus dem grossen<br />
Behälter konzentriert und zum Enzym gegeben wird. Auch kann man so die Aktivität<br />
wieder herstellen, indem man etwas gekochten Hefesaft zu dem dialysierten Enzym<br />
hinzufügt. Kochen zerstört des Enzym, lässt aber das niedermolekulare Coenzym, die<br />
Cozymase, unverändert:<br />
Apoenzym + Coenzym Holoenzym<br />
Wir wissen heute, dass „Zymase“ kein einzelnes Enzym, sondern eine komplette<br />
Mischung von etwa 15 Enzymen ist und dass „Cozymase“ mindestens vier Substanzen<br />
in sich vereinigt. Die Vergärung von Glucose oder Rohrzucker in Alkohol und<br />
Kohlendioxid ist in Wirklichkeit kein einfacher Ein-Schritt-Prozess, sondern eine lange<br />
Kette schrittweiser chemischer Vorgänge, von denen keiner mit wahrnehmbarer<br />
Geschwindigkeit abläuft, wenn nicht das passende Enzym vorhanden ist. Einige<br />
brauchen Coenzyme, ohne deren Anwesenheit die Reaktion nicht ablaufen kann.<br />
Carboyxpeptidase A benötigt beispielsweise Zn ++ als Cofaktor.<br />
Urease: 2 CO(NH2)2 + H2O 2 NH3 + CO2<br />
Urease katalysiert die Spaltung von Harnstoff in Ammoniak und CO2. Methylharnstoff<br />
ergibt keine Reaktion. Die Urease besteht aus 3 Untereinheiten und benötigt als<br />
Cofaktor Nickel. Urease kommt im Boden und bei Helicobacter vor.<br />
Chemie, 6sm<br />
93
Bereits die frühen Arbeiten von Harden und Young brachten viele prinzipielle und<br />
charakteristische Eigenschaften der Enzyme zutage, die man folgendermassen<br />
zusammenfassen kann: Enzyme sind komplexe organische Katalysatoren, die von<br />
lebenden Zellen produziert werden. Sie sind jedoch fähig, unabhängig von den Zellen,<br />
die sie hervorgebracht haben, zu funktionieren. Sie sind thermolabil, d.h. durch Hitze<br />
zerstörbar. Auch sind sie hochspezifisch, d.h. ihre Wirkungsweise ist auf eine einzige<br />
Reaktion oder auf eine kleine Gruppe ähnlicher chemischer Reaktionen beschränkt.<br />
Ohne den passenden Cofaktor - Coenzym - sind viele Enzyme wirkungslos.<br />
Der Untersuchung der Enzym-Kinetik (Sørensen, Michaelis, ca. 1910) folgte 1926 die<br />
Kristallisation des ersten Enzym (Urease) durch Sumner und der Nachweis der Protein-<br />
Natur. Das erste Enzym, dessen Aminosäure-Sequenz vollständig entschlüsselt werden<br />
konnte, war Ribonuclease (Moore und Stein, 1963). Lysozym war das erste, dessen<br />
Tertiärstruktur aufgeklärt wurde (1966). Im Jahre 1969 synthetisierte Merrifield mit der<br />
nach ihm benannten Technik in 11931 Schritten die gesamte Sequenz der<br />
Ribonuclease. Durch die Fortschritte in der Synth. der Desoxyribonucleinsäuren sowie<br />
ihrer gentechnologischen Vermehrung (Klonierung) und Expression in Organismen, ist<br />
es heute praktisch möglich geworden, "massgeschneiderte" Enzym mit veränderten<br />
Eigenschaften wie Substratspezifitäten, Säure- und Wärmetoleranzen etc. in beliebigen<br />
Mengen herzustellen.<br />
2.3.2 Eigenschaften der Enzyme<br />
Die Enzyme sind die „Produktionsmaschinen“<br />
der Zellen.<br />
Alle Enzyme sind globuläre Proteine.<br />
Sie verbinden sich daher schnell mit<br />
anderen Substanzen, den<br />
sogenannten Substraten, um die<br />
verschiedensten chemischen<br />
Reaktionen im Körper zu katalysieren<br />
Substrat<br />
Enzym<br />
Enzym-Substrat-<br />
Komplex<br />
Abbildung 99: Enzymatische Reaktion<br />
(Biokatalysatoren). Im Wesentlichen kontrollieren die Enzyme den Stoffwechsel.<br />
Produkte<br />
Enzyme sind zusammen mit den Coenzymen echte Katalysatoren – sie verringern die<br />
Aktivierungsenergie und lassen Prozesse rascher ablaufen. Den Stoff, den Enzyme<br />
umsetzen nennt man Substrat S.<br />
Chemie, 6sm<br />
94
E<br />
S+B+<br />
E<br />
E<br />
S +B<br />
E mit Enzym<br />
a<br />
P<br />
E ohne Enzym<br />
a<br />
Abbildung 100: Die Aktivierungsenergie einer Enzymreaktion, im Vergleich mit einer<br />
unkatalysierten Reaktion<br />
E<br />
Im Vergleich mit dem Umfang der chemischen Veränderungen, die in ihrer Gegenwart<br />
ablaufen können, ist die Menge, in der sie gebraucht werden, sehr klein. Man findet<br />
Enzyme überall in der Zelle, und im transzellulären Raum, z.B. in den<br />
Verdauungsorganen. Man schätzt, dass eine Leberzelle nur ca. 50 Millionen<br />
Enzymmoleküle enthält. Das findet seine Erklärung darin, dass sie wie andere<br />
Katalysatoren an der Reaktion, die sie katalysieren, teilnehmen, aber am Ende des<br />
Prozesses regeneriert werden und so lange wieder benutzt werden können.<br />
Wie andere Katalysatoren können Enzyme „vergiftet“ werde, so dass sie einen Teil oder<br />
die gesamte katalytische Kraft verlieren. Man spricht dann von Hemmung oder<br />
Inaktivierung.<br />
Physikalische Faktoren die eine solche Wirkung auf die Enzyme ausüben, sind z.B:<br />
hohe Temperaturen, extreme pH-Werte, ultraviolettes Licht, gewaltsame mechanische<br />
Beanspruchung und vieles andere. Hemmung oder Inaktivierung werden auch häufig<br />
von Chemikalien hervorgerufen, die mit den -SH, oder -NH2 oder -COOH Gruppen<br />
reagieren, was die Annahme zulässt, dass Gruppen wie diese eine lebenswichtige<br />
Rolle in der enzymatischen Katalyse spielen. Es gibt viele Beweise, dass das wirklich<br />
so der Fall ist. Bekannte starke Inhibitoren sind die Salze von Schwermetallen<br />
(reagieren oft mit den S-Gruppen!) und Säuren, wie Phosphorwolframsäure,<br />
Perchlorsäure und Trichloressigsäure. Die letztgenannten Ionen sind natürlich negativ<br />
geladen und verbinden sich mit Enzymen in sauren Lösungen, in denen die<br />
Enzymproteine positiv geladen sind. Sie bilden unlösliche, salzähnliche Komplexe, die<br />
als Katalysatoren unwirksam sind. Dagegen üben Schwermetallionen ihren Einfluss in<br />
Lösungen aus, die im Vergleich zu dem isoelektrischen pH des Enzymproteins<br />
alkalischer sind. Diese sind dann negativ geladen und es werden weder unlösliche,<br />
katalytisch unwirksame, salzähnliche Stoffe gebildet. Andererseits stellt z.B. die<br />
Cytochromoxidase der Atmungskette schon bei Anwesenheit von geringen Blausäure-<br />
Mengen ihre Aktivität ein.<br />
Viele Reagenzien, die Enzyme inaktivieren, lassen entweder Eiweiss gerinnen oder<br />
rufen in ihm feine chemische Veränderungen hervor, die man schlechthin<br />
„Denaturierung“ nennt; ein weiterer Hinweis, dass Enzyme wirklich Proteine sind. Man<br />
Chemie, 6sm<br />
P+<br />
E<br />
P<br />
Zeit<br />
95
kann behaupten, dass fast alle Enzyme Proteine, seltener Glycoproteine sind<br />
(Verbindung mit Zucker und Proteinen).<br />
Die haben Enzyme ein sehr hohes Molekulargewicht und deshalb ist ihre molare<br />
Konzentration in Zellen und Geweben immer sehr klein. Ein einfaches Beispiel ist die<br />
Urease 68 , ein Enzyms, das die Hydrolyse des Harnstoffs katalysiert.<br />
O<br />
H 2 N C NH 2<br />
H 2 O<br />
(Urease)<br />
O<br />
H 2 N C OH<br />
Carbamidsäure<br />
+<br />
NH 3<br />
Abbildung 101: Vereinfachtes Reaktionsschema der Urease<br />
Harnstoff hat ein Molekulargewicht von 60, während das der Urease ungefähr 544 000<br />
Gramm pro Mol ist. Wollen wir eine 1%ige Lösung beider Stoffe herstellen, wäre die<br />
molare Konzentration des Harnstoffes nicht weniger als 9000mal so gross wie die des<br />
Enzyms. Urease beschleunigt die Harnstoff-Hydrolyse auf mehr als das 10 14 fache (!!)<br />
der unkatalysierten Reaktion. So spaltet 1 g Urease bei 20 °C innerhalb 1 Minute etwa<br />
60 g Harnstoff, also 544'000 Spaltungen pro Minute und Enzym.<br />
Viele Enzyme treten in Zellen und Geweben in Konzentrationen auf, die man fast<br />
unendlich klein nennen möchte, und dennoch hängt das Leben der Zelle von ihrer<br />
katalytischen Aktivität ab.<br />
Eine der beachtenswertesten Eigenschaften der Enzyme und eine, die sie von anderen<br />
bekannteren Katalysatoren wie z.B. dem Platinmohr oder anderen feinverteilten<br />
Metallen unterscheidet, ist ihre ausgeprägte Spezifität. Wie allgemein bekannt,<br />
katalysiert Platinmohr eine ziemlich grosse Zahl chemisch verschiedener Prozesse;<br />
dagegen sind sehr viele Enzyme absolut spezifisch. Damit meinen wir, dass ein Enzym<br />
dieser Art nur eine einzige Reaktion katalysieren kann. In wenigen Fällen kann ein<br />
bestimmtes Enzym eine Reihe ähnlicher Reaktionen katalysieren. In diesem Fall spricht<br />
man von Gruppenspezialität. Der Fall so genannt niedriger Spezifität ist verhältnismässig<br />
selten. Einer der wenigen bekannt gewordenen Fälle wurde bei bestimmten<br />
Ester spaltenden Enzymen entdeckt. Sie spalten Esterbindungen unabhängig von der<br />
Natur der Säure oder des Alkohols, aus denen sie gebildet sind. Zusammenfassend<br />
kann gesagt werden: Enzyme haben nebst der Katalyse vier wichtige Eigenschaften sie<br />
sind 69 :<br />
1. substratspezifisch (eduktspezifisch, selektiv; reagieren nur mit wenigen<br />
Edukten),<br />
2. produktspezifisch (immer dasselbe Produkt, führen immer dieselbe<br />
Reaktion durch).<br />
3. reaktionsspezifisch (wirkungsspezifisch, benötigen vorgegebene<br />
Reaktionsbedingungen)<br />
4. enantiospezifisch (stereospezifisch räumliche Anordnung).<br />
68 Urease (EC 3.5.1.5); Die Urease besteht aus 3 Untereinheiten und benötigt als Cofaktor Nickel.<br />
69 Ball Ph., Chemie der Zukunft – Magie oder Design?, VCH, Weinheim, 1996, 82<br />
Chemie, 6sm<br />
CO 2<br />
+<br />
2<br />
NH 3<br />
96
Bei Enzymen ist nicht nur das aktive Zentrum, die Bindungsstelle, sondern das ganze<br />
Protein beteiligt. Neben der Form („Schlüssel-Schloss-Prinzip“) spielt die Chemie<br />
(Dipole, freie Elektronenpaare, Komplexbindungen, H-Brücken, van der Waals-<br />
Bindungen) eine ebenso grosse Rolle – insbesondere beim Andocken und der<br />
Reaktion!!!<br />
Die Enzymwirkung wird heute mit 2 Modellen beschrieben, die sich auf den ersten Blick<br />
nicht sehr stark unterscheiden, aber in der molekularen Dynamik von unterschiedlichen<br />
Annahmen ausgehen:<br />
+<br />
+<br />
Enzym + Substrat Enzym - Substrat - Komplex<br />
Abbildung 102: Oben: "Schlüssel-Schloss"-Modell; Unten: „Induced Fit“-Modell 70<br />
Der wesentliche Unterschied der beiden Modelle besteht darin, dass beim Induced-Fit<br />
Modell von Koshland mit statischen Molekülmodellen keine korrekte Vorhersage der<br />
möglichen Substrate möglich ist. Das ist damit begründet, dass das Substrat nach<br />
diesem Modell das Enzym-Protein selbst verformt, bis es gebunden und dann umgewandelt<br />
werden kann.<br />
Wie beim Händeschütteln genügt es nicht, dass die Moleküle in der komplementären<br />
Gestalt rechter oder linker Hände vorliegen. Denn auch Hände greifen nur dann<br />
vollständig ineinander, wenn sie sich umschliessen. Die Formen zweier Dipeptide<br />
passen sich zum Beispiel bei ihrem molekularen Händedruck dynamisch aneinander<br />
an. Dabei induzieren die Moleküle wechselseitig eine Änderung ihrer Konformation.<br />
2.3.3 Messung der Enzymaktivität<br />
Wenn ein Enzym zusammen mit seinem Substrat 71 unter konstanten Bedingungen in<br />
bezug auf Temperatur und pH inkubiert wird, kann der Umfang der ablaufenden<br />
chemischen Veränderung durch geeignete analytische Methoden gemessen werden.<br />
Angenommen, das Substrat sei ein nicht reduzierender Zucker, Rohrzucker, und das<br />
Enzym sei Hefesaccharase, ein hydrolysierendes Enzym, das Ergebnis der Hydrolyse<br />
sind Glucose und Fructose.<br />
Beide haben reduzierende Eigenschaften; den Ablauf der Reaktion kann man dadurch<br />
bestimmen, dass man den Umsatz misst, indem man aus der Reaktionsmischung in<br />
bestimmten Zeitabständen Proben entnimmt oder kontinuierlich misst. Zeichnet man<br />
den Umsatz gegen die Zeit auf, erhält man eine Verlaufskurve der Reaktion. In den<br />
meisten Fällen hat die Kurve eine Form wie in der folgenden Abbildung.<br />
70 Enzyme, Römpp Lexikon Chemie – Version 2.0, Stuttgart/New York: Georg Thieme Verlag 1999<br />
71 Die Substanz, auf welche die katalytische Wirkung ausgeübt wird.<br />
Chemie, 6sm<br />
97
Gespaltene Proteine (titrierte<br />
NH 2-Gruppen)<br />
4.5<br />
4<br />
3.5<br />
3<br />
2.5<br />
2<br />
1.5<br />
1<br />
0.5<br />
0<br />
0 20 40 60 80 100<br />
Zeit (Min.)<br />
Abbildung 103: Reaktionsablauf mit einem Enzym: Die Verdauung von Casein durch Trypsin.<br />
Die Reaktion beginnt, sobald das Enzym zum Substrat hinzugefügt wird. Zunächst ist<br />
die Kurve praktisch linear, aber bald fällt die Umsatzrate ab. Man hätte eigentlich<br />
erwarten dürfen, dass das Ergebnis so lange konstant bleibt, bis das Substrat<br />
verbraucht ist; die Erfahrung lehrt es anders. Mit fortschreitender Reaktion verändert<br />
sich die Reaktionsmischung. Das Substrat wird verbraucht, Die Reaktionsprodukte<br />
treten auf und beginnen sich anzuhäufen, und wenn die Reaktion reversibel ist,<br />
tendieren sie dazu, der Vorwärtsreaktion entgegenzuwirken. In einigen Reaktionen<br />
entstehen sogar pH-Verschiebungen. Alle diese Veränderungen beeinflussen die<br />
Enzymaktivität.<br />
