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Biochemie

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Pädagogische Hochschule Chemie<br />

St. Gallen<br />

<strong>Biochemie</strong><br />

"Die Perfektion und das Gleichgewicht der von Jahrmillionen<br />

geschliffenen Natur sind ihre weiseste Lehre an den Menschen."<br />

Prof. Dr. Peter Bützer<br />

Altstätten, Dezember 2008<br />

(César Manrique, spanischer Architekt und Künstler)


Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 2<br />

Inhalt<br />

1 Energie und Reaktionsabläufe .........................................................................................3<br />

1.1 Energie .....................................................................................................................3<br />

1.2 Reaktionsablauf........................................................................................................7<br />

1.3 Mikro ist einfach ein kleines Makro?.........................................................................8<br />

1.4 Biochemische Prozesse als System.......................................................................10<br />

1.4.1 Der Regelkreis ................................................................................................10<br />

1.4.2 Der Regler ......................................................................................................12<br />

1.4.3 Regulation des Stoffwechsels.........................................................................14<br />

1.4.4 Steuerung durch Enzyme ...............................................................................14<br />

1.4.5 Endprodukthemmung .....................................................................................16<br />

1.4.6 Die Regulation des Grundumsatzes ...............................................................19<br />

1.4.7 Der biochemische Prozess der Blutzuckerregelung .......................................21<br />

1.5 Metabolismus als Netzwerk....................................................................................25<br />

1.5.1 Stabilität von Netzwerken ...............................................................................30<br />

1.5.2 Folgerungen für Massnahmen........................................................................32<br />

1.6 Stoffgruppen ...........................................................................................................34<br />

1.7 Empfindungen als biochemische Wirkungen..........................................................36<br />

2 Aminosäuren, Peptide, Proteine.....................................................................................38<br />

2.1 Aminosäuren ..........................................................................................................38<br />

2.1.1 Aufbau ............................................................................................................38<br />

2.1.2 Pufferwirkung..................................................................................................38<br />

2.1.3 Stereochemie der Aminosäuren (Chiralität)....................................................40<br />

2.1.4 Besonderheiten einiger AMCS .......................................................................41<br />

2.1.5 Stoffwechsel von Aminosäuren ......................................................................44<br />

2.1.6 Reaktionen von AMCS ...................................................................................65<br />

2.1.7 Polypeptide .....................................................................................................68<br />

2.1.8 Ein Süssstoff aus Aminosäuren......................................................................69<br />

2.1.9 Die chemischen Waffen der Natur..................................................................70<br />

2.1.10 Antibiotika .......................................................................................................70<br />

2.1.11 Unsere Abwehr von Mikroorganismen............................................................73<br />

2.1.12 Peptide als Gifte .............................................................................................74<br />

2.1.13 Peptide als Hormone ......................................................................................76<br />

2.2 Proteine (MM > 10’000 g/mol) ................................................................................78<br />

2.2.1 Strukturen bei Proteinen .................................................................................78<br />

2.2.2 Strukturen in der Literatur als Vergleich..........................................................79<br />

2.2.3 Primärstruktur .................................................................................................80<br />

2.2.4 Sekundärstruktur ............................................................................................80<br />

2.2.5 Tertiärstruktur .................................................................................................82<br />

2.2.6 Quartärstruktur................................................................................................83<br />

2.2.7 Beispiele .........................................................................................................85<br />

2.3 Enzyme...................................................................................................................92<br />

2.3.1 Entdeckung und Wesen der Enzyme .............................................................92<br />

2.3.2 Eigenschaften der Enzyme.............................................................................94<br />

2.3.3 Messung der Enzymaktivität...........................................................................97<br />

2.3.4 Umkehrbarkeit der Enzymwirkung................................................................101<br />

2.3.5 Klassifizierung der Enzyme ..........................................................................102<br />

2.3.6 Funktionen der Enzyme................................................................................103<br />

2.3.7 Ein Modell der Enzymwirkung ......................................................................106<br />

2.3.8 Hemmung von Enzymen ..............................................................................108<br />

3 Glossar: <strong>Biochemie</strong> ......................................................................................................115<br />

4. Stichwortverzeichnis.....................................................................................................128<br />

Titelbild: Stick and Ball Modell von Penicillin G mit den Elektronendichten als Hülle.<br />

Chemie, 6sm


Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 3<br />

1 Energie und Reaktionsabläufe<br />

<strong>Biochemie</strong> ist eine von Hoppe-Seyler 1877 geprägte Bezeichnung für das<br />

Grenzgebiet zwischen Chemie, Medizin und Biologie. Die <strong>Biochemie</strong> befasst sich mit<br />

dem Aufbau der Verbindungen und den Reaktionen von Lebensprozessen.<br />

1.1 Energie<br />

Energie, die treibende Kraft aller Reaktionen.<br />

Die für Arbeit verfügbare Energie einer chemischen Reaktion:<br />

G = H - TS; Gibbsche Energie<br />

G: Freie Reaktionsenthalpie, für Arbeit nutzbare Energie (J)<br />

H: Reaktionsenthalpie (heat) (J)<br />

T: Thermodynamische Temperatur (K)<br />

S: Reaktionsentropie (J/K))<br />

G = 0; „totes“, inaktives System (Eine Reaktion im Gleichgewicht kann keine Arbeit<br />

leisten).<br />

G = H - TS; zwei Extremfälle<br />

mechanisches System: H ist wichtig, S ist unwichtig<br />

Weltall: H ist unwichtig, S ist wichtig<br />

Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass es eine extensive<br />

Zustandsgrösse Entropie S gibt, die in einem abgeschlossenen System niemals<br />

abnimmt.<br />

Entropie (von griech.: entrepein = umkehren, Symbol S). Vom 2. Hauptsatz der<br />

Thermodynamik abgeleitete Zustandsfunktion, die nach Clausius ein Mass für den<br />

Ordnungszustand eines thermodynamischen Systems bzw. ein Mass für die<br />

Nichtumkehrbarkeit (Irreversibilität) eines Vorganges in einem abgeschlossenen<br />

System darstellt.<br />

Die Entropie kann auf zwei Arten zunehmen 1 :<br />

Durch Verteilen von Materie (z.B. beim Verdunsten)<br />

Durch Verteilen von Energie (z.B. wenn Wärme frei wird)<br />

Beispiele:<br />

Wenn die Energie bei endothermen Reaktionen konzentriert wird, muss sich die<br />

Materie stark verteilen (schmelzen von Eis, aufbrechen von Kristallgittern).<br />

Wenn die Materie, z.B. beim Kristallisieren konzentriert wird, muss sich dafür die<br />

Energie stark verteilen und die Reaktion muss exotherm sein.<br />

1 Koch K., Chemische Thermodynamik, Zentralkurs Chemie, Romanshorn, 2006<br />

Chemie, 6sm


Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 4<br />

Lebende Strukturen (selbstorganisierende Systeme Chaostheorie) bauen<br />

Ordnung auf (Gräser, Bäume, Tiere, Menschen), die Entropie nimmt dabei ab, dabei<br />

kann H>0 (endotherm) oder H


Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 5<br />

In unserem Beispiel der Mikrozustände wächst die Entropie durch ein immer<br />

grösseres, verfügbares Volumen damit entsteht eine immer grössere Unordnung.<br />

n<br />

n!<br />

Berechnung: <br />

m<br />

; Kombination von n Elementen zu je m, die sich nur<br />

m!(<br />

n m)!<br />

durch die Auswahl unterscheiden, bei denen es aber nicht auf die Reihenfolge<br />

ankommt.<br />

Entropie S: S = k ln(W);<br />

k ist die Gaskonstante pro Teilchen, also k = R/NA= 1,380658· 10 –23 J/K<br />

W: Zahl der Möglichkeiten zu einer bestimmten Situation zu gelangen (Anzahl<br />

Mikrozustände)<br />

R: allg. Gaskonstante R=8,31451 J mol -1 K -1<br />

NA: Avogadrokonstante NA = 6,022 x 10 23 mol -1<br />

In einem isolierten System (kein Austausch von Energie und Materie) kann die<br />

Ordnung gesamthaft niemals abnehmen. Das trifft nicht zu für ein geschlossenes<br />

(Austausch von Energie) oder gar ein offenes System (Austausch von Energie und<br />

Materie).<br />

Leben = Aufbau von Ordnung! (für die Organismen: S < 0, Selbstorganisation)<br />

Dafür braucht es Energie als G (Lösungen entmischen sich nie selbständig).<br />

Die Entropie kann in Organismen zu- und abnehmen Strukturen, Energiegewinnung).<br />

Beispiel 3 : Unsere Energiewährung ATP, Adenosin-5'-triphosphat<br />

Syntese ADP + P ATP durch die<br />

kleinen „Motoren“ ATP-Synthase<br />

(ca. 1000 Umdrehungen pro<br />

Sekunde!!! 4 )<br />

C6H12O6(s) + 6 O2(g) 6 CO2(g) +<br />

6 H2O(l); G° = -2870 kJ<br />

ADP + Pi ATP; G° = + 30,5<br />

kJ/mol<br />

HO<br />

O<br />

P O<br />

OH<br />

O<br />

P O<br />

OH<br />

O<br />

P O<br />

OH<br />

5'<br />

CH2<br />

O<br />

N<br />

N<br />

38 ADP + 38 Pi 38 ATP;<br />

G° = 38 x 30,5 kJ/mol = +1160 kJ;<br />

HO OH<br />

C6H12O6(s) + 6 O2 + 38 ADP(s) +<br />

38Pi(s) 6CO2(g) + 6 H2O(l) +<br />

38 ATP(s);<br />

Die Entropie nimmt gewaltig zu,<br />

weil aus Festkörpern Flüssigkeit<br />

und sogar Gas wird!<br />

(s g, gewaltige Änderung,<br />

S>>0 )<br />

Abbildung 2: ATP<br />

3<br />

Dickerson R.E., Geis I., Chemie – eine lebendige und anschauliche Einführung, Verlag Chemie,<br />

Weinheim, 1981, 309<br />

4<br />

Boyer Paul D., Walker John E., The Binding Change Mechanism (Nobelprize 1997),<br />

http://nobelprize.org/nobel_prizes/chemistry/laureates/1997/illpres/boyer_walker.html, 2007-<br />

04-25<br />

Chemie, 6sm<br />

NH2<br />

N<br />

N


Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 6<br />

Total: G° = -2870 + 1160 = -1710 kJ<br />

Vergleich mit der Alkoholgärung:<br />

C6H12O6(s) 2 C2H5OH(l) + 2 CO2(g); (stark<br />

vereinfachte Summengleichung)<br />

Gesamte Reaktion: H° = -82 kJ; S° = + 458 J/K<br />

(25°C) G° = H - TS<br />

= - 82 –298x458/1000<br />

= -82 – 136.5 = -218.5 kJ<br />

Der grösste Teil der treibenden Freien Energie ist<br />

bei der Alkoholgärung auf die Zunahme der<br />

Entropie, und nicht auf die Wärmeproduktion<br />

zurückzuführen!!<br />

Statt 38, werden nur 2 ATP-Moleküle synthetisiert.<br />

2 ADP + 2 Pi 2 ATP; G° = + 61 kJ<br />

Abbildung 3: Hefezelle 10’000x<br />

Bei den Hefezellen, einem Mikroorganismus, nimmt die Entropie ab, da sie mit der<br />

Energie der Gärung aufgebaut werden.<br />

Strategie:<br />

Die Lebewesen versuchen ein Maximum an Energie für ihren eigenen Stoffwechsel<br />

zu gewinnen.<br />

Chemie, 6sm


Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 7<br />

Reaktionsablauf<br />

Energie<br />

direkte<br />

chemische<br />

Umsetzung<br />

bichemische<br />

Umsetzungen<br />

Reaktionsablauf<br />

Zeit<br />

Biochemische Reaktionen teilen einen<br />

Reaktionsschritt in viele kleine Teilschritte<br />

auf (physiologische Energiefreisetzungen)<br />

Chemisch: A X<br />

Biochemisch: A B C D E X<br />

Energie<br />

Abbau<br />

Synthese<br />

Reaktionsablauf<br />

Zeit<br />

Biochemische Reaktionen setzen pro<br />

Reaktionsschritt nur kleine Energiemengen<br />

um (kleine Leistungen pro Volumen, wegen<br />

der empfindlichen Gewebe).<br />

Abbildung 4: Vergleich einer direkten chemischen Umsetzung mit dem entsprechenden<br />

biochemischen Prozess<br />

Viele Teilreaktionen verlangen, dass<br />

die richtigen Reaktionen einander folgen (Reaktionsabfolge),<br />

die Prozesse spezifisch sind (Spezifität),<br />

die Prozesse genügend rasch sind (Reaktionsgeschwindigkeit).<br />

Strategie der Natur<br />

- eine räumliche Strukturierung (Kompartimentierung, Kanalisierung) und<br />

- sehr spezifische und hochwirksame Katalysatoren (Enzyme).<br />

- Enzyme und Rezeptoren in Regelsystemen (Rückkopplungen).<br />

Enzym<br />

A<br />

Enzym<br />

B<br />

Enzym<br />

C<br />

Enzym<br />

D<br />

Enzym<br />

E<br />

Abbildung 5: Erzwungene Reaktionsabfolge mit lokal hohen Konzentrationen<br />

Die meisten Enzyme (Katalysatoren) sind membrangebunden oder in<br />

Kompartimenten eingeschlossen. Die Folge davon ist:<br />

Dadurch wird eine zwangsläufige Sequenz (Stoffwechsel) erreicht.<br />

Die Konzentrationen der Edukte sind bei jedem Enzym lokal sehr hoch.<br />

Die Gesamtreaktionen sind ausserordentlich spezifisch und sehr rasch.<br />

Chemie, 6sm


Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 8<br />

Die Temperaturen durch die schrittweise freiwerdende Energie relativ klein<br />

sind.<br />

Dass die kleinen Energieänderungen (ΔG) chemische Gleichgewichte<br />

ermöglichen.<br />

Diese Enzymketten für die Regelsysteme mit Endprodukthemmung<br />

besonders gut geeignet sind.<br />

Insgesamt wird erreicht, dass lokal keine sehr grossen Energien frei werden, die das<br />

empfindliche Gewebe und die Enzyme zerstören könnten, und anderseits, dass die<br />

Reaktionen auch bei relativ tiefen Temperaturen wegen der hohen Konzentrationen<br />

trotzdem noch "vernünftige" Geschwindigkeit aufweisen.<br />

Beispiel: Dies zeigt sich sehr gut bei der Atmung, wo ein Gleichgewicht zwischen<br />

Sauerstoffaufnahme und Kohlendioxidabgabe vorliegt, welches ohne grossen<br />

Energieaufwand verschoben werden kann (reversible Reaktion = umkehrbare<br />

Reaktion).<br />

Für Hämoglobin:<br />

Hb + O2 HbO2 Hb + O2<br />

Lunge Bluttransport Gewebe<br />

Spannend ist bei dieser Reaktion, dass das Eisen (Fe 2+ ) in der Häm-Guppe nicht<br />

irreversibel oxidiert wird!!<br />

Diese feine Steuerung der Reaktionen setzt ein konstantes Milieu (Ionenkonzentrationen,<br />

pH) voraus, welches im Meer recht gut verwirklicht ist. Bei der<br />

Entwicklung der Lebewesen, dem Schritt auf das Land, ist diese konstante<br />

Umgebung verloren gegangen.<br />

Ozean Flussänderungen Süsswasser Land<br />

Bei Landlebewesen mussten die inneren Organe diese Funktion übernommen<br />

werden, ein konstantes Milieu zu gewährleisten (Niere z. B.).<br />

1.2 Mikro ist einfach ein kleines Makro?<br />

Sind Zellen einfach kleine Kompartimente mit gleichen Prozessen, wie Reaktionen im<br />

Glaskolben? Ja und nein.<br />

1) Ja, denn die chemischen Reaktionen von Molekül/Ion zu Molekül/Ion laufen<br />

prinzipiell gleich ab.<br />

2) Nein, denn die chemischen Reaktionen laufen sicher unterschiedlich rasch<br />

und sind von der Umgebung viel stärker beeinflusst.<br />

Begründung:<br />

Der Schritt von der Makro- auf die Mikroebene verändert das Volumen zu<br />

Oberflächenverhältnis ganz entscheidend.<br />

Chemie, 6sm


Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 9<br />

Beispiel Würfel:<br />

Kantenlänge 10 cm = 100'000 μm 1 μm<br />

Oberfläche 6•10 10 μm 2 6 μm 2<br />

Volumen 10 15 μm 3 1 μm 3<br />

Oberfläche/Volumen-Verhältnis 6•10 -5 6<br />

Im Makrosystem „sieht“ ein Molekül<br />

die Oberfläche ausserordentlich viel<br />

seltener als im Mikrosystem. Anders<br />

ausgedrückt, im Mikrosystem spielt<br />

die Oberfläche des Kompartiments<br />

eine bedeutend grössere Rolle, als<br />

im Makrosystem. Das hat<br />

verschiedene Folgen für kleine<br />

Systeme, wie die Zelle.<br />

1) Die Chemie der Oberflächenwand (Grenzflächenchemie) wird entscheidend<br />

Die Reaktivität der Ecken und Kanten steigt enorm an.<br />

2) Die Temperaturübertragung von der Reaktionslösung auf die Wand ist sehr<br />

effizient.<br />

3) Moleküle treffen sich alleine auf Grund der Diffusion sehr rasch (siehe: Die<br />

Synapse, eine chemische Schaltstelle).<br />

4) Die Kompartimentierung eines Gewebes in viele kleine Zellen führt hoher<br />

Spezifität, zu hohen Konzentrationen, kurzen Distanzen und in der Zelle und<br />

damit zu hohen Geschwindigkeiten Diffusion!<br />

Somit muss man davon ausgehen, dass die sich Reaktionsgeschwindigkeiten von<br />

Makro- und Mikrosystemen erheblich unterscheiden.<br />

Viele kleine Mikrosysteme, also ein Zellverband, unterscheiden sich ganz<br />

entscheidend von einem Reaktionssystem ohne Kompartimentierung in<br />

Reaktionsgeschwindigkeit und dem energetischen Verhalten 5 .<br />

Strategie der Natur<br />

Die Lebewesen können die Reaktionsgeschwindigkeiten und die Selektivität durch<br />

Kompartimentierung und mit Mikrostrukturen gewaltig erhöhen.<br />

Ein qualitativer Sprung von Gross zu Klein:<br />

Klein ist oft nicht bloss eine Verkleinerung von Grossem. Die Kapillarkräfte sind nur<br />

dort von Bedeutung, wo kleine Kanäle auftreten. Ein Stück Tuch mit naheliegenden<br />

Fasern kann Flüssigkeiten und gelöste Stoffe entgegen der Schwerkraft aufsteigen<br />

lassen – das können Strukturen mit grossen Zwischenräumen nicht.<br />

5 O’Discoll C., Small is bountiful, Chemistry World, January 2004, p.26<br />

Chemie, 6sm


Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 10<br />

Biochemische Prozesse als System<br />

Biochemische Prozesse zeichnen sich durch eine grosse Vernetzung der Prozesse<br />

(Komplexität) aus.<br />

Überall, wo es auf die genaue Einhaltung von Gleichgewichten (Homöostase) und<br />

Reaktionsbedingungen ankommt, ist es erforderlich den Prozess zu verfolgen,<br />

Abweichungen von einem geforderten Verhalten zu registrieren und in geeigneter Art<br />

und Weise auf diese Abweichungen zu reagieren, so dass sich der geforderte<br />

Zustand wieder einstellt. Zur Regelung müssen Signale gemessen werden, die das<br />

Systemverhalten beschreiben bzw. die Informationen über die herrschenden<br />

Zustände liefern (z.B. Konzentration, Wirkung, Temperatur, Druck, ...). Der Vergleich<br />

des aktuellen mit dem angestrebten Zustand, sowie die notwendigen Eingriffe<br />

können entweder von der Natur selbst, dem Menschen oder Geräten vorgenommen<br />

werden. In allen Fällen spricht man von Regelung.<br />

Regelung ist gekennzeichnet durch die drei Schritte: Messen - Vergleichen –<br />

Stellen.<br />

1.2.1 Der Regelkreis<br />

Ein Regelkreis dient dazu, eine vorgegebene Grösse (Regelgrösse x, z.B. eine<br />

bestimmte Konzentration, ein gewisses Potential etc.) auf einen gewünschten Wert<br />

(Sollwert w) zu bringen und dort zu halten.<br />

Störgrösse (z)<br />

(Wirkstoff)<br />

Stellsystem<br />

Synthese<br />

Stellgrösse<br />

(y)<br />

Steuergrösse<br />

(u)<br />

Abbildung 6: Prinzip eines Regelkreises<br />

Regelstrecke<br />

Wirkungsort<br />

Regler<br />

Soll-/Istvergleich<br />

Regelgrösse (x)<br />

(Konzentration)<br />

Messwert<br />

(m)<br />

Messsystem<br />

Sensor<br />

Sollwert (w)<br />

Um die gestellte Aufgabe zu erfüllen (x=w), muss der Wert der Regelgrösse (x) - die<br />

Istgrösse (Istwert) - gemessen werden Messwert (m). Dies geschieht durch<br />

einen Sensor (in der Technik: Messeinrichtung). Dieser wird mit einem Sollwert (w)<br />

verglichen. Tritt zwischen Soll- und Istwert der Regelgrösse eine Differenz auf (xw,<br />

Sollwertabweichung (e)), so muss dieser durch eine entsprechende Einflussnahme<br />

auf die Anlage entgegengewirkt werden. Die Grösse, die zu diesem Zweck geändert<br />

Chemie, 6sm


Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 11<br />

werden muss, heisst Stellgrösse (y) und kann eine beliebige physikalische oder<br />

chemische Grösse sein. Sie muss lediglich die Bedingung erfüllen, dass eine<br />

Änderung der Stellgrösse eine Änderung der Regelgrösse (x) nach sich ziehen<br />

muss. Der Regelkreis hat nun die Aufgabe die Abweichung zu verringern bzw. ganz<br />

zu beseitigen (Homöostase: die Natur versucht das alte Gleichgewicht wieder zu<br />

finden). Das entsprechende Glied im Regelkreis, wird als Stellsystem bezeichnet<br />