Wenn wir die Auswirkungen von Einflüssen wie Temperatur und pH auf die<br />
Enzymaktivität untersuchen wollen, müssen wir entweder darauf achten, dass die<br />
Veränderungen in der Reaktionsmischung in jedem Experiment gleich bleiben, oder<br />
versuchen, diese Veränderungen minimal zu halten. Eine Methode ist die Messung der<br />
Zeit, die das Enzym braucht, um einen bestimmten Grad von chemischer Veränderung<br />
zu katalysieren. Die gemessene Zeit gibt dann das reziproke Mass der Enzymaktivität;<br />
reziprok, weil ein Enzym, das halb so aktiv ist, doppelt so lange braucht, um denselben<br />
Betrag einer chemischen Veränderung herbeizuführen.<br />
Diese Methode sehr breit anwendbar, vorausgesetzt, dass das Enzym unter den<br />
experimentellen Bedingungen stabil bleibt. Aber diese Voraussetzung wird nicht immer<br />
erfüllt, und eine andere Methode wird im Allgemeinen vorgezogen. Da die<br />
Veränderungen in der angesetzten Mischung schon sehr bald nach dem<br />
Reaktionsbeginn stattfinden, müssen wir sie in Betracht ziehen, was für gewöhnlich<br />
schwierig ist, oder wir müssen unsere Untersuchung sehr bald nach dem Beginn der<br />
Reaktion durchführen. Wenn dieses Intervall klein genug ist, werden die<br />
Veränderungen in der Reaktionsmischung klein genug sein, um sie vernachlässigen zu<br />
können. Man braucht nicht darauf hinzuweisen, dass die Substratmenge, die in einem<br />
kurzen Zeitraum abgebaut worden ist, nur sehr klein sein wird. Aber heutzutage stehen<br />
viele ausgezeichnete mikroanalytische Methoden zur Verfügung, so dass genaue<br />
Messungen der initialen Reaktionsgeschwindigkeit in den meisten Fällen durchgeführt<br />
werden können. Die Messung der Anfangsgeschwindigkeit einer enzymgesteuerten<br />
Reaktion gibt ein zuverlässiges Mass der Enzymaktivität unter festgelegten<br />
experimentellen Bedingungen.<br />
Chemie, 6sm<br />
98
2.3.3.1 Einfluss des pH<br />
Der Einfluss des pH-Wertes auf die Enzymaktivität ist ausgeprägt, und die grosse<br />
Mehrzahl der Enzyme funktioniert nur in einem sehr engen pH-Bereich.<br />
COOH<br />
NH3<br />
+<br />
H H+<br />
COOH<br />
NH3<br />
+<br />
saurer pH pH = pI<br />
+<br />
+ _<br />
+<br />
+<br />
+ _<br />
_<br />
+<br />
_ _ +<br />
+<br />
+ +<br />
+<br />
_<br />
+3<br />
+2<br />
+1<br />
0<br />
-1<br />
-2<br />
-3<br />
Nettoladung<br />
_ _<br />
COO<br />
COO<br />
NH3<br />
+<br />
OH-<br />
_<br />
COO<br />
NH3<br />
+<br />
isoelektr.<br />
Punkt pl<br />
alkal. pH<br />
5 10 pH<br />
Abbildung 104: Veränderung der Oberfläche durch pH-Änderungen<br />
NH2<br />
_<br />
COO<br />
NH2<br />
Die Abbildung zeigt einige typische Aktivitätskurven. Unter bestimmten<br />
Voraussetzungen entsteht ein deutliches Wirkungsmaximum beim sogenannten<br />
optimalen pH-Wert. Zu beiden Seiten dieses Optimalwertes fällt die Aktivität mit der<br />
Veränderung des pH schnell ab. Der optimale pH-Wert ist keine feste und<br />
unveränderliche Eigenschaft, sondern kann sich z.B. mit dem Ausmass der Ionisierung,<br />
dem verwendeten Puffer und der Wirkungsdauer des Enzyms ändern.<br />
Isoelektrischer Punkt (IEP) = pH-Wert, bei dem die Nettoladung einer Aminosäure<br />
oder eines Proteins Null ist. Dieser ist dadurch charakterisiert, dass die Summe der<br />
tatsächlichen Ladungen der Partikel (Nettoladung) null ist. Z. B. sind bei Aminosäuren<br />
und andere Zwitterionen beide Grössen identisch, da sie hier durch Fremdionen nicht<br />
beeinflusst werden. Bei makromolekularen Ampholyten fallen IEP und<br />
Ladungsnullpunkt nicht mehr ohne weiteres zusammen. So wird z. B. die für Eiweisse<br />
charakteristische Lage des IEP von der Anzahl der sauren und basischen Gruppen und<br />
deren Lage im Molekül (Oberfläche) beeinflusst. Man bestimmt den IEP von Eiweissen<br />
meist elektrophoretisch aufgrund des Minimums der Wandergeschwindigkeit im<br />
elektrischen Feld, seltener durch Messung des mit dem isoelektrischen Zustand<br />
verbundenen Flockungsmaximums oder des Minimums von Löslichkeit.<br />
Chemie, 6sm<br />
99
Relative Enzymaktivität<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
1 3 5 7 9 11<br />
pH-Wert<br />
Pepsin<br />
Speichelamylase<br />
Arginase<br />
Abbildung 105: Wirkung des pH auf die Enzymaktivität. Im sauren Bereich: Pepsin; Neutral:<br />
Speichelamylase; Basisch: Arginase.<br />
Amylase eine Verdauungsenzym im Speichel und Darm katalysiert nur die Spaltung<br />
von Stärke in Glucose und nicht Cellulose, obwohl beide aus Ketten von Glucose<br />
bestehen. Der Unterschied ist die Bindung der Glucosemoleküle. Die Amylase besteht<br />
aus 1 Polypeptidkette und enthält Ca ++ als Cofaktor.<br />
2.3.3.2 Einfluss der Temperatur<br />
Die Temperatur hat auf die Enzyme ebenfalls einen deutlichen Effekt. Als allgemeine<br />
Regel gilt, dass chemische Reaktionen umso schneller ablaufen, je höher die<br />
Temperatur ist (RGT-Regel). Die enzymgesteuerten Reaktionen bilden keine<br />
Ausnahme. Enzyme werden durch zu hohe Temperatur jedoch zerstört<br />
(Denaturierung). Folglich gibt es eine optimale Temperatur, d.h. eine Temperatur, mit<br />
der grössten Reaktionsgeschwindigkeit, bei einer gegebenen Enzymmenge und unter<br />
gegebenen experimentellen Bedingungen.<br />
Enzymaktivität<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
0 20 40 60 80<br />
Temperatur °C<br />
Abbildung 106: Einfluss der Temperatur auf die Enzymaktivität der Catalase (Temperaturoptimum)<br />
Chemie, 6sm<br />
100
2.3.4 Umkehrbarkeit der Enzymwirkung<br />
Thermisch sind alle Reaktionen reversibel und eine katalytische Reaktion. Ein<br />
Katalysator, der eine Reaktion in einer Richtung beschleunigt, sollte sie - wiederum<br />
theoretisch - auch in der andern Richtung beschleunigen, so dass alle enzymatisch<br />
katalysierten Reaktionen in ein Gleichgewicht kommen müssten. Diese Reversibilität<br />
der Enzymwirkung ist tatsächlich in vielen Fällen nachgewiesen worden.<br />
Untenstehende Abb. zeigt die Versuchsergebnisse der Wirkung von fettspaltenden<br />
Enzymen (Ricinussöllipase) bei der Hydrolyse und Synthese des entsprechenden<br />
Fettes: Die endgültige Gleichgewichtsmischung ist dieselbe, ob man nun vom Ester<br />
oder von seinen einzelnen Komponenten ausgeht.<br />
freie Fettsäure<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
0 10 20 30<br />
Zeit (Stunden)<br />
Hydrolyse<br />
Synthese<br />
Abbildung 107: Reversibilität der Wirkung von Rizinuslipase auf Triolein (Ester mit drei<br />
Oleinsäuren). (Man beachte die Geschwindigkeit der Gleichgewichtseinstellung).<br />
In vielen Fällen ist das Gleichgewicht aber so weit zur einen oder anderen Seite<br />
verschoben, so dass die Reaktion praktisch nur in einer Richtung abläuft. Ein<br />
ausgezeichnetes Beispiel dafür ist die Wasserstoffperoxidspaltung, die durch das<br />
eisenhaltige Enzym Catalase 72 katalysiert wird.<br />
(Catalase: Wasserstoffperoxid:<br />
Wasserstoffperoxid-Oxidoreduktase, EC 1.11.1.6).<br />
Catalase ist ein Enzym, das in pflanzlichen und<br />
tierischen Geweben allgemein verbreitet ist.<br />
2 H2O2 2 H2O + O2 ; H= - 193 kJ<br />
Bei aeroben (Sauerstoff-verbrauchenden)<br />
Stoffwechselprozessen entsteht unter der<br />
Einwirkung von Oxidasen in besonderen<br />
Zellorganellen (Peroxisomen) Wasserstoffperoxid,<br />
das von der gleichzeitig anwesenden Catalase<br />
sofort zersetzt wird. Zu den Peroxidasen gehörig,<br />
72<br />
Catalase (EC 1.11.1.6) MR 245 000; Catalase ist eines der „s<br />
spezifischen Aktivität von 0,08 kat (5 · 10 6 Abbildung 108: Catalase mit dem<br />
aktiven Zentrum der Häm-Gruppe im<br />
chnellsten“ Zentrum (1/4 Enzyme Einheit, mit Catalase einer ist ein<br />
UmsetzungenTetramer) pro Minute) pro Mikromol.<br />
Chemie, 6sm<br />
101
kann Catalase auch von anderen Donoren, z.B. Ethanol, Wasserstoff auf<br />
Wasserstoffperoxid übertragen.<br />
MG. 245000 mit 4 Häm-Mol. in Form von Ferriprotoporphyrin mit Eisen(III)<br />
Catalase ist eines der „schnellsten“ Enzyme<br />
Hemmstoffe sind z.B. Schwefelwasserstoff, Blausäure, Fluoride, Azide und<br />
Hydroxylamin<br />
Tabelle 9: Katalyse von Wasserstoffperoxid<br />
Molekül Molmasse<br />
g/mol<br />
Fe 3+<br />
aq<br />
Geschwindigkeit<br />
ml/s<br />
pro Gramm<br />
Geschwindigkeit<br />
ml/s<br />
pro Mol<br />
relative<br />
Geschwindigkeit<br />
pro Molekül<br />
102<br />
Aktivierungsenergie<br />
kJ<br />
(abgeschätzt)<br />
164 0.000’01 6.1E-8 1.0 163<br />
Häm 364 0.01 2.7E-5 450 127<br />
Catalase 250’000 100’000 4.0E-1 6’600’000 50<br />
Strategie der Natur:<br />
Der Aufbau von sehr grossen Molekülen ist für die Natur sehr ökonomisch, sie spart<br />
damit viel Material und damit auch viel Energie !!<br />
Enzyme sind spezifisch. Beispiel: Urease<br />
2 CO(NH2)2 + H2O 2 NH3 + CO2<br />
Urease katalysiert die Spaltung von Harnstoff in Ammoniak und CO2. Methylharnstoff<br />
ergibt keine Reaktion.<br />
(Die Urease besteht aus 3 oder 6 Untereinheiten und benötigt als Cofaktor Nickel)<br />
Enzyme sind sehr spezifisch und wirksam.<br />
2.3.5 Klassifizierung der Enzyme<br />
Die Klassifizierung der Enzyme ist keine leichte Sache, besonders deshalb nicht, weil<br />
sie eine solche enorme Vielzahl und Vielfalt chemischer Reaktionen katalysieren – man<br />
kennt heute ca, 7000 Enzyme 73 . Um die Sache noch komplizierter zu machen, gab es<br />
lange keine eindeutige Methode, um diese Katalysatoren zu benennen. Früher war es<br />
üblich, die Silbe -ase an den Substratnamen anzuhängen, d.h. an die Substanz, auf die<br />
das Enzym seine Aktivität ausübt; aber das war nicht zufriedenstellend. Im Idealfall<br />
sollte der Name, den man einem Enzym gibt, einiges aussagen, nämlich:<br />
1. Die Art des Substrates,<br />
2. die Art der chemischen Veränderung, die an dem Substrat vorgenommen wird,<br />
3. die Herkunft des Enzyms.<br />
So könnte man z.B. von „Muskellactatdehydrogenase“, sprechen. Das würde ein<br />
Enzym bezeichnen, das a) am Lactat angreift, b) die Entfernung von Wasserstoff<br />
katalysiert, und c) im Muskel vorkommt.<br />
Die heute vorgeschlagene Klassifizierung sieht kurz dargestellt folgendermassen aus:<br />
73 Ball Ph., Chemie der Zukunft – Magie oder Design?, VCH, Weinheim, 1996, 83<br />
Chemie, 6sm
Tabelle 10: Enzymklassen nach der IUB-Einteilung (Klassierung nach Wirkung)<br />
EC-Nr. Klasse katalysierter Reaktionstyp<br />
1 Oxidoreductasen Wasserstoff-, Elektronenübertragung<br />
Diese Klasse schliesst verschiedene Gruppen oxydierender und<br />
reduzierender Enzyme ein.<br />
2 Transferasen Gruppenübertragung<br />
Hexokinase transferiert ein Phosphatrest von ATP auf Glucose.<br />
3 Hydrolasen Hydrolytische Spaltung<br />
Enzyme, die die Spaltung ihrer Substrate mit Hilfe eines zweiten<br />
Reaktionsteilnehmers, für gewöhnlich Wasser, Katalysieren, so<br />
dass die katalysierte Reaktion eine Hydrolyse ist.<br />
Bsp.: Urease, Amylase<br />
4 Lyasen Eliminierung<br />
Enzyme, die den Hydrolasen ähneln, aber keinen zweiten<br />
Reaktionsteilnehmer für die Spaltung benötigen. Citratsynthetase<br />
stellt Citronensäure her.<br />
Bsp.: Catalase<br />
5 Isomerasen Isomerisierung<br />
Sie katalysieren die intramolekulare Umlagerung in den<br />
Substratmolekülen. Phosphoglucoisomerase wandelt Glucose-6-<br />
6 Ligasen<br />
(Synthetasen)<br />
Beispiel: Eine Amylase<br />
2.3.6 Funktionen der Enzyme<br />
Phosphat in Fructose-6-Phosphat um.<br />
Kondensationen unter Verbrauch von Adenosin-5’-triphosphat<br />
(ATP)<br />
Diese Enzyme katalysieren die Synthese vieler biologischer<br />
Substanzen. DNA-Ligase repariert DNA.<br />
Der erste chemische Prozess, dem die aufgenommenen Nahrungsmittel im Tier<br />
unterliegen, ist die Verdauung. An diesem Vorgang sind eine ziemlich grosse Zahl von<br />
Hydrolasen beteiligt, jede spezifisch für die Hydrolyse eines ganz bestimmten<br />
Substrates. Alle Verdauungsenzyme sind Hydrolasen, d.h. sie katalysieren<br />
hydrolytische Prozesse. Es gibt z.B. Amylasen (aus dem lateinischen Amylum =<br />
Stärke), die den hydrolytische Abbau der Stärke zu Glucose katalysieren, und Lyasen,<br />
die in der gleichen Form auf Fette einwirken. Eiweissspaltende Enzyme nennt man<br />
Peptidasen. Das Gesamtergebnis dieser Verdauung ist die Auflösung der komplexen<br />
Moleküle, aus denen die Nahrungsmittel zusammengesetzt sind, in ihre einfacheren<br />
Komponenten, ähnlich Monosaccharin, Fettsäuren und Aminosäuren. Diese können<br />
vom Darm resorbiert werden und treten in die Blutbahn über.<br />
Chemie, 6sm<br />
103
Mit Hilfe des Blutes werden diese einfacheren Stoffe<br />
an die einzelnen Körperorgane verteilt und gelangen<br />
in ein riesiges und ausserordentlich verwickeltes<br />
Labyrinth enzymatisch gesteuerter chemischer<br />
Vorgänge, denen man den kollektiven Namen<br />
Intermediärstoffwechsel gegeben hat. Einige dieser<br />
Reaktionen sind ihrer Art nach Synthesen, andere<br />