(also der Ort, der die Synthese steuert, z.B. DNA, Proteinsynthese, Hormonsynthese<br />

etc). Das Stellsystem besteht aus dem Stellantrieb und dem Stellglied.<br />

Ein Regelvorgang wird entweder durch Änderung der Sollgrösse (z.B. Krankheit)<br />

oder durch Auftreten einer Störung ausgelöst. Eine Störung kann z.B. eine<br />

plötzliche Änderung der Konzentration, der Umgebungstemperatur oder eines<br />

Volumenstromes sein. Die Grösse, welche die Störung verursacht, wird als<br />

Störgrösse (z) bezeichnet. Jede Änderung der Störgrösse bewirkt eine Änderung<br />

des Istwertes der Regelgrösse. Würde sich die Störgrösse nicht ändern und wäre<br />

keine Änderung des Sollwertes erwünscht, so würde ein einmal in den Sollzustand<br />

gebrachtes System in diesem Zustand verharren. Es wäre keine weitere Änderung<br />

notwendig.<br />

Ein Glied, das den Vergleich zwischen Ist- und Sollwert durchführt und letztendlich<br />

den Wert für das Stellsystem (Steuergrösse u=u(t)) vorgibt, wird als Regler<br />

bezeichnet.<br />

Beispiel: Temperaturregulation des Körpers<br />

Führungsgrösse: Körpertemperatur ca. 37°C (36.4 – 37.2 °C)<br />

Fühler, Regler, Stellglied: Hypothalamus (Thermostat der Körpertemperatur)<br />

Regelgrösse: Stoffwechsel<br />

Störgrösse: Körperliche Aktivität, Bekleidung, Umgebungstemperatur,<br />

Entzündungen<br />

Schematische Darstellung<br />

Ein vereinfachtes Blockschaltbild eines Regelkreises, wie es oft in der<br />

Regelungstechnik verwendet wird, ist in Abb. 2 dargestellt.<br />

w<br />

e<br />

Regler<br />

Abbildung 7: Schematische Darstellung eines Regelkreises<br />

Chemie, 6sm<br />

y<br />

Regelstrecke<br />

Wirkungsort<br />

x<br />

x<br />

z


Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 12<br />

Stellgrösse Regelgrösse<br />

Abbildung 8: Prinzip eines Regelsystems<br />

Rückkopplung<br />

Führungsgrösse<br />

Sollgrösse<br />

Regelsysteme:<br />

Alle chemischen und biochemischen Prozesse können mit Regelsystemen und<br />

Regelkreisen beschrieben werden (positive/negative Rückkopplungen,<br />

Gleichgewichte) Systemdynamik<br />

1.2.2 Der Regler<br />

Ein Regler verändert das zeitliche Verhalten der Sollwertabweichung e(t) in<br />

geeigneter Weise derart, dass der Regelkreis insgesamt das geforderte Verhalten<br />

zeigt. Der Regler beginnt an der Messstelle und endet am Stellsystem. Damit gehört<br />

die Vergleichsstelle, welche die Differenz zwischen Ist- und Sollwert bildet (w-x),<br />

sowie der Antrieb des Stellgliedes ebenfalls zum Regler.<br />

Ein Regelkreis besteht aus den beiden Hauptteilen Regelstrecke und Regler.<br />

Die Regelstrecke<br />

Die Regelstrecke ist der Teil der Anlage, der vom Regler beeinflusst wird (z.B. die<br />

Neurotransmitter-, Hormon- oder Proteinsynthese). Die Regelstrecke beginnt am<br />

Stellort (die Stelle, an der das Stellglied in die Wirkungskette einwirkt) und endet am<br />

Messort (die Stelle, an der die Regelgrösse gemessen wird). Das Stellglied (in der<br />

<strong>Biochemie</strong> die Substanzproduktion) zählt zur Regelstrecke.<br />

Regelstrecken werden nach ihrem Zeitverhalten beurteilt – wie rasch reagiert das<br />

System. Um die Kenngrössen einer Regelstrecke zu bestimmen (Verstärkungsfaktor,<br />

Zeitkonstanten), wird das betrachtete System mit einem definierten Eingangssignal<br />

(y=y(t), z.B. einmalige Zufuhr einer Dosis) beaufschlagt und das Ausgangssignal als<br />

Funktion der Zeit aufgenommen (Sprungantwort, zeitlicher Verlauf des Effekts).<br />

Chemie, 6sm


Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 13<br />

Simulation<br />

Regler<br />

k Steuergrösse<br />

Istwert<br />

Sollwert<br />

Simulationsmodell<br />

k=0.1, Istwert =0, Sollwert =2<br />

Regler: k * (Sollwert- Istwert)<br />

Abbildung 9: Simulation eines einfachen Reglers<br />

Beispiele für Rückkopplungen<br />

Exotherme Reaktion<br />

Reaktions-<br />

Geschwindigkeit<br />

steigt<br />

2<br />

1.5<br />

1<br />

0.5<br />

0<br />

Istwert<br />

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />

Time (Second)<br />

Istwert : Current mmol<br />

Zeitdiagramm: Abszisse: Zeit, Ordinate: Istwert<br />

Der Istwert strebt einem Gleichgewicht zu negative Rückkopplung<br />

Stabilisierung<br />

Temperatur<br />

wird höher<br />

Positive Rückkopplung<br />

Abszisse: Zeit<br />

Ordinate: Temperatur<br />

Positive Rückkopplungen treten bei<br />

allen exothermen Reaktionen auf.<br />

Diese Rückkopplung zeigt ein<br />

exponentielles Verhalten (exponentieller<br />

Anstieg).<br />

Algen bilden<br />

wenig DMS<br />

wenig<br />

Sonnenlicht<br />

Zunahme der<br />

Wolkenbildung<br />

wenig Keime<br />

für Wolkenbildung<br />

Abbildung 10: Beispiele positiver und negativer Rückkopplung<br />

Chemie, 6sm<br />

DMS: CH3-S-CH3<br />

Abnahme der<br />

Wolkenbildung<br />

viel<br />

Sonnenlicht<br />

viel Keime<br />

für Wolkenbildung<br />

Negative Rückkopplung<br />

Algen bilden<br />

viel DMS<br />

Wolkenbildung durch DMS (Dimethylsulfid, von<br />

Algen mit Sonnenlicht produziert) nach James<br />

Lovelock.<br />

Negative Rückkopplungen führen zu stabilen Systemen.<br />

Diese Art der Rückkopplung strebt einem<br />

Gleichgewichtszustand zu (siehe oben).


Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 14<br />

1.2.3 Regulation des Stoffwechsels<br />

-<br />

E1 E2<br />

E3 E4<br />

A B C D E<br />

Stoffwechselkette: A E1 B E2 C E3 D E4 E<br />

Wichtig: Substrat und Enzym sind in einem dynamischen Gleichgewicht.<br />

Aus dem Ausgangsstoff A wird über drei Zwischenprodukte B, C und D das<br />

Endprodukt E synthetisiert. Man nennt das eine sogenannte Stoffwechselkette, die<br />

hier von vier Enzymen E1, E2, E3 und E4 katalysiert wird. Da sich das Endprodukt E in<br />

seiner Struktur erheblich vom Ausgangsstoff A unterscheidet, sind mehrere Enzyme<br />

und mehrere Zwischenschritte für die Synthese von E notwendig sind. Wenn nun<br />

genug Endprodukt E hergestellt ist, sollte die Zelle dessen Herstellung einstellen.<br />

Erstens könnte eine zu hohe Konzentration des Endproduktes E für die Zelle<br />

schädlich sein, zweitens verbraucht die Synthese Energie und Rohstoffe, die man an<br />

anderer Stelle sinnvoller nutzen könnte. Wie lässt sich eine Stoffwechselkette<br />

regeln? Ganz einfach könnte das letzte Enzym E4 gehemmt werden, dann würde<br />

kein Endprodukt mehr gebildet. Der Nachteil dieses Verfahrens wäre, dass weiterhin<br />

A abgebaut wird und die Zwischenprodukte B, C und D entstehen. Da D nicht mehr<br />

weiterverarbeitet wird, käme es in kurzer Zeit zu einer Anhäufung von D mit<br />

möglicherweise negativen Folgen für die Zelle. Zudem würde weiterhin der<br />

Ausgangsstoff (A) und Energie verbraucht. Eine viel günstigere Stelle, an der die<br />

Stoffwechselkette beeinflusst werden kann, ist das erste Enzym der Kette, E1. Wenn<br />

E1 gehemmt wird, wird A nicht mehr umgesetzt, und sowohl die Zwischenprodukte B,<br />

C, D wie das Endprodukt E werden nicht mehr gebildet. Es werden keine Edukte und<br />

keine Energie mehr umgesetzt, und die Zwischenprodukte akkumulieren sich in der<br />

Zelle nicht.<br />

1.2.4 Steuerung durch Enzyme<br />

Wie kann das erste Enzym gehemmt werden? So zum Beispiel: Die Hemmung soll<br />

dann eintreten, wenn die Endproduktkonzentration E einen bestimmten Wert erreicht<br />

hat. Warum wird aber E1 nicht auch durch eines der Zwischenprodukte B, C, oder D<br />

gehemmt? Möglich wäre das schon, aber die Konzentration der Zwischenprodukte B,<br />

C und D im Zellplasma ist sehr gering. Sobald das Enzym E1 wenig B synthetisiert<br />

hat, wird das Zwischenprodukt vom nächsten Enzym E2 sofort zu C umgesetzt. Es<br />

kommt somit nicht zu einer Akkumulation von B. Das gleiche trifft für das<br />

Zwischenprodukt C zu. Sobald die Konzentration von C genügend gross ist, werden<br />

die Moleküle C durch das Enzym E3 zu D umgebaut. Und weiter, wenn die<br />

Konzentration von D einen bestimmten Wert erreicht hat, steigt sie auch nicht mehr<br />

weiter an, denn jetzt wandelt das letzte Enzym der Stoffwechselkette D zum<br />

Endprodukt E um. Erst das Endprodukt E wird nicht weiterverarbeitet (sonst wäre es<br />

ja kein Endprodukt). E kann sich daher in der Zelle anhäufen. Also ist es sinnvoll,<br />

dass das Schlüsselenzym E1 vom Endprodukt mit einer negativen Rückkopplung<br />

gehemmt wird!<br />

Chemie, 6sm


Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 15<br />

Wie kann das Enzym E1 durch das Endprodukt E gehemmt werden? Wenn das<br />

Endprodukt E ähnlich aufgebaut ist wie der Ausgangsstoff A, dann könnte eine<br />

sogenannte kompetitive Hemmung stattfinden: Das Endprodukt E setzt sich in das<br />

aktive Zentrum des Enzyms E1, kann aber nicht weiter verarbeitet werden. Je höher<br />

die Endprodukt-Konzentration E, desto häufiger sind die E1-Moleküle blockiert, und<br />

desto unwahrscheinlicher ist es, dass ein Molekül A umgesetzt werden kann. Dieser<br />

einleuchtende Mechanismus hat eine wichtige Voraussetzung: Der Hemmstoff E<br />

muss dem eigentlichen Substrat A sehr ähnlich sein. Bei der Stoffwechselkette mit<br />

den vier Enzymen dürfte dies allerdings sehr unwahrscheinlich zutreffen. Das<br />

Substrat A wird ja viermal umgebaut, durch die Enzyme E1, E2, E3 und E4. Das<br />

Endprodukt E wird dem Ausgangstoff A molekular sehr wenig ähnlich sein, sondern<br />

dürfte eine wesentlich andere Struktur zeigen. Eine kompetitive Hemmung durch<br />

einen substratähnlichen Stoff ist also als Mechanismus für die Endprodukthemmung<br />

wenig wahrscheinlich, weil das Endprodukt E eine von Substrat A sehr verschiedene<br />

Struktur hat.<br />

Enzyme können in unterschiedlichen Konformationen vorkommen. Nur in einem der<br />

möglichen Zustände passt das Substrat A in das aktive Zentrum und kann zum<br />

Produkt umgesetzt werden. Der andere allosterische Zustand des Enzyms hat ein<br />

verformtes aktives Zentrum, welches das Substrat nicht aufnehmen kann: dieser<br />

Zustand ist somit inaktiv. Eine hohe Konzentration von Endprodukt E führt dazu, dass<br />

das Enzym E1 lange in der inaktiven Konformation verweilt, eine kleine<br />

Endproduktkonzentration führt zu einer kurzen inaktiven Zeit (Geschwindigkeit der<br />

Gleichgewichtseinstellung). Wenn die Endproduktkonzentration niedrig ist, liegt das<br />

Enzymmolekül hauptsächlich in der aktiven Konformation vor, damit kann viel<br />

Endprodukt synthetisiert werden.<br />

Neben dem aktiven Zentrum hat ein sogenanntes allosterisches Enzym ein zweites<br />

reaktives Zentrum, das allosterische Zentrum. Dieses kann von einem Effektor<br />

besetzt werden (Schlüssel-Schloss-Prinzip). Bei der Endprodukthemmung übernimmt<br />

ein Endproduktmolekül E die Rolle des Effektors, genauer, die Rolle eines Inhibitors<br />

(Hemmstoffs).<br />

Mit Substrat: A E1 B ;<br />

Mit Inhibitor: E E1 B (E ist hier Inhibitor)<br />

Wichtig: Inhibitor und Enzym sind ebenfalls in einem dynamischen Gleichgewicht.<br />

Befindet sich ein Inhibitor (hier E) im allosterischen Zentrum, so liegt das Enzym in<br />

der inaktiven Konformation vor– allosterische Hemmung. Erst wenn der Inhibitor E<br />

das allosterische Zentrum wieder verlässt, kann das Enzym in die aktive<br />

Konformation "zurückklappen" und wieder ein Substrat A umsetzen (allosterisches<br />

Enzym).<br />

Chemie, 6sm


Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 16<br />

1.2.5 Endprodukthemmung<br />

Modell:<br />

-<br />

E1 E2<br />

E3 E4<br />

A B C D E<br />

Abbildung 11: Endprodukthemmung, Wirkungsdiagramm<br />

Das Endprodukt E blockiert das Enzym E1. Je höher die Konzentration des<br />

Endproduktes E ist, desto grösser ist auch der Anteil der inaktiven Enzymmoleküle<br />

E2 bis E4, und desto niedriger wird die Produktion von E.<br />

Wenn die Endproduktkonzentration wieder sinkt (z.B. weil das Endprodukt E von<br />

einer anderen Stoffwechselkette umgesetzt wird), so erhöht sich der Anteil der<br />

aktiven Enzymmoleküle, und es wird wieder Endprodukt E hergestellt. Das erneut so<br />

lange, bis wieder eine hohe Konzentration erreicht ist.<br />

Simulation einer Stoffwechselkette<br />

Mit einer Simulation kann gezeigt werden, wie diese Regelung der Endprodukthemmung<br />

als dynamischer Prozess abläuft.<br />

rg01<br />

k12 k21 k22<br />

k23<br />

S1 ES1 S2<br />

ES2<br />

rg12 rg22<br />

rg23<br />

kr<br />

Ef1 Eg1 Ef2 Eg2<br />

rge12<br />

rge23<br />

Abbildung 12: Endprodukthemmung, Simulationsdiagramm 6<br />

6 Software: Programm Vensim ® PLE, Ventana Systems, Inc.<br />

Chemie, 6sm<br />

k32<br />

k33<br />

rg33<br />

k34<br />

S3<br />

rg34


Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen<br />

0.002<br />

0.0015<br />

0.001<br />

0.0005<br />

0<br />

Chemie, 6sm<br />

S3<br />

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />

Time (Second)<br />

S3 : Current mmol<br />

Abbildung 13: Zeitdiagramm: Endprodukthemmung, Zeitdiagramm und Parameter<br />

Charakteristisch für diese Enzymketten ist der verzögerte Start der Reaktion, der bei<br />

der Gärung mit Hefe sehr gut beobachtet werden kann.<br />

Bei dieser Simulation kann die bei der Gärung gemessene Verzögerung erst mit<br />

minimal 7 „Enzymen“ erreicht werden (man vermutet bei der Gärung 12 Reaktionen).<br />

Gleichungen<br />

(01) Ef1= INTEG ( -rge12, 0.01)<br />

Units: mmol [0,?]<br />

Enzym frei<br />

(02) Ef2= INTEG ( -rge23, 0.01)<br />

Units: mmol [0,?]<br />

Enzym frei<br />

(03) Eg1= INTEG (rge12, 0)<br />

Units: mmol [0,?]<br />

Enzym gebunden (Enzym-Substrat-Komplex)<br />

(04) Eg2= INTEG (rge23, 0)<br />

Units: mmol [0,?]<br />

Enzym gebunden (Enzym-Substrat-Komplex)<br />

(05) ES1= INTEG (rg12-rg22, 0.01)<br />

Units: mmol [0,?]<br />

s2: Substratmenge; in einem vorgegebenen Volumen entspricht das<br />

einer Konzentration; ES: Substrat gebunden im<br />

Enzym-Substrat-Komplex<br />

(06) ES2= INTEG (rg23-rg33, 0.01)<br />

Units: mmol [0,?]<br />

s3: Substratmenge; in einem vorgegebenen Volumen entspricht das<br />

einer Konzentration; ES: Substrat gebunden im<br />

Enzym-Substrat-Komplex<br />

(07) FINAL TIME = 100<br />

Units: Second<br />

17


Peter Bützer Pädagogische Hochschule St.Gallen 18<br />

The final time for the simulation.<br />

(08) INITIAL TIME = 0<br />

Units: Second<br />

The initial time for the simulation.<br />

(09) k12= 1<br />

Units: 1/(Second*mmol) [0,1]<br />

(10) k21= 0.1<br />

Units: 1/Second [0,1]<br />

(11) k22= 1<br />

Units: 1/Second [0,1]<br />

(12) k23= 1<br />

Units: 1/(mmol*Second) [0,5]<br />

(13) k32= 0.1<br />

Units: 1/Second [0,1]<br />

(14) k33= 0.1<br />

Units: 1/Second [0,1]<br />

(15) k34= 0.5<br />

Units: 1/Second [0,?]<br />

(16) kr= 100<br />

Units: 1/(mmol*Second) [0,1000]<br />

Rükkopplungskonstante<br />

(17) rg01= 1<br />

Units: mmol/Second [0,10]<br />

rasche Zufuhr --> rgo1=1 --> das Gleichgewicht wird von unten<br />

erreicht; langsame Zufuhr --> rg01=0.05 --> das Gleichgewicht<br />

wird von unten erreicht<br />

(18) rg12= k12*S1*Ef1-k21*ES1-kr*ES2*Ef1<br />

Units: mmol/Second<br />

Es ist eine Gleichgewichtsreaktion; Annahme: Jedes Molekül s3<br />

blockiert ein Molekül s1; die wirksame Konzentration ist dann<br />

nur noch (s1-s3)<br />

(19) rg22= k22*ES1<br />

Units: mmol/Second [0,?]<br />

(20) rg23= k23*S2*Ef2-k32*ES2<br />

Units: mmol/Second<br />

Es ist eine Gleichgewichtsreaktion<br />

(21) rg33= IF THEN ELSE( ES2>0.001 , k33*ES2 , 0)<br />

Units: mmol/Second [0,1]<br />

Die Elimination erfordert eine minimale Konzentration, unterhalb<br />

dieser Konzentration findet keine Ausscheidung statt<br />

(22) rg34= k34*S3<br />

Units: mmol/Second [0,?]<br />

(23) rge12= k12*Ef1*S1-(k21+k22)*Eg1<br />

Units: mmol/Second [0,?]<br />

(24) rge23= k23*S2*Ef2-(k32+k33)*Eg2<br />

Units: mmol/Second [0,?]<br />

(25) S1= INTEG ( rg01-rg12, 1)<br />

Units: mmol<br />

s1: Substratmenge; in einem vorgegebenen Volumen entspricht das<br />

einer Konzentration<br />

(26) S2= INTEG ( rg22-rg23, 0)<br />

Units: mmol [0,?]<br />

(27) S3= INTEG (rg33-rg34, 0)<br />

Units: mmol [0,?]<br />

(28) SAVEPER = TIME STEP<br />

Units: Second [0,?]<br />

The frequency with which output is stored.<br />

(29) TIME STEP = 0.01<br />

Units: Second [0,?]<br />

The time step for the simulation.<br />

Chemie, 6sm


Vergleich der Simulation mit Messdaten des zeitlichen Verlaufs der Ethanolmenge bei<br />

Gärung mit Hefe<br />

Hefezellen/0.004 Mikroliter<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

0 50 100 150<br />

Zeit (s)<br />

Abbildung 14: Vergleich von Messung 7 und Simulation<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Ethanol mg/ml<br />

Hefe<br />

Ethanol<br />

Die Regulierbarkeit des Stoffwechsels durch Enzyme spielt eine mindestens<br />

ebenso wichtige Rolle wie ihre katalytische Aktivität.<br />

Die Regulierbarkeit bestimmt z.B., welcher von zwei alternativen Stoffwechselwegen in<br />

einer gegebenen Situation eingeschlagen wird.<br />

Die Reversibilität der Vorgänge garantiert, dass eine Anpassung zu jedem Zeitpunkt<br />

möglich ist und sich die Zelle auf Änderungen im Substrat- und Produktangebot mit<br />

kleinem Zeitverzug einstellen kann. Es ist leicht erkennbar, dass es sich hierbei um<br />

äusserst wirtschaftliche und effizient arbeitende Mechanismen handelt.<br />

1.2.6 Die Regulation des Grundumsatzes<br />

Iod, aufgenommen als Iodid I - wird in unserem Körper in der Schilddrüse in das Molekül<br />

Thyroxin eingebaut. Dieses Hormon ist ganz entscheidend für die Geschwindigkeit des<br />

Stoffwechsels. Das TSH (Thyroid Stimulating Hormone) regelt über die Schilddrüsenhormon-Konzentration<br />

den Einbau von Iod in Thyroxin (und auch T3). Die TSH-<br />

Produktion in der Hypophyse sinkt bei steigender Schilddrüsenhormon-Konzentration<br />

im Blut. Damit stellt sich mit Hilfe dieses negativen Rückkopplungsprozesses die<br />

bedarfsgerechte Hormonproduktion ein 8 .<br />

7<br />

Krebs, Ch.J.: Ecology; The experimental analysis of distribution and abundance, New York 1972<br />

(1.Auflage) und 1984 (3.Auflage), S.217<br />

8<br />

Lüllmann H., Mohr K., Ziegler A., Taschenatlas der Pharmakologie, Georg Thieme Verlag,<br />

Stuttgart/New York, 1994, 238


Iodidaufnahme<br />

Schilddrüse<br />

Thyroxin<br />

Rückkopplung<br />

Konzentration<br />

Grundumsatz<br />

Abbildung 15: Schilddrüse, Unterfunktion: Kretinismus, Überfunktion: Basedowsche Krankheit<br />

(siehe Stoffwechsel von Tyrosin); Regelkreis<br />

Dieses Beispiel ist nur ein einfachster Regler in einem sehr grossen (komplizierten) und<br />

sehr vernetzen (komplexen) biochemischen Stoffwechsel. Durch die Grösse und die<br />

Vernetzung werden Gleichgewichte erreicht (Homöostase), welche bei vielen<br />

Krankheiten gestört sind. Paracelsus 9 hat mehrere Arbeiten verfasst, in welchen er eine<br />

dynamische und dynamistische Schau der Welt zeigte. Die Krankheit ist nach dieser<br />

Ansicht nicht in der Materie, besteht nicht in zu viel oder zu wenig an Materie 10 : „Sie ist<br />

mit den Kräften verknüpft, die nach einer vorgegebenen Anordnung zusammen den<br />

menschlichen Organismus bilden, dessen Gleichgewicht in vielförmiger und<br />

charakteristischer Weise gestört werden kann.“ Das angesprochene Gleichgewicht<br />

(Homöostase) ist wohl der wichtigste Teil der Aussagen von Paracelsus, ein<br />

dynamisches Gleichgewicht, das von vielen Faktoren beeinflusst und dauernd in<br />

Veränderung ist.<br />

Kälte<br />

- negative Rückkopplung<br />

+ positive Rückkopplung<br />

Steigerung<br />

des<br />

Grundumsatzes<br />

Blutstrom<br />

Blutstrom<br />

+<br />

Hypothalamus<br />

TRH<br />

Hypophyse<br />

TSH<br />

+<br />

+<br />

+ + + +<br />

Schilddrüse<br />

Thyroxin<br />

Zielzellen<br />

Einfluss der Kälte auf den Stoffumsatz<br />

des Körpers<br />

Abbildung 16: Regulation des Grundumsatzes<br />

-<br />

-<br />

Orte der Wirkstoffproduktion (Drüsen und<br />

Wirkstoffe, Hormone)<br />

9 Theophrastus Bombastus von Hohenheim-Arzt, Astrologe, Theologe, geb.10. November 1493 in<br />

Einsiedeln (Schweiz) gest. 24. September 1541 in Salzburg<br />

10 Braun L., Paracelsus, SV international/Schweizer Verlagshaus, Zürich, 1990, 126<br />

Chemie, 6sm<br />

20


1.2.7 Der biochemische Prozess der Blutzuckerregelung<br />

Beispiel: Aufnahme von Kohlenhydraten aus der Nahrung.<br />

STH<br />

Somatotropin<br />

Protein<br />

Glucocorticoide<br />

Leberglycogen<br />

Insulin<br />

Glucagon<br />

Adrenalin<br />

Kohlenhydrate<br />

in der Nahrung<br />

Blutzucker<br />

Fett<br />

Insulin<br />

Adrenalin<br />

Thyroxin, T4<br />

T3<br />

Muskelglycogen<br />

Kohlendioxid<br />

+<br />

Wasser<br />

Abbildung 17: Stark vereinfachtes Schema des KH-Stoffwechsels mit einigen in diesen Unterlagen<br />

behandelten Substanzen.<br />

Somatotropin, STH: somatotropes Hormon, Wachstumshormon (human growth<br />

hormone, HGH) aus 191 AMCS ( Doping).<br />

Glukokortikoide: Nebennierenrindenhormone, Steroidhormone, die den<br />

Kohlehydratstoffwechsel steuern.<br />

Glykogen: Reservekohlehydrat, lange Ketten aus Glukoseresten MG 1 Mio. bis<br />

16 Mio. g/mol.<br />

Adrenalin: Neurotransmitter und Hormon des KH- Stoffwechsels<br />

Glukagon: Hormon, welches Glucose für die Insulinwirkung mobilisiert besteht<br />

aus 29 AMCS, wird in den Langerhansschen Inseln des Pankreas<br />

synthetisiert und durch Glucose freigesetzt.<br />

Insulin: Polypeptidhormon aus 81 AMCS, beeinflusst den Stoffwechsel von<br />

Leber, Fettgewebe und Muskulatur, wird in den Langerhansschen Inseln<br />

des Pankreas produziert ( Doping).<br />

Thyroxin: Für Wachstum, Entwicklung und Stoffwechsel unentbehrliches<br />

Schilddrüsenhormon.<br />

Ein noch viel stärker vereinfachtes Schema der Enzym-Regelung mit den Hormonen<br />

Insulin und Glucagon ist im Folgenden dargestellt und diskutiert:<br />

Chemie, 6sm<br />

21


Fr eiset zun g<br />

vo n In sulin<br />

Pankreas<br />

-Zellen<br />

Leb er b aut Glyco gen<br />

ab und set zt<br />

Gluco se f r ei<br />

Insulin Körperzellen nehmen Muskelzelle<br />

mehr Glucose auf<br />

Beta-Zellen<br />

w erden<br />

st im uliert<br />

Leb er sp eich er t<br />

Gluco se als<br />

Glyco gen<br />

-<br />

Leber<br />

Leber<br />

hoch<br />

Homöostase<br />

Blutzucker-<br />

Konzent r at ion<br />

tief<br />

Glucagon<br />

-<br />

Blut zucker sp iegel<br />

sin kt<br />

-Zellen<br />

w er d en st im ulier t<br />

Pankreas<br />

-Zellen<br />

Fr eiset zun g<br />

vo n Glucago n<br />

Abbildung 18: Die Gegenspieler im Kohlenhydratstoffwechsel: Insulin und Glucagon<br />

Für die Regelung des Blutzuckergehaltes sind im Wesentlichen 2 Regelkreise<br />

verantwortlich:<br />

1) Regelkreis, der bei hoher Konzentration die Blutzuckerkonzentration verringert<br />

(mit Insulin) negative Rückkopplung<br />

2) Regelkreis, der die bei tiefer Konzentration die Blutzuckerkonzentration erhöht<br />

(mit Glucagon) negative Rückkopplung<br />

Beide Regler versuchen zusammen im Wechselspiel, die Blutzuckerkonzentration bei<br />

einem optimalen Wert zu halten, und das auch bei unregelmässiger Zuckerzufuhr<br />

(Nahrung) und variablem Zuckerverbrauch (Leistung).<br />

Alleine das Weiterleiten des Insulinsignals ist noch viel komplexer und ist selbst dann<br />

noch stark vereinfacht, nicht vollständig 11 :<br />

11 nature insight, review article,<br />

http://www.nature.com/nature/journal/v414/n6865/fig_tab/414799a_F2.html, 2004-03-03<br />

Chemie, 6sm<br />

22


Abbildung 19; Insulinwirkung bei der Zielzelle<br />

Simulation der Blutzuckerregulation<br />

Bei aller Komplexheit des Systems kann man versuchen, die wesentlichsten Prozesse<br />

herauszugreifen, zu simulieren und mit der Realität zu vergleichen (Reduktion). Wenn<br />

die Simulation im Aufbau den bekannten Kopplungen und Prozessen weitgehend<br />

entspricht und prinzipiell ein ähnliches Verhalten zeigt, kann man davon ausgehen,<br />

dass die Modellvorstellung nicht ganz falsch sein könnte. Damit kann man eine Theorie<br />

untermauern.<br />

Für die Regelung des Blutzuckergehaltes kennt man Messwerte und man hat<br />

chemische und physiologische Erkenntnisse, wer was regelt. Diese Fakten sind im<br />

Folgenden dargestellt:<br />

Blutglucose (mg/l)<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0 1 2 3 4 5<br />

Zeit (Stunden)<br />

Gesunder<br />

Kranker<br />

Verlauf der Blutglucosekonzentration<br />

Man beachte das Überschiessen (Hyperglycämie) am<br />

Anfang und das Unterschiessen (Hypoglycämie) beim<br />

Gesunden.<br />

Chemie, 6sm<br />

Zuckeraufnahme<br />

in die Zellen und<br />

zur Verbrennung<br />

Nahrung<br />

Stress<br />

23<br />

Insulin<br />

Blutzucker-<br />

Konzentration<br />

Glucagon<br />

Synthese<br />

100 mg/100 ml Blut<br />

Je mehr Blutzucker<br />

desto mehr<br />

Insulin<br />

Bewegung<br />

Physiologische Regelung der<br />

Blutglucosekonzentration<br />

-<br />

Glucogenabbau<br />

und Freisetzung von<br />

Glucose ins Blut<br />

+<br />

Glycogenabbau<br />

Je mehr Blutzucker<br />

desto weniger<br />

Glucagon


Simulation mit Software Stella:<br />

Zeit (Stunden)<br />

Leberglycogen<br />

Insulin Glucagon<br />

Blutzuckerkonz<br />

24<br />

Insulinbildung Speicherung<br />

Freisetzung Glucagonbildung<br />

Diabetes<br />

Insulinabbau<br />

Simulation der Blutzuckerkonzentration Simulationsmodell<br />

kverb<br />

Verbrauch<br />

Zufuhr<br />

Resorption<br />

kres<br />

Glucagonabbau<br />

Abbildung 20: Simulation des zeitlichen Verhaltens der Blutzuckerkonzentration bei einer raschen<br />

Zugabe von Zucker<br />

Folgerung:<br />

Regelprozesse spielen in der Chemie, der <strong>Biochemie</strong>, der Biologie, der Technik und der<br />

Wirtschaft eine überragende Rolle. Sie steuern nicht nur Zustände, sondern auch die<br />

Dynamik mit welcher diese Zustände erreicht werden.<br />

Regelung der Hormonproduktion durch die Hormonkonzentration im Blut als Simulation:<br />

0.06<br />

0.03<br />

0<br />

Sollwert<br />

kp<br />

externe<br />

Zufuhr<br />

Hormon<br />

Produktion<br />

0 4 8 12 16 20 24 28<br />

Time (Minute)<br />

Hormon Produktion : Current mmol/Minute<br />

Ohne externe Zufuhr von Hormon wird ein<br />

Gleichgewicht erreicht<br />

Chemie, 6sm<br />

ke<br />

Hormon im<br />

Blut Elimination<br />

0.06<br />

0.03<br />

0<br />

0 4 8 12 16 20 24 28<br />

Time (Minute)<br />

Hormon Produktion : Current mmol/Minute<br />

Mit externer Zufuhr von Hormon, wird die<br />

Produktion ganz rasch heruntergefahren!


1.3 Metabolismus als Netzwerk<br />

Im Stoffwechsel sind zwangsläufig viele Vorgänge miteinander verknüpft. Man kann<br />

deshalb die Stoffwechselvorgänge als Karte aufzeichnen, bei der die Prozesse die<br />

Knoten und die Reaktionen die Verbindungen darstellen, als System von Reglern 12,13,14<br />

(wie das Internet). Das Produkt P einer enzymatischen Reaktion wird dabei zum<br />

Substrat S (Edukt) der nächsten Reaktion. Nun gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten<br />

des Ablaufs von Reaktionen: Hintereinander (sequenziell) oder gleichzeitig (simultan,<br />

parallel).<br />

P - S P - S P - S<br />

a b c d<br />

a) Serieller Ablauf<br />

Das Produkt des Enzyms a wird zum Substrat des<br />

Enzyms b, das Produkt des Enzyms b wird zum<br />

Substrat des Enzyms c etc.<br />

a<br />

P - S<br />

P - S<br />

P - S<br />

b<br />

c<br />

d<br />

25<br />

b) Paralleler Ablauf<br />

Das Produkt des Enzyms a wird zum Substrat der<br />

Enzyme b, c und d.<br />

Abbildung 21: Sequenzieller Metabolismus von Enzymen, b) simultaner Metabolismus<br />

Jedes Enzym kann die Reaktionen reversibel durchführen und stellt in einem Netzwerk<br />

des Stoffwechsels einen sogenannten Knoten dar.<br />

Werden Netzwerke aufgebaut, dann sind sie entweder vorwiegend durch viele Knoten<br />

mit wenig Verbindungen (seriell) oder wenig Knoten mit vielen Verbindungen (parallel,<br />

Konvergenz) dominiert.<br />

Viele „einzelne“ Verknüpfungen führen zu einem Random-Netzwerk, wobei die mittlere<br />

Anzahl der Verbindungen die Dimension (scale) bestimmt.<br />

Mit „zentralen“ Knoten mit vielen aus- und oder eingehenden Verbindungen hat die<br />

mittlere Anzahl der Verbindungen keinen grossen Aussagewert, weshalb man hier von<br />

einem Scale-free-Netzwerk spricht.<br />

Die Knoten mit einer grossen Anzahl von Verbindungen sind Angelpunkte oder<br />

Drehscheiben (hubs) im Netz (ca. 5% hubs halten ein Scale-free Netzwerk<br />

zusammen!).<br />

Die sequenziellen Verbindungen haben den Vorteil der grösseren Selektivität, die<br />

simultanen Verbindungen den der grösseren Geschwindigkeit.<br />

12 Cohen D., All the World’s a Net, New Scientist, 13 April, 2002, 24<br />

13 Jeong H., Tobor B., Albert R., Ottavi Z.N., Barabási A.-L., The large-scale organization of metabolic<br />

networks, Nature, Vol 407, 5 October, 2002, 651<br />

14 editorial, Proteomics in a small world, nature structural biology, vol 9, Nr 3, march, 2002, 153<br />

Chemie, 6sm


Random-Netzwerk (exponentiell)<br />

a) Alle Knoten haben ungefähr dieselbe Anzahl<br />

Verbindungen (links). Die mittlere Anzahl gibt den<br />

Grad (scale) des Netzwerks an (Mitte der<br />

Verteilungskurve).<br />

Scale-free Netzwerk<br />

26<br />

b) Es macht keinen eigentlichen Sinn über den Grad<br />

(scale) oder die durchschnittliche Anzahl der<br />

Verbindungen zu Knoten zu sprechen.<br />

Sogenannte Scale-free-Netzwerke haben viele<br />

Knoten mit wenig und wenig Knoten mit einer grossen<br />

Anzahl Verbindungen (hubs).<br />

Abbildung 22: Prinzipielle Unterscheidung von Random- a) und Scale-free-Netzwerken b).<br />

Diese beiden Netzwerktypen lassen sich mathematisch charakterisieren, wenn k die<br />

Anzahl Verbindungen pro Knoten sind.<br />

Anteil Knoten mit k Verbindungen(k)<br />

Scale-free network<br />

Random network<br />

Anzahl Verbindungen (k)<br />

Abbildung 23: Unterschied von Random- und Scale-free-Netzwerken in der grafischen Darstellung<br />

(Random zeigt ein exponentielles Verhalten).<br />

Für das Internet gilt:<br />

Das rasche Wachstum bringt denen Vorteile, die früh ins Netz eingetreten sind.<br />

Je länger ein Knoten existiert, desto grösser ist seine Anzahl Verknüpfungen.<br />

Vorsprung ist hier sehr wichtig. (preferetial attachement positive<br />

Rückkopplung)<br />

In einer Umgebung mit Informationsüberfluss werden rasch zugängliche Knoten<br />

besser gefunden. Das verbessert die Verknüpfungen mit wichtigen Knoten<br />

nochmals.<br />

Je grösser die Kapazität der hubs (Bandbreite, Zugänge, Vernetzung..) desto<br />

rascher ist sein Wachstum.<br />

Chemie, 6sm


Im übertragenen Sinne gelten diese Regeln auch für Terrornetze 15 , Geschäftsbeziehungen,<br />

Infektionen etc.<br />

Praktisch sehen Darstellungen für grosse Netze wie folgt aus:<br />

Random-Netzwerk<br />

Doppelt logarithmische Darstellung<br />

Abszisse: Anzahl Verbindungen k pro Knoten<br />

Ordinate: Anteil Knoten mit k Verbindungen<br />

Scale-free-Netzwerk<br />

Doppelt logarithmische Darstellung<br />

Abszisse: Anzahl Verbindungen k pro Knoten<br />

Ordinate: Anteil Knoten mit k Verbindungen<br />

Abbildung 24: Grafischer Vergleich von grossen Netzwerken unterschiedlicher Struktur<br />

Welches sind Beispiele von Knoten im Metabolismus:<br />

Das Enzym ATP-ase, da ATP als „Energiewährung“ überall in der Zelle benötigt wird.<br />

Die Adenylatcyclase, ein Enzym, das in der Zellmembran (Innenseite) die Umwandlung<br />

von ATP in zyklisches AMP katalysiert; wird aktiviert durch Bindung von als »Erstbote«<br />

(»first messenger«) fungierenden Hormonen an den spezifischen Rezeptor und wirkt<br />

als deren Effektor = Reizvermittler (= »second messenger«) im Adenylatcyclase-<br />

System. Angeregt werden viele biologische Effekte.<br />

Folgerungen für medizinische Massnahmen:<br />

Werden „zentrale“ Enzyme beeinflusst, dann sind die Wirkungen sehr gross. Für<br />

Therapien sind sie jedoch völlig ungeeignet, da sie zu wenig spezifisch sind und die<br />

Wirkungen sich zu breit zeigen.<br />

Aber:<br />

Impfungen sind in der heutigen Zeit der vielen Reisen und Kontakte ausserordentlich<br />

wichtig, wenn Epidemien verhindert werden sollen (etwa 90%!) 16 , vor allem für<br />

Personen, welche viele Kontakte haben (Lehr-, Pflege, Verkaufs-, Bedienungspersonen<br />

etc.).<br />

15 Nagaraj S., Global Guerrillas,<br />

ttp://globalguerrillas.typepad.com/globalguerrillas/2004/05/scalefree_terro.html, 2004-09-25<br />

16 Ahmes E., A. S. Hegazi A.S., A. S. Elgazzar A.S., AN EPIDEMIC MODEL ON SMALL-WORLD<br />

NETWORKS AND RING VACCINATION, International Journal of Modern Physics C<br />

[Computational Physics and Physical Computation], Vol. 13, No. 2 (2002) 189-198<br />

Chemie, 6sm<br />

27


Man kann sich auch ein metabolisches Netzwerk, aufbauend auf den Substanzen als<br />

Knoten vorstellen. Ein Beispiel dazu die Prostaglandine, Substanzen mit den<br />

vielfältigsten Wirkungen 17 , 18 :<br />

HO<br />

O<br />

HO Prostacyclin<br />

HO<br />

6-Keto-PGF 1alpha<br />

O<br />

HO<br />

OH<br />

OH<br />

O<br />

COOH<br />

PGD 2<br />

COOH<br />

OH<br />

Hemmung durch:<br />

Glucocorticoide<br />

Prostacyclin-<br />

Synthetase<br />

Hemmung durch:<br />

Antuphlogistika<br />

Prostacyclin-<br />

Synthetase<br />

Reduktase<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

Isomerase<br />

COOH<br />

HO<br />

HO<br />

Membran-Phospholipide<br />

Phospholipase A 2<br />

COOH<br />

COOH<br />

PGG2 OOH<br />

Cyclooxygenase<br />

(PG-Hydroperoxidase-Aktivität)<br />

OH<br />

Arachidonsäure<br />

Cyclooxygenase<br />

(cycl. Lipoxygenase Aktivität)<br />

OH<br />

PGH 2<br />

COOH<br />

Isomerase<br />

PGF 2alpha<br />

Abbildung 25: Teile des Metabolismus der Prostaglandine<br />

Anregung durch:<br />

Bradikinin, Angiotensin II; ADH<br />

COOH<br />

Lipoxygenase<br />

O<br />

HO<br />

Thromoxan-<br />

Synthetase<br />

Thromoxan-<br />

Synthetase<br />

HO<br />

Reduktase<br />

O<br />

O<br />

Leukotriene<br />

C 3, D 3, E 3<br />

OH<br />

O<br />

OH<br />

PGE 2<br />

S<br />

H 2N<br />

OH<br />

OH<br />

COOH<br />

O<br />

28<br />

COOH<br />

H<br />

N COOH<br />

COOH<br />

Throboxan A 2<br />

TXA 2<br />

COOH<br />

Throboxan B 2<br />

TXB 2<br />

Die Substanz PGH2 bildet einen Ausgangspunkt mit besonders vielen Verbindungen,<br />

während die anderen Substanzen über wenige Wege weiterreagieren. Dieser kleine<br />

Ausschnitt aus dem Stoffwechsel gibt einen Eindruck dafür, dass diese Prozesse mit<br />

Scale-free-Netzwerken dargestellt werden müssen. Das gilt in sehr grossen Bereichen<br />

des Metabolismus.<br />

Beispiel: Der zentrale Stoffwechsel des Darmbakteriums Escherichia coli, ist ein gut<br />

untersuchter Modellorganismus. Das Stoffwechselmodell umfasst 89 Komponenten und<br />

110 Reaktionen und ermöglicht die Beschreibung von Nährstoffaufnahme, -umsetzung<br />

und Zellwachstum. Die Analyse dieses Netzwerkes ergibt, dass es sich - je nach dem<br />

verwerteten Nährstoff - in bis zu eine halbe Million Funktionseinheiten zerlegen lässt.<br />

17 Prostaglandine, Roche-Lexikon Medizin Version 4.0, 1984/1987/1993/1999 Urban & Fischer Verlag,<br />

CD-ROM - 4., neubearb. und erw. Aufl. - 1999<br />

18 Prostaglandine, Römpp Lexikon Chemie – Version 2.0, Stuttgart/New York: Georg Thieme Verlag 1999<br />

Chemie, 6sm


Die Glycolyse als Hub 19<br />

Was ist nun das Besondere an diesen Netzwerken? Die Natur, aber auch die Technik<br />

baut sehr oft Scale-free-Netzwerke auf, mit wenigen, aber hochvernetzten und einer<br />

grossen Anzahl wenig vernetzter Knoten (Stoffwechsel der Bakterien, Telefone mit<br />

Zentralen, Energieverteilung, Wasserversorgung etc.). Das trifft für unseren<br />

Metabolismus wie das Internet zu. Im Durchschnitt kann man im Internet mit 19 „clicks“<br />

von einer Seite auf eine beliebige andere Seite gelangen. Selbst wenn das Web um<br />

1000% wachsen würde, wären bei dieser Netzstruktur maximal 21 „clicks“ notwendig 20 .<br />

Neue Verbindungen, z.B. im Internet, werden bevorzugt zu Knoten gemacht, die<br />

bekannt, berühmt und daher auch schon gut verknüpft sind. Das gilt auch für soziale<br />

Strukturen. Auch dort haben bevorzugte Individuen mehr Kontakte, und die Reichen<br />

werden reicher.<br />

19<br />

Nicholson Donald, IUBMB-Nicholson Metabolic Maps, Minimaps & Animaps http://www.iubmbnicholson.org/gif/01.html,<br />

2007-01-29<br />

20<br />

Cohen D., All the World’s a Net, New Scientist, 13 April, 2002, 26<br />

Chemie, 6sm<br />

29


a) Ausschnitt aus der Karte des Metabolismus des<br />

Menschen<br />

b) Ausschnitt aus der Karte der<br />

weltweiten Internet-<br />

Verbindungen<br />

Abbildung 26: Netzwerke des Metabolismus a) und des Internet b). Beide Netzwerke sind in<br />

grossen Bereichen Scale-free.<br />

Für viele biochemische Abläufe wurde der Scale-free-Charakter nachgewiesen. Welche<br />

besonderen Eigenschaften haben diese Scale-free-Netzwerke, dass sie von der Natur<br />

in der ganz langen Evolution bevorzugt vor Random-Netzwerken gebaut wurden?<br />

Die Scale-free Netzwerke folgen somit den beiden zentralen Regeln 21 :<br />

1. Neue Knoten kommen zum bestehenden Netzwerk hinzu.<br />

2. Die neuen Knoten werden mit den alten so vernetzt, dass die Wahrscheinlichkeiten<br />

für Verbindungen zu hochvernetzten Knoten (hubs) grösser sind als zu wenig<br />

vernetzten Knoten.<br />

1.3.1 Stabilität von Netzwerken<br />

Scale-free Netzwerke haben inhärent die Eigenschaft, gegenüber zufälligen Störungen<br />

weniger anfällig zu sein. Das lässt sich an einem einfachen Beispiel zeigen.<br />

21 Barabási A.-L., Albert R., Jeong H., Mean-field theory for scale free random networks, Physica, A 272<br />

Chemie, 6sm<br />

(1999) 173-187<br />

30


P - S P - S P - S<br />

a b c d<br />

d<br />

Fällt aus a b c d Fällt aus a b c d<br />

a - 0 0 0 a - 0 0 0<br />

b 1 - 0 0 b 1 - 1 1<br />

c 1 1 - 0 c 1 1 - 1<br />

d 1 1 1 - d 1 1 1 -<br />

Summe = 6 3 2 1 0 Summe = 9 3 2 2 2<br />

Abbildung 27: Laufende Reaktionen nach einem zufälligen Ausfall eines Enzyms, wenn das<br />

Produkt des Vorläuferenzyms Substrat beim Nachfolger ist (1: arbeitet, 0: fällt aus)<br />

Wenn in den 4 Fällen alle Enzyme arbeiten, dann sind 12 Fälle möglich. Wenn bei<br />

jedem Fall eine Störung bei je einem Enzym auftritt, dann laufen im seriellen 6, im<br />

parallelen Fall immer noch 9 Reaktionen. Es zeigt sich, dass selbst bei einem so<br />

einfachen Modell die parallele Verarbeitung gegen Fehler robuster ist.<br />

Fällt ein Enzym durch Mutation (zufälliges Ereignis) oder anderweitige Störung aus,<br />

kann auf diese Weise rasch ein neuer Weg gefunden werden – das System ist robust<br />

gegen zufällige Veränderungen (Fehler) wie z.B. Mutationen. Mit 100'000 Knoten, total<br />