Abbaureaktionen, die einfachere Substanzen bilden<br />
und deren Endprodukte schliesslich in der<br />
Hauptsache Wasser, Kohlendioxyd und bei<br />
Säugetieren Harnstoff sind. Der Metabolismus als<br />
Ganzes kann daher unterteilt werden in<br />
1. Anabolismus , d.h. alle Reaktionen, die zu<br />
Synthesen führen, z.B. Körperprotein aus<br />
Aminosäuren, und<br />
2. Katabolismus, also Abbaureaktionen wie z.B.<br />
Zucker in CO2 und Wasser.<br />
Abbildung 109: Pepsin (Schwein),<br />
Proteinkette<br />
Es ist zwar leicht, Zucker oder Butter zu Kohlendioxid<br />
und Wasser abzubauen, indem man sie einfach ins Feuer wirft. Aber bei dieser<br />
Methode wird viel Energie verschwendet, da die freigesetzte Energie bei dieser Form<br />
der Verbrennung nur ein wenig zu der Hitze beiträgt, die das Feuer selbst entwickelt.<br />
Auf jeden Fall geht das Meiste in den Schornstein. Beim lebenden Organismus liegen<br />
die Dinge ganz anders. Der Organismus lebt von Energie, die er aus dem Katabolismus<br />
der Nahrungsmittel gewinnt, und die, und die katabolen Prozesse, durch die er Energie<br />
gewinnt, sind umwegreiche Schritt-für-Schritt-Operationen, ganz unähnlich denen, die<br />
im Feuer passieren. Bei jeder einzelnen Zwischenstation wird ein Enzym,<br />
gegebenenfalls auch ein Coenzym, gebraucht. Keiner dieser Vorgänge ist völlig<br />
selbstständig, sondern alle sind mit anderen Zweigen des Stoffwechsels gekoppelt, so<br />
dass im Endergebnis der ganze Stoffwechsel des Organismus eine sehr komplexe<br />
Angelegenheit voller Querverbindungen darstellt. Dieses Netz so vollständig wie<br />
möglich zu entwirren und zu verstehen, ist das Hauptziel der <strong>Biochemie</strong>.<br />
Ohne Enzyme würde unsere zelluläre <strong>Biochemie</strong> nicht ablaufen, d.h. Leben gäbe es<br />
nicht! Fehlen Enzyme, so kann das krankhafte Folgen haben. Die häufigste<br />
enzymatisch bedingte Erbkrankheit der Welt ist Favismus (ca. 400 Millionen Kranke),<br />
ein Fehlen der Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase (G6PD); Folge: Anämien.<br />
Eiweissverdauung<br />
Die Eiweissverdauung ist eine grosse Meisterleistung, weil die Enzyme selbst Eiweisse,<br />
Proteine, sind, und auch die Zellwände des Verdauungssystems viele Proteine<br />
enthalten.<br />
Die wesentlichen an der Verdauung beteiligten Sekrete sind der Speichel aus den<br />
Speicheldrüsen; Der Magensaft, der von Zellen abgesondert wird, die den Magen<br />
auskleiden, und der eine ganze Menge freier Salzsäure enthält; der Pankreassaft und<br />
der Gallensaft aus dem Pankreas bzw. der Leber und der Darmsaft aus der<br />
Schleimhaut, die den Dünndarm auskleidet.<br />
Die erste Hydrolase, die das mit der Nahrung aufgenommene Eiweiss angreift, ist das<br />
Pepsin, ein proteolytisches Enzym im Magensaft. Sein ungewöhnlich saures pH-<br />
Chemie, 6sm<br />
104
Optimum liegt bei 1.54 und wird durch die Salzsäure im Magensaft erzielt. Pepsin ist<br />
ein gutes Beispiel für ein Phänomen, das wir bisher noch nicht erwähnt haben. So wie<br />
es sezerniert wird, greift es Eiweiss nicht an, weil der aktiv Teil des Enzyms durch eine<br />
andere Substanz sozusagen maskiert ist. Diese „Maske“ wird durch die freie Salzsäure<br />
des Magensaftes entfernt und damit das Enzym aktiviert. Wenn erst etwas freies<br />
Pepsin da ist, demaskiert und aktiviert es selbst seine Vorstufe (Pepsinogen), so dass<br />
die Aktivierung, wenn sie erst einmal angelaufen ist, zum autokatalytischen Prozess<br />
wird.<br />
Amino-Terminus<br />
R 1 O R 2 O R 3 O<br />
H2N CH C NH CH C NH CH C<br />
Carboxy-Terminus<br />
R<br />
n<br />
O<br />
NH CH C OH<br />
AS-Rest 1 AS-Rest 2 AS-Rest 3 AS-Rest n<br />
Abbildung 110: Peptidkette mit Amino-Ende, Peptidbindungen und Carboxyl-Ende<br />
Pepsin gehört zu den Endopepitdasen, d.h. es greift die Proteinkette an bestimmten<br />
Punkten an, die nicht an den Enden der Peptidkette liegen. Bezüglich der Aminosäure-<br />
Reste besteht bei Pepsin A keine ausgeprägte Spezifität; jedoch werden die Bindungen<br />
Phe-Phe, Phe-Tyr, Phe-Leu, Tyr-Leu und Leu-Val bevorzugt gespalten. Anschaulich<br />
dargestellt können 500 g Pepsin in wenigen Minuten etwa 20 t Fleisch verdauen oder<br />
rund 4 Mio. Liter Milch zum Gerinnen bringen 74 .<br />
Wenn der teilweise angedeutete Speisebrei in den Zwölffingerdarm fortbewegt wird,<br />
kommt er mit Pankreassaft und Galle in Berührung, die genug freies Alkali enthalten,<br />
um die Säure aus dem Magen zu neutralisieren.<br />
Der Pankreassaft enthält eine weitere<br />
Enzymvorstufe, das Trypsinogen, das durch eine<br />
weitere Form der „Demaskierung“, abspalten<br />
eines Hexapeptids, zum freien Trypsin 75 , einer<br />
anderen Endopeptidase, aktiviert wird 76 . Dieses<br />
Enzym setzt die vom Pepsin begonnene Arbeit<br />
fort, es unterscheidet sich aber vom Pepsin<br />
durch seine Spezialität und spaltet Peptid-Ketten<br />
spezifisch Carboxy-seitig der basischen<br />
Aminosäure-Reste L-Lysin und L-Arginin, wobei<br />
noch kürzere Fragmente der Aminosäurekette<br />
entstehen.<br />
Chymotrypsin<br />
Phe<br />
Lys<br />
105<br />
Trypsin<br />
Abbildung 111: Spezifische Spaltung von<br />
Trypsin und Chymotrypsin<br />
Die abbauende Wirkung von Enzymen wird heute grosstechnisch bei Waschmitteln<br />
eingesetzt.<br />
74 Pepsin: Römpp Lexikon Chemie – Version 2.0, Stuttgart/New York: Georg Thieme Verlag 1999<br />
75 Klassierung: EC 3.4.21.4, Trypsin (MR ca. 23 300, 223 Aminosäure-Reste) ist in Wasser, nicht aber in<br />
Alkohol löslich, besitzt ein Wirkungsoptimum bei pH 7–9<br />
76 Die im Pankreas produzierte Vorstufe Trypsinogen wird durch Aktivierung mittels Calcium-Ionen und<br />
der Enteropeptidase (Enterokinase) gebildet oder entsteht durch autokatalytische Wirkung des<br />
Trypsins selbst.<br />
Chemie, 6sm
Tabelle 11: Enzyme in Waschmitteln 77<br />
Enzymklasse Abbau von Beisiele für Anwendungen<br />
Proteasen Eiweiss Entfernen in Waschmitteln Eiweiss-Flecken (z.B. Gras, Ei,<br />
Blut..)<br />
Lipasen Fett Entfernen in Waschmitteln Fettflecken<br />
Cellulasen Cellulose Verhindern in Waschmitteln die Bildung kleiner Fusseln auf<br />
der Kleidung (Bio-Polishing).<br />
Ersetzen bei der Jeans-Produktion das Stone-Washing mit<br />
Bimssteinen.<br />
Amylasen Stärke Entfernen in Waschmitteln Spaghetti-, Sossen- und<br />
Breiflecken.<br />
Ersetzen Enzyme aus Malz bei der Herstellung von<br />
Spirituosen.<br />
Ergänzen im Mehl beim Brotbacken -Amylasen für die<br />
Gärung.<br />
Entfernen Schutzschicht beim Verarbeiten von Baumwolle<br />
(Entschlichten),<br />
Pektinasen Pektin Steigern bei der Saft- und Weinproduktion den Ertrag.<br />
Catalasen Wasserstoffperoxid<br />
2.3.7 Ein Modell der Enzymwirkung<br />
Ersetzen das Abkochen von Rohbaumwolle.<br />
Enzym + Substrat -k1 k2-<br />
Gleichgewicht<br />
Enzym-<br />
Substrat<br />
Komplex<br />
Zerstören überschüssiges Wasserstoffperoxid nach der<br />
Bleiche von Textilien oder der Entkeimung von<br />
Kontaktlinsen oder Milch.<br />
k3 Geschwindigkeit<br />
v<br />
Kopplung<br />
[E] [S] [ES] v<br />
Konzentration<br />
des Enzyms<br />
mol/l<br />
Konzentration<br />
des Substrates<br />
mol/l<br />
Konzentration<br />
Enzym-<br />
Substrat-<br />
Komplex<br />
Proportionalitäts- <br />
Konstante<br />
Messbare<br />
Reaktionsgeschwindigkeit<br />
77 Riisgaard S., Wenn es der Wäsche zu bunt wird, Research, Das Bayer-Forschungsmagazin, Ausgabe<br />
Chemie, 6sm<br />
12, 2000, 99<br />
106
107<br />
Annahmen für das Modell:<br />
k2<br />
E S 1<br />
Dissoziationskonstante: K M ; Reziprokwert der chemischen<br />
k1<br />
ES K<br />
Gleichgewichtskonstanten;<br />
E S<br />
1. Gleichgewicht : K M ;<br />
ES 2. Geschwindigkeit : v = [ES] k3 ; Geschwindigkeit v proportional der mit<br />
Substraten belegten Enzymen.<br />
3. Maximale Geschwindigkeit : vmax = [Et] k3 ; alle Enzyme belegt, d.h. vmax<br />
maximale Geschwindigkeit.<br />
4. Massenbilanz : [Et] = [ES] + [E]; [Et] Konzentration aller Enzyme in der Lösung.<br />
Gesucht ein Modell, welches nur die messbaren Grössen [S], KM, v und vmax enthält.<br />
vmax ist dabei die maximale Geschwindigkeit, die vom Enzym als Umsatz erreicht<br />
werden kann.<br />
Mathematische Herleitung:<br />
[E]= [Et] - [ES] ; aus 4)<br />
E<br />
vmax<br />
v<br />
; 2) und 3) eingesetzt<br />
k3<br />
k3<br />
vmax<br />
v <br />
S k3<br />
k3<br />
K<br />
<br />
M <br />
<br />
; aus 1)<br />
v<br />
k3<br />
vmax<br />
SvS vmax<br />
v<br />
K M <br />
S v<br />
v<br />
v K v S v S<br />
<br />
v <br />
M max <br />
KSvS M<br />
max<br />
[ S]<br />
v vmax<br />
[ S]<br />
K M<br />
Man beachte, dass KM einen Quotienten von Geschwindigkeiten enthält. KM=0.001<br />
kann also zustande kommen als KM=1/1000 oder KM= 0.001/0.000001. Das sind völlig<br />
andere Geschwindigkeiten der Gleichgewichtseinstellung.<br />
Mathematische Formulierung der Michaelis-Menten Gleichung:<br />
Geschwindigkeit v [moll -1 s -1 ]:<br />
[ S]<br />
v vmax<br />
;<br />
[ S]<br />
K<br />
[S]: Substratkonzentration [mol/l]<br />
KM : Dissoziationskonstante (mg/kg) entspricht der Konzentration [S] für die<br />
halbmaximale Geschwindigkeit (Michaelis-Menten-Konstante).<br />
KM, die Michaelis-Konstante, setzt sich aus mehreren Geschwindigkeitskonstanten<br />
zusammen und stellt anschaulich diejenige Substrat-Konzentration dar, bei der die<br />
Hälfte der maximalen Reaktionsgeschwindigkeit (vmax/2)erreicht wird. Michaelis-<br />
Konstanten KM haben Grössenordnungen von 10 –2 –10 –5 Mol pro Liter, wobei ein<br />
kleiner Wert eine grosse Affinität zwischen Enzym und Substrat bedeutet<br />
Chemie, 6sm<br />
M
108<br />
(Dissoziationskonstante). Die Michaelis-Menten-Gleichung als Beziehung zwischen<br />
Reaktionsgeschwindigkeit und Substrat-Konzentration stellt grafisch eine Hyperbel dar,<br />
die für grosse [S] asymptotisch dem Grenzwert vmax zustrebt, und ist der mathematische<br />
Ausdruck einer Sättigungskinetik, da Vmax genau dann erreicht wird, wenn das Enzym<br />
mit Substrat gesättigt ist, d. h. alles Enzym als Enzym-Substrat-Komplex vorliegt. Im<br />
Bereich der Sättigung ist die Menge der von einem Enzym umgesetzten Stoffe<br />
proportional der Enzym-Menge und der Wirkungsdauer. Die Michaelis-Menten-<br />
Beziehung gilt nur für einfache Systeme; bei Vorliegen von allosterischer Regulation,<br />
gegenseitiger Beeinflussung von Enzym-Untereinheiten (Kooperativität) sowie bei<br />
vielen Mehrsubstrat-Reaktionen sind kompliziertere Modelle zu verwenden.<br />
Wird die Michaelis-Menten-Gleichung so umgeformt, dass ein linearer Graph erhalten<br />
wird, so spricht man vom Lineweaver-Burk-Plot 78 :<br />
1 1 KM<br />
1<br />
;<br />
v vmax<br />
vmax<br />
[ S]<br />
1/v: Abszisse<br />
1/[S]: Ordinate<br />
Für 1/[S] = 0, d.h. x = 0 ist 1/v = 1/vmax Bestimmung der<br />
Maximalgeschwindigkeit.<br />
Für 1/v = 0, d.h. y = 0 ist x = -1/KM Bestimmung von KM<br />
2.3.8 Hemmung von Enzymen<br />
Man versteht darunter jede Stoffwechselstörung, die durch den direkten Eingriff einer<br />
Substanz in metabolische Prozesse ausgelöst wird. Ein typisches Beispiel ist die<br />
Hemmung der Cytochromoxidase durch Cyanidionen.<br />
Ein Hemmstoff kann auf unterschiedliche Weise wirken 79 :<br />
1. Er verhindert die Substrataufnahme in die Zelle durch Änderung der<br />
Membranpermeabilität oder Hemmung von Transportprozessen.<br />
2. Er greift in den oxidativen Substrat-Stoffwechsel ein.<br />
3. Er unterdrückt die Bildung energiereicher Phosphate.<br />
4. Er hemmt die Biosynthese essenzieller Protoplasma-Bestandteile.<br />
5. Er unterbindet den notwendigen Umsatz an energiereichen Substanzen.<br />
6. Er greift in Energie verbrauchende Reaktionen ein.<br />
7. Er hemmt direkt funktionelle Zellsysteme.<br />
Eine durch einen Wirkstoff hervorgerufene Hemmung kann reversibel oder irreversibel<br />
sein. Grundsätzlich unterscheidet man:<br />
1. Kompetitive (konkurrierende) Hemmung und<br />
2. Nichtkompetitive Hemmung.<br />
78<br />
Christensen H.N., Palmer G.A., Lehrprogramm Enzymkinetik, Verlag Chemie, Weinheim, 1974, 41<br />
79<br />
Korolkovas A., Grundlagen der molekularen Pharmakologie, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, Frankfurt<br />
am Main, 1974, 307<br />
Chemie, 6sm
Bei der kompetitiven Hemmung konkurrenzieren sich Wirkstoff und Substrat um<br />
dieselbe Bindungsstelle am Enzym. Beide werden als Gleichgewichtsreaktion reversibel<br />
angelagert. Dabei sind die relativen Substrat- und Wirkstoffkonzentrationen von<br />
grundlegender Bedeutung, da sie das Ausmass der Hemmung bestimmen. Liegt das<br />
Substrat im Überschuss vor, so wird es den Wirkstoff vom Rezeptor verdrängen und die<br />
Bindungsstelle selbst besetzen. Diese Reaktion verändert das Bindungsgleichgewicht,<br />
nicht aber das vm.<br />
Bei der nichtkompetitiven Hemmung binden sich Substrat und Wirkstoff an<br />