1’000’000 Verbindungen, wovon 100 hubs mit beispielsweise je 1000 Verbindungen, ist<br />

die Chance 1‰ einen dieser Angelpunkte zu treffen. Man könnte auch sagen, diese<br />

Scale-free Netzwerke sind fehlertolerant. Die Zufallstörung eines Blitzeinschlags in eine<br />

Leitung des Elektrizitätsnetzes führt, bei richtiger Auslegung 22 nur zum kurzen Ausfall<br />

kleiner Teile. Selbst wenn ca. 5% der Knoten ausfallen, ist das Netz noch voll<br />

funktionsfähig. Es ist aber auch sehr verletzlich. Wenn jedoch 5% der hochvernetzten<br />

Knoten ausfallen, steigt die Anzahl der Schritte um das Netz zu durchqueren auf das<br />

Doppelte. Das heisst, gegenüber intelligenten Angriffen sind die Scale-free-Netzwerke<br />

wesentlich mehr gefährdet.<br />

Bei einem Random-Netzwerk, mit durchschnittlich 10 Verbindungen pro Knoten fallen<br />

mit 5% ca. 5000 Verbindungen aus, ein Mehrfaches im Vergleich zu Scale-free-<br />

Netzwerken mit grossen hubs.<br />

Die Hypothese, dass die Natur Scale-free Netzwerke aufbaut, weil sie robust sind, kann<br />

so nicht bestätigt werden 23 . Auch anorganisch-chemische Systeme verschiedener<br />

Planetenatmosphären zeigen dieses Verhalten. Tatsache ist, dass Schlüssel-<br />

Substanzen im Metabolismus hubs darstellen, an denen auch viele neue Reaktionen<br />

ankoppeln. In diesem Sinne konnte gezeigt werden, dass hochvernetzte Knoten<br />

(Substanzen) auch evolutionsmässig alte Substanzen sind.<br />

22 D. Hass, J. Schwarz, H. Zimmermann, Elektrizitätswirtschaft, Jg. 80,S. 923, Heft 25 (1981)<br />

23 Wagner A., The large scale structure of metabolic networks: a glimpse at life's origin?,<br />

http://eclectic.ss.uci.edu/~drwhite/Complexity/Complexity1www.pdf, 29.05.2002<br />

Chemie, 6sm<br />

a<br />

P - S<br />

P - S<br />

P - S<br />

b<br />

c<br />

31


Sehr viele unserer technischen Systeme sind, wie die natürlichen Systeme, über die<br />

Jahre nach diesen Regeln gewachsen und somit Scale-free.<br />

1.3.2 Folgerungen für Massnahmen<br />

Das Gen p53 hat auf das Verhalten von<br />

Tumorzellen einen grossen Einfluss.<br />

Trotzdem ist es für die Krebstherapie sehr<br />

kritisch das Gen p53 zu beeinflussen, da es<br />

für den Bau vieler wichtiger Proteine<br />

verantwortlich ist, p53 ist ein hub.<br />

Andererseits müsste das Ziel von<br />

Wirkstoffen z.B. beim Bakterium<br />

Helicobacter pylori (Abbildung), das<br />

Magengeschwüre verursacht, hubs bei den<br />

Proteinen oder Genen sein.<br />

Abbildung 28: Bakterium Helicobacter<br />

pylori<br />

Bei der Bekämpfung der Ausbreitung von Seuchen ist die „Behandlung“ der „hubs“ vital,<br />

das zeigt das Verhalten der Netze. Ein historisches Beispiel ist die Übertragung von<br />

Kindbettfieber in Spitälern durch das Personal (hubs).<br />

Interessant ist, dass sich die Vernetzungen im Wissenschaftsbetrieb (auch bei<br />

Publikationen gibt es Schlüsselarbeiten), im sozialen Bereich (Beziehungsnetze,<br />

Soziogramme), bei der Gesetzgebung (wichtige Paragraphen), bei Wahlen<br />

(Informationsknoten mit Einfluss) und in der Wirtschaft (Schlüsseltechnologien) sehr oft<br />

mit einem Scale-free-Netzwerk beschreiben lassen. Es lohnt sich daher, die<br />

Eigenschaften, die Strukturen und das Verhalten dieser Netze zu verstehen.<br />

To stop AIDS, find hub, scientists say 24<br />

Mike Martin<br />

SOUTH BEND, Ind., July 23 (UPI) -- Getting the best AIDS treatments money can buy to nations without<br />

money to buy them may be the only way to eradicate the global plague, according to new findings by<br />

Notre Dame University researchers.<br />

Until now, the best arguments for providing costly AIDS drugs to impoverished African and Asian nations<br />

drowning in the illness were humanitarian.<br />

Albert-Laszlo Barabasi and Zoltan Deszo have now provided what may be the first convincing scientific<br />

evidence that slowing acquired immune deficiency syndrome in developing nations may actually halt its<br />

global course. They said poorer nations represent highly concentrated "hubs" or disease centers with just<br />

enough global connectedness to make eradicating the disease within their borders absolutely essential.<br />

"The continued spreading of the HIV virus is remarkable because relatively effective therapies are<br />

available that not only expand the lifetime of infected individuals, but also lower the transmission<br />

probability," Barabasi said in a recent paper on the subject. "The problem is that these expensive<br />

therapies are beyond reach in developing countries."<br />

Building on previous work by Boston University researchers Luis Amaral, H.E. Stanley and coworkers<br />

Barabasi and Deszo claim newly quantified patterns of human sexual contact create a "node-hub"<br />

architecture more typical of a computer network than a populated community.<br />

24 Martin M., To stop AIDS, find hub, scientists say, United Press International - Monday, 23 July 2001<br />

Chemie, 6sm<br />

32


These hubs and nodes, they said, are so concentrated and yet so connected that eradicating any<br />

sexually transmitted disease requires concentrated efforts at the hubs. As in any computer network -- or a<br />

chain of Christmas lights --interrupting the flow of information or electricity at a hub can cause flows to<br />

cease network wide.<br />

So too, Barabasi and Deszo claim, with AIDS. Slow or stop the disease at a hub, they said, and you<br />

severely reduce its ability to spread anywhere else.<br />

"We are indeed familiar with the results by Barabasi and co-workers and are certainly excited by all the<br />

developments coming out," Luis Amaral told United Press International. "We believe that the new focus<br />

on the possibility of characterizing the structure of networks could help the understanding of epidemics<br />

both for human and animal diseases."<br />

The discovery of this new pattern of epidemic transmission is a major step in a worldwide effort. Amaral<br />

and Stanley revealed humans engage in "scale-free" patterns of intimacy: A very few individuals have the<br />

largest number of sexual contacts.<br />

Sociologists and epidemiologists previously had taken for granted the idea that human sexual activity<br />

followed a standard bell-shaped curve: The largest clusters of people would have an average number of<br />

sexual contacts with very few people engaging in either very few or very many sexual encounters at<br />

either ends of the curve.<br />

Instead, the Boston researchers found a curve that gradually curves upward and keeps rising. Most<br />

surprising, a very few 10 percent of men have 48 percent of all sexual encounters, a pattern more like the<br />

distribution of wealth where 1 percent of people control 95 percent of all assets.<br />

Capitalizing on this discovery, Spanish scientists Yamir Moreno, Romualdo Pastor-Satorras and<br />

Alessandro Vespignani showed that "scale-free" transmission patterns allow even the weakest infective<br />

diseases to spread unchecked. The frightening upshot is that given the scale-free pattern of human<br />

sexual contact, "short of a cure or vaccine available to all, the HIV virus will eventually reach the so far<br />

uninfected segments of the population exposed to the disease," Barabasi explained in a recent paper on<br />

the topic.<br />

Now Barabasi imposes a network architecture on AIDS transmission patterns. "Epidemics spread without<br />

a threshold on a scale-free network thanks to hubs and nodes with an unexpectedly large number of<br />

links," Barabasi said. "Once infected, hubs offer an efficient conduit for disease spreading by reaching an<br />

unusually high percentage of other nodes."<br />

As a result, anything less than attacking the disease at its hub represents random treatments that cannot<br />

contain the epidemic because, Barabasi said, they "leave the scale-free nature of the network unaltered."<br />

Mit Netzwerksimulationen konnte man nachweisen, dass grosse Knoten im<br />

Luftverkehrsnetz, wie London, New York oder Frankfurt, für eine rapide weltweite<br />

Ausbreitung einer Epidemie verantwortlich sind - und das weitest gehend unabhängig<br />

vom Ort des ersten Auftretens eines Krankheitserregers. Dabei ist die Kapazität des<br />

Flughafens an einem Knotenpunkt viel weniger entscheidend als der Grad seiner<br />

Vernetzung.<br />

Strategie der Natur:<br />

Sie Stoffwechselprozesse der Natur müssen sehr stabil sein, daher sind Scale-Free-<br />

Netzwerke häufig anzutreffen.<br />

Bewährte Strukturen sind in den Hubs immer wieder anzutreffen, wie z.B. die<br />

Hämgruppe in Hämoglobin, Myoglobin, Cytochrom, Catalase etc..<br />

Chemie, 6sm<br />

33


1.4 Stoffgruppen<br />

Leben hat als Voraussetzung:<br />

Zeit (Leben = Dynamik, Leben = Reaktionen)<br />

Materie (Proteine als „Maschinen“, Mineralstoffe etc,)<br />

Energie (hauptsächlich Kohlehydrate und Fette und andere ATP)<br />

Information (RNA, DNA, Hormone, evtl. Proteine)<br />

„Was die Menschen erschreckt, ist die Tatsache, dass Genetik nichts anderes<br />

ist als Chemie.“<br />

Arthur Kornberg (1918 -) amerikanischer Biochemiker. Nobelpreisträger 1959 „für die<br />

Entdeckung des Mechanismus in der biologischen Synthese der Ribonukleinsäure und der<br />

Desoxyribonukleinsäure“.<br />

Die Substanzen die Lebewesen aufbauen und für die Funktionen benötigen setzen sich<br />

im Wesentlichen aus fünf Stoffgruppen zusammen:<br />

1. Zwanzig verschiedene Aminosäuren, als Bausteine der Peptide und Proteine.<br />

(H2N-CH-R-COOH) (Nährstoffe: Proteine).<br />

2. Fünf verschiedene Purine und fünf verschiedene Pyrimidine,<br />

die Bausteine der Nukleinsäuren, der Energiewährung und der<br />

Energieüberträger. (RNA, DNA, NADH, ADP, ATP...). Pro Tag<br />

kann die ATP-Produktion bis zur Hälfte des Körpergewichts<br />

ausmachen!<br />

N<br />

N<br />

N<br />

N<br />

N N<br />

H<br />

Pyrimidin Purin<br />

Bausteine der Nukleinsäuren<br />

Purin: Baustein von Guanin und Adenin, Pyrimidin: Baustein von Uracil, Thymin und<br />

Cytosin.<br />

3. Einfache Zucker als Energiestoffe und Strukturmaterialien (Nährstoffe:<br />

Kohlehydrate mit der Summenformel {CH2O}).<br />

H<br />

HO<br />

H<br />

HO<br />

HOC<br />

CHO<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

a)<br />

1<br />

H 2<br />

H<br />

OH<br />

OH<br />

H<br />

HO<br />

HO<br />

H 1<br />

2<br />

3<br />

H<br />

HO<br />

CHO<br />

CH2OH H<br />

4<br />

5<br />

OH<br />

H<br />

b) c)<br />

4<br />

HO<br />

HO<br />

3<br />

6<br />

CH2OH<br />

O<br />

Abbildung 29: a) Zick-Zack-, b) Fischer- c) Sessel-Konformationsformel von Glucose<br />

Chemie, 6sm<br />

5<br />

2<br />

HO<br />

1<br />

OH<br />

O<br />

N<br />

O<br />

N<br />

34<br />

Coffein<br />

N<br />

N


4. Einfache Fettsäuren, Terpene und Steroide sowie Lipide, die im Körper<br />

Zellmembranen, Reservestoffe und Hormone bilden (Nährstoffe: Fette).<br />

Arachidonsäure<br />

Isopren<br />

5. Vitamine sowie viele Sekundär- und Nebenbestandteile. Mineralstoffe und<br />

Spurenelemente als Ionen (Fe, Cu, Co, Se, Zn...)<br />

Syntheseleistungen einer Zelle:<br />

Für die oben erwähnten Stoffgruppen wird unterschiedlich viel Energie aufgewendet:<br />

Einen Begriff von der Synthese-Leistung einer wachsenden Zelle mögen die folgenden<br />

Angaben (Anzahl der pro Sekunde synthetisierten Moleküle, in Klammern % der<br />

aufgewendeten Biosynthese-Energie) für das Bakterium Escherichia coli geben:<br />

Proteine 1400 (88.0),<br />

DNA 0.033 (2.5),<br />

RNA 12.5 (3.1),<br />

Polysaccharide 32.5 (2.7) ;<br />

Lipide 12’500 (3.7) ;<br />

Eine Bakterienzelle wendet also ca. 88% ihrer Energie alleine für die Protein-<br />

Synthese auf!<br />

Chemie, 6sm<br />

O<br />

OH<br />

35


1.5 Empfindungen als biochemische Wirkungen<br />

Die Empfindungen: Geruch, Geschmack, Gehör, Sehen, Tasten sind logarithmisch, das<br />

besagt das Weber-Fechnersches Gesetz:<br />

Effekt/Reiz<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

0 20 40 60 80 100<br />

Stimulus/Reiz<br />

Effekt/Reiz<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

1 10 100<br />

Stimulus/Reiz<br />

x-Achse: linear x-Achse: logarithmisch<br />

Abbildung 30: Die logaritmische Empfindung<br />

Abbildung 31: Die 4 Rezeptoren für verschiedene<br />

Geschmacksrichtungen sind überall auf der Zunge verteilt –<br />

hier nur die grössten Konzentrationen.<br />

36<br />

Diese Darstellung ist etwas<br />

ungenau!<br />

Die Zunge ist nicht in einzelne<br />

Zonen für verschiedenen<br />

Geschmack eingeteilt 25 . Eine<br />

Geschmacksnervenzelle<br />

reagiert bei mehreren<br />

Geschmacksqualitäten.<br />

Der 5. Geschmack Umami fehlt!<br />

Man kennt 5 verschiedene Rezeptoren auf der Zunge:<br />

süss sauer salzig bitter „Umami“<br />

Aminosäuren<br />

Zucker Essigsäure Kochsalz Chinin Glutamat (das<br />

Salz), auch<br />

andere AMCS<br />

b<br />

0.5 % 0.007 % 0.25 % 0.000’05 % c<br />

1000<br />

bestimmte<br />

140<br />

H3O<br />

500 1 d<br />

Moleküle<br />

+ Na + bestimmte bestimmte e<br />

Moleküle Moleküle<br />

vergeht schnell<br />

vergeht langsam f<br />

binden Süssstoffe<br />

an einen<br />

membrangebundenen<br />

Rezeptor<br />

H + -Ionen<br />

blockieren die K + -<br />

Kanäle<br />

wirkt über einen<br />

Membranrezeptor,<br />

IP3 und<br />

Ca 2+<br />

im Wesentlichen<br />

ein „Geschmacksverstärker“.<br />

a: Geschmack; b: Beispiel; c: Mittlere feststellbare Konzentration; d: Verhältnisse relativ zu bitter = 1; e:<br />

Welche Stoffe; f: Besonderes, g: chemische Reaktion.<br />

Alle Mittel, welche die Bewegung der Moleküle einschränken, stumpfen den<br />

Geschmack ab (Sirup, Fett, Gelatine etc.) verfeinern einer Sauce!<br />

Beispiele: Rahm nimmt dem Kaffee oder Tee den bitteren Geschmack, ebenso Sauce<br />

oder Eiweiss in Bouillon.<br />

25<br />

Smith D.V., Margolskee R.F., Das Geheimnis des Geschmacksinns, Spektrum der Wissenschaft, Juli<br />

2001, 44<br />

Chemie, 6sm<br />

a<br />

g


Folgerung:<br />

Rezeptoren sind sehr spezifisch aber auch sehr unterschiedlich in der Empfindlichkeit.<br />

Wir essen viel Süssstoffe: Die Empfindlichkeit ist klein, der Geschmack vergeht rasch.<br />

N.B. Man kennt heute möglicherweise einen 6. Geschmack: „Hot“, heiss. Dieser hat<br />

eigene, spezielle Rezeptoren (z.B. Capsaicin).<br />

Capsaicin 26<br />

[8-Methyl-trans-6-nonensäure-(4-hydroxy-3- methoxybenzylamid)] CAS 404-86-4<br />

H 3CO<br />

HO<br />

N<br />

H<br />

O<br />

C18H27NO3, MR 305,42. Es ist in Wasser kaum, in den meisten organischen Lösungsmitteln<br />

gut löslich. Capsaicin verursacht den scharfen Geschmack der Paprika-Früchte,<br />

Chillies und anderen Capsicum-Arten (noch in einer Verdünnung von 1:105), in denen<br />

es zu 0,3–0,5% enthalten ist. Capsaicin ist ein starkes Reizmittel. Die Schärfe der<br />

Capsicum-Früchte ist neben Capsaicin auf mindestens 9 weitere Capsaicinoide<br />

zurückzuführen.<br />

Verwendung: In alkoholischer Lösung für hyperämisierende Einreibungen gegen Frostbeulen,<br />

Gliederreissen, Rheuma (ABC-Pflaster) und dergleichen. In geringen Dosen<br />

steigert Capsaicin die Salzsäure-Sekretion (Ausscheidung) im Magen. Eine chronische<br />

Überdosierung des Gewürzes bewirkt chronische Gastritis 27 , Nieren- und Leberschädigungen.<br />

Auf der Schleimhaut verursacht Capsaicin schon in kleinen Mengen<br />

Reizungen; bei längerer Einwirkung entstehen Geschwüre und Nekrosen<br />

(abgestorbenes Gewebe).<br />

Biosensor als Analogie zu Empfindungen<br />

R e z e ptor<br />

Abbildung 32: Prinzip eines Biosensors<br />

Signal<br />

CH 3<br />

Transduktor Elektronik<br />

Anwendung:<br />

Kommerziell verfügbar sind zur Zeit insbesondere Enzym-Elektroden. Sie werden im<br />

Gesundheitswesen eingesetzt, zur Kontrolle biotechnologischer Prozesse, in der<br />

Lebensmittel-Industrie sowie im Umweltschutz. Mit Biosensoren analysiert werden z. B.<br />

Glucose, Galactose, Lactose, Ethanol, Milchsäure oder Harnsäure.<br />

26 Capsaicin, Römpp Lexikon Chemie – Version 1.2, Stuttgart/New York: Georg Thieme Verlag 1996<br />

27 Gastritis: Entzündung der Magenschleimhaut<br />

Chemie, 6sm<br />

CH 3<br />

37


2 Aminosäuren, Peptide, Proteine<br />

Jöns J. Berzelius prägte 1838 den vom griechischen Wort proteios ("erstrangig")<br />

abgeleiteten Begriff "Protein", um die Wichtigkeit jener Stoffgruppe zu betonen.<br />

2.1 Aminosäuren<br />

2.1.1 Aufbau<br />

Jede Aminosäure, die an der Zusammensetzung von Proteinen (Eiweiss) beteiligt ist,<br />

besitzt wenigstens eine Amino- (-NH2) und eine Carboxylgruppe (-COOH) und beide<br />

sind mit dem gleichen Kohlenstoffatom verknüpft (Aminocarbonsäure). Die allgemeine<br />

Strukturformel ist daher folgende:<br />

+<br />

NH 2<br />

R C COOH<br />

H<br />

NH 3<br />

-<br />

R C COO<br />

Abbildung 33: Eine Aminosäure in der neutralen und der zwitterionigen Form<br />

R steht dabei für unterschiedliche Gruppen Seitenkette, diese ist ein<br />

Charakteristikum jeder Aminocarbonsäure (AMCS).<br />

Die funktionellen Gruppen von allen AMCS sind:<br />

Amin (schwach basisch) und<br />

Säure (schwach sauer).<br />

Aminosäuren sind in Wasser gelöst Zwitterionen, sie sind amphoter (können als Säure<br />

oder Base fungieren).<br />

2.1.2 Pufferwirkung<br />

Puffer<br />

Von Fernbach 1890 in bildlicher Übernahme der entsprechenden mechanischen<br />

Vorrichtung an Eisenbahnwagen geprägte Bezeichnung für eigentlich als Puffer-Lösung<br />

zu bezeichnende Lösung aus einer schwachen Säure (z. B. Essigsäure) mit einem<br />

praktisch völlig dissoziierten Neutralsalz derselben Säure (z. B. Natriumacetat).<br />

Wird etwas Base oder Säure zu einer Aminosäurelösung zugegeben, so ändert sich der<br />

pH-Wert kaum (Pufferung).<br />

Die AMCS funktionieren als Puffer (wandeln eine starke Säure in eine schwache Säure,<br />

eine starke Base in eine schwache Base um) – sie sind wichtig für die Säure-Basen-<br />

Regulation 28 .<br />

28 Davenport H.W., Säure-Basen-Regulation, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1973<br />

Chemie, 6sm<br />

H<br />

38


Die Wirkung der in Puffer-Lösung enthaltenen Puffer-Substanzen (hier AMCS) beruht<br />

auf der Abfangreaktion von Wasserstoff- bzw. Hydroxid-Ionen unter Bildung schwacher<br />

Säuren bzw. Basen auf Grund ihres Dissoziationsgleichgewichts.<br />

Chemische Reaktionen eines Aminosäure-Puffers:<br />

Zugabe von Säure: Aus der schwachen Base -NH2 wird die „schwache“<br />

korrespondierende Säure –NH3 +<br />

Zugabe von Base: Aus der schwachen Säure –COOH wird die „schwache“<br />

korrespondierende Base –COO -<br />

Beispiel:<br />

(R-COO - + Na + )<br />

Gelöstes Salz<br />

der schwachen<br />

Säure<br />

+ HX R-COOH + (Na + + X - )<br />

Zugabe der<br />

starken Säure<br />

Herleitung der Puffergleichung:<br />

gelöste<br />

schwache<br />

Säure<br />

gelöstes Salz<br />

der starken<br />

Säure<br />

Allg. Gleichung für eine Säure: HA + H2O H3O + + A - ; HA: Säure, A - : konj. Base<br />

<br />

<br />

[ H3O<br />

] [ A ]<br />

[ A ]<br />

Säurekonstante: Ks [ H3O<br />

] ; beidseitig –log<br />

[ HA]<br />

[ HA]<br />

[ A ]<br />

pH pKs log ;<br />

[ HA]<br />

<br />

<br />

<br />

; Henderson Hasselbalchsche Gleichung, Puffergleichung<br />

<br />

Beispiel: Wirkung der Aminosäure Glycin<br />

Sie haben eine Lösung mit 0,1 mol/l Glycin (pH 7, pKs =7). Zu dieser geben Sie 0,01<br />

mol/l Salzsäure. Wie stark ändert sich der pH-Wert im Vergleich zu dest. Wasser?<br />

[ A ] 0.<br />

09 <br />

Glycinlösung: pH pKs log<br />

7 log<br />

6.<br />

91<br />

[ HA]<br />

<br />

<br />

0,<br />

11 <br />

Dest. Wasser: pH = -log[H3O+] = -log[HCl] = -log[0,01] = 2<br />

Aminosäuren, Peptide (kleine Moleküle aus AMCS) und Proteine (grosse Moleküle aus<br />

AMCS) sind in unserem Blut wichtige Puffer – sie halten den pH-Wert stabil.<br />

L-Alanin Elektronendichte HOMO<br />

hohe<br />

Elektronendichte<br />

beim Stickstoff<br />

(freies EP)<br />

Abbildung 34: Struktur und elektronische Eigenschaften des Moleküls L-Alanin<br />

Chemie, 6sm<br />

39<br />

LUMO<br />

kleine<br />

Elektronendichte<br />

beim zentralen<br />

Kohlenstoff (+ Pol)


Viele Aminosäuren sind sowohl frei als auch in Verbindung durch spezielle<br />

Farbreaktionen zu erkennen, und allen gemeinsam ist eine Farbreaktion mit einem<br />

Reagenz, das man Ninhydrin nennt. Diese Reaktion wird auch zum Nachweis der<br />

Aminosäuren von Fingerabdrücken verwendet 29 .<br />

2.1.3 Stereochemie der Aminosäuren (Chiralität)<br />

R<br />

H2N C OH<br />

H<br />

H<br />

H2N C OH<br />

R<br />

O<br />

O<br />

L-Aminosäure D-Aminosäure<br />

Abbildung 35: Chiralität bei alpha-Aminosäuren 30,31<br />

L-AMCS: H ist bei der Kette hinten D-AMCS: H ist bei der Kette vorne<br />

L-Phenylalanin<br />

-H: rechts hinten<br />

-NH2: links hinten<br />

schmeckt süss<br />

Abbildung 36: Räumliche Darstellung der Chiralität<br />

D-Phenylalanin<br />

-H: links hinten<br />

-NH2: rechts hinten<br />

schmeckt bitter<br />

Bei Asparagin ist R-Asparagin süss, S-Asparagin bitter. Die räumlichen Verhältnisse<br />

sind so, dass das alpha C-Atom bei Asparagin genau umgekehrt ist, wie beim<br />

Phenylalanin.<br />

Die 20 proteinogenen Aminosäuren unterscheiden sich fast nur in ihrer Seitenkette R<br />

(es gibt exotische Ausnahmen). Das zentrale C stellt ein chirales Zentrum dar (4<br />

unterschiedliche Gruppen angehängt). Nur die einfachste -AMCS, das Glycin, mit R =<br />

H, ist achiral. Die Aminosäuren Threonin und Isoleucin besitzen ein zweites chirales<br />

Zentrum in der Seitenkette. Fast nur L-Aminosäuren werden in Proteine eingebaut (D-<br />

AMCS sind sehr selten, wenn, dann oft in Ringen).<br />

29<br />

Sodhi G.S., Kaur J., Chemical Methods for Developing Latent Fingerprints, J.of Chem.Educ., Vol. 76,<br />

No.4, April 1999, 488A<br />

30<br />

Brunner H., Rechts oder links. In der Natur und anderswo, VCH Weinheim, 1999<br />

31<br />

Wachtel S., Jendrusch A., Der Linksdrall in der Natur, Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co.<br />

KG, München, 1993<br />

Chemie, 6sm<br />

40


2.1.4 Besonderheiten einiger AMCS<br />

Man gruppiert die AMCS entsprechend den chemischen Eigenschaften der<br />

Seitenketten (in Klammer Abkürzung mit 3 Buchstaben, Abkürzung mit 1 Buchstaben):<br />

A. mit unpolaren Seitengruppen:<br />

NH +<br />

3 H3C NH +<br />

3<br />

H3C C<br />

-<br />

COO H3C CH C<br />

-<br />

COO<br />

H<br />

H<br />

H 3C<br />

CH 3<br />

L-Alanin L-Valin L-Leucin<br />

(Ala,A) (Val,V) (Leu,L)<br />

H 3C<br />

NH 3<br />

-<br />

H3C CH2C C COO<br />

H H<br />

+<br />

NH 2<br />

L-Isoleucin L-Prolin<br />

(Ille,I)<br />

(Pro,P)<br />

NH 3<br />

-<br />

CH2 C COO<br />

H<br />

+<br />

+<br />

H<br />

COO<br />

-<br />

CH<br />

H<br />

N<br />

NH 3<br />

-<br />

CH2 C COO<br />

H<br />

NH 3<br />

+<br />

CH2 C COO<br />

-<br />

L-Tryptophan<br />

(Trp,W)<br />

-<br />

H3C S CH2CH2 C COO<br />

L-Phenylalanin L-Methionin<br />

(Phe,F)<br />

(Met,M)<br />

Diese Aminosäuren sind lipophil, fettlöslich. Die Seitenketten dieser Aminosäuren<br />

binden kein Wasser, sondern stossen dieses ab (sie sind hydrophob).<br />

Besonderheiten zeigt:<br />

Isoleucin mit 2 chiralen Zentren.<br />

Tryptophan mit einem Stickstoff in der Seitenkette und<br />

Methionin mit einem Schwefelether.<br />

Chemie, 6sm<br />

H<br />

NH 3<br />

H<br />

+<br />

+<br />

41


A. mit polaren ungeladenen Seitengruppen:<br />

NH 3<br />

-<br />

H C COO HO CH2 C COO<br />

- -<br />

HO<br />

CH2 C COO<br />

H 3C<br />

H<br />

+ + +<br />

NH 3<br />

H<br />

Glycin L-Serin L-Tyrosin<br />

(Gly,G) (Ser,S) (Tyr,Y)<br />

H<br />

-<br />

C C COO<br />

HO<br />

NH 3 +<br />

H<br />

NH 3<br />

H<br />

H2N NH +<br />

3<br />

C CH2C -<br />

COO<br />

L-Threonin L-Cystein<br />

L-Asparagin<br />

(Thr,T)<br />

(Cys,C)<br />

(Asn,N)<br />

H 2N<br />

O<br />

C CH 2<br />

NH 3<br />

-<br />

HS CH2 C COO<br />

H<br />

NH 3 +<br />

+<br />

CH2 C<br />

H<br />

-<br />

COO<br />

L-Glutamin<br />

(Gln,Q)<br />

Cysteine können unter Abspaltung von 2 H eine Schwefelbrücke (-S-S-) bilden (mittlere<br />

Bindungsenergie: 255 kJ/mol). Diese Brücke ist wichtig für die Stabilisierung vieler<br />

Peptide und Proteine. Andererseits sind diese Schwefelverbindungen gegen Oxidation<br />

sehr empfindlich. Die Schwefelatome, auch jene von Methionin, können mit vielen<br />

Schwermetallen eine Verbindung eingehen, was die Toxizität der Schwermetalle z.T.<br />

erklärt.<br />

Abbildung 37: Elektronendichte- Verteilung von Tyrosin mit -NH3 + und -COO -<br />

Chemie, 6sm<br />

O<br />

H<br />

42


Saure A. (besitzen neg. geladene Seitengruppen):<br />

-<br />

O<br />

NH +<br />

3<br />

-<br />

O<br />

NH +<br />

3<br />

C CH2C COO<br />

-<br />

C CH2CH2 C<br />

-<br />

COO<br />

O<br />

Basische A. (besitzen pos. geladene Seitengruppen):<br />

NH 3<br />

+<br />

-<br />

H3N CH2CH2 CH2 CH2 C COO<br />

H 2N<br />

H2N +<br />

+<br />

HN<br />

C<br />

N<br />

H<br />

H<br />

L-Aspartat L-Glutamat<br />

(L-Asparaginsäure;Asp,D)<br />

(L-Glutaminsäure;Glu,E)<br />

NH CH 2<br />

CH 2<br />

NH 3<br />

C<br />

H<br />

+<br />

-<br />

COO<br />

O<br />

H<br />

+<br />

+<br />

CH<br />

-<br />

2 CH2 C COO<br />

H<br />

L-Lysin (Lys,K)<br />

L-Arginin (Arg,R)<br />

L-Histidin (His,H; bei pH 6)<br />

Diese Seitenketten sind besonders empfindlich auf pH-Änderungen, da sie dabei eine<br />

Ladung aufbauen können (Ionen):<br />

Saure Seitenketten sind im basischen negativ geladen (Anionen),<br />

basische Seitenketten sind im sauren positiv geladen (Kationen).<br />

Anwendung:<br />

Das Salz von Acetylsalicylsäure und Lysin ist sehr gut wasserlöslich:<br />

Erstens biltet die Aminosäure ein Zwitterion (geladen) und<br />

Zweitens bildet die Acetlysalicylsäure mit dem Amin des Lysins ein zweites<br />

Ionenpaar.<br />

Chemie, 6sm<br />

NH 3<br />

H<br />

43


2.1.5 Stoffwechsel von Aminosäuren<br />

2.1.5.1 Von Cystein zu Taurin<br />

Endprodukt des Abbaus von L-<br />

Cystein (-CO2)<br />

C2H7NO3S, MG: 125.14 g/mol<br />

C: 19.19%; H: 5.64%; N:<br />

HS<br />

Oxidation<br />

HO3S<br />

11.19%; O: 38.35%; S: 25.62% H2N COOH<br />

H2N<br />

Farblose Säulen in Wasser mit<br />

neutraler Reaktion<br />

Cystein<br />

Taurin<br />

Gut löslich in Wasser 6.5% bei 12°C. Unlöslich in Alkohol , Ether.<br />

Smp. 300°C (Zers.), Liegt als Zwitterion vor, pK1: 1,5; pK2: 8,74<br />

Säure<br />

Base<br />

Taurin (Aminoethansulfonsäure) kommt vor allem als Konjugationspartner gepaarter<br />

Gallensäuren, Glykochol- und Desoxycholsäure als Taurocholsäure vor.<br />

Taurin wurde erstmals von Gmelin 1824 aus<br />

Ochsengalle hergestellt; der Name Taurin ist<br />

von griechisch tauros= Stier hergeleitet, da<br />

beim Kochen von Ochsengalle mit Säure<br />

Taurin aus der Taurocholsäure abgespalten<br />

wird. Im Organismus (ausser in dem von<br />

OH<br />

H<br />

Katzen!) entsteht es aus Cystein.<br />

Taurin ist ein inhibitierender Neurotransmitter<br />

(Klasse der Neuropeptide) und<br />

stabilisiert Zellmembranen. Relativ hohe<br />

HO<br />

H<br />

OH<br />

Cholsäure<br />

Konzentrationen von Taurin findet man im ZNS, in der Retina und im Herz. Taurin-<br />

Defizite können bei Epilepsie, Mongolismus, Sehschwächen und Herzrhythmus-<br />

störungen<br />

eine Rolle spielen.<br />

Es ist ein wichtiger Bestandteil für die Entwicklung bei Säugern. Kommt in Muttermilch<br />

beim Menschen, aber nur in sehr geringen Mengen in der Kuhmilch vor. In einigen<br />

Kindernahrungsmitteln<br />

wird Taurin deshalb auf den Wert der Muttermilch angereichert.<br />

In Fleisch kommt Taurin in der Lunge, in Ochsenfleisch, in Haifischblut, in Austern<br />

etc.<br />

vor. Mono-, Di- und Trimethyl-Taurin wurden bei Rotalgen und Riesenkieselschwämmen<br />

nachgewiesen. Taurin ist ein Zwischenprodukt bei der Herstellung von<br />

Farbstoffen, Arzneipräparaten, Reinigungsmitteln<br />

usw., es wird unter anderem gegen<br />

Gallensteine und Schimmel angewendet.<br />

Chemie, 6sm<br />

- O3S<br />

+ H3N<br />

O<br />

44<br />

OH


2.1.5.2 Tyrosin im Stoffwechsel<br />

Tyrosin: eine Aminosäure im Stoffwechsel<br />

HO<br />

HO<br />

HO<br />

HO<br />

HO<br />

HO<br />

HO<br />

COMT<br />

HO<br />

HO<br />

O<br />

O<br />

OH<br />

NH 2<br />

OH<br />

NH 2<br />

OH<br />

NH 2<br />

OH<br />

NH 2<br />

NH<br />

Tyrosin<br />

Hydroxylierung<br />

Decarboxylierung<br />

L-Dopa<br />

Decarboxylierung<br />

Aromatische Aminosäure-Decarboxylase, AAD<br />

Dopamin,<br />

reguliert komplexe Bewegungsabläufe<br />

kann Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden<br />

Hydroxylierung, stereoselektiv<br />

HO<br />

Noradrenalin<br />

stimuliert den Wachzustand,<br />

die Stimmungslage,<br />

den Blutdruck<br />

Methylierung<br />

Catecholamin-O-Methyltransferase, COMT<br />

Adrenalin<br />

steigert den Blutdruck und<br />

die Herzfrequenz<br />

Thyramin,<br />

z.B in Käse<br />

NH 2<br />

Thyroxin, T4, T3<br />

Melanin<br />

Dopaminmangel: Parkinsonsche Krankheit (Symptome: leise Stimme, gebückte<br />

Haltung, Traurigkeit, Abnahme des Mienenspiels, verlangsamte Denkabläufe,<br />

Störungen des vegetativen Systems) Medikament: L-Dopa mit AAD- und COMT-<br />

Hemmern, weil sonst nur ca. 1% des L-Dopa im Gehirn zu Dopamin wird!! Mit diesen<br />

Enzym-Inhibitoren sind es 20-30% 32 .<br />

32<br />

Diederich F., Lerner Ch., Chemischer Baustein im Kampf gegen Parkinson, Bulletin ETH-Zürich, Nr.<br />

282, Sept. 2001, 14ff<br />

Chemie, 6sm<br />

45


Dopamin Noradrenalin Adrenalin<br />

(Die Halbwertszeit ist mit<br />

10-30 Sekunden extrem<br />

kurz.)<br />

Abbildung 38: Stick and Ball-Modelle einiger Neurotransmitter<br />

Die chemische Synthese von L-Dopa geschieht heute mit einer sogenannt<br />

asymmetrischen katalytischen Hydrierung, die 1968 erstmals von William Knowles<br />

durchgeführt wurde. Er erhielt dafür, zusammen mit Ryoji Noyori und Barry Sharpless<br />

2001 den Nobelpreis für Chemie:<br />

Abbildung 39: Asymmetrische katalytische Hydrierung zu L-Dopa, asymmetrischer Katalysator<br />

DiPAMP<br />

Chemie, 6sm<br />

46


Me<br />

HO<br />

Rezeptor<br />

HO<br />

Komplexbindung<br />

Mg, Ca van der Waals<br />

OH<br />

H- Brücke<br />

NH+<br />

Ionenbindung<br />

Abbildung 40: Adrenalin chemisch gebunden am Rezeptor (verschiedene Bindungstypen)<br />

Nicht nur die Form der Wirkstoffe ist entscheidend, die chemischen Bindungen an<br />

den Rezeptor spielen bei der Wirkungsauslösung eine ebenso grosse Rolle.<br />

Neurotransmission: L- Adrenalin ist ein Neurotransmitter des adrenergen<br />

Nervensystems, wird in dessen Neuronen synthetisiert und von ihnen freigesetzt. Es<br />

wirkt auf - und -Adrenozeptoren, wobei die -Affinität überwiegt.<br />

Hormonwirkung: L-Adrenalin wird als Nebennierenhormon zusammen mit dem<br />

chemisch und physiologisch nahe verwandten L-Noradrenalin im Nebennierenmark<br />

gebildet und von dort ins Blut ausgeschüttet. Im Stoffwechsel der Leber und der Muskulatur<br />

aktiviert L- Adrenalin die zur Bildung von Adenosin-3',5'-monophosphat notwendige<br />

Adenylat-Cyclase, was durch eine Aktivierungskaskade (Phosphorylierungen<br />

durch Protein-Kinasen) schliesslich zur Stimulierung der Phosphorylase und zu<br />

erhöhtem Glykogen-Abbau führt. Der damit verbundene Anstieg des Blutzuckers<br />

ermöglicht dessen Vergärung zu Milchsäure in den Muskeln. In Fettgewebe bewirkt L-<br />

Adrenalin die Aktivierung von Lipasen und somit eine Steigerung des Fettabbaus. Da L-<br />

Adrenalin ausserdem den oxidativen Stoffwechsel in den Zellen steigert, bewirkt es<br />

insgesamt eine erhöhte Einsatzbereitschaft des Organismus, sei es zu Arbeit, Angriff<br />

oder Flucht. Dementsprechend beobachtet man auch eine Steigerung der L- Adrenalin -<br />

Ausschüttung in Stress-Situationen. In kleineren Dosen bewirkt z. B. auch Nicotin eine<br />

Freisetzung von L- Adrenalin und L-Noradrenalin.<br />

Der Abbau des in das Blut abgegebenen Adrenalins (wie auch des Noradrenalins)<br />

erfolgt durch Catechol-O-Methyltransferase = COMT und Monoaminooxidase = MAO<br />

(d.h. durch O-Methylierung bzw. Desaminierung zu Vanillinmandelsäure = 3-Methoxy-4hydroxymandelsäure).<br />

Es wird aber auch in geringen Mengen unverändert durch die<br />

Nieren ausgeschieden.<br />

Chemie, 6sm<br />

47


2.1.5.3 Nervenreizleitung<br />

Am gleichen Nervenreizleitung-Prozess, an dem auch der Neurotransmitter<br />

(Botenstoff, Nervenreizüberträger) Dopamin beteiligt ist, können auch andere<br />

Substanzen reagieren (siehe Neurochemie 33 , 34 ).<br />

Synaptosomen<br />

präsynaptisch<br />

Freisetzung<br />

Rückresorption<br />

Enzymat.<br />

Abbau<br />

Rezeptor<br />

Reaktion<br />

Elektr.<br />

Bindung<br />

Impuls Gleichgewicht<br />

Nervenreiz<br />

Enzym<br />

Produktion<br />

synaptischer<br />

Spalt<br />

postsynaptisch<br />

Abbildung 41: Die Synapse mit den chemischen Prozessen (ein Regelsystem)<br />

Das Simulationsdiagramm zu diesem Schema:<br />

Reizstärke<br />

Synaptosomen freisetzen Synapse binden<br />

Rezeptoren<br />

synthetisieren<br />

ks<br />

rückresorbieren<br />

kr<br />

kb<br />

abbauen<br />

ka<br />

desorbieren<br />

Die entsprechenden Gleichungen (mit Vensim PLE):<br />

(01) abbauen= ka*Synapse (Abbaurate prop. Konzentration)<br />

(02) binden= kb*Synapse (Bindungsrate prop. Konzentration)<br />

(03) desorbieren= kd*Rezeptoren (Desorptionsrate prop. Konzentration)<br />

(04) Effekt= IF THEN ELSE(Rezeptoren>=1,Rezeptoren ,0 ) (Proportionalitätskonstante hier<br />

=1)<br />

(05) FINAL TIME = 100<br />

Units: millisec<br />

The final time for the simulation.<br />

(06) freisetzen=IF THEN ELSE(Synaptosomen


(07) INITIAL TIME = 0<br />

Units: millisec<br />

The initial time for the simulation.<br />

(08) ka= 0.1<br />

(09) kb= 0.1<br />

(10) kd= 0.1<br />

(11) Kdiss= kd/kb (Dissoziationskonstante entspr. ED(50))<br />

(12) kr= 0.1<br />

(13) ks= 0.1<br />

(14) Reizstärke= 0.1<br />

(15) Rezeptoren= INTEG (binden-desorbieren, 0)<br />

(16) rückresorbieren= kr*Synapse (Rückresorptionsrate prop. Konzentration)<br />

(17) SAVEPER = TIME STEP<br />

The frequency with which output is stored.<br />

(18) Synapse= INTEG (+freisetzen-binden+desorbieren-rückresorbieren-abbauen,0)<br />

(19) Synaptosomen= INTEG (+rückresorbieren-freisetzen+synthetisieren,1)<br />

(20) synthetisieren= ks<br />

(21) TIME STEP = 1<br />

The time step for the simulation.<br />

Agonisten oder Antagonisten können:<br />

gleich wirken, aber vielleicht stärker oder schwächer (Agonisten)<br />

blockieren (Antagonisten)<br />

die Freisetzung aus den Synapsenbläschen fördern oder blockieren<br />

den Abbau blockieren (Inhibition der Enzyme im synaptischen Spalt)<br />

den Abbau beschleunigen (Adaption, Sucht)<br />

die Rückaufnahme (Reuptake) beschleunigen, unterdrücken<br />

das Gleichgewicht stören (Adaption, Sucht)<br />

Neurotransmitter<br />

Ausschüttung<br />

Nervenreiz<br />

Rückresorption/Abbau<br />

Abbildung 42: Ein einfacher Regler im Körper (schematisch)<br />

Abbildung 43: Dopamin, mikroskopische Aufnahme 35<br />

Neurotranmitterkonz.<br />

synapt. Spalt<br />

35 Dopamin: http://micro.magnet.fsu.edu/micro/gallery/neurotrans/neuro1.html, 27.02.01<br />

Chemie, 6sm<br />

49


Dopamin und Konkurrenten<br />

HO<br />

H2 N<br />

OH Dopamin<br />

H 3 C<br />

OCH3<br />

OCH3<br />

H2 N<br />

Dom<br />

H3 C O<br />

H3 C O<br />

Abbildung 44: Die Neurotransmitter Dopamin und zwei Drogen im Vergleich<br />

O CH 3<br />

NH2<br />

Mescalin<br />

Mescalin: Psychodelicum, hochwirksames Halluzinogen, Wirkstoff des Peyotl Kaktus,<br />

verwendet von Azteken und mexikanischen Indianern<br />

DOM: hochwirksames Psychodelicum, 1967 an einem Hippie - Fest in San Francisco<br />

aufgetaucht, Name STP (serenity (Heiterkeit, Gelassenheit), tranquility, peace).<br />

Folgerung:<br />

Die Drogen greifen im Zentralnervensystem dort an, wo auch die Neurotransmitter<br />

wirksam sind.<br />

Tabelle 1: Wirkungen von Agonisten und Antagonisten<br />

Wirkung der Nerven<br />

Wirkung der Substanz anregend dämpfend<br />

Agonist + -<br />

Antagonist - +<br />

2.1.5.4 Die Synapse, eine chemische Schaltstelle<br />

Eine Synapse ist wie eine Diode Leitet nur in einer Richtung.<br />

<br />

Stärke eines Nervenreizes<br />

Ein Nerv „feuert“ ca. 10-50 mal pro Sekunde (50 Hz), was bei einem sehr starken Reiz<br />

auf bis zu 500 mal steigen kann (500 Hz). Die Stärke eines Nervenreizes ist somit nicht<br />

von der Amplitude (Spannung) sondern von der Geschwindigkeit der Impulse abhängig<br />

(digitales Verhalten).<br />

Geschwindigkeit der Übertragung im synaptischen Spalt:<br />

Synaptischer Spalt: 15 - 25 nm (1 nm = 10 -9 m = 10 -7 cm, 20 nm = 2010 -9 m)<br />

Zum Vergleich: Die Bindungslängen C-C im aromatischen Ring sind ca. 0,14 nm<br />