verschiedenen Bindungsstellen. Der Wirkstoff geht also nicht an das aktive Zentrum<br />
sondern z.B. an eine allosterische 80 Bindungsstelle (eine Bindungsstelle an einem<br />
anderen Ort als dem aktiven Zentrum). Eine solche Hemmung ist normalerweise<br />
reversibel. Sie ist durch die Substratkonzentration normalerweise nicht beeinflusst, da<br />
das Substrat an der allosterischen Bindungsstelle nicht bindet. Die allosterische<br />
Bindung verändert das vm der Reaktion.<br />
Beispiel:<br />
v<br />
2<br />
1,8<br />
1,6<br />
1,4<br />
1,2<br />
1<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,2<br />
0<br />
0 10 20 30<br />
[S]<br />
Abbildung 112: Enzymwirkung mit Hemmung<br />
1/v<br />
2,5<br />
2<br />
1,5<br />
1<br />
0,5<br />
0<br />
-0,5 0 0,5 1<br />
-0,5<br />
1/[S]<br />
v kompetitiv<br />
v ohne Hemmung<br />
v nicht kompetitiv<br />
kompetitiv<br />
Ohne Hemmung<br />
nicht kompetitiv<br />
80 Allosterie: Dadurch, dass ein Enzym-Molekül an einer von der Bindungsstelle des Substrats räumlich<br />
entfernten Stelle eine Kopplung mit einem Effektor eingeht, wird über Bewegungen des Enzyms<br />
die räumliche Anordnung (Konformation) im aktiven Zentrum reversibel so abgewandelt, dass<br />
sich die Substrat-Bindung oder -Umsatzgeschwindigkeit ändert.<br />
Chemie, 6sm<br />
109
Abbildung 113: Lineweaver-Burk-Plot von einem Enzym mit kompetitiver und nichtkompetitiver<br />
Hemmung<br />
Kompetitive Hemmung durch das Produkt selbst, das Produkt ist Inhibitor<br />
(Bsp. Hefe wird durch ihr Produkt Ethanol gehemmt)<br />
kb<br />
Bildung<br />
kg<br />
Wirksame<br />
Enzymmenge<br />
Gärung<br />
ki<br />
Ethanol<br />
Inhibition<br />
Abbildung 114: Flussdiagramm der Inhibition durch das Produkt<br />
Gleichungen:<br />
(01) Bildung= kb*Wirksame Enzymmenge<br />
Units: mmol/Minute<br />
(02) Ethanol= INTEG (Gärung, 0)<br />
Units: mmol [0,?]<br />
(03) FINAL TIME = 120<br />
Units: Minute<br />
The final time for the simulation.<br />
(04) Gärung= kg*Wirksame Enzymmenge<br />
Units: mmol/Minute<br />
(05) Inhibition= ki*Wirksame Enzymmenge*Ethanol<br />
Units: mmol/Minute [0,?]<br />
(06) INITIAL TIME = 0<br />
Units: Minute<br />
The initial time for the simulation.<br />
(07) kb= 0.1<br />
Units: 1/Minute [0,1]<br />
(08) kg= 0.005<br />
Units: 1/Minute [0,0.01]<br />
(09) ki= 0.06<br />
Units: 1/Minute/mmol [0,?]<br />
(10) SAVEPER = TIME STEP<br />
Units: Minute [0,?]<br />
The frequency with which output is stored.<br />
(11) TIME STEP = 1<br />
Units: Minute [0,?]<br />
The time step for the simulation.<br />
(12) Wirksame Enzymmenge= INTEG (+Bildung-Inhibition, 10)<br />
Units: mmol [0,?]<br />
Abbildung 115: Gleichungen der Inhibition durch das Produkt<br />
Chemie, 6sm<br />
110
Chemie, 6sm<br />
40 mmol<br />
4 mmol<br />
20 mmol<br />
2 mmol<br />
0 mmol<br />
0 mmol<br />
0 12 24 36 48 60 72 84 96 108 120<br />
Time (Minute)<br />
Wirksame Enzymmenge : Current mmol<br />
Ethanol : Current mmol<br />
Abbildung 116: Untere Kurve (rot): Wirksame Enzymkonzentration, Obere Kurve (blau):<br />
Substratkonzentration=Inhibitorkonzentration.<br />
Die „Selbstvergiftung“ führt zu einer stabilen End-Konzentrationen, wie sie z.B. bei der<br />
Vergärung von Traubenmost zu Wein gefunden wird.<br />
Ein Enzym stellt sich vor<br />
mit einer Alpha-Helix hin,<br />
Von J.C. Meyer- Bertenrath<br />
die sich im Raum noch mehrmals<br />
knickte<br />
Enzym zu sein ist heut’ modern,<br />
so dass ich selbstverständlich gern<br />
bis ich das Licht der Welt erblickte.<br />
erlaube Ihnen hier zu lesen,<br />
Hier muss ich nun zur Klärung sagen,<br />
was wichtig scheint an meinem Wesen. dass es kein Protein kann wagen,<br />
Um die Strukturen darzulegen,<br />
sich arrogant Enzym zu nennen<br />
bin ich am Anfang so verwegen<br />
wenn nicht Substrate landen können.<br />
das Rad der Zeit zurückzudrehen<br />
Als Teil der Tertiärstruktur<br />
und mich als Urahn zu verstehen wird zum aktiven Zentrum nur<br />
die schmale, engbegrenzte Bucht,<br />
Als einst zu Lande und im Meer<br />
die Welt war noch von Leben leer,<br />
die das Spezialsubstrat sich sucht.<br />
entstand in Wolken voller Blitze Dadurch vermag ich ohne Müh’<br />
also aus feuchter Luft und Hitze- die Aktivierungsenergie<br />
die erste Säurekollektion vom hohen Ross herabzuheben -<br />
mit einer NH2 - Funktion: den Reaktionsstart freizugeben:<br />
Es hatte jedes Molekül<br />
Nur im Enzym-Substrat-Komplex<br />
Aminorest und Carboxyl.<br />
die Reaktion läuft wie verhext!<br />
Was sonst in Wochen nicht will gehen<br />
Dies traf sich deshalb so vorzüglich,<br />
weil beide Gruppen höchstvergnüglich<br />
ist jetzt sekundenschnell geschehen.<br />
begannen bald das Reagieren<br />
Hierüber sagt die Wechselzahl,<br />
um zum Peptid zu kondensieren.<br />
wieviel Substrat von Fall zu Fall<br />
Die Kette wuchs zum Protein<br />
pro Molekül, Enzym und Zeit<br />
111
vom Umsatzschicksal wird ereilt.<br />
Danach wird das Produkt sofort<br />
entfernt von seinem Bildungsort.<br />
Es tritt mit allergrösster Schnelle<br />
ein frisches Teil an seine Stelle.<br />
So wird in jeweils zarter Bindung<br />
-dies ist ein Kernpunkt der Erfindung-<br />
sehr viel Substrat rasch umgesetzt<br />
und keinesfalls Enzym versetzt,<br />
von dem deshalb schon Mini-Mengen<br />
die Reaktion zum Ablauf drängen.<br />
Die Wirkung also, das ist typisch,<br />
vollzieht sich einfach katalytisch!<br />
In diesem Umstand liegt begründet,<br />
Chemie, 6sm<br />
weshalb man mich so einfach findet.<br />
Hat man erst einmal hergestellt,<br />
was mir besonders gut gefällt<br />
-zum Beispiel Wärme und pH -<br />
und ist Substrat genügend da,<br />
entfalte ich Aktivität,<br />
die man zu messen gut versteht<br />
112<br />
Natürlich war es nicht ganz leicht<br />
(und manchem Forscher hat’s gereicht<br />
zu Doktorgrad und and’ren Ehren)<br />
das Wissen ständig zu vermehren.<br />
Heut ist die Enzymologie<br />
heraus aus grauer Theorie,<br />
verehrt doch jede Diagnose<br />
der Forschung eine rote Rose!
Tabelle 12: Einige wichtige Aminocarbonsäuren (AMCS)<br />
Name<br />
Alanin Ala<br />
Arginin Arg<br />
Asparagin Asn<br />
Cystein Cys<br />
Cystin Cy-S-S-Cy<br />
Glutamin Gln<br />
Abkürzung Formel Maximal-Gehalt in %<br />
H 2N<br />
HOOC<br />
NH<br />
H 2N COOH<br />
H 2N<br />
N<br />
H<br />
CH 2<br />
H 2N CH C<br />
O<br />
O<br />
H2N COOH<br />
HS<br />
H 2N COOH<br />
S<br />
NH 2<br />
H 2N CH C<br />
Glycin Gly H 2N COOH<br />
Histidin His<br />
Hydroxyprolin<br />
Hypro<br />
Leucin Leu<br />
Lysin Lys<br />
Methionin Met<br />
Phenylalanin<br />
Chemie, 6sm<br />
Phe<br />
NH 2<br />
C<br />
CH 2<br />
CH 2<br />
S<br />
OH<br />
H 2N COOH<br />
O<br />
O<br />
H 2N CH C<br />
H 2N<br />
HS<br />
N<br />
HO<br />
N<br />
H<br />
CH 2<br />
NH<br />
O<br />
OH<br />
OH<br />
COOH<br />
H 2N COOH<br />
H 2N COOH<br />
H 2N COOH<br />
H 2N COOH<br />
Seidenfibroin 29.7<br />
Spargel 20.0<br />
Keratin,<br />
Haare, Wolle<br />
Federn<br />
Keratin<br />
(Menschenhaar)<br />
Speichersubstanz<br />
Haare, Wolle<br />
Seidenfibroin<br />
Gelatine<br />
Hämoglobin<br />
Gelatine<br />
Collagen<br />
Serumalbumin (Rind)<br />
Mais<br />
Pepsinogen<br />
Getreide<br />
Casein<br />
Ovalbumin<br />
Lactoglobulin<br />
Serumalbumin<br />
Globulin<br />
Ovalbumin<br />
113<br />
14.4<br />
11.9<br />
8.2<br />
18.0<br />
43.6<br />
25.7<br />
13.6<br />
12.8<br />
12.8<br />
19<br />
20.0<br />
4.1<br />
5.2<br />
3.2<br />
7.8<br />
4.6<br />
7.7
Prolin Pro<br />
Serin Ser<br />
Threonin Thr<br />
Tryptophan<br />
Tyrosin Tyr<br />
Valin Val<br />
Chemie, 6sm<br />
N<br />
H<br />
HO<br />
COOH<br />
H 2N COOH<br />
H 2N CH C<br />
HO<br />
CH<br />
CH 3<br />
N<br />
O<br />
OH<br />
OH<br />
H 2N COOH<br />
H 2N COOH<br />
H 2N COOH<br />
Casein<br />
Gelatine<br />
Salmin<br />
Seidenfibroin<br />
Trypsinogen<br />
Pepsin<br />
Glycoproteine<br />
Lysozym<br />
Lactalbumin<br />
Seidenfibroin<br />
Papain<br />
Elastin<br />
Rindersehne<br />
Rinderaorta<br />
114<br />
10.6<br />
16.3<br />
6.9<br />
16.2<br />
16.7<br />
12.2<br />
10.6<br />
7.0<br />
12.0<br />
14.7<br />
17.4<br />
17.6
3 Glossar: <strong>Biochemie</strong><br />
abiotische Faktoren<br />
Faktoren der unbelebten Umwelt, die auf Organismen einwirken wie Licht<br />
Wasser, Temperatur, Klima, CO2-Gehalt, pH, UV-Licht usw.<br />
Acetylcholinesterase<br />
Enzym an den Synapsen der Neuronen, was die Acetylcholin (Transmitter) -<br />
wirkung beendet<br />
Die physische oder psychische vorübergehende oder dauernde Anpassung<br />
eines Organismus, Organs, Gewebes oder einer Zelle an veränderte<br />
Bedingungen. Bsp.: a) Abnahme der Empfindungsintensität bei fortdauernder<br />
Adaptation<br />
Reizeinwirkung von gleichbleibender Stärke. Anzutreffen auf der Ebene der<br />
Sinnesrezeptoren (periphere Adaptation) oder auf nachgeschalteten Ebenen<br />
des Sinneskanals (zentrale Adaptation, auch Habituation). b) Anpassung der<br />
Sauerstofftransportkapazität des Blutes an den Aufenthalt in grossen Höhen<br />
durch Vermehrung der Erythrozyten.<br />
Reaktion unter Beteiligung von Sauerstoff;<br />
aerob<br />
Lebensweise eines Organismus, der auf Sauerstoff angewiesen ist wie Tiere,<br />
Pflanzen, Pilze<br />
Aerosol Luft mit Schwebeteilchen aus feinverteilten Flüssigkeiten<br />
Zustandsform; der feste, flüssige oder gasförmige Zustand, den ein Stoff bei<br />
Aggregatzustand<br />
unterschiedlichem Druck und unterschiedlicher Temperatur annimmt, z.B. Eis,<br />
Wasser, Dampf. Ein vierter Aggregatzustand ist das Plasma<br />
Aktivator Effektor, welcher das Enzym in der aktiven Konformation fixiert.<br />
aktive Stelle<br />
Ort im Enzym, in einer Vertiefung der Globulärstruktur liegend, an der der<br />
katalytische Vorgang geschieht<br />
aktiver Transport Transport von Teilchen unter Energieaufwand der Zelle<br />
Aktivierungsenergie Die Energie, die zur Reaktion eines Stoffes notwendig ist<br />
basische, stickstoffhaltige organische Verbindungen, die in Pflanzen<br />
vorkommen und auf Menschen oder Tiere eine ausgeprägte Wirkung ausüben.<br />
Die Alkaloide sind eine breite Stoffklasse. Gemeinsam ist jedoch allen, dass<br />
sie heterozyklische Kohlenstoffringe als Grundbausteine enthalten. Bekannte<br />
Alkaloide-Klassen sind folgende:<br />
Pyridin-Alkaloide, z.B. Nikotin, Piperin (Schwarzer Pfeffer)<br />
Alkaloide<br />
Tropan-Alkaloide, z.B Scopolamin und Atropin<br />
(Nachtschattengewächse), Kokain<br />
Phenatren-Alkaloide, z.B. Morphin, Codein, Heroin<br />
Mutterkorn-Alkaloide, substituierte Amide der Lysergsäure, z.B. LSD<br />
und LSA<br />
allosterisch<br />
Weitere bekannte Alkaloide sind das Coffein, Chinin (wird zur Malaria-<br />
Bekämpfung eingesetzt) und Strychnin<br />
an einem anderen Ort; Hemmung eines Enzyms an einer anderen Stelle als<br />
der aktiven<br />
Ein substratähnlicher Stoff setzt sich in das allosterische Zentrum des Enzyms<br />
Allosterische Hemmung<br />
und verhindert damit, dass das aktive Zentrum „arbeiten“ kann. Nach kurzer<br />
Zeit ist das Enzym aber wieder frei und kann weiterarbeiten<br />
(Gleichgewichtsreaktion).<br />
Allosterisches Enzym Enzym mit einem aktiven und einem allosterischen Zentrum.<br />
Aminogruppe<br />
-NH2-Gruppe; eine der funktionellen Gruppen einer Aminosäure, mit der die<br />
Peptidbindung gemacht wird; basische Eigenschaft, polar<br />
Aminosäuren<br />
Carbonsäuren mit einer Aminogruppe (>N-, -NH oder –NH2); biologisch wichtig<br />
sind ca. 20 Aminosäuren<br />
Amylase Stärke- spaltendes(/synthetisierendes) Enzym im Speichel, und Dünndarm<br />
anaerob<br />
Reaktion unter Ausschluss von Sauerstoff;<br />
Lebensweise eines Organismus, der nicht auf Sauerstoff angewiesen ist<br />
Antiport<br />
Transportprotein, das 2 Teilchen in verschiedene Richtungen durch die<br />
Membran transportiert<br />
Arginase Enzym der Leber, das im Harnstoffzyklus aus Arginin Harnstoff abspaltet<br />
aromatisch organischer Stoff, z.B. wenn er einen Phenylring (-Benzolring) besitzt.<br />
ATP Adenosintriphosphat, Energiespeicherstoff aller Zellen<br />
Chemie, 6sm<br />
115
Auflösungsvermögen<br />
Das Auflösungsvermögen misst die minimale Trennung zweier Objekte, die<br />
man gerade noch getrennt erkennen kann; beim Auge 0,2 mm<br />
Lebensweise von Pflanzen und einigen Bakterien, die mit Hilfe einer<br />
autotroph<br />
Energiequelle anorganische Stoffe in organische Stoffe umwandeln und davon<br />
leben<br />
Bergmannsche Regel<br />
Gleichwarme Tiere haben in kälteren Gebieten eine grössere<br />
Durchschnittsgrösse<br />
Biokatalysatoren Enzyme; katalysieren in biologischer Umgebung Reaktionen<br />
biologische Stufe<br />
Mittlere Stufe einer Kläranlage, die mit Hilfe von Bakterien und O2 organische<br />
Stoffe abbaut<br />
biologisches Gleichgewicht<br />
natürlicher Zustand eines Ökosystems, hervorgerufen durch die gegenseitige<br />
Abhängigkeit der darin lebenden Organismen<br />