Chemie, 6sm<br />

50


Zeit t für die Reizübertragung durch Diffusion 36 :<br />

Diffusionszeit: t = l 2 /D;<br />

l : Distanz (m);<br />

D: Diffusionskonstante 10 -9 m 2 sec -1 (in Wasser)<br />

Für 1 cm Wasser: t 10 -4 /10 -9 sec = 1666 Min = 27.8 Stunden !!<br />

Für den Synaptischen Spalt (l = 20 nm = 2010 -9 m):<br />

t = (210 -8 ) 2 /10 -9 = 410 -7 sec = 0.4 s !!<br />

Folgerung:<br />

Bei den ausserordentlich kleinen<br />

Distanzen des synaptischen<br />

Spalts ist die Diffusion als sehr<br />

langsamer Prozess genügend<br />

rasch.<br />

Molekulare Ebene (1 nm = 10 -9<br />

m):<br />

t = (10 -9 ) 2 /10 -9 = 10 -9 sec = 1 ns !!<br />

Nanobereich<br />

In doppelt logarithmischer<br />

Darstellung ergibt sich eine<br />

Gerade, welche die<br />

zusammenhände deutlich macht.<br />

Diffusionszeit (s)<br />

1.00E+06<br />

1.00E+03<br />

1.00E-03<br />

1.00E-06<br />

1.00E-09<br />

51<br />

1.00E-09 1.00E-06 1.00E-03<br />

1.00E+00<br />

1.00E+00<br />

Länge (m)<br />

Strategie der Natur (auch der Mikrotechnik)<br />

Die Kanäle und Spalten sind auf zellulärer und vor allem auf molekularer Ebene so<br />

klein, dass Diffusionsvorgänge und Mischungsvorgänge im Vergleich zum<br />

Makroskopischen ausserordentlich rasch ablaufen.<br />

Besonderheit der Nanotechnologie (und damit auch der chemischen Prozesse auf<br />

zellulärer Ebene): Hier sind auch Prozesse sehr rasch, die makroskopisch langsam<br />

sind.<br />

An den Grenzflächen verhalten sich die Moleküle anders, als in den beiden<br />

Phasen.<br />

Die Geschwindigkeit der Nervenreizleitung über die Nervenbahnen ist mit ca. 100<br />

Meter pro Sekunde oder 1/3 der Schallgeschwindigkeit 37 relativ langsam.<br />

36 Herleitung mit den Fickschen Gesetzen<br />

37 Rauland M., Chemie der Gefühle, S.Hirzel Verlag, Stuttgart/Leipzig, 2001, 60<br />

Chemie, 6sm


Thyroid-Hormone 38<br />

Im Jahre 1915 verkündete der Landarzt Heinrich<br />

Hunziker 39 : „Der Kropf entsteht durch Iodmangel in der<br />

Nahrung. Iod ist kein Gift. In kleinen Mengen regelmässig<br />

verabreicht, lässt Iod die Kröpfe zurückbilden und verhindert<br />

auch ihre Entstehung.“ Im selben Jahr gelang die erste<br />

Reinherstellung von T4 von Kendall durch alkalische<br />

Hydrolyse von tierischen Schilddrüsen (etwa 3000 kg<br />

Schilddrüsen ergaben nur 33 g Reinthyroxin).<br />

1922 führte<br />

der Kanton Appenzell-Ausserrhoden als erster Schweizer<br />

Kanton das Kochsalz mit Iodzusatz ein. Der Erfolg blieb<br />

nicht aus. 1926/27 erfolgten Strukturermittlung und<br />

Synthese durch Harington<br />

und Barger.<br />

Thyroid-Hormone sind eine Sammelbezeichnung für die<br />

beiden in der Schilddrüse (Thyreoidea) aus Tyrosin<br />

gebildeten Hormone:<br />

3,3',5-Triiod-L-thyronin (T3, C15H12I3NO4, MR 651,01) und<br />

Abbildung 45:<br />

Schilddrüse<br />

L-Thyroxin (3,3',5,5'-Tetraiod-L-thyronin, T4, C15H11I4NO4, MR 776,88). Die Schilddrüse<br />

wiegt bei Neugeborenen etwa 2g, bei Schulkindern 10 bis 15 g und bei Erwachsenen<br />

bis 25 g.<br />

Bildung und Abbau: Der menschliche Organismus enthält ca. 10–30 mg Iod, und zwar<br />

zu 99% in der Schilddrüse. Das mit der Nahrung aufgenommene Iodid (empfohlene<br />

Zufuhr 0,15–0,20 mg/Tag 40,41 ) geht über Mono- und 3,5-Diiodtyrosin schliesslich in T3<br />

und T4 über (siehe Schema). Die tägliche Sekretionsrate wird auf ca. 90 g T4 bzw.<br />

10 g T3 geschätzt. Im Blut werden sie an Proteine gebunden transportiert. Die<br />

normale Serumkonzentration beträgt ca. 10 nmol/l.<br />

Die Schilddrüsenhormone beeinflussen z.B.:<br />

Eiweissstoffwechsel,<br />

Kohlenhydratstoffwechsel,<br />

Fettstoffwechsel,<br />

Energiestoffwechsel,<br />

Muskelstoffwechsel,<br />

Mineralhaushalt,<br />

Temperaturregulation,<br />

körperliche und geistige Entwicklung im Wachstumsalter,<br />

körperliche und geistige Leistungsfähigkeit bei Erwachsenen,<br />

Tätigkeit anderer Drüsen, z.B. auch der Keimdrüsen, die der Fortpflanzung dienen.<br />

38<br />

Thyroid-Hormone, Römpp Lexikon Chemie – Version 2.0, Stuttgart/New York: Georg Thieme Verlag<br />

1999<br />

39<br />

Kiechler N., Salzige Tatsachen in: Das Wissen- und Mutbuch über Wundermittel und Gifte, Verlag<br />

AARE Solothurn, 1986, 88<br />

40<br />

Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr, Umschau/Braus, 2000, Schweizerische Vereinigung für<br />

Ernährung (Hrsg.)<br />

41<br />

Baltes W., Lebensmittelchemie, 4. Auflage, Springer-Verlag Berlin, 1995,16<br />

Chemie, 6sm<br />

52


HO<br />

Peroxidase+<br />

Iodinase<br />

Monoiodtyrosin<br />

HO<br />

HO<br />

NH 2<br />

OH<br />

NH 2<br />

O<br />

O HO<br />

OH<br />

I I<br />

I<br />

NH 2<br />

OH<br />

O<br />

Tyrosin<br />

I I<br />

HO<br />

NH 2<br />

OH<br />

NH 2<br />

OH<br />

Abbildung 46:Biosynthese von T4 und T3 aus Tyrosin<br />

T3 ist etwa fünf bis zehn mal<br />

stärker wirksam anregend auf<br />

den Stoffwechsel als T4 42 . Die<br />

Thyroid-Hormone steigern den<br />

Grundumsatz und wirken auf den<br />

Stoffwechsel von<br />

Kohlenhydraten, Lipiden und<br />

Proteinen. Die<br />

wachstumsfördernde Wirkung ist<br />

eine wesentliche Voraussetzung<br />

für eine ungestörte kindliche<br />

Entwicklung. Die Regulation der<br />

Schilddrüse-Aktivität erfolgt über<br />

das Zentralnervensystem.<br />

Die Hormonkonzentration von T3<br />

und T4 im Blut wirkt hemmend<br />

I<br />

I<br />

Diiodtyrosin Triiodthyronin, T3<br />

O<br />

O<br />

HO<br />

HO<br />

I<br />

I<br />

I<br />

O<br />

O<br />

Thyroxin, T4<br />

auf die Freisetzung von TRH (Regelkreis negative Rückkopplung).<br />

I<br />

I<br />

I<br />

I<br />

NH 2<br />

NH 2<br />

53<br />

O<br />

OH<br />

O<br />

OH<br />

Abbildung 47:Thyroxin (T4), links erkennt man die<br />

grossen unpolaren Iodatome, rechts den Sauerstoff der<br />

Säuregruppe. Bei T3 fehlt das obere Iodatom.<br />

Ihr Abbau erfolgt in Leber und Niere durch Desaminierung, Decarboxylierung oder<br />

Konjugation, besonders aber durch Desiodierung, wobei ca. 20% des freiwerdenden<br />

Iodids erneut zur Synthese von Iodaminosäuren zur Verfügung stehen<br />

(Rückresorption).<br />

Die biologische HWZ (chemischer Abbau, Metabolisierung + Ausscheidung) des T4<br />

beträgt ca. 7 Tage, die des T3 etwa 1-1,5 Tage. Etwa 15% der Thyroid-Hormone<br />

werden mit dem Stuhl (Lipophilie!!), nur sehr geringe Mengen mit dem Harn ausgeschieden.<br />

42<br />

Lüllmann H., Mohr K., Ziegler A., Taschenatlas der Pharmakologie, Georg Thieme Verlag,<br />

Stuttgart/New York, 1994, 239<br />

Chemie, 6sm


Urin-<br />

Ausscheidung<br />

Aufgenommenes<br />

Iodid<br />

G.I. Trakt<br />

Iodid<br />

Iodid<br />

im Blut<br />

Aktiver Transport<br />

gehemmt durch: I-, SCN-,<br />

ClO4gesteigert<br />

durch: TSH, I-<br />

Mangel<br />

Enzymat. Oxidation<br />

gehemmt durch:<br />

Thioharnstoff,<br />

Imidazol,<br />

Aminobenzol-Deriv.<br />

gesteigert durch: TSH<br />

Abbildung 48: Iod und Iodid im Stoffwechsel 43<br />

Periphere Wirkung<br />

und Metabolismus<br />

Iod + Tyrosin -><br />

MIT -> DIT<br />

MIT + DIT -> T3<br />

DIT + DIT -> T4<br />

-> Leber -><br />

Faeces<br />

Zirkulierendes<br />

Protein-gebundenes<br />

T3 und T4<br />

Proteolyse<br />

gehemmt durch:<br />

Igesteigert<br />

durch:<br />

TSH<br />

Enzymat. Kopplung<br />

T3, T4 -><br />

Thyreoglobulin<br />

43 Lemmer B., Wiethold G., Saller R., Hodgson M., Lehrbuch der Pharmakologie, Springer-Verlag,<br />

Berlin/Heidelberg/New York, 1975, 360<br />

Chemie, 6sm<br />

54


Kropferzeugende Stoffe<br />

In den Kohl- und Krautarten der Gattung Brassica sind kropferzeugenden (strumige)<br />

Substanzen enthalten. Beispiele sind: Weisskraut, Rotkraut, Wirsig, Kohlrabi,<br />

Sommerraps, Blumenkohl, und Speiserüben. Auch Senfarten, Rettich, Meerrettich<br />

Gartenkresse, Zwiebel und Cassava kommen solche Substanzen vor 44 .<br />

Hier sind es zwei molekulare Mechanismen, die zu Kropf (Struma) führen können:<br />

Verminderung der Iodaufnahme (SCN - , ClO4 - )<br />

Hemmung der Schilddrüsenfunktion (Thioharnstoff)<br />

R<br />

C<br />

S<br />

N O<br />

C 6 H 11O 5<br />

T h i o g l u c osidase/H2O S O<br />

2 K<br />

- C 6 H 1 2 O 6, - KHSO 3<br />

R N C S R C N<br />

I s o t h i o c yanat Nitril +<br />

Schwefel<br />

R<br />

C<br />

S<br />

N<br />

55<br />

R S C N<br />

T h i o c y a n at<br />

Abbildung 49: Bildung kropferzeugender Substanzen aus Nahrungsmitteln ohne Zusatzstoffe<br />

Das Thiocyanat (SCN - ) verdrängt, möglicherweise<br />

wegen seinem sehr ähnlichen Ionenradius wie Iodid<br />

(I - ) und seiner grossen Affinität zu den<br />

Aufnahmestellen im Schilddrüsenepithel die<br />

Iodionen. Wichtig: Beide Substanzen sind negativ<br />

geladene Ionen!<br />

Am meisten SCN - wird von Wirsigkohl gebildet (bis<br />

zu 30 mg/100 g). Blumenkohl enthält bis zu 10<br />

mg/100 g, Kohlrabi etwa 2 mg/ 100 g. Wenn die<br />

Abbildung 50: Iodid- und<br />

Thiocyanat- Anion<br />

Nahrung lange Zeit und sehr einseitig aus Kohlgewächsen besteht, kann die Bildung<br />

eines Kropfes begünstigt werden. Solche Verhältnisse waren in besonders iodarmen<br />

Gebieten 45 , Zeiten der Armut, unter Kriegsverhältnissen und in Gefangenenlagern<br />

gegeben. Obwohl diese Erkenntnisse für den Menschen sehr wichtig sind, wurden sie<br />

erst 1928 bei Kaninchen beobachtet, bei denen die Fütterung mit reichlich Kohl zu einer<br />

Schilddrüsenvergrösserung führte. Iodmangel, Kretinismus, zeigt sich in der extremen<br />

Form nicht nur in der Bildung eines Kropfes, sondern auch in schweren geistigen<br />

Schäden.<br />

44 Lindner E., Toxikologie der Nahrungsmittel, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1979, 27<br />

45 Miniger Max, La Chaux, Eine verschwundene Geissel der Menschheit: Der Kretinismus der Alpen, DIE<br />

ALPEN (SAC), 4. Quartalsheft, 1983, S. S. 239 – 246. (Die Originalsprache des Beitrags ist<br />

französisch: LES ALPES, 4 Trimestriel 1983, pages 239.)<br />

Chemie, 6sm


Durch Zufuhr von Iodid kann Thiocyanat (SCN - ) kompensiert werden. Thioharnstoff<br />

(und ähnliche Medikamente) verhindert die Oxidation von Iodid zu Iod und kann somit<br />

mit einer höheren Iodidzufuhr nicht kompensiert werden.<br />

H 2 N<br />

H 2 N<br />

C<br />

HN<br />

S C<br />

H2N<br />

SH<br />

Thioharnstoff Isothioharnstoff<br />

Nur Iod kann die Substitutionsreaktion am aromatischen Ring durchführen, da das Iodid<br />

das Oktett schon erreicht hat und nicht mehr reaktiv ist (keine treibende Kraft!).<br />

Im Jahre 1915 verkündete der Landarzt Heinrich Hunziker 46 : „Der Kropf entsteht durch<br />

Iodmangel in der Nahrung. Iod ist kein Gift. In kleinen Mengen regelmässig verabreicht,<br />

lässt Iod die Kröpfe zurückbilden und verhindert auch ihre Entstehung.“ 1922 führte der<br />

Kanton Appenzell-Ausserrhoden als erster Schweizer Kanton das Kochsalz mit<br />

Iodzusatz ein. Heute ist dieser Zusatz, da sehr sinnvoll, üblich.<br />

Abbildung 51: Zusätze von Fluorid und Iodid zum Tafelsalz<br />

Die zugesetzte Menge an Iodid beträgt 0.02%, d.h. 20 Mikrogramm pro Gramm Salz.<br />

Somit muss man ca. 7.5 - 10 Gramm Salz einnehmen, um auf die erforderlichen 150 –<br />

200 Mikrogramm Iodid zu kommen – also weit mehr, als der tägliche Kochsalzkonsum<br />

von 2 – 3 Gramm bei mässiger körperlicher Arbeit.<br />

46<br />

Kiechler N., Salzige Tatsachen in: Das Wissen- und Mutbuch über Wundermittel und Gifte, Verlag<br />

AARE Solothurn, 1986, 88<br />

Chemie, 6sm<br />

56


Die Chemie des Bräunens<br />

Alle Reaktionen in unserem Körper sind sehr komplex, so auch das Bräunen der Haut.<br />

Fehlen die entsprechenden Enzyme, dann hat das bei Menschen und Tieren<br />

Albinismus zur Folge.<br />

H<br />

N<br />

Schon der braune Farbstoff, das Melanin ist keine einheitliche Substanz<br />

Indol<br />

47 .<br />

Chemisch handelt es sich bei den Melaninen um komplexe Aggregate<br />

chinoider Substanzen der empirischen Formel (C8H3NO2)x, die sich vom<br />

Indol ableiten 48 .<br />

Abbildung 52: Vereinfachtes Schema der Chemie der Melanin-Bildung<br />

3<br />

NH2 HO<br />

4<br />

CH2 C COOH<br />

H<br />

L-Tyrosin (AMCS)<br />

farblos<br />

<br />

HO<br />

HO<br />

H 2N<br />

Tyrosinase L-Dopa<br />

farblos<br />

Unter Einwirkung bestimmter Enzyme, wie der<br />

Tyrosinase, welche sich in den Melanosomen<br />

befindet, entstehen Melanine. Dabei spielen<br />

Hydroxylierungen (von L-Tyrosin zu L-Dopa),<br />

Oxidationen mit Phenol-Oxidasen (z. B. von L-Dopa<br />

zu L-Dopachinon) und Cyclisierungen<br />

(Ringbildungen) eine Rolle. Diese Reaktion ist<br />

kinetisch kontrolliert, denn eine Rückreaktion ist<br />

nicht möglich.<br />

O<br />

OH<br />

<br />

<br />

Phenol-<br />

Oxidasen<br />

Das Braunwerden von Obst und die Bräunung<br />

Die Phenol-Oxidasen, welche auch für die Bräunung<br />

der Haut verantwortlich sind, sind ebenfalls<br />

zuständig für die Bräunung der Schnittflächen bei<br />

Kartoffeln, Obst und Pilzen, die Braun- und<br />

Schwarzfärbung von abgefallenem Herbstlaub.<br />

Polyphenol-Oxidasen werden durch Sonnen-, -<br />

oder Röntgenstrahlung aktiviert, durch Kochen<br />

zerstört und beispielsweise durch L-Ascorbinsäure<br />

(Vitamin C), Schwefeldioxid, Blausäure und Kohlenmonoxid gehemmt.<br />

O<br />

O<br />

HN<br />

NH<br />

O<br />

Melanin<br />

braun<br />

O<br />

57<br />

Abbildung 53: Oben: Banane, der eine<br />

dünne Haut abgeschält ist.<br />

Unten: Die Bananenhaut über eine<br />

Lichtsonde gestülpt (die Farbe ist<br />

schon ganz braun)<br />

Wenn Äpfel aufgeschnitten werden, laufen sie rasch braun an. Noch intensiver ist diese<br />

Reaktion bei Bananenhaut. Die Banane wird mit ähnlichen chemischen Reaktionen<br />

braun, wie unsere Haut im Sommer.<br />

Somit können wir an einem einfachen Beispiel die Bräunung im Zeitraffer verfolgen.<br />

(Das Experiment funktioniert auch mit einer dünnen Scheibe Apfel, ist jedoch<br />

wesentlich weniger rasch und die Verfärbung ist weniger stark.)<br />

47 Jakubke H.D., Jeschkeit H., Lexikon <strong>Biochemie</strong>, Verlag Chemie, Leipzig 1974, 354<br />

48 Römpp Lexikon Chemie – Version 2.0, Stuttgart/New York: Georg Thieme Verlag 1999<br />

Chemie, 6sm


Experiment<br />

Ganz wenig Bananenhaut wird mit dem Messer weggeschnitten. In kurzer Zeit verfärbt<br />

sich die Bananenhaut braun.<br />

Die Innenseite muss von der weichen Schicht befreit werden, wenn man<br />

Durchlichtmessungen machen will (sonst ist die Haut zu wenig lichtdurchlässig). Die<br />

Geschwindigkeit der Braunfärbung kann mit einer Photodiode oder einem<br />

Photowiderstand leicht gemessen werden.<br />

Lichtintensität<br />

0,14<br />

0,12<br />

0,1<br />

0,08<br />

0,06<br />

0,04<br />

0,02<br />

0<br />

y = 0,11e -0,0004x<br />

R 2 = 0,91<br />

0 1000 2000 3000 4000<br />

Zeit (s)<br />

Abbildung 54: Messung der Lichtdurchlässigkeit einer Bananenhaut (Braunwerden)<br />

Interpretation:<br />

Die Reaktion lässt sich mit Pseudo 1. Ordnung recht gut beschreiben<br />

(Korrelationskoeffizient R>0,9).<br />

Die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante ist k = -0,0004 [s -1 ], die Halbwertszeit t½ =<br />

ln(„)/k = 1730 [s]., d.h. in rund einer halben Stunde ist die Lichtdurchlässigkeit auf die<br />

Hälfte gesunken.<br />

Wenn man die Oberfläche der Banane unter einer Stereolupe genau betrachtet, dann<br />

sieht man die Pigmentierung anhand von kleinen dunklen Punkten.<br />

Wenn man die Bananenschale in das Tiefkühlfach legt, bis sie gefroren ist, und dann<br />

eine Messung durchführt, dann sieht man dass die Bananenschale aus dem<br />

Kühlschrank viel rascher nachdunkelt. (Erklärung: die Zellen werden durch die<br />

Eiskristalle zerstört und somit tritt mehr Phenolase aus, welche das braune Pigment,<br />

Melamin bildet.).<br />

Unter Wasser findet die Bräunung nicht statt, da kein Sauerstoff vorhanden ist.<br />

Was lässt sich weiter auch qualitativ untersuchen? Der Einfluss von Licht, Temperatur<br />

und Sauerstoff, die Wirkung von Zitronensaft, SO2 etc.<br />

Die chemischen Reaktionen sind heute recht gut verstanden. Sie lassen sich wie folgt<br />

beschreiben:<br />

Chemie, 6sm<br />

58


n<br />

O<br />

O<br />

HO<br />

HO<br />

HO<br />

HO<br />

O<br />

HO<br />

O<br />

N<br />

H<br />

N<br />

H<br />

N<br />

H<br />

N<br />

H<br />

HO<br />

NH<br />

O<br />

OH<br />

HO OH<br />

OH<br />

H2N O<br />

O<br />

OH<br />

H<br />

OH<br />

HO<br />

HO<br />

HO<br />

O<br />

O 2<br />

H 2N<br />

L-Tyrosin<br />

N<br />

H<br />

O<br />

N<br />

H<br />

L-Dopachrom<br />

H<br />

OH<br />

H<br />

OH<br />

O<br />

O<br />

L-Leukodopachrom<br />

Melanin<br />

H<br />

OH<br />

O<br />

O 2<br />

HO<br />

Tyrosinase<br />

HO<br />

O 2<br />

Tyrosinase<br />

O<br />

O<br />

CO2 HO<br />

HO<br />

5,6-Dihydroindol<br />

O<br />

O<br />

H 2N<br />

O 2<br />

H 2N<br />

L-Dopachinon<br />

O 2<br />

5,6-Indolchinon<br />

Abbildung 55: Raper-Manson-Schema der Melaninsynthese (Raper 1928/Manson 1948)<br />

N<br />

H<br />

N<br />

H<br />

H<br />

OH<br />

H<br />

OH<br />

O<br />

O<br />

L-Dopa<br />

Abbildung 56: Elektronendichteverteilung von Sepiamelanin (Nicolaus 1968). Aussen: polare<br />