Biome Klima/Vegetationszonen der Erde<br />
Biosphäre der Bereich der Erdkruste, in dem es Organismen gibt (+- 8 km)<br />
biotische Faktoren<br />
Faktoren der belebten Umwelt, die Organismen beeinflussen z. B. Konkurrenz,<br />
Symbiose, Parasitismus, Verbreitung<br />
Bodenozon<br />
das durch Blitze und vor allem Verbrennungsprozesse der menschlichen<br />
Zivilisation im Sommer entstehende Ozon in Bodennähe.<br />
Braunsche Teilchenbewegung Bewegung von Teilchen aufgrund der Umgebungswärme<br />
BSE (=bovine spongiform gehirnzersetzende Krankheit bei Rindern, verursacht durch infektiöse Proteine<br />
encephalopathy)<br />
(= Prionen)<br />
Calcitonin Hormon, das den Ca ++ -Haushalt regelt<br />
Capsid Hülle der Viren, besteht meist aus Protein, kann mehrschichtig sein<br />
Carboanhydrase<br />
Zn 2+ -haltiges Enzym im Blut, das die Spaltung von H2CO3 in CO2 und Wasser<br />
katalysiert<br />
Carbonsäure Säure mit der Gruppe –COOH. Sind meist weing starke Säuren<br />
Carboxylgruppe (- COO) -Gruppe, funktionelle Gruppe der Carbonsäuren<br />
Carboxypeptidase A<br />
Verdauungsenzym im Dünndarm das eine Peptidkette vom Carboxylende her<br />
spaltet.<br />
Carotinoide gelborange Blattfarbstoffe, auch in anderen pflanzlichen Geweben enthalten<br />
Cellulose, Hemicellulosen, Bestandteile von pflanzlichen Zellwänden, Cellulose besteht aus Ketten von<br />
Pektin<br />
Glucose, Hemicellulosen und Pektine haben eine davon modifizierte Struktur.<br />
CFC = Chlorine-Fluorine-Carbons = englische Bezeichnung von FCKW<br />
chemische Stufe letzte Stufe einer Kläranlage zur Beseitigung von anorganischen Salzen<br />
Durch chemische Reize ausgelöste gerichtete Bewegung von Zellen auf die<br />
Chemotaxis<br />
Reizquelle hin oder das Fortbewegen von der Reizquelle weg (positive oder<br />
negative Chemotaxis) Regelung.<br />
Chlorophyll Grüner Blattfarbstoff in den Chloroplasten, wird durch Licht angeregt<br />
Chromatinfäden lange Fäden aus DNA im Zellkern; enthalten die Erbinformation<br />
Chymotrypsin Verdauungsenzym im Dünndarm, spaltet Polypeptidketten<br />
Citratsynthetase Enzym der Zellatmung; stellt Citronensäure her<br />
Citronensäure<br />
H 2C<br />
HO C COOH<br />
Tricarbonsäure:<br />
CKW Chlorierte Kohlenwasserstoffe<br />
spezieller Stoff, der sich um eine Membrangrube anlagert, in der Stoffe<br />
Clathrin<br />
transportiert werden.<br />
Colchizin Gift der Herbstzeitlosen; hemmt Spindelfaserapparat<br />
Nachbildung eines realen Systems mit seinen dynamischen Prozessen in<br />
einem mathematischen Modell mit Hilfe des Computers. Es können dabei<br />
Computersimulation<br />
Erkenntnisse zu den Wirkungsnetzen und dessen Wechselwirkungen im<br />
System gewonnen werden, die mit Experimenten an der Wirklichkeit überprüft<br />
werden müssen (Systemdynamik).<br />
Steroid-Hormone der Nebennieren-Rinde (NNR, lateinisch: cortex glandulae<br />
Corticosteroide<br />
suprarenalis), die dort unter dem Einfluss des Hormons Corticotropin aus dem<br />
(Corticoide)<br />
Hypophysen-Vorderlappen gebildet werden.<br />
Chemie, 6sm<br />
H 2C<br />
COOH<br />
COOH<br />
116
gehirnzersetzende Krankheit beim Menschen, verursacht durch infektiöse<br />
Creutzfeld-Jacob Krankheit<br />
Proteine (= Prionen)<br />
sehr alte, autotrophe aquatische Bakteriengruppe, leben oft in Kolonien;<br />
Cyanobakterien<br />
grösste Bakteriengruppe<br />
Enzym in den Mitochondrien mit der prosthetischen Gruppe Häm, das e<br />
Cytochrom B562<br />
-<br />
überträgt.<br />
Von cyto... u. griech.: chroma = Farbe abgeleitete Bezeichnung für eine<br />
Gruppe von lebenswichtigen und weitverbreiteten Hämproteinen (ähnlich<br />
Cytochrome<br />
Hämoglobin, Myoglobin), die als Redoxkatalysatoren für das Funktionieren der<br />
Atmungskette, der Photosynthese, aber auch für den Stoffwechsel vieler<br />
Bakterien notwendig sind.<br />
Cytoplasma "Suppe" innerhalb der Membran, in dem sich die Organelle befinden.<br />
Denaturierung Zerstörung der räumlichen Struktur der Proteine durch Hitze, Säure und Base<br />
Derivate Abkömmlinge einer bestimmten Verbindung oder einer Stoffgruppe<br />
Alle Organismen ( meist Mikroorganismen), die in einem Biotop oder<br />
Destruenten<br />
Ökosystem organisches Material in anorganisches abbauen, was Nahrung für<br />
die Produzenten bedeutet.<br />
Detergenzien waschaktive Substanzen<br />
entsteht aus Vitamin D3 durch UV in der Haut, Umwandlung in der Leber und<br />
D-Hormon<br />
Niere; steigert die Blut-Ca 2+ -Konzentration<br />
Bewegung von Teilchen entlang eines Konzentrationsgradienten in Medien nur<br />
Diffusion<br />
durch die thermische Bewegung<br />
Diisopropylfluorophosphat<br />
irreversibler Hemmstoff der Acetylcholinesterase<br />
(DFP)<br />
Dipeptid Verbindung aus 2 Aminosäuren über Peptidbindung<br />
Dissimilation Stoffabbau zum Energiegewinn in Zellen<br />
Aufhebung einer Verbindung. a) Reversibler Zerfall einer chemischen<br />
Verbindung in Moleküle, Atome oder Ionen. b) Unterschiedlich stark<br />
ausgeprägte Empfindungsstörung verschiedener Sinnesqualitäten. c)<br />
Dissoziation<br />
Unterschiedlich stark ausgeprägte Normabweichung der Liquorbestandteile bei<br />
krankhaften Veränderungen des ZNS. d) Nicht beidseits koordinierte<br />
Augenabweichung im Sinne einer Bewegungsstörung bei krankhaften<br />
Prozessen des ZNS.<br />
Kovalente Bindung zwischen 2 Cysteinresten in Proteinen. Dabei verbinden<br />
Disulfidbrücke<br />
sich unter H2-Abspaltung die beiden -SH-Gruppen und bilden eine -S-S-<br />
Brücke.<br />
Makromolekül im Zellkern, in den Mitochondrien, Chloroplasten und in<br />
DNA<br />
Bakterienzellen in dem die Erbinformation gespeichert ist.<br />
= DU; Masseinheit für den Ozongehalt der Stratosphäre; entspricht 2.69 x 10<br />
Dobson-Einheit<br />
16<br />
dynamisches Gleichgewicht<br />
Effektor<br />
Efficiency<br />
elektromagnetisches Spektrum<br />
Elementarpartikel<br />
Emulgatoren<br />
Emulsionen<br />
Chemie, 6sm<br />
Ozonmoleküle/cm 2<br />
117<br />
Gleichgewichtssituation bei dem zwei entgegengesetzte Vorgänge permanent<br />
ablaufen und dieselbe Geschwindigkeit zeigen, z. B. Hin-und Rückreaktion<br />
(dchin/dt = dcrück/dt) (engl. steady state)<br />
kleines Molekül, welches sich in das allosterische Zentrum setzen kann.<br />
Wirkungsgrad: Das Verhältnis von Ausgangsleistung zu Eingangsleistung wird<br />
normalerweise bei voller Belastung und nominalen Eingangsbedingungen<br />
gemessen. Bei Mehrfachausgängen kann der Wirkungsgrad von der Aufteilung<br />
der Ausgangsleistung auf die verschiedenen Ausgänge abhängen.<br />
Gesamtheit der elektromagnetischen Wellen: dazu gehören Gamma-<br />
Strahlung, Röntgenstrahlen, UV-Strahlung, Licht, Wärme, Radiowellen, Radar,<br />
Fernsehwellen<br />
ATP-Synthase-haltige Struktur auf den Cristae der inneren<br />
Mitochondrienmembran, dient der ATP-Produktion<br />
Grenzflächenaktive Stoffe, die eine feine Verteilung zweier nicht miteinander<br />
mischbarer Flüssigkeiten stabilisieren<br />
Systeme aus zwei nicht miteinander mischbaren Flüssigkeiten, bei denen die<br />
eine Flüssigkeit in Form kleinster Tröpfchen in der anderen Flüssigkeit verteilt<br />
ist (Beispiel: Öl/Wasser, Milch)
Eigenschaft von Vorgängen und Reaktionen, Energie verbrauchend, läuft nicht<br />
endergonisch<br />
freiwillig ab; G >0<br />
Endoplasmatisches Retikulum Zellorganell, das ein System abgeplatteter Röhren und Säcke bildet; dient als<br />
(ER)<br />
Transportsystem<br />
Endozytose Aufnahme von Partikeln in die Zelle<br />
Form der Inhibition, bei der das Endprodukt einer Synthesekette ein Enzym in<br />
Endprodukthemmung<br />
der Kette hemmt. Im Stoffwechsel gibt es viele solche Enzymketten. Auf diese<br />
Weise regelt sich der Stoffwechsel selbst.<br />
Thermodynamischer Ausdruck als Mass für die Unordnung eines Systems.<br />
Jedem Übergang von einem Anfangs- in einen Folgezustand ist eine<br />
Entropie<br />
bestimmte Entropieänderung zugeordnet. Bsp.: Ist in einem System Wärme<br />
ungleich verteilt, kennzeichnet die Entropie die Tendenz zum<br />
Temperaturausgleich im System.<br />
Enzyme sind funktionelle Proteine, die durch ihre dreidimensionale Struktur<br />
chemische Prozesse katalysieren Biokatalysatoren, und Prozesse steuern. Die<br />
Modellvorstellung ist, dass Enzyme ihre Substrate in eine neue Raumstruktur<br />
zwingen oder Reaktanden so nahe zusammenführen, dass die Reaktion<br />
leichter ablaufen kann. Grundsätzlich ist die Reaktion für Assoziation und<br />
Enzym<br />
Dissoziation gleich beschleunigt. Meist wird jedoch ein Produkt abgezogen, so<br />
dass sich Reaktionsgleichgewichte verschieben (Le Chatelier). Enzyme<br />
bestehen in der Regel aus einem Protein-Anteil und einer weiteren Gruppe<br />
(Ionen, organische Moleküle), dem Coenzym. Es sind Proteine mit<br />
katalytischen Fähigkeiten in Zellen und transzellulärem Raum (Blut,<br />
Verdauungstrakt) oder in der Umwelt<br />
Geschwindigkeit, mit der ein Enzym eine Menge Substrat katalysiert<br />
Enzymaktivität<br />
(Reaktionsgeschwindigkeit bezogen auf die Enzymkonzentration).<br />
Enzym-Substrat-Komplex Kurzzeitiger Komplex von Enzym und Substrat im Moment der Katalyse<br />
Escherichia Coli Darmbakterium der Säugetiere, lebt in Symbiose<br />
Essigsäure CH3-COOH, die Salze heissen Acetate<br />
Zelle der Tiere, Pflanzen und Pilze mit den Zellorganellen Kern, Mitochondrien,<br />
Eukaryontische Zelle<br />
Golgi-Apparat, Chloroplasten, ER, Lysosomen, Ribosomen usw,<br />
Eutrophierung Anreicherung eines Gewässers mit Nährstoffen ( z. B. Phosphat, Nitrat, Sulfat)<br />
Energie freisetzend unter Standardbedingungen, freiwillig ablaufend;<br />
exergonisch<br />
Eigenschaft von Vorgängen und Reaktionen; G = - (negativ)<br />
Exozytose Ausschleusung von Partikeln aus der Zelle<br />
Sekundärstruktur, die dadurch entsteht, dass Primärstrukturen sich parallel<br />
Faltblatt<br />
oder antiparallel aneinander lagern<br />
Ferredoxin Enzym in den Chloroplasten, überträgt e -<br />
Fischtoxizität Giftiger Effekt auf Fische<br />
Kriterium für die Entflammbarkeit brennbarer Flüssigkeiten. Der Flammpunkt<br />
ist die niedrigste Temperatur, bei der sich in einer Prüfapparatur unter<br />
Flammpunkt<br />
normierten Bedingungen über dem Flüssigkeitsspiegel ein entzündbares<br />
Dampf-/Luft-Gemisch bildet, das durch Fremdzündung entflammbar ist.<br />
freie Enthalpie Die Energie einer freiwillig ablaufenden Reaktion, die frei werden kann; (G)<br />
Der Fühler oder Sensor, in biologischen Systemen oft auch Rezeptor genannt,<br />
ist eine Mess- bzw. Registriervorrichtung, die den augenblicklichen Wert<br />
Fühler<br />
(Istwert) der zu regelnden Grösse misst. Der Fühler meldet das, was er fühlen<br />
kann, nicht das, was er im Sinne des Regelsystems fühlen soll.<br />
Glycerinaldehydphosphatdehydrogenase, Enzym der Glycolyse (Energie<br />
GAPD<br />
gewinnender Stoffwechsel), Quartärstruktur, 4 Untereinheiten, Oxidoreduktase;<br />
Kofaktor NAD<br />
gekoppelter Transport Transport von 2 verschiedenen Teilchen gemeinsam durch die Membran<br />
glattes ER Endoplasmatisches Retikulum ohne Ribosomen<br />
K= Γ[Produkte]/ Γ [Edukte]; errechnet sich aus dem Massenwirkungsgesetz,<br />
Gleichgewichtskonstante Die Grösse von K macht eine Aussage über die Gleichgewichtslage und damit<br />
auch über die Konzentrationen<br />
Chemie, 6sm<br />
118
Chemische Reaktion bestehend aus Hin- und Rückreaktion; beide laufen<br />
gleichzeitig ab. Beim Erreichen der Gleichgewichtskonzentration sind beide<br />
Gleichgewichtsreaktionen<br />
Geschwindigkeiten gleich gross – aber beide Reaktionen sind permanent am<br />
Laufen dynamisch.<br />
Globulärstruktur Wollknäuelstruktur = Tertiärstruktur; räumliche Faltung der Polypeptidkette<br />
Glucose<br />
Einfachzucker:<br />
OH<br />
OH<br />
OH<br />
O<br />
OH<br />
Glutamat<br />
Na<br />
Hier das Natriumsalz der Glutaminsäure:<br />
O<br />
H OH<br />
Glykogen<br />
Formel: (C6H10O5)n, Molmasse bis 16 Millionen g/mol. Glykogen ist ein α -D-<br />
1,4-Glucan mit Verzweigungen über α-1,6-Bindungen, also ein Polysaccharid,<br />
das nur aus D-Glucose-Einheiten aufgebaut ist, die aber (im Gegensatz etwa<br />
zu Cellulose) α -glykosidisch miteinander verbunden sind.<br />
Halbwertszeit<br />
Zeit, in der die Hälfte der anfänglich vorhandenen Teilchen umgesetzt worden<br />
sind. Für Exponentialfunktionen gilt: HWZ = ln(2)/k<br />
Halogenalkane<br />
Verbindungen von Alkanen wie Methan oder Ethan mit Halogenen wie Fluor,<br />
Chlor und Brom; CCl4 = Tetrachlormethan<br />
Halone Halogenalkane, die Brom enthalten (zB. CCl3Br in Feuerlöschern)<br />
Häm<br />
Roter Farbstoff, Bestandteil vieler Proteine wie Hämoglobin oder Cytochrome;<br />
enthält Fe oder Cu.<br />
Hämoglobin<br />
O2/CO2-transportierendes globuläres Protein in den roten Blutkörperchen; roter<br />
Blutfarbstoff<br />
Harnsäure<br />
O<br />
1<br />
HN<br />
O<br />
6<br />