Gruppen, innen unpolar.<br />

Folgerung:<br />

Eine Ausgangssubstanz, wie z.B. Tyrosin oder Tryptophan, kann zu den<br />

verschiedensten wirksamen Stoffen führen.<br />

Chemie, 6sm<br />

59


Zusammenfassung<br />

Chemie, 6sm<br />

Dopaminhydroxylase<br />

Phenylaminoethanol<br />

N-Methyltransferase<br />

Enzyme im Phenylalanin-Stoffwechsel<br />

Phenylalanin-4-hydroxylase<br />

Tyrosinhydroxylase Peroxidase<br />

Iodinase<br />

Dopadecarboxylase o-Diphenoloxidase<br />

Dopamin<br />

Nuerotransmitter<br />

Noradrenalin<br />

Neurotransmitter<br />

Adrenalin<br />

Neurotransmitter<br />

Oxidasen<br />

Phenylalanin<br />

essentielle Aminosäure<br />

Tyrosin<br />

Dopa Thyroxin<br />

T3, T4<br />

Hormone<br />

Dopachinon<br />

Dopachrom<br />

Melanin<br />

Pigment<br />

60


2.1.5.5 Stoffwechsel von Tryptophan<br />

HO<br />

HO<br />

H<br />

N<br />

H<br />

N<br />

H<br />

N<br />

O<br />

NH 2<br />

Physiologische Effekte:<br />

OH<br />

O<br />

NH 2<br />

NH 2<br />

OH<br />

Tryptophan<br />

Basische AMCS<br />

Tryptophan-5hydroxylase<br />

(Oxidation)<br />

5-Hydroxy-tryptophan<br />

Ein Medikament gegen<br />

Depressionen<br />

Decarboxylase<br />

(- CO2)<br />

Serotonin<br />

Führt Schlaf herbei<br />

Regelt den Appetit<br />

Hat Einfluss auf das<br />

Sexualverhalten<br />

Regelt motorische<br />

Aktivität<br />

Beeinflusst<br />

Schmerzwahrnehmung<br />

Eine erhöhte Serotoninausscheidung kann bei der Akkupunkturbehandlung<br />

nachgewiesen werden.<br />

Bei Depressionen ist der Serotoningehalt im Gehirn deutlich vermindert; Prozac, ein<br />

Antidepressivum (Manager Glückspille) vermindert die Serotoninrückresorption.<br />

Schokolade enthält relativ viel Tryptophan Glücksgefühl??<br />

Das Indigoblau, ein Produkt aus Tryptophan:<br />

L-Tryptophan<br />

Chemie, 6sm<br />

H<br />

N<br />

NH 2<br />

H<br />

COOH<br />

H<br />

N<br />

Indoxyl OH Indigo<br />

H<br />

N<br />

O<br />

O<br />

N<br />

H<br />

61


2.1.5.6 Ernährung als Muntermacher? 49<br />

Fettkonsum<br />

Freie Fettsäuren verdrängen<br />

Tryptophan aus dem<br />

Blut-Albumin<br />

Höhere Konzentration<br />

an Tryptophan im Blut<br />

Körperliche Betätigung<br />

Alltag oder Sport<br />

Kohlenhydrataufnahme<br />

Gesteigerte<br />

Insulinausscheidung<br />

Verstärkte Aufnahme<br />

konkurrierender AMCS<br />

z.B. Tyrosin in die Muskulatur<br />

Relative Anreicherung von<br />

Tryptophan im Blut<br />

Erhöhte Transportrate von Tryptophan<br />

durch die Blut-Hirn-Schranke<br />

Gesteigerte Serotoninbildung<br />

"Glücksgefühl und Wohlbefinden"<br />

Abbildung 57: Gesteigerte Serotoninausschüttung durch gewisse Speisen<br />

Sonnenlicht<br />

Beispielsweise kann die Schokolade die Serotoninbildung auf dem oben dargestellten<br />

Weg stimulieren 50 .<br />

49 Bruinsma K., Taren D.L., „Chocolate: Food or Drug?“, J. American Dietic Ass., 99/10, 1999, 1249-1256<br />

50 Adler B., „Kann Schokolade glücklich machen?“, Ernährungsratgeber der CMA, 11, 1999<br />

Chemie, 6sm<br />

62


2.1.5.7 Melatonin ein Hormon aus Tryptophan Serotonin<br />

HO<br />

NH 2<br />

Serotonin<br />

H<br />

N<br />

Serotonin-<br />

N'-Acetyltransferase<br />

"Lichthemmung"<br />

Abbildung 58: Chemische Bildung von Melatonin aus Tryptophan<br />

HO<br />

O<br />

NH<br />

H<br />

N<br />

Acetylserotonin- O<br />

O-Methyltransferase<br />

Melatonin ist ein acetyliertes (bei -NH2) und methyliertes (bei –OH) Serotonin<br />

(C13H16N2O2, M:232,28) N-Acetyl-5-methoxytryptamin, es ist ein biogenes Amin.<br />

Abbildung 59: Stick and Ball-Modell von Melatonin<br />

O<br />

H<br />

N<br />

H<br />

N<br />

Melatonin<br />

Melatonin ist lipophil, alle Zellen, auch die Blut-Hirnschranke, sind für dieses Hormon<br />

durchlässig.<br />

Melatonin ist ein Hormon der Zirbeldrüse (Epiphyse, Corpus pineale), hergestellt aus<br />

Serotonin durch die organspezifische Hydroxiindol-O-Methyltranferase. Es hat einen<br />

wichtigen Einfluss auf den Pigmentstoffwechsel bei Tieren 51 . Bei diesen ist es auch der<br />

Gegenspieler des Melanotropins. Ein Tagesrhythmus bei der Ausschüttung 52 und der<br />

Ausscheidung war schon früh nachweisbar 53 . Durch die „Lichthemmung“ der Serotonin-<br />

N-Acetyltransferase kann die Rhythmik moduliert werden (Anpassung) 54 . Melatonin hat<br />

einen Einfluss auf die „biologische Uhr“ 55 , 56 . Es ist schlafinduzierend. Es wird deshalb<br />

gegen Jet-Lag 57 , 58 , Stress und Schlaflosigkeit 59 [Dosis 2 - 20 mg] eingesetzt.<br />

51 H.D. Jakubke, H. Jeschkeit, Lexikon <strong>Biochemie</strong>, Verlag Chemie GmbH, Weinheim (1976) 355<br />

52 P. Karlson, <strong>Biochemie</strong>, Georg Thieme Verlag, Stuttgart (1974) 325<br />

53 Roche, Lexikon Medizin, Verlag Urban & Schwarzenberg, München/Wien/Baltimore (1984) 1042<br />

54 Jatzkewitz H, Neurochemie, Georg Theime Verlag, Stuttgart (1978) 185<br />

55 R.J. Reiter, The melatonin rhythm: both a clock and a calendar, Experientia (1993), Aug 15, 49(8), 654<br />

664<br />

56 H.W. Korf, The pineal organ as a component of the biological clock, Ann. N.Y. Acad. Sci. (1994) May<br />

31, 719, 13-42<br />

57 Brown G.M., Day-night rhythm disturbance, pineal function and human disease, Horm. Res. (1992) 37<br />

Suppl 3, 105 111<br />

58 Redfern P. H., Can pharmological agents be used effectively in the alleviation of jet-lag, Drugs (1992)<br />

Feb 43(2), 146-153<br />

59 Sahelian R., (Los Angeles): Melatonin: Nature’s Sleeping Pill (Verlag unbekannt), (1995)<br />

Chemie, 6sm<br />

63


Melatonin hat antioxidative Eigenschaften in sehr vielen Zellen und verlangsamt das<br />

Altern der Zellen 60 (wichtig für das Immunsystem, teilweiser Einfluss auf Krebsbildung<br />

[Dosis 10 mg/Tag]).<br />

Erst bei täglichen Dosen von 6000 mg während eines Monats traten Magenbeschwerden<br />

und Müdigkeit auf.<br />

LSD (Lysergsäure-diethylamid): eine halluzinogene Droge<br />

LSD<br />

N<br />

O<br />

N<br />

H<br />

N<br />

H<br />

OH<br />

HN<br />

Serotonin<br />

Abbildung 60: Der Neurotransmitter Serotonin und LSD im Vergleich<br />

LSD kann an die Stellen andocken, an denen auch Serotonin eine Bedeutung hat<br />

(Serotoninantagonist). Es greift somit im Zentralnervensystem bei den Neurotransmitter<br />

ein ED(50) ca. 1 g/kg, HWZ im Plasma ca. 3 Std.).<br />

NH 2<br />

Folgerung:<br />

Die Droge LSD wirkt auf das Zentralnervensystem. Diese Aussage gilt für alle<br />

psychoaktiven Drogen, auch für Ecstasy.<br />

O<br />

O HN<br />

5.71 A<br />

N<br />

H<br />

HO<br />

6.69 A<br />

Ecstasy Serotonin mit den<br />

Rezeptorbindungsstellen<br />

Abbildung 61: Die wichtigen Abstände für die Bindung am Rezeptor<br />

NH 2<br />

5.84 A<br />

60 W. Pierpaoli, V.A. Lesnikow, The pineal aging clock, Evidence, models, mechanisms, interventions,<br />

Ann. N.Y. Acad. Sci. (1994) May 31, 719, 461-473<br />

Chemie, 6sm<br />

64


2.1.6 Reaktionen von AMCS<br />

Unter dem Gesichtspunkt der Proteinstruktur ist die wichtigste Eigenschaft der<br />

Aminosäuren, dass sie miteinander reagieren können, indem die Carboxylgruppe der<br />

einen Aminosäure sich durch Kondensation unter Wasserabspaltung mit der<br />

Aminogruppe der nächsten verbindet und so weiter, bis sie eine lange, mehr oder<br />

weniger aufgewickelte oder spiralige Kette von Aminosäuren bilden, die durch<br />

sogenannte Peptidbindungen verknüpft sind.<br />

2.1.6.1 Die Peptidbindung<br />

Zwei Aminosäuren werden unter Abspaltung von Wasser zu einem Dipeptid verknüpft.<br />

In gleicher Weise werden Ketten von mehreren hundert Aminosäuren gebildet<br />

(Proteine).<br />

H<br />

N<br />

H<br />

R 1<br />

O<br />

Aminosäure 1<br />

OH<br />

+<br />

H<br />

N<br />

H<br />

R 2<br />

O<br />

Aminosäure 2<br />

OH<br />

N<br />

R 1<br />

Dipeptid<br />

O<br />

H<br />

N<br />

Amid<br />

Aminosäure + Aminosäure Peptid + Wasser<br />

Abbildung 62: Die Peptidbildung<br />

Bei der Proteinsynthese wird jeweils die -Aminogruppe (-NH2, Angriff durch das freie<br />

Elektronenpaar beim N) einer Aminosäure mit der -Carboxylgruppe (-C=O, Angriff auf<br />

den positiven Dipol von C) der nächsten Aminosäure unter Abspaltung von Wasser<br />

verknüpft. Die dabei entstehende Amidgruppe wird in diesem Spezialfall auch<br />

Peptidgruppe genannt.<br />

Räumlich ist das bei den chiralen AMCS wie folgt:<br />

H 2N<br />

R 1<br />

H<br />

C OH<br />

O<br />

H 2N<br />

C OH<br />

H R 2<br />

O<br />

H 2N<br />

R 1<br />

C<br />

H<br />

O<br />

H<br />

N<br />

R 2<br />

O<br />

OH<br />

C OH<br />

H R 2<br />

Dabei ist die Peptidbindung (C=O-NH) planar!! (Rot, dick: Backbone, Rückgrat)<br />

Chemie, 6sm<br />

Ra<br />

O<br />

N<br />

H<br />

P e p t i d -<br />

b i n d u n g<br />

R b<br />

O<br />

H<br />

N<br />

Rc<br />

O<br />

N<br />

H<br />

Rd<br />

O<br />

H<br />

N<br />

R e<br />

O<br />

O<br />

+<br />

65<br />

H 2O<br />

+ H 2O


Die Peptidbindung ist physikalisch stark, lässt sich chemisch aber von vielen Enzymen<br />

spalten (Peptidasen).<br />

Kurze Ketten von Aminosäuren nennt man Peptide oder Polypeptide, lange Ketten<br />

(>100 Aminosäuren) Proteine (Eiweiss-Stoffe). Neben den wichtigsten 20 Aminosäuren<br />

gibt es weitere, die durch posttranslationelle Modifikation im Protein aus diesen gebildet<br />

werden. Andere Aminosäuren spielen als Stoffwechsel-Zwischenprodukte eine wichtige<br />

Rolle, kommen aber in Proteinen sehr selten vor.<br />

Frage: Warum kann man nicht einfach 10 AMCS in einem Kolben mit einem Reagens<br />

für die Peptidbindung geben um die richtige Reihenfolge zu erhalten?<br />

Torsionswinkel<br />

Die Faltung der Peptidkette ist<br />

definiert durch die Torsionswinkel um<br />

die Bindungen der Hauptkette. Die<br />

Peptidbindung ist planar, die<br />

Torsionsfreiheit um diese Bindung<br />

daher stark eingeschränkt. Dagegen<br />

sind<br />

die Phi und Psi-Torsionswinkel<br />

sehr variabel.<br />

Intermolekulare Bindungen<br />

Die Peptidketten haben von ihrem Aufbau her die Möglichkeit an folgenden Bindungen<br />

für Quervernetzungen teilzunehmen:<br />

Elektronenpaarbindung, kovalente Bindung (Schwefelbrücken, -S-S-)<br />

en Seitenketten (-NH3 , COO - +<br />

Ionenbindung der geladen<br />

)<br />

Komplexbindung mit Metallen (freie Elektronenpaare)<br />

Dipol-Dipol-Bindungen<br />

Wasserstoffbrücken – Bindung (>N-H ....O=C


2.1.6.2 Merrifield-Synthese<br />

Die automatisierte Herstellung von Proteinen kann mit der Merrifield-Technik vorgenommen<br />

werden (Bruce Merrifield, Nobelpreis 1984). Die erste Aminosäure wird dabei<br />

an einen Festkörper gebunden. Die Festkorper sind so gross, dass sie von einem Filter<br />

zurückgehalten werden. Alle folgenden Schritte laufen sich dann nur noch mit Zudosieren,<br />

Reagieren, Filtrieren und Waschen. Um die Reaktionen möglichst vollständig<br />

ablaufen zu lassen, verwendet man sehr grosse Überschüsse an Reagentien.<br />

O H<br />

+<br />

O O C A 1<br />

- Boc<br />

O O C A 1<br />

- H 2 O + H OOC A 2 NH Boc<br />

O O C A 1<br />

O O C<br />

A 1<br />

HOOC A 1 NH Boc<br />

NH Boc<br />

NH2<br />

NH CO A NH Boc<br />

-Boc<br />

NH CO A<br />

-H2O<br />

2<br />

HOOC A 3 NH Boc<br />

NH CO A 2<br />

A 1<br />

3<br />

O O C NH CO A NH B o c<br />

Abbildung 63: Prinzipschema der Merrifield-Synthese (Abspaltung der Boc-Schutzgruppe mit HCl,<br />

Kupplung mit DCCI (Dicyclohexylcarbodiimid))<br />

Die stereotype Aufeinanderfolge gleichartiger Reaktionen macht die Merrifield-Synthese<br />

für die Automation geeignet. Mit kommerziell erhältlichen „Synthesizern“ lassen sich<br />

ohne jegliche manuelle Eingriffe beliebige Aminosäuren in grosser Zahl<br />

aneinanderreihen – für die Synthese der Ribonuclease (124 Aminosäure-Reste)<br />

benötigten Gutte und Merrifield etwa drei Wochen (für 11 931 Einzeloperationen und<br />

11 mg Ausbeute, ein Produkt, das allerdings stark verunreinigt war).<br />

Routinemässig werden heute Peptide mit 50 AMCS in guter Ausbeute und Reinheit<br />

synthetisiert. Die Attraktivität der automatisierten Merrifield-Synthese erklärt sich aus<br />

einem drastisch gesunkenem Zeitaufwand im Vergleich zur manuellen Methode bei<br />

gleichzeitig deutlich gestiegener Ausbeute.<br />

Chemie, 6sm<br />

3<br />

+<br />

NH 2<br />

-Boc<br />

etc.<br />

67


Proteinnachweis<br />

Die Peptidbindung findet sich in allen Proteinen. Alle Substanzen, die zwei oder mehr<br />

Peptidbindungen enthalten, geben die sogenannte Biuretreaktion, die also als<br />

allgemeiner Proteinnachweis benutzt werden kann.<br />

Die Reaktion hat ihren Namen vom Biuret, einer einfachen Verbindung, in der zwei<br />

Peptidbindungen vorkommen. Biuret wird gewonnen, indem man Harnstoff sehr<br />

vorsichtig erhitzt, so dass Ammoniak entweicht und Biuret übrigbleibt.<br />

O<br />

O<br />

NH2 C<br />

NH2 NH2 C<br />

NH2 NH 3 +<br />

Abbildung 64: Biuretreaktion für den Eiweissnachweis<br />

NH 2<br />

O C<br />

NH<br />

O C<br />

Biuret<br />

In Gegenwart einer starken Base und Spuren von Kupferionen gibt Biuret mit Protein<br />

eine blass-rosarote, rosa oder hellviolette Färbung, die von Substanz zu Substanz<br />

etwas anders ausfällt, aber für Protein insgesamt charakteristisch ist. Die anderen<br />

üblichen Farbteste für Proteine sind nicht allgemeingültige Nachweise, sondern hängen<br />

von der Gegenwart bestimmter R-Gruppen in den Molekülen ab. Die meisten der 20<br />

Aminosäuren kommen in allen Proteinen vor, aber es gibt auch Proteine, denen einige<br />

bestimmte Aminosäuren fehlen. Gelatine ist ein Beispiel dafür.<br />

Benennung<br />

Kurze Ketten von Aminosäuren (AMCS) nennt man Peptide oder Polypeptide, lange<br />

Ketten (>100 Aminosäuren) Proteine (Eiweiss-Stoffe).<br />

2.1.7 Polypeptide<br />

DNA Transkription<br />

<br />

mRNA Translation<br />

<br />

NH 2<br />

Protein<br />

Polypeptide werden an den Ribosomen produziert: m-RNA, t-RNA mit AMCS <br />

Peptidkette (Primärstruktur, 2 dimensional)<br />

1. Die m-RNA bindet sich an das Ribosom.<br />

2. Eine Aminosäure beladene t-RNA bindet sich entsprechend dem Triplett an die<br />

m-RNA (P-Bindungsstelle).<br />

3. Eine Aminosäure beladene t-RNA bindet sich entsprechend dem Triplett an die<br />

m-RNA (A-Bindungsstelle).<br />

4. Eine Peptidbindung bildet sich.<br />

5. Das Peptid wird weitergeschoben, die A-Bindungsstelle ist wieder frei.<br />

Faltung (Sekundärstruktur, 3 dimensional)<br />

Strategie<br />

Festkörpergebundene Reaktionen sind sehr effektiv.<br />

Wichtig: An den Ribosomen können direkt nur Ketten hergestellt werden.<br />

Chemie, 6sm<br />

68


2.1.8 Ein Süssstoff aus Aminosäuren<br />

L-Asparagin- phenylalaninmethylester<br />

HO<br />

O<br />

NH 2<br />

O<br />

O O<br />

N<br />

H<br />

Abbildung 65: Der Süssstoff Aspartam<br />

Herstellung:<br />

Aspartam<br />

1. Von Asparagin wird die Säure der Seitenkette und das Amin je durch eine<br />

Schutzgruppe geschützt. Die Säuregruppe wird an die Aminogruppe vom<br />

Pheylalanin-methylester unter Wasserabspaltung gekoppelt.<br />

2. Die beiden Schutzgruppen werden entfernt.<br />

3. Die Substanz wird gereinigt.<br />

Tabelle 3: Süsse Aminosäuren und Peptide<br />

Dipeptid (Methylester)<br />

H 2N COOH Gly (glycos = süss)<br />

HOOC<br />

H 2N<br />

H 2N COOH Phe<br />

H<br />

N<br />

O<br />

Asp O Gly<br />

HOOC<br />

O<br />

H 2N<br />

Asp<br />

HOOC<br />

H 2N<br />

Asp<br />

O<br />

O<br />

H<br />

N<br />

H<br />

N<br />

O<br />

O<br />

O<br />

O<br />

Val<br />

Phe<br />

Süssigkeit (bezogen auf Saccharose =1)<br />

1.5<br />

7<br />

8<br />

170 - 200 (Aspartam)<br />

bitter !<br />

Heutiger Zuckerkonsum pro Kopf und Jahr: USA ca. 60 kg, Schweiz: 45 kg. Folgen:<br />

Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck, Herzinfarkt, Zahnkaries.<br />

4 g Zucker entspr. 65 J<br />

20 mg Aspartam entspr. 0.35 J entspr. 58 Fastentagen bei vollkommenem Ersatz<br />

von allem Zucker während eines Jahres (45 kg).<br />

Chemie, 6sm<br />

69


2.1.9 Die chemischen Waffen der Natur<br />

2.1.10 Antibiotika<br />

Penicillin G, ein Tripeptid<br />

Ein Pilz wehrt sich gegen Bakterien.<br />

Aus drei Aminosäuren aufgebaut: L--Aminoadipinsäure, L-Valin, L-Cystein<br />

H<br />

H<br />

H<br />

HOOC<br />

L<br />

C (CH2 ) 3 COOH HOOC<br />

L<br />

C CH2 SH HOOC<br />

L<br />

C C<br />

NH 2<br />

L--Aminoadipinsäure<br />

NH 2<br />

NH2 CH3 L-Cystein L-Valin<br />

H<br />

H<br />

HOOC<br />

L<br />

C (CH2 ) 3 CO NH<br />

L<br />

C CO NH<br />

HOOC<br />

HOOC<br />

NH 2<br />

H<br />

L<br />

C<br />

CH 2<br />

CH 3<br />

ACV-Synthetase<br />

-(L--Aminoadipyl)-Lcysteinyl-D-valin-Synthetase<br />

pcb AB-Genprodukt<br />

SH<br />

-(L--Aminoadipyl)-L-cysteinyl-D-valin<br />

NH 2<br />

NH 2<br />

C<br />

D<br />

H<br />

(CH 2 ) 3<br />

(CH 2 ) 3<br />

CO<br />

NH<br />

O<br />

Isopenicillin N<br />

CO<br />

NH<br />

O<br />

Penicillin N<br />

CH(CH 3 ) 2<br />

C COOH<br />

D<br />

H<br />

Cyclase<br />

Isopenicillin-N-Synthetase<br />

pcb C-Genprodukt<br />

H<br />

N<br />

S<br />

CH 3<br />

CH 3<br />

COOH<br />

Epimerase<br />

H<br />

N<br />

S<br />

CH 3<br />

CH 3<br />

COOH<br />

Abbildung 66: Biosynthese von Penicillin N (besonders interessant ist die Bildung des gespannten 4-<br />