2 N<br />
H<br />
H<br />
7 N<br />
8<br />
4<br />
N 9<br />
H<br />
OH<br />
O<br />
-O<br />
O<br />
N<br />
O -<br />
N<br />
H<br />
N<br />
N<br />
H<br />
NH 2 O<br />
O<br />
2 H + +<br />
H-Brücken<br />
Nebenvalenzbindungen zwischen polaren Gruppen über ein H-Atom; z.B. über<br />
2 -OH- Gruppen (Wasserstoffbrücken)<br />
Helix Sekundärstruktur, die Primärstruktur schraubt sich auf<br />
= teilparasitisch lebender Organismus, z. B. Mistel bezieht organische und<br />
Hemiparasit<br />
anorganische Nahrung von der Wirtspflanze, kann aber auch Photosynthese<br />
machen<br />
Lebensweise von Tieren und Pilzen und vielen Bakterien, nehmen organische<br />
heterotroph<br />
Nahrung auf, die von anderen Organismen produziert worden sind und leben<br />
davon<br />
Körperfunktionen werden durch Regulation innerhalb sehr enger Grenzen<br />
Homöostase<br />
konstant gehalten und etwaige Veränderungen sofort wieder ausgeglichen.<br />
Bsp. Werden von aussen Stoffe zugeführt, die der Körper selbst herstellen<br />
kann, dann vermindert er die Produktion oder stellt sie ganz ein.<br />
Hydrolyse<br />
Spaltung einer über Kondensation entstandenen Bindung unter Aufnahme von<br />
H2O<br />
„wasserliebend“ meist auch zu mindest teilweise wasserlöslich. Die Ursache ist<br />
hydrophil<br />
die Polarität, welche dazu führt, dass Wassermoleküle mit Wasserstoffbrücken<br />
gebunden werden können.<br />
hydrophob wasserabstossend (daher meist fettlöslich = lipophil)<br />
hypertonisch überkonzentrierte Lösung im Vergleich zu einer benachbarten<br />
hypotonisch unterkonzentrierte Lösung im Vergleich zu einer benachbarten<br />
Infrarot Wärmestrahlung; Wellenlängenbereich oberhalb 800 nm des elektromagnet.<br />
Spektrums<br />
Inhibitor Effektor, welcher ein Enzym oder einen Rezeptor inaktiviert.<br />
Insulin Hormon der Bauchspeicheldrüse, blutzuckersenkend<br />
Ionische Wechselwirkungen Anziehung zwischen zwei geladenen Atomgruppen z. B. COO - und NH3 +<br />
irreversibel nicht umkehrbar<br />
Chemie, 6sm<br />
119
Isoleucin<br />
H 2N CH C<br />
CH<br />
CH 2<br />
CH3 Aminosäure mit 2 chiralen Zentren<br />
Zustand gleicher oder konstanter Konzentrationen gelöster Teilchen bzw.<br />
Ausgleich des osmotischen Druckes von Lösungen in getrennten<br />
Isotonie<br />
Kompartimenten. Bei Isotonie findet keine Nettoverschiebung von Flüssigkeit<br />
von einem Kompartiment zum anderen statt. Lösungen mit einer Osmolarität<br />
von ca. 300 mosmol/l sind isoton mit der Körperflüssigkeit.<br />
isotonisch gleichkonzentrierte Lösung im Vergleich zu einer benachbarten<br />
Atome, die zerfallen und dabei radioaktive Strahlung aussenden z. B.<br />
Isotope<br />
14 C, 15 N<br />
usw.<br />
Katalase Enzym der Leber, das H2O2 spaltet, Catalase<br />
Eigenschaften, die Lebendiges vom Toten unterscheiden: Stoffwechsel,<br />
Kennzeichen des Lebens<br />
Reizbarkeit, Fortpflanzung, Vererbung, Beweglichkeit, Differenzierung, Tod<br />
Kernporen Poren in der Kernmembran<br />
organische Hilfsstoffe der Enzyme wie NAD, FAD; oft aus Vitaminen<br />
Koenzyme<br />
entstanden; Coenzyme<br />
Monosaccharide Glucose, Fructose usw. Oligosaccharide Maltose, Lactose<br />
Kohlenhydrate<br />
usw. Polysaccharide Stärke, Cellulose usw.<br />
Umwandlung von C-Verbindungen in der Natur ineinander hauptsächlich CO2<br />
Kohlenstoffkreislauf<br />
organische Stoffe CO2<br />
Organische Verbindungen, nur bestehend aus den Elementen Kohlenstoff und<br />
Kohlenwasserstoffe<br />
Wasserstoff<br />
a) Funktionelle Abgrenzung von Reaktionsräumen in Zellen (meist als Teil<br />
einer Organelle), die Enzyme und Reaktionspartner für einen bestimmten<br />
biochemischen Prozess enthalten oder Substanzspeicher sind. b)<br />
Kompartimentierung<br />
Stoffabhängige Unterteilung des Körpers in Volumenbereiche<br />
(Kompartimente), in denen Substanzen sich homogen verteilen und gleichen<br />
pharmakokinetischen Bedingungen unterliegen.<br />
Ein substratähnlicher Stoff setzt sich in das aktive Zentrum des<br />
Enzyms/Rezeptors, kann aber nicht umgesetzt werden. Dadurch wird das<br />
Kompetitive Hemmung Enzym/Rezeptor für eine gewisse Zeit blockiert, und die Enzym-<br />
/Rezeptoraktivität sinkt. Nach kurzer Zeit ist das Enzym/Rezeptor aber wieder<br />
frei und kann weiterarbeiten (Gleichgewichtsreaktion).<br />
Mit Substraten konkurrierender Hemmstoff von Enzymen/Rezeptoren, der eine<br />
kompetitiver Inhibitor<br />
ähnliche Struktur wie das Substrat besitzt und deshalb vom Enzym/Rezeptor<br />
damit verwechselt wird<br />
Eine Eigenschaft von Systemen oder Realitätsbereichen. Sie charakterisiert<br />
die Wechselwirkungen von Teilsystemen oder Systemelementen und<br />
beschreibt die Vielfalt von unterscheidbaren Zuständen des Systems. Sie kann<br />
Komplexität<br />
quantifiziert werden mit Hilfe des Begriffs der Varietät. Je grösser die<br />
Komplexität desto höher ist Unbestimmtheit von Ereignissen. Komplexe<br />
Systeme sind unüberschaubar, vernetzt, undurchsichtig,<br />
wahrscheinlichkeitsabhängig und meist instabil.<br />
erdähnliches Produkt bei der Kompostierung, entsteht durch Abbau von totem<br />
Kompost<br />
pflanzlichen und tierischen Material<br />
Abbau von totem pflanzlichen und tierischen Material durch Mikroorganismen,<br />
Kompostierung<br />
Insekten und Wirbellose in ein erdähnliches Produkt<br />
Verbindung zweier Stoffe unter Wasserabspaltung z. B. zwei Aminosäuren<br />
Kondensation<br />
bilden ein Amid und dabei wird Wasser abgespalten. Oder die Esterbildung:<br />
Säure + Alkohol Ester + Wasser<br />
unterschiedliche räumliche Zustände eines Moleküls. Räumliche Struktur der<br />
Konformation<br />
Moleküle, also auch der Proteine und Peptide<br />
haben unterschiedliche Oberflächen. Konformation: Räumliche Struktur der<br />
Konformere Moleküle<br />
Proteine und Peptide.<br />
Konsumenten ernähren sich von fremdem organischen Material (heterotroph)<br />
Chemie, 6sm<br />
O<br />
CH 3<br />
OH<br />
120
Konvergenz, Hub<br />
Konzentrationsgefälle<br />
Kraftwerke der Zelle<br />
Lactose<br />
121<br />
Verbindungspunkt in einem Netzwerk<br />
Prinzip einer Verschaltung, das die Bündelung des Datenflusses von mehreren<br />
vorgeschalteten Elementen auf ein nachgeschaltetes Element beschreibt.<br />
unterschiedliche Konzentrationsbereiche in Lösungen oder Räumen, diese<br />
führen zu Osmose und elektrischen Spannungen (Nernstsches Gesetz)<br />
Mitochondrien als Produzent von ATP, die Stoffwechselenergie aller<br />
Lebensvorgänge<br />
CH2OH HO<br />
O<br />
OH<br />
Regelungsprinzipien, nach denen ein System betrieben wird. Zum Beispiel: ab<br />
Leistungsregelung<br />
welcher Konzentration eines Hormons, Neurotransmitters oder eines Produkts<br />
einer Stoffwechselkette Energie bereitgestellt oder verbraucht wird.<br />
Lignin Grundbestandteil des Holzes<br />
Lipase Fettspaltendes Enzym im Dünndarm<br />
“Fette”, Sammelbezeichnung für strukturell sehr unterschiedliche, in allen<br />
Zellen vorkommende Stoffe mit übereinstimmenden Lösungs-Eigenschaften:<br />
Lipide<br />
Sie sind im allgemeinen in Wasser unlöslich, mit Wasser schlecht benetzbar,<br />
also lipophil<br />
fettlöslich (=schlecht wasserlöslich, schlecht mit Wasser benetzbar oder<br />
wasserunlöslich). Die Ursache der Lipophilie ist die geringe Polarität der<br />
lipophil<br />
entsprechenden Moleküle oder Oberflächen. Die Bindungen erfolgen über van<br />
der Waals Kräfte.<br />
Modell zur Räuber-Beute-Populationsentwicklung nach dem Biophysiker Lotka<br />
Lotka-Volterra-Modell<br />
und dem Mathematiker Volterra 1913 Strategien<br />
Lysosomen Kleine Zellorganelle mit Verdauungsfunktion<br />
Makromoleküle Riesenmoleküle<br />
Makropinosom Vesikel, das durch Aufnahme flüssiger Stoffe in die Zelle entsteht<br />
Nachdem gewisse Neurotransmitter den synaptischen Spalt passiert haben,<br />
werden sie von der postsynaptischen Zelle resorbiert und durch die<br />
mitochondriale Mono-Amino-Oxidase (MAO) "deaktiviert". MAO-Hemmer<br />
verhindern diesen Mechanismus, so dass es zu einem Überschuss an<br />
Neurotransmittern kommt. Dieser Überschuss äussert sich in einer erhöhten<br />
neuronalen Aktivität. Da bestimmte Neurotransmitter, wie z.B. Dopamin und<br />
MAO-Hemmer<br />
Serotonin, massgeblich an der Informationsverarbeitung in Belohnungszentren<br />
des Gehirns verantwortlich sind, führt die Einnahme von MAO-Hemmern zu<br />
Antriebssteigerung, guter Laune oder gar euphorischen Glücksgefühlen.<br />
Warnung: Es ist sehr gefährlich, MAO-Hemmer mit Drogen zu kombinieren.<br />
Aufgrund kumulativer Effekte kann es zu lebensbedrohlichen Zuständen<br />
kommen.<br />
mechanische Stufe 1. Stufe einer Kläranlage zur Entfernung des groben Unrats<br />
mesophile Bakterien Bakterien, die mittlere Temperaturen (25-40° C ) zum Wachstum benötigen<br />
Methylbromid Halogenalkan, CH3Br, ; Pestizid z.B. in Erdbeerplantagen<br />
Km, abgeleitet aus dem Massenwirkungsgesetz, angewandt auf eine<br />
Michaelis-Menten-Konstante enzymatische Katalyse; gibt die Menge des Substrats an, die für die halbe<br />
Maximalaktivität des Enzyms notwendig ist.<br />
Mikrovilli Bürstensaum, feine Ausstülpungen der Zellmembran bei z. B. Darmzellen<br />
COOH HOOC<br />
Milchsäure<br />
OH<br />
HO C H<br />
CH 3<br />
O<br />
CH 2 OH<br />
OH<br />
H<br />
O<br />
OH<br />
H, OH<br />
C OH<br />
L(+)-Milchsäure D(-)-Milchsäure<br />
rechtsdrehend linksdrehend<br />
Mistel parasitisch auf Laubbäumen lebende grüne Pflanze<br />
Mitochondrien<br />
meist bohnenförmige, grosse Zellorganelle, die ATP herstellen, eigene DNA<br />
und Ribosomen besitzen<br />
Chemie, 6sm<br />
CH 3
Mitochondrienmatrix Flüssigkeit in den Mitochondrien<br />
Vereinfachtes Abbild einer realen Situation. Es muss durch hinreichende<br />
Modell<br />
Ähnlichkeit mit diesem gekennzeichnet sein und wird für Simulationen<br />
verwendet.<br />
Diese erfolgt durch die vereinfachende Nachbildung der Struktur eines<br />
Modellbildung<br />
Systems (Original) durch ein analoges System (Modell). Dafür werden<br />
bestimmte Eigenschaften des Originals ausgewählt und im Modell abgebildet.<br />
messenger RNA; Abschrift eines Gens, besteht aus Ribonukleinsäure;<br />
mRNA<br />
wandern zu den Ribosomen und dienen dort als Bauplan zur Herstellung von<br />
Eiweissen.<br />
Mutation sprunghafte Erbänderung, ausgelöst z. B. durch Strahlung oder Chemikalien<br />
Na + /K + -Pumpe Antiport-Protein, das Na + aus der Zelle und K + in die Zelle transportiert<br />
Nahrungskette In einer Biozönose ernähren sich die Organismen voneinander<br />
Ein Neuronales Netzwerk ist ein Geflecht aus Neuronen, wie es auch im<br />
menschlichen Gehirn vorkommt. Aufgrund der stark parallelen Verarbeitung<br />
unterscheidet es sich grundlegend von seriell arbeitenden Computern. Der<br />
grösste Unterschied ist jedoch, dass es nicht nach Regeln und Algorithmen<br />
arbeitet, sondern lediglich multidimensionale Eingabevektoren nach den<br />
jeweils herrschenden synaptischen Übergangsgewichten verarbeitet und sonst<br />
keinerlei "Kenntnis" von irgendwelchen vordefinierten Zusammenhängen hat.<br />
Diese synaptischen Verbindungen werden durch einen Lernvorgang<br />
eingestellt, wobei das Netzwerk anhand von problemspezifischen Daten<br />
solange trainiert wird, bis Verarbeitungsgenauigkeit das gewünschte Mass<br />
erreicht hat.<br />
Neuronale Netzwerke<br />
122<br />
Schon einfache Netzwerke mit einigen hundert Neuronen erreichen bei<br />
"menschlichen Aufgabenstellungen" wie Gesichtserkennung und Sprache die<br />
gleichen Resultate wie hochkomplexe Computerprogramme, die Millionen<br />
Zeilen an Code enthalten - durch einfaches Lernen! Charakteristisch ist auch<br />
die Fähigkeit, selbst unvollständige oder fehlerhafte Eingabevektoren noch mit<br />
hoher Wahrscheinlichkeit richtig zu "interpretieren".<br />
Man unterscheidet zwischen zwei Arten von Netzwerken: Feed-Forward-<br />
Netzwerke: Ein Eingebevektor wird nach den vorherrschenden synaptisches<br />
Übergangsgewichten verarbeitet, wobei die Übertragung nur in einer Richtung<br />
(aufsteigend) stattfindet. FF-Netzwerke haben keine Kontextbezug. Rekurrente<br />
Netzwerke: Neben aufsteigenden sind auch absteigende Synapsen<br />
vorhanden. Es können Informationen zwischen verschiedenen<br />
Neuronenebenen ausgetauscht werden, wodurch ein Rückbezug auf vorherige<br />
Verarbeitungsschritte möglich wird. Rekurrente Netzwerke weisen somit einen<br />
Kontextbezug auf.<br />
Neurotransmitter Sorgen für die chemische Übertragung von Nervensignalen, indem sie über<br />
den synaptischen Spalt diffundieren.<br />
Es gibt grundsätzlich zwei Arten von N., erregende und hemmende:<br />
Erregende N.: z.B. Adrenalin, Dopamin, Serotonin<br />
Hemmende N.: z.B. Glycin und Gamma-Aminobuttersäure (GABA)<br />
Nitrat NO3 - ; Salz der Salpetersäure HNO3<br />
nitrifizierende Bakterien Destruenten, die organisches, N-haltiges Material in Nitrat umwandeln<br />
Nitrobacter wichtiges nitrifizierendes Bakterium, konvertiert Nitrit zu Nitrat<br />
Nitrogenase Enzym der N-fixierenden Bakterien<br />
Nitrosomonas wichtiges nitrifizierendes Bakterium, konvertiert Ammoniak zu Nitrit<br />
besteht aus Makromolekülen; es gibt 2 Formen: DNA und RNA; dient zur<br />
Nukleinsäure<br />
Speicherung von Erbinformation oder Aufbau von Ribosomen oder zum<br />
Transport von Aminosäuren.<br />
Nukleolus Kernkörperchen, Bildungsort der Ribosomen<br />
oberer Cortex Äussere Schutzschicht bei Flechten, besteht aus Pilzzellen<br />
System das mit seiner Umgebung Stoff-und Energieaustausch hat, z. B.<br />
offenes System<br />
Lebewesen, oder Erde<br />
Oligopeptid kurze Ketten von Aminosäuren, die durch Peptidbindung verbunden sind<br />
Osmose Diffusion von Wasser durch Membranen entlang eines<br />
Chemie, 6sm
osmotischer Druck<br />
Konzentrationsgradienten<br />
Druckdifferenz zwischen zwei durch eine semipermeable Membran<br />
voneinander getrennten Kompartimenten. Er wird verursacht durch die<br />
unterschiedlichen Konzentrationen an gelösten Substanzen. Dabei ist die<br />
Membran für das Lösungsmittel, nicht aber für gelöste Substanzen<br />
durchlässig. Einheit des Drucks: Pascal (Pa)= Newton (N)/m 2 . Er entsteht z.B.<br />
durch Wassereinstrom in eine Zelle und wirkt z. B. gegen die Zellwand<br />
Oxytocin Hormon der Hypophyse, ruft bei der Geburt die Wehen hervor; Nonapeptid<br />
Parasitismus<br />
Lebensweise eines Organismus unter einseitiger Ausnutzung eines anderen,<br />
z.B. Bandwurm<br />
PCA Polycyclische Aromaten<br />
Pepsin Verdauungsenzym im Magen, Protease<br />
Peptid Verbindung von mindestens 2 Aminosäuren über die Peptidbindung. Ein<br />
Peptid enthält weniger als 100 Aminosäuren Protein<br />
Peptidbindung Bindung über die Carboxylgruppe und Aminogruppe bei Peptiden<br />
Perm<br />
Zeitalter des Erdaltertums (290 - 250 Millionen Jahre), Baumfarne, Amphibien<br />
Reptilien<br />
Peroxisomen<br />
Kleine Zellorganellen, vesikelartig die Hydrolasen (Catalase) enthalten; dienen<br />
der Verdauung in Zellen; z. B. Leberzellen<br />
Gesetz des Minimums von Liebig, der im Minimum befindliche Faktor bestimmt<br />
Pessimum-Gesetz<br />
das Ganze. Wird dieser Faktor bei Pflanzen z.B. als Dünger gegeben, dann<br />
kann das Wachstum entscheidend gesteigert werden.<br />
Pestizid Insektenvertilgungsmittel<br />
Phagen Viren, die Bakterienzellen befallen<br />
Phagosom<br />
ein membranumhülltes Vesikel, das sich durch Phagozytose bildet, indem die<br />
Zellmembran eine Partikel umschlossen hat.<br />
Phagozytose<br />
Vorgang zur Bildung eines Phagosoms; Aufnahme fester Partikel in die Zelle;<br />
siehe Phagosom<br />
pH-Optimum optimaler pH, bei dem ein Enzym katalysiert<br />
Phosphate Salze der Phosphorsäure (PO4 3- )<br />
Photosynthese<br />
Stoffwechsel bei grünen Pflanzen, bei dem mit Licht aus CO2 und H2O Glucose<br />
und O2 aufgebaut wird.<br />
pH-Wert<br />
pH = -log [H3O + ]; gibt die Menge an H3O + -Ionen in einer Lösung an (0-14); 0-<br />
7-14 = basisch<br />
Physiologie Wissenschaft von den natürlichen Lebensvorgängen der Organismen.<br />
Pigmente = Farbstoffe wie z. B. Chlorophyll oder Häm<br />
Pinozytose Aufnahme von flüssigen Stoffen in die Zelle<br />
Plasmodesmen<br />
Verbindungsstellen zwischen pflanzlichen Zellen , von Cytoplasma und ER<br />
durchzogen zum Stoffaustausch<br />
Plasmolyse<br />
Ablösen des Cytoplasmas durch eine hypertonische Lösung ausserhalb der<br />
Zelle<br />
Polypeptid Aminosäurekette mit vielen Aminosäuren<br />
Polysomen<br />
an mRNA aufgereihte Ribosomen, die parallel an der Herstellung eines<br />
Polypeptids arbeiten<br />
Porin<br />
Röhrenförmiges Protein, das in der Zellmembran von Bakterien einen Kanal<br />
bildet<br />
primäre Zellwand Zellwand von jungen Pflanzenzellen; besteht aus Cellulose<br />
primärer aktiver Transport<br />
das Membranprotein benötigt selbst ATP um seine Konformation zu ändern<br />
und den Stoff zu transportieren.<br />
Primärstruktur<br />
grundsätzliche Struktur einer Peptidkette, die sich aus der Sequenz ergibt;<br />
Zick-Zack-Kette<br />
Gehirnproteine (= PrP) der Schafe, Rinder (u.a. Tieren) und des Menschen die<br />
Prionen<br />
in eine infektiöse Konformation übergehen können und Scrapie, BSE und<br />
Creutzfeld-Jacob Krankheit in Form einer Gehirnzersetzung hervorrufen<br />
können.<br />
Produzenten<br />
Pflanzen und Bakterien, die autotroph leben, also aus anorganischem Material<br />
organisches herstellen<br />
prosthetische Gruppe fest an Enzyme gebundener Nichtproteinanteil; z.B. Häm<br />
Chemie, 6sm<br />
123
Proteid Protein mit Nichtproteinanteil (z.B. Häm)<br />
Protein Polypeptidkette mit über 100 Aminosäuren<br />
Protisten einzellige Lebewesen<br />
Protoplasma alles innerhalb der Zellmembran: Cytoplasma und Organelle<br />
Quartärstruktur<br />
räumliche Struktur von Proteinen, die aus mehreren Tertiärstrukturen<br />
bestehen, z. B. Hämoglobin besteht aus 4 Ketten<br />
Radikale<br />
energiereiche Atome oder Moleküle mit ungepaarten Elektronen, Symbol: R . ,<br />
diese Atome oder Moleküle sind chemisch sehr reaktiv<br />
rauhes ER ER mit Ribosomen besetzt<br />
Reaktionsgeschwindigkeit<br />
Stoffumsatz pro Zeit, Konzentrationsänderung pro Zeit, Geschwindigkeit, mit<br />
der ein chemischer oder biochemischer Prozess oder eine Reaktion abläuft<br />
Regelgrösse (Regelstrecke,<br />
Istwert)<br />
Regelung<br />
Regelzeit<br />
Regler<br />
Regulation<br />
Regulator (Regelkreis),<br />
Regulation<br />
Renaturierung<br />
124<br />
Zustand oder Vorgang, der konstant gehalten werden soll. Der Istwert stimmt<br />
nur selten mit dem Sollwert (Führungsgrösse) überein, in den meisten Fällen<br />
schwankt er um ihn. Die Frequenz der Schwingung hängt von der<br />
Reaktionsgeschwindigkeit des Systems ab (Zeitverhalten), die Amplitude<br />
(Bandbreite) von der Leistungskapazität des Regelsystems.<br />
Vorgang, bei dem die Regelgrösse (Istwert), trotz Einwirkung von Störungen<br />
(Störgrösse), fortlaufend erfasst, mit der Führungsgrösse (Sollwert),<br />
verglichen, und abhängig von der Abweichung im Sinne einer Angleichung an<br />
die Führungsgrösse gesteuert wird.<br />
Zeitdifferenz zwischen Eingangs- und Ausgangssignal (resp. Konzentration).<br />
Sie bestimmt das Zeitverhalten.<br />
Im Regler werden Istwert und Sollwert miteinander verglichen und<br />
abgeglichen. Geht der Istwert geht mit negativem Vorzeichen in den Abgleich<br />
ein, spricht man von negativer Rückkopplung. Eine positive Rückkopplung, wie<br />
sie z.B. bei einer Wachstumsfunktion zum tragen kommt, führt entweder zu<br />
Selbstverstärkereffekten oder zu einem Systemzusammenbruch.<br />
Steuerung von Abläufen in beliebigen Systemen. Die Regulation über<br />
Regelkreise dient biochemisch der Erhaltung der Homöostase oder der<br />
Anpassung und Koordination unterschiedlicher Abläufe. Bsp.: Der Blutdruck<br />
wird durch Regulation innerhalb bestimmter Grenzen an die jeweilige<br />
Belastungssituation des Organismus angepasst.<br />
Teil eines Systems, welcher das Ausgangssignal (Nervenreiz, Konzentration..)<br />
regelt. Sein Zeitverhalten ist für die Stabilität des Systems von entscheidender<br />
Bedeutung.<br />
Regenerierung der räumlichen Struktur einer Proteins nach milder<br />
Denaturierung<br />
reversibel umkehrbar<br />
Reversibilität Umkehrbarkeit, das Gegenteil ist Irreversibilität<br />
Membranproteine, die spezifisch auf chemische Stoffe oder physikalische<br />
Rezeptoren<br />
Reize reagieren (binden); dadurch werden intrazellulär Reaktionen ausgelöst<br />
Strukturen an der Aussenseite von Membranen, zur Erkennung von Signalen<br />
Rezeptoren<br />
oder Botenstoffen (Neurotransmitter); meist Proteine<br />
rezeptorgesteuerte Endocytose Rezeptoren an der Zellmembran ermöglichen die Aufnahme von Partikeln<br />
Reaktionsgeschwindigkeit-Temperatur-Regel: Erhöht man die Temperatur um<br />
RGT-Regel<br />
10° C, verdoppelt bis verdreifacht sich die Reaktionsgeschwindigkeit (diese<br />
Regel hat viele Ausnahmen) Q10-Regel<br />
Ribonuklease Enzym was Ribonukleinsäure, RNA, spaltet<br />
Kleine Zellorganelle, die Proteine herstellen, sind aus Nucleoproteinen<br />
Ribosomen<br />
aufgebaut<br />
Methode zur Strukturaufklärung von Stoffen; dabei werden von Stoffen<br />
Röntgenstrukturanalyse Kristalle gezüchtet und diese geröntgt; die Ablenkung der Röntgenstrahlung<br />
wird gemessen und daraus die dreidimensionalen Atomkoordinaten berechnet.<br />
oder auch Feedback, kennzeichnet eine gegenseitige Beeinflussung zwischen<br />
Elementen eines Systems. Man unterscheidet positive und negative<br />
Rückkopplung<br />
Rückkopplung. Chemisch: Rückwirken eines Reaktionsprodukts auf den<br />
laufenden Prozess.<br />
Diese wirkt im System stabilisierend. Notwendige Bedingung dafür ist die<br />
Rückkopplung, negative<br />
Vorzeichenumkehr im Regler (negative feedback): Ein Element, das einen<br />
Chemie, 6sm
Anstieg der Eingangsgrösse mit einem Absinken der Ausgangsgrösse (Istwert)<br />
beantwortet oder umgekehrt (feedback inhibition).<br />
Diese wirkt verstärkend und führt zu einem Ungleichgewicht im System.<br />
Notwendige Bedingung dafür ist die fehlende Vorzeichenumkehr im Regler<br />
Rückkopplung, positive (positive feedback): Ein Element beantwortet einen Anstieg der<br />
Eingangsgrösse mit einem Anstieg der Ausgangsgrösse (Istwert) oder<br />
umgekehrt. Sie führt zu dysfunktionaler Instabilität.<br />
Modell zum Ablauf einer enzymatischen Katalyse; Substrate passen wie ein<br />
Schloss-Schlüssel-Modell Schlüssel in das Schloss: Enzym (hier fehlen die sehr wichtigen<br />
chemischen Bindungen!!) Das bessere Modell ist das induced fit-Modell.<br />
Schwefelbakterien autotrophe Bakterien, die H2S zu Sulfat oxidieren<br />
gehirnzersetzende Krankheit bei Schafen, verursacht durch infektiöse Proteine<br />
Scrapie<br />
(= Prionen)<br />
es wird ATP dazu benötigt, einen Gradienten zu schaffen. Entlang des<br />
sekundärer aktiver Transport<br />
Gradienten kann dann das Transportprotein Moleküle transportieren.<br />
Sekundärstruktur Räumliche Organisation einer Peptidkette in Form einer Helix oder als Faltblatt<br />
Mechanismus der Evolution, bei dem durch die gerade vorherrschenden<br />
Selektion<br />
Umweltbedingungen bestimmte Genotypen (= Individuen mit bestimmtem<br />
Erbgut) bevorzugt sind, diese überleben besser als andere<br />
semipermeabel halbdurchlässig<br />
Die Empfindlichkeit eines Systems gegenüber spezifischen Veränderungen,<br />
Sensitivität, Empfindlichkeit<br />
z.B. Temperatur, Wirkstoffe, Licht etc.<br />
kurze Aminosäuresequenz am Ende jeder Polypeptidkette; dient zur<br />
Signalpeptid<br />
Ansteuerung des Wirkungsorts in der Zelle<br />
Durchspielen verschiedener Entwicklungsmöglichkeiten am Computer.<br />
Simulation hat zum Ziel, das Verhalten eines Systems mit Hilfe eines Modells,<br />
Simulation<br />
z. B. ein Wirkungsnetz zu untersuchen, um Wissen für optimale Strukturen und<br />
Prozesse zu entwickeln.<br />
Sollwert (Zielwert) Einstellungswert des Reglers durch die Führungsgrösse<br />
verschiedene Bindungen in einer räumlich gefalteten Polypeptidkette zwischen<br />
bestimmten Aminosäureresten, Disulfidbrücken, H-Brücken, ionische und<br />
stabilisierende Bindungen<br />
hydrophobe Wechselwirkungen, bei grossen lipophilen Bereichen auch van der<br />
Waalssche Bindungen<br />
steady state Gleichgewichtszustand.<br />
Stellglied Regelelement, das den Wert der Regelgrösse ändert; z. B. Hormondrüse<br />
Stellgrösse Grösse der Beeinflussung der Regelgrösse durch das Stellglied<br />
Vorgang in einem System, bei dem sich eine oder mehrere Grössen als<br />
Steuerung<br />
Eingangsgrössen, andere Grössen als Ausgangsgrössen systematisch<br />
beeinflussen.<br />
Kreislauf der N-Verbindungen in der Natur N2 und Nitrat <br />
Stickstoffkreislauf<br />
Aminosäuren/Proteine Ammoniak Nitrit Nitrat<br />
Auf ein System wirken Störgrössen ein, die ausgeregelt werden müssen. Die<br />
Störgrösse<br />
Störungen müssen korrigierbar sein. Übersteigen sie die Regelkapazität eines<br />
Systems, kommt es zu einer Regelkatastrophe, das System bricht zusammen.<br />
Im Verlauf der Evolution der Lebewesen haben sich zwei prinzipielle Strategien<br />
entwickelt: die r- und K-Strategie (= r- und K-Selektion). Die r-Strategie ist<br />
(ohne Berücksichtigung von K) durch eine hohe Vermehrungsrate<br />
gekennzeichnet. Sie tritt vor allem bei Arten in Erscheinung, die darauf<br />
spezialisiert sind, neue Lebensräume mit variablen Bedingungen zu besiedeln,<br />
oder bei solchen, deren Populationsgrössen starken Schwankungen<br />
unterworfen sind. Die K-Strategie hingegen beschreibt eine geregelte,<br />
dichteabhängige Vermehrung (unter Berücksichtigung der Kapazitätsgrenze<br />
Strategie<br />
des Lebensraums K). Sie kommt bei Arten in stabilen Lebensräumen vor, in<br />
denen eine hohe Vermehrungsrate ohne Vorteil wäre, und gilt als evolutionär<br />
progressiver als die r-Strategie. In der Natur findet man meist alle denkbaren<br />
Übergänge zwischen beiden Extremen. Man kann daher sagen, dass sich eine<br />
Art vornehmlich der einen Strategie bedient, obwohl Anteile der anderen nicht<br />
zu übersehen sind. Manchmal bedingen äussere Umstände, z.B.<br />
unvorhergesehene Änderungen der Lebensbedingungen, einen Wechsel von<br />
einer Strategie zur anderen. dN / dt = rN(K - N) / K, N: Population, K: Kapazität.<br />
Chemie, 6sm<br />
125
Stratosphäre Schicht der Atmosphäre von ca. 10 - 40 km die die Ozonschicht enthält.<br />
Stroma Flüssigkeit in Chloroplasten<br />
Substrat Ausgangsstoff, Edukt einer Enzymreaktion<br />
Substratspezifität Enzyme erkennen ihr Substrat<br />
Sulfonamide<br />
Antibiotika einer bestimmten chemischen Klasse (>N-C6H4-SO2-), (Stoffe die<br />
Bakterien abtöten)<br />
Symbiose<br />
enges Zusammenleben zweier Organismen zum gegenseitigen Nutzen z. B.<br />
Alge und Pilz in Flechten oder Mensch und E. Coli<br />
Symport<br />
Transportprotein, das 2 Teilchen in eine Richtung durch die Membran<br />
transportiert<br />
Der Ort an dem die Informationsübertragung zwischen zwei Nervenzellen<br />
(Neuronen) stattfindet. Die elektrische Botschaft der Neuronen wird mittels der<br />
Neurotransmitter in eine chemische umgewandelt, damit sie den synaptischen<br />
Spalt passieren kann. Das Neuron, an dem ein Aktionspotential entsteht wird<br />
prä-synaptische Nervenzelle genannt, während das Neuron, dass die<br />
Synapse<br />
chemische Botschaft erhält und wieder in eine elektrische umwandelt postsynaptische<br />
Nervenzelle heisst. Eine Gehirnzelle kann zwischen 1000 und<br />
10’000 Synapsen ausbilden. Bei geschätzten 100 Milliarden Gehirnzellen<br />
wären das maximal 500 Billionen Synapsen, wenn jede Gehirnzelle 10’000<br />
Synapsen ausbilden würde (keine Mehrfachzählungen). Man nimmt an, dass<br />
ein durchschnittliches Gehirn ca. 100 Billionen Synapsen besitzt. Das erklärt<br />
die einzigartigen Fähigkeiten des menschlichen Gehirns<br />
Synergie<br />
Das einander positiv beeinflussende Zusammenwirken verschiedener<br />
Prozesse.<br />
fasst Funktionselemente (Funktionseinheiten, Funktionsglieder) sowie deren<br />
Wechselwirkungen untereinander als Ganzes zusammen. Die funktionellen<br />
Beziehungen der Systemelemente bedingen die besonderen Eigenschaften<br />
System<br />
und Leistungen eines Systems: die Systemeigenschaften. Wichtig ist die<br />
Unterscheidung von Systemelementen auf gleicher Hierarchieebene von<br />
solchen auf unter- bzw. übergeordneten Ebenen. Systeme auf untergeordneter<br />
Ebene sind Teilsysteme eines höherrangigen Systems.<br />
Durchschnittliche relative Änderung der Reaktionsgeschwindigkeit in Funktion<br />
Temperaturkoeffizient, Q10 der Änderung der Reaktionstemperatur um 10°C (oder 10 K) bei sonst<br />
konstanten Bedingungen.<br />
Tertiärstruktur = Globulärstruktur, Wollknäuelstruktur der Proteine<br />
Tetraeder 4-flächiger geometrischer Körper<br />
Tetrapeptid Peptid aus 4 Aminosäuren<br />
hitzeliebend; Lebensweise einiger Bakterien (Archäa) bei Temperaturen um<br />
thermophil<br />
den Siedepunkt von H2O; interessant ist hier die Stabilität der aufbauenden<br />
Verbindungen<br />
thermophile Bakterien<br />
wärmeliebende Bakterien, vor allem Archäbakterien, die bei Temperaturen<br />
oberhalb 40 und bis 100° C existieren.<br />
Thylakoide Membranausstülpungen der inneren Chloroplastenmembran<br />
Thymindimere<br />
Verbindung zweier nebeneinander liegender Thyminbasen in der DNA durch<br />
UV-Licht (Mutation)<br />
TOMS<br />
= Total Ozone Mapping Spectrometer, Gerät das in verschiedene Satelliten<br />
eingebaut ist und die Ozonkonzentration misst.<br />
Tonoplast<br />
abgrenzende Membran zwischen Cytoplasma und Vakuole in einer<br />
Pflanzenzelle<br />
Transferrin Fe-Transportprotein im Blut<br />
Transpiration<br />
Aufwärtstransport von Flüssigkeit in den Leitgeweben der Pflanzen (Spross),<br />
der durch die den Wassergradienten Boden- Luft entsteht<br />
Tripeptid Peptid aus 3 Aminosäuren<br />
Trypsin Verdauungsenzym im Dünndarm, Protease<br />
Tubulin Protein aus dem die Mikrotubuli bestehen<br />
Tunnelprotein Membranprotein das Stoffe hindurchlässt<br />
Turgeszenz Füllungszustand einer Zelle (Vakuole)<br />
Uniport Carrierprotein, dass nur in eine Richtung transportiert<br />
Urease Harnstoffspaltendes( synthetisierendes) Enzym bildet Ammoniak (NH3) und<br />
Chemie, 6sm<br />
126
Kohlendioxid (CO2)<br />
UV-A Wellenlängenbereich der UV-Strahlung von 400-320 nm, ungefährlich<br />
Wellenlängenbereich der UV-Strahlung von 320-240 nm, gefährlich, ruft in<br />
UV-B<br />
grösseren Dosen Sonnenbrand und Hautkrebs hervor, wird von Ozon<br />
absorbiert<br />
Wellenlängenbereich der UV-Strahlung von 240-100 nm, gefährlich, wird von<br />
UV-C<br />
der Atmosphäre vollständig absorbiert<br />
Das vegetative Nervensystem, auch autonomes Nervensystem genannt,<br />
steuert die Aufrechterhaltung des körperlichen Milieus und wird in zwei meist<br />
Vegetatives Nervensystem antagonistisch arbeitende funktionelle Einheiten aufgeteilt, den Sympathikus<br />
und den Parasympathikus, wobei eine genaue Abgrenzung nicht immer<br />
möglich ist.<br />
Partikel, kleiner als Zellen, aus Protein und Nukleinsäure bestehend, die Zellen<br />
Viren<br />
infizieren und töten<br />
italienischer Mathematiker, stellte zusammen mit Lotka ein mathematisches<br />
Volterra<br />
Modell der Populationsdynamik auf, das Gleichgewichte, periodische Prozesse<br />
oder chaotische Abläufe beschreiben kann (rückgekoppelte Prozesse)<br />
Verlauf des Wachstums von Bakterien in einer Petrischale mit anfänglich<br />
Wachstumskurve von Bakterien<br />
optimaler Nährstoffversorgung (logistisches Wachstum)<br />
Organismen, die ihre Körpertemperatur nicht Konstanthalten können und von<br />
wechselwarme Lebewesen<br />
der Umgebung abhängig sind; alle Wirbellose, Fische Amphibien und Reptilien<br />
Wirbellose Alle Tiere ohne Skelett, z. B. Würmer, Weichtiere, Insekten Spinnen, usw.<br />
Enzyme haben auf ihr Substat eine bestimmte chemische Wirkung, ebenso die<br />
Wirkungsspezifität<br />
Wirkstoffe an den Rezeptoren, es läuft nur eine vorbestimmte Reaktion ab<br />
Wollknäuelstruktur Tertiärstruktur = Globulärstruktur; random coil<br />
Bakterien, die in Symbiose mit Leguminosen leben und den Luftstickstoff als<br />
Wurzelknöllchenbakterien<br />
Nahrungsquelle nutzen können<br />
Xanthophylle gelbe Blattfarbstoffe in Chloroplasten<br />
Leitgewebe in Pflanzen (Spross), das Wasser und Salze nach oben<br />
Xylem<br />
transportiert<br />
Faktor für die Beschreibung der Zeit in Übertragungssystemen. Ein<br />
Eingangssignal führt zeitlich verzögert zu einem Ausgangssignal.<br />
Zeitverhalten<br />
Übertragungssysteme können daher - sofern sie selbst komplex strukturiert<br />
sind - über ein „Gedächtnis“ verfügen, in dem Eingangssignale additiv oder<br />
multiplikativ verrechnet werden.<br />
Stoffwechselweg in allen aeroben Organismen, bei dem zum ATP-Gewinn<br />
Zellatmung<br />
Glucose mit Hilfe von O2 abgebaut wird.<br />
Zellkern grösstes Zellorganell eukaryontischer Zellen; enthält Erbinformation<br />
Äussere Abgrenzung des Protoplasmas; besteht aus Lipoid (60%) und Protein<br />
Zellmembran<br />
(40%). Man beschreibt die Zellmembranen sehr gerne mit dem Fluid-Mosaic-<br />
Model.<br />
Zielzellen Zellen, die für ein Hormon den passenden Rezeptor enthalten.<br />
Chemie, 6sm<br />
127
4. Stichwortverzeichnis<br />
-Faltblatt 80<br />
-Helix 80<br />
absoluter Nullpunkt 4<br />
Agonist 49<br />
Aktin 89<br />
aktives Zentrum 97<br />
Aktivierungskaskade 47<br />
Aktomyosin 89<br />
Alkoholgärung 6<br />
allosterische Bindungsstelle 109<br />
Amidgruppe 65<br />
Aminocarbonsäure 38<br />
Aminoethansulfonsäure 44<br />
Amylase 100<br />
Anabolismus 104<br />
Antagonist 49<br />
Antibiotika 70<br />
Antikörper 90<br />
antitoxische Wirkung 75<br />
Atmung 8<br />
ATP 5<br />
autokatalytischer Prozess 105<br />
Biokatalysatoren 94<br />
biologische HWZ 53<br />
biologische Uhr 63<br />
Biosensor 37<br />
Biuret 68<br />
Bräunen der Haut 57<br />
Capsaicin 37<br />
Casein 98<br />
Catalase 101<br />
Chiralität 40<br />
Coenzym 93<br />
Cofaktor 93<br />
Collagen 88<br />
Cytochromoxidase 95<br />
Dauerwellen 89<br />
Denaturierung 83, 100<br />
Diffusion 51<br />
Diode 50<br />
Dissoziationskonstante 107<br />
Disulfidbrücke 83<br />
DNA 34<br />
DOM 50<br />
Dreifach-Helix 88<br />
Droge 50<br />
dynamisches Gleichgewicht 20<br />
Einfluss des pH-Wertes 99<br />
Eiweiss 66, 78<br />
Eiweissverdauung 104<br />
Endopepitdasen 105<br />
Endprodukthemmung 15<br />
Energie 3<br />
Energiewährung 5<br />
Entropie 3, 5<br />
Enzym 92<br />
Enzymaktivität 97, 98<br />
Enzyme 87<br />
Chemie, 6sm<br />
Enzym-Kinetik 94<br />
Enzymklassen 103<br />
Enzym-Substrat-Komplex 108<br />
Enzymwirkung 106<br />
Faltung 68<br />
Faserproteine 88<br />
Favismus 104<br />
Ferment 92<br />
Fette 34<br />
Fettsäuren 35<br />
Fibrinogen 88, 89<br />
Freie Reaktionsenthalpie 3<br />
G6PD 104<br />
Gelatine 88<br />
Gibbsche Energie 3<br />
Gleichgewicht 20<br />
globuläre Proteine 90<br />
Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase 104<br />
Gramicidin S 72<br />
grüner Knollenblätterpilz 74<br />
Hämoglobin 8, 80<br />
Hefe 92, 110<br />
Hemmung 108<br />
Homöostase 20<br />
Hormon 76<br />
Hormonwirkung 47<br />
hub 25<br />
Hydrolasen 103<br />
hydrophil 83<br />
hydrophob 82<br />
Hyperkeratose 89<br />
IEP 99<br />
Induced Fit“-Modell 97<br />
Inhibitor 15, 95, 110<br />
Insulin 85<br />
Internet 29<br />
Iodmangel 55<br />
Irreversibilität 3<br />
Isoelektrischer Punkt 99<br />
Kanalisierung 7<br />
Katabolismus 104<br />
Katalysator 94<br />
Keratin 88<br />
Knoten 25<br />
Kohlehydrate 34<br />
Kohlenhydrate 21<br />
Kohlgewächse 55<br />
Kompartimentierung 7<br />
kompetitive Hemmung 109<br />
kooperativer Effekt 84<br />
Kretinismus 55<br />
Kropf 52<br />
Kropferzeugende Stoffe 55<br />
L- Adrenalin 47<br />
L-Dopa 46<br />
Lineweaver-Burk-Plot 108<br />
logaritmische Empfindung 36<br />
LSD 64<br />
128
Makrosystem 9<br />
maximale Geschwindigkeit 107<br />
Melanin-Bildung 57<br />
Melatonin 63<br />
Merrifield-Synthese 67<br />
Mescalin 50<br />
Michaelis-Konstante 107<br />
Michaelis-Menten Gleichung 107<br />
Mikrosystem 9<br />
Mikrozustände 5<br />
molekulare Dynamik 97<br />
Monomer 78<br />
Myosin 89<br />
negative Rückkopplung 53<br />
Nervenreizleitung 48<br />
Netzwerk 25<br />
Neurotransmission 47<br />
Neurotransmitter 44<br />
nichtkompetitive Hemmung 109<br />
Nicotin 47<br />
Nukleinsäuren 34<br />
Oxytocin 76<br />
Parkinsonsche Krankheit 45<br />
Penicillin 70<br />
Pepsin 104<br />
Pepsinogen 105<br />
Peptid 66<br />
Peptidasen 103<br />
Peptidbindung 65, 66<br />
Peptide 34<br />
Phenol-Oxidasen 57<br />
Photosynthese 4<br />
Pigmentstoffwechsel 63<br />
Polypeptide 68<br />
Prä-Proinsulin 85<br />
Primärstruktur 68, 78, 80<br />
Proinsulin 85<br />
Protein 66, 78<br />
Proteine 34, 38<br />
Protein-Hormone 90<br />
Puffer 38<br />
Puffergleichung 39<br />
Quartärstruktur 78, 83<br />
Random-Netzwerk 25<br />
Reaktionen von Lebensprozessen 3<br />
Reaktionsabfolge 7<br />
Reaktionsenthalpie 3<br />
Reaktionsentropie 3<br />
Regelkreis 10, 12<br />
Regelung 10<br />
Regelungstechnik 11<br />
Regler 11, 49<br />
Regulierbarkeit 19<br />
Reizübertragung 51<br />
Reversibilität der Enzymwirkung 101<br />
Rezeptoren 36<br />
Chemie, 6sm<br />
Ribosomen 68<br />
Rizinuslipase 101<br />
Rückkopplungen 13<br />
Scale-free-Netzwerk 25<br />
Schilddrüse 19, 52<br />
Schilddrüsenhormone 52<br />
Schlüssel-Schloss"-Modell 97<br />
Schokolade 61<br />
Seitenkette 38<br />
Seitenketten 41<br />
Sekundärstruktur 68, 78, 80<br />
Selbstorganisation 5<br />
selbstorganisierende Systeme 4<br />
Sepiamelanin 59<br />
Sequenz 80<br />
Serotonin 61<br />
Simulation 13, 16, 23<br />
Spinnfaden 90<br />
Stabilität 30<br />
Stellsystem 11<br />
Stoffwechselkette 14<br />
Störgrösse 11<br />
STP 50<br />
Strukturproteine 87<br />
Substrat 97<br />
Süssstoff 69<br />
Synapse 48<br />
Synapsenbläschen 49<br />
T3 52<br />
T4 52<br />
Taurin 44<br />
Teilreaktionen 7<br />
Teilschritte 7<br />
Tertiärstruktur 78, 82, 83<br />
Thermodynamik 3<br />
Thyroid Stimulating Hormone 19<br />
Thyroid-Hormone 52<br />
Thyroxin 19<br />
Torsionswinkel 66<br />
Trypsin 98, 105<br />
Trypsinogen 105<br />
Tryptophan 61<br />
Turn 86<br />
Tyrosin 20, 42, 45<br />
Urease 93, 96, 102<br />
Vasopressin 76<br />
Verdauungsenzyme 103<br />
Vernetzung 10<br />
Vernetzung der Prozesse 10<br />
Waschmittel 105<br />
Wasserstoffperoxydspaltung 101<br />
Weber-Fechnersches Gesetz 36<br />
Wirkungsmaximum 99<br />
Zwitterionen 38<br />
Zymase 93<br />
129