Rings, des beta-Lactam-Rings).<br />

Chemie, 6sm<br />

70


Abbildung 67: Räumliche Struktur von Benzylpenicillin (Penicillin G)<br />

Was ist das Besondere am Penicillin:<br />

Es ist aus 3 AMCS aufgebaut.<br />

Es hat sehr gespannte Ringe (4-Ring,<br />

Lactamring).<br />

Es wird von einem Pilz (Schimmelpilz,<br />

Penicillium notatum) produziert.<br />

Es wurde sehr spät gefunden (1928<br />

Alexander Fleming).<br />

Es wurde erst 1939 in der Medizin eingesetzt<br />

(Howard Florey, Oxford arbeitete eine<br />

industrielle Reinigung aus).<br />

1941 erste Versuche an Patienten.<br />

1945 erstmals am Kantonsspital St. Gallen<br />

eingesetzt.<br />

Bakterien wehren sich wiederum gegen Pilze<br />

und bauen Enzyme, welche Penicillin abbauen<br />

können, z.B. die Penicillinase (beta-Lactamase). Damit werden diese Bakterien<br />

resistent.<br />

Ein Penicillinderivat, das diesem enzymatischen<br />

Angriff widerstehen kann ist Oxacillin.<br />

Die Bakterien wehren sich gegenüber anderen<br />

Bakterien mit chemischen Stoffen, welche an ganz<br />

unterschiedlichen Orten im Stoffwechsel angreifen.<br />

Chemie, 6sm<br />

Abbildung 68:Bakterien vom Typus<br />

Staphylococcus aureus unter dem<br />

Elektronenmikroskop; sie können<br />

Wundinfektionen auslösen. Ein<br />

Antibiotikum hat das obere Bakterium<br />

bersten lassen.<br />

O<br />

N<br />

CH 3<br />

C 6 H 5<br />

CO<br />

NH<br />

O<br />

H H<br />

Abbildung 69: Oxacillin<br />

N<br />

S<br />

COOH<br />

71<br />

CH 3<br />

CH 3


Gramicidin S 61 (aus Bacillus brevis Kulturen)<br />

Ein Bazillus wehrt sich gegen Bakterien.<br />

Val-Orn-Leu-D-Phe-Pro<br />

Val-Orn-Leu-D-Phe-Pro<br />

AMCS- Sequenz<br />

D-Phe: nicht normal, sonst fast immer L-Phe (häufig<br />

in Ringen von Antibiotika)<br />

Orn: Ornithin; NH2-(CH2)3-CH(NH2)-COOH<br />

Abbildung 70: Gramicidin S, ein cyclisches Peptid als Antibiotikum<br />

72<br />

Räumliche Anordnung des Ringes.<br />

30 gliedriger, symmetrischer Ring (Tennisball-<br />

Muster- Form: siehe links).<br />

Kann Komplexe bilden (mit freien Elektronenpaaren<br />

von Amiden und -NH2).<br />

Me(H2O)n + polydentater Ligand polydentater Ligand(Me) + n H2O<br />

2 Teilchen (n+1) Teilchen<br />

S > 0; Die Entropie nimmt zu.<br />

G = H - TS;<br />

TS ist negativ,<br />

G ist negativ, falls H nicht zu gross ist.<br />

Beispiel: Aquokomplex von Ca 2+ mit 6 Wasser<br />

(Oktaeder) bindet sich mit dem polydentaten<br />

Liganden (z.B. Gramicidin S): n = 6 d.h.<br />

2 Teilchen ([Ca(H2O)6] 2+ + Ligand) 7 Teilchen<br />

(Gebundenes Ca 2+ + 6 H2O)<br />

Abbildung 71: Mikroskopische<br />

Aufnahme von Gramicidin S<br />

Diese Reaktionen laufen auch dann, wenn H praktisch Null ist, also keine<br />

Wärmetönung vorhanden ist - wichtig für biochemische Reaktionen (Temperatur). Die<br />

treibende Energie ist in diesem Falle die Entropieänderung S.<br />

Diese Molekülketten sind so angeordnet, dass die hydrophoben (wasserabstossenden)<br />

Aminosäuren nach innen gekehrt sind und die hydrophilen (mit Wasser<br />

benetzbaren, wasserlöslichen) Aminosäuren nach aussen weisen. Dort können sie mit<br />

anderen Komponenten, speziell mit anderen Proteinen, in Wechselwirkung treten.<br />

Globuläre Proteine zum Beispiel können mit einem Vitamin-Derivat (einer Variante)<br />

sogenannte Coenzyme bilden oder mit einem anderen Protein zusammen eine<br />

Aufgabe in der Zelle übernehmen.<br />

61 Davidson M.W., Gramicidin S.,<br />

http://micro.magnet.fsu.edu/micro/gallery/pharm/antibiotic/antibiotic.html, 27.02.01<br />

Chemie, 6sm


2.1.11 Unsere Abwehr von Mikroorganismen<br />

Vor vielen Jahrhunderten wurden Eingeborene beobachtet, welche Froschhäute gegen<br />

verschiedenste Krankheiten verwendeten. In den späten 80iger Jahren fand Michael<br />

Zasloffs Gruppe das erste Breitbandantibiotikum auf der Haut des südafrikanischen<br />

Klauenfrosches „Xenopus laevis“ 62 . Es stellte sich heraus, dass es sich um ein kleines<br />

Peptid mit dem Namen Magainin handelte (nach dem Hebräischen Wort für Schutz).<br />

Dieses Peptid aus 23 Aminosäuren hat eine -helicale Form und ist membranaktiv.<br />

HGlyIleGlyLysPheLeuHisSerAlaGlyLysPhe GlyLysAlaPheValGlyGluIleMetLysSerOH Magainine sind antibakteriell und antifungiell wirksam, besonders aktiv gegen<br />

Protozoen wie Amöben und Paramecien. So kleine Konzentrationen, wie 10 g/mL<br />

Magainin lassen die Einzeller in Minuten anschwellen und platzen. Diese osmotische<br />

Wirkung lässt vermuten, dass Magainine den Flüssigkeitstransport durch die<br />

Zellmembran unterbrechen.<br />

Peptid-Antibiotika wurden viel später auch auf<br />

unserer Haut und im Schweiss gefunden.<br />

Wichtige Gruppen sind die Defensine und die<br />

Cathelicidine. Sie schützen uns vor<br />

mikrobiellen Infektionen.<br />

Defensine sind eine Gruppe weit verbreiteter<br />

antimikrobieller und in höheren<br />

Konzentrationen cytotoxische Peptide (MR<br />

3000–4000; 29–35 Aminosäure-Reste), die<br />

kationisch vorliegen und 3 Disulfid-Brücken<br />

besitzen. Strukturell zerfallen sie in 3 Familien:<br />

klassische Defensine, - Defensine und<br />

Insekten-Defensine. Diese Antibiotika kommen<br />

in Phagocyten, Darm, Luftröhre und Lunge von<br />

Säugern sowie in Hämolymphe von Insekten vor. Ähnlich wie Peptid-Hormone oder -<br />

Neurotransmitter werden Defensine als grössere Vorläufer (Präprodefensine, 94–100<br />

Aminosäure-Reste) synthetisiert, proteolytisch aktiviert, in Granula gespeichert und<br />

durch Exocytose ausgeschüttet.<br />

62 Gross M., Peptides shielding our skin, Chemistry in Britain, March 2002, 23<br />

Chemie, 6sm<br />

22<br />

10<br />

Abbildung 72: Die Abwehr von Mikroben<br />

auf unserer Haut<br />

73


2.1.12 Peptide als Gifte<br />

Pilze wehren sich nicht nur gegen Mikroorganismen.<br />

Phallatoxine, Amatoxine (Gifte des weissen und grünen Knollenblätterpilzes)<br />

Abbildung 74: Grüner Knollenblätterpilz<br />

Giftigkeit: LD(50) weisse Maus: 2 - 25 mg/kg<br />

90% der tödlichen Pilzvergiftungen sind auf diese<br />

Toxine zurückzuführen. Erste Symptome sind:<br />

Erbrechen, Nausa, Diarrhöe (Durchfall) treten<br />

gewöhnlich erst 10 - 24 Stunden nach dem Pilzgenuss<br />

auf. Die Wirkung beruht auf der Zerstörung des<br />

Endoplasmatischen Retikulums der Leber.<br />

Abbildung 73:<br />

Endoplasmatisches Retikulum<br />

CH2<br />

H 3C C CO NH C CO NH C CH2 C CH2 R<br />

H<br />

R<br />

H<br />

NH<br />

CO<br />

H<br />

5<br />

N<br />

CO<br />

H 2C<br />

C<br />

NH<br />

S<br />

H<br />

H<br />

H 2C<br />

CO<br />

N<br />

C<br />

(S) CH<br />

R<br />

NH<br />

OH<br />

H<br />

CO<br />

NH<br />

H 3<br />

H<br />

4<br />

Phallotoxine<br />

H<br />

C R<br />

Abbildung 75: Phallatoxine, cyclische Hexapeptide (6 AMCS) mit einer D-AMCS!!<br />

Chemie, 6sm<br />

CO<br />

OH<br />

R<br />

1<br />

2<br />

74


Tabelle 4: Daten zu den 7 natürlich vorkommenden Phallotoxinen<br />

Phallotoxine R 1 R 2 R 3 R 4 R 5 Summenformel MR LD50 (Maus i. p.)<br />

[mg/kg]<br />

Phalloidin OH H CH3 CH3 OH C35H48N8O11S 788,87 2,0<br />

Phalloin H H CH3 CH3 OH C35H48N8O10S 772,87 1,5<br />

Prophalloin H H CH3 CH3 H C35H48N8O9S 756,87 >100<br />

Phallisin OH OH CH3 CH3 OH C35H48N8O12S 804,87 2,5<br />

Phallacin H H CH(CH3)2 COOH OH C37H50N8O12S 830,91 1,5<br />

Phallacidin OH H CH(CH3)2 COOH OH C37H50N8O13S 846,91 1,5<br />

Phallisacin OH OH CH(CH3)2 COOH OH C37H50N8O14S 862,91 4,5<br />

Welche Besonderheiten zeigen die Moleküle, die am giftigsten sind?<br />

Diese Peptide überwinden den Abbau im Magen und können die Magenwand<br />

intakt durchdringen.<br />

Die molekulare Anordnung des Ringes ist so, dass die hydrophilen Gruppen<br />

innen, die lipophilen aussen sind. Damit ist die Passage der lipophilen<br />

Darmwand besser möglich und ein Abbau stark behindert (keine Dipole für<br />

chemische Angriffe.)<br />

Eine weitere Klasse der Gifte des weissen und grünen Knollenblätterpilzes sind die<br />

Amanitine.<br />

Die Toxizität der auch peroral giftigen Amanitine ist sehr hoch; so genügen schon 1 mg<br />

des - Amanitins bzw. 2,5 mg des - Amanitins, um eine Maus zu töten. Das Gift wird<br />

weder durch Kochen oder Trocknen noch durch die Proteasen des Verdauungstraktes<br />

zersetzt; seine Wirkung geht auf die allosterische Blockierung der m-RNA-Synthese<br />

durch Komplexbildung mit der RNA-Polymerase im Zellkern zurück, wodurch die<br />

gesamte Enzym-/Proteinsynthese in der Leber zum Erliegen kommt.<br />

Die Resistenz gegenüber den Proteasen sowie die Aufnahme durch den<br />

Verdauungstrakt ist eine grosse Besonderheit.<br />

Der Knollenblätterpilz enthält auch das cyclische Decapeptid Antamanid mit<br />

antitoxischen Wirkung gegenüber Phalloidin:<br />

L Pro L Phe L Phe L Val L Pro<br />

L Pro L<br />

Phe<br />

Phe<br />

Charakteristisch an diesem Antamanid ist die grosse Lipophilie.<br />

Chemie, 6sm<br />

L<br />

L<br />

Ala<br />

L<br />

Pro<br />

75


2.1.13 Peptide als Hormone<br />

Cys-Tyr-Ile-Glu-Asn-Cys-Pro-Leu-Gly-NH 2<br />

Oxytocin<br />

Cys-Tyr-Phe-Glu-Asn-Cys-Pro-Arg-Gly-NH 2<br />

Vasopressin<br />

Abbildung 76: Hormone Oxytocin und Vasopressin (die S-S-Brücke ist sehr oxidationsempfindlich)<br />

Bildung im Hypothalamus, Speicherung im Hypophysenhinterlappen<br />

Wirksame therapeutische Dosis 10 -9 mol<br />

Beobachtbarer Effekt bei 8-Arg-Vasopressin 10 -12 mol (ca. 5 l Blut)<br />

Abbau durch Aminopeptidasen vom Aminoende (H2N-) her (rascher Abbau).<br />

S t i r n l a p p e n<br />

B a l k e n<br />

Th a l a m u s<br />

Hy p o t h a l a m u s<br />

Hy p o p h y s e<br />

M i t t e l h i r n<br />

B r ü c k e<br />

v e r l ä n g e r t es Mark<br />

Scheitellappen<br />

Schläfenlappen<br />

Ep i p h y s e<br />

H i n t e r h a u p t sl<br />

a p p e n<br />

Kle i n h i r n<br />

Abbildung 77: Gehirn mit Hypothalamus und Hypophyse, den für Oxytocin und Vasopressin<br />

wichtigen Bereichen.<br />

Hypophyse (Hirnanhangsdrüse). Kleines, 0,6 g schweres Hormon-bildendes Organ von<br />

6 mm Durchmesser am Boden des Zwischenhirns.<br />

Der Hypophysen-Hinterlappen, die Neuro-Hypophyse, besteht im Wesentlichen aus<br />

den Endigungen von Nervenzellen, deren Zellkörper im Hypothalamus liegen. Von<br />

diesen Endigungen werden 2 Hormone in das Blut abgegeben, das antidiuretische<br />

Hormon (ADH, Vasopressin), dessen Zielorgan die Niere ist, und das Oxytocin, das auf<br />

die Gebärmuttermuskulatur und die Brustdrüse wirkt.<br />

Chemie, 6sm<br />

76


Tabelle 5 : Wirkungen von Hypohysen-Hinterlappen Hormonen<br />

Oxytocin<br />

Vasopressin<br />

Vasotoxin<br />

(8-Arg-Oxytocin)<br />

Oxypressin<br />

(3-Phe-Oxytocin)<br />

Uterus-<br />

Kontrakt.<br />

Milchejektion<br />

Blutdruck<br />

erhöhung<br />

Antidiurese<br />

(Na-<br />

Ausscheidung,<br />

H20-<br />

Rückresorpt.)<br />

Stellung<br />

3<br />

100 % 100% 1% 0.5% Ile<br />

lipophil<br />

H 2N CH C<br />

3% 15% 100% 100% Phe<br />

lipophil<br />

CH<br />

CH 2<br />

CH 3<br />

O<br />

H 2N CH C<br />

CH 2<br />

CH 3<br />

O<br />

OH<br />

OH<br />

Stellung<br />

8<br />

Leu<br />

lipophil<br />

H 2N CH C<br />

CH 2<br />

O<br />

CH CH 3<br />

CH 3<br />

Arg<br />

hydrophil,<br />

basisch<br />

H 2N CH C<br />

80% 80% 80% 80% Ile Arg<br />

5% 15% 100% 600% Phe Leu<br />

Folgerungen für die Rezeptoren:<br />

Spricht auf sehr geringe Konzentrationen an.<br />

Hat eine lipophile Tasche, die zwischen den beiden lipophilen AMCS in Stellung 3<br />

unterscheiden kann (sterischer Effekt).<br />

Bildet bei Vasopressin H- Brücken bei Stellung 8. Diese Stellung ist für die Spezifität<br />

ausserordentlich wichtig (Dipol).<br />

Chemie, 6sm<br />

Abbildung 78: Oxytocin<br />

CH 2<br />

CH 2<br />

CH 2<br />

NH<br />

C<br />

NH 2<br />

O<br />

NH<br />

77<br />

OH<br />

OH


2.2 Proteine (MM > 10’000 g/mol)<br />

Proteine (Eiweisse, Eiweissstoffe, Eiweisskörper). Protein ist eine auf Berzelius<br />

zurückgehende und seit Mulder (1838) gebräuchliche, von griechisch: proteuein = „der<br />

Erste sein“ abgeleitete Sammelbezeichnung für natürlich vorkommende Copolymere,<br />

die sich in der Regel aus 20 verschiedenen -Aminosäuren (im Folgenden: AS) als<br />

Monomeren (Grundbausteine) zusammensetzen. Von den nahe verwandten<br />

Polypeptiden werden sie aufgrund ihrer molekularen Grösse unterschieden, wenn auch<br />

nicht immer streng abgegrenzt: Ab etwa 100 Monomer-Einheiten (AS-Resten) spricht<br />

man meist von Proteinen. Es ergeben sich Molmassen von 10 000 bis mehrere<br />

Millionen Gramm pro Mol.<br />

2.2.1 Strukturen bei Proteinen<br />

Amino-Terminus<br />

R 1 O R 2 O R 3 O<br />

H2N CH C NH CH C NH CH C<br />

Carboxy-Terminus<br />

R<br />

n<br />

O<br />

NH CH C OH<br />

AS-Rest 1 AS-Rest 2 AS-Rest 3 AS-Rest n<br />

Abbildung 79; Primärstruktur: AMCS1-AMCS2-AMCS3-AMCS4- (Sequenz, bestimmt mit<br />

Sequenzanalyse))<br />

Abbildung 80: Sekundärstruktur Tertiärstruktur Quartärstruktur<br />

Proteine lassen sich kristallisieren. Das war sehr lange die Voraussetzung dafür, die<br />

räumliche Struktur zu bestimmen. Diese wurde normalerweise mit Röntgenstrukturanalyse<br />

bestimmt.<br />

Chemie, 6sm<br />

78


2.2.2 Strukturen in der Literatur als Vergleich<br />

DASSICHERKENNE,WASDIEWELTIMINNERSTENZUSAMMENHÄLTSCHAUALLEWI<br />

RKENSKRAFTUNDSAMENUNDTUNICHTMEHRINWORTENKRAMEN<br />

Reihenfolge, Sequenz: Primärstruktur<br />

DASS ICH ERKENNE, WAS DIE WELT IM INNERSTEN ZUSAMMENHÄLT SCHAU<br />

ALLE WIRKENSKRAFT UND SAMEN UND TU NICHT MEHR IN WORTEN KRAMEN<br />

Gliederung, Strukturierung: Sekundärstruktur<br />

DASS ICH ERKENNE, WAS DIE WELT<br />

IM INNERSTEN ZUSAMMENHÄLT<br />

SCHAU ALLE WIRKENSKRAFT UND SAMEN<br />

UND TU NICHT MEHR IN WORTEN KRAMEN<br />

Anordnung, Form: Tertiärstruktur<br />

Die Aussage dieser Passage im Zusammenhang von Faust I<br />

Funktion, Aussage: Quartärstruktur<br />

Abbildung 81: Röntgendiagramm eines Proteinkristalls (Myoglobin), J. D. KENDREW,<br />

Cambridge. Durch Auswertung des Diagramms erhält man die Elektronendichtverteilung<br />

im Molekül und muss diese mit einem Molekülmodell zur Deckung bringen.<br />

Chemie, 6sm<br />

79


2.2.3 Primärstruktur<br />

Die Reihenfolge der Aminosäuren in einem Protein (Aminosäuren-Sequenz,<br />

Primärstruktur des Proteins) wird häufig mit Hilfe der 1-Buchstaben-Symbole für die<br />

Aminosäuren dargestellt. Dabei beginnt man mit der Aminosäure, die die freie -<br />

Aminogruppe enthält (Aminoterminus, N-term) und endet mit der Aminosäure, die die<br />

freie -Carboxylgruppe enthält (Carboxyterminus, C-term). Dies entspricht auch der<br />

Reihenfolge, in der die Aminosäuren am Ribosom in das Protein eingebaut werden. Die<br />

Primärstruktur eines Proteins kann mit chemischen Methoden (Sequenzanalyse,<br />

Edmann-Abbau) bestimmt werden. Technisch ist es jedoch vor allem bei sehr grossen<br />

Proteinen einfacher, mit Hilfe einer Teilsequenz des Proteins das für das Protein<br />

kodierende Gen zu isolieren und dessen DNA zu sequenzieren.<br />

Das menschliche Deoxy-Hämoglobin-Molekül mit der PDB-Datenbank-Bezeichnung<br />

"2HHD" besteht aus vier Ketten mit den Aminosäuren-Sequenzen.<br />

Die folgende Reihenfolge von Aminosäuren im 1-Buchstaben-Code beschreibt die<br />

Primärstruktur.<br />

Tabelle 6: Primärstruktur des Proteins Hämoglobin (4 gleiche Einheiten:<br />

Tetramer)<br />

1 VLSPADKTNV KAAWGKVGAH AGEYGAEALE RMFLSFPTTK TYFPHFDLSH<br />

51 GSAQVKGHGK KVADALTNAV AHVDDMPNAL SALSDLHAHK LRVDPVNFKL<br />

101 LSHCLLVTLA AHLPAEFTPA VHASLDKFLA SVSTVLTSKY R<br />

1 VHLTPEEKSA VTALWGKVNV DEVGGEALGR LLVVYPWTQR FFESFGDLST<br />

51 PDAVMGNPKV KAHGKKVLGA FSDGLAHLDN LKGTFATLSE LHCDKLHVDP<br />

101 ENFRLLGNVL VCVLAHHFGK EFTPPVQAAY QKVVAGVANA LAHKYH<br />

1 VLSPADKTNV KAAWGKVGAH AGEYGAEALE RMFLSFPTTK TYFPHFDLSH<br />

51 GSAQVKGHGK KVADALTNAV AHVDDMPNAL SALSDLHAHK LRVDPVNFKL<br />

101 LSHCLLVTLA AHLPAEFTPA VHASLDKFLA SVSTVLTSKY R<br />

1 VHLTPEEKSA VTALWGKVNV DEVGGEALGR LLVVYPWTQR FFESFGDLST<br />

51 PDAVMGNPKV KAHGKKVLGA FSDGLAHLDN LKGTFATLSE LHCDKLHVDP<br />

101 ENFRLLGNVL VCVLAHHFGK EFTPPVQAAY QKVVAGVANA LAHKYH<br />

2.2.4 Sekundärstruktur<br />

Die Sekundärstruktur bildet sich durch die räumliche Anordnung der Peptidketten im<br />

Raum aus. Verantwortlich dafür sind:<br />

Die Torsionswinkel, Spannungen und Drehungen in einer Kette.<br />

Die Bindungen zwischen Kettenteilen (Ionenbindung, H-Brücken, Van der Waals,<br />

Komplexbindung bei Metallen).<br />

Die sterischen Verhältnisse (Raumerfüllung).<br />

Die Sekundärstruktur lässt sich nur teilweise aus der Primärstruktur ableiten (z.B. -<br />

Helix, -Faltblatt, keine Struktur: random coil).<br />

Der bunt hervorgehobene Code bezeichnet die Sekundärstruktur der einzelnen<br />

Proteinketten des Hämoglobins. H steht dabei für α-Helix, T für Turn.<br />

Chemie, 6sm<br />

80


Mehr als 2/3 der Aminosäuren von Hämoglobin haben eine α-helikale Konformation.<br />

Tabelle 7: Sekundärstruktur von Hämoglobin<br />

1 VLSPADKTNV KAAWGKVGAH AGEYGAEALE RMFLSFPTTK TYFPHFDLSH<br />

HHHHHHH HHHHHHHTT HHHHHHHHHH HHHHH T<br />

51 GSAQVKGHGK KVADALTNAV AHVDDMPNAL SALSDLHAHK LRVDPVNFKL<br />

T HHHHHHHH HHHHHHHHHH HTTT HHHHT HHHHHHHHHT T HHHHHH<br />

101 LSHCLLVTLA AHLPAEFTPA VHASLDKFLA SVSTVLTSKY R<br />

HHHHHHHHHH HHTTTTTTHH HHHHHHHHHH HHHHHHHHT<br />

1 VHLTPEEKSA VTALWGKVNV DEVGGEALGR LLVVYPWTQR FFESFGDLST<br />

HHHHHH HHHHHTT H HHHHHHHHHH HHHHT TTT<br />

51 PDAVMGNPKV KAHGKKVLGA FSDGLAHLDN LKGTFATLSE LHCDKLHVDP<br />

HHHHHHTHHH HHHHHHHHHH HHHH TT HHHHHTHHHH HHHHTT T<br />

101 ENFRLLGNVL VCVLAHHFGK EFTPPVQAAY QKVVAGVANA LAHKYH<br />

HHHHHHHHHH HHHHHHHH HHHHHHH HHHHHHHHHH H TT<br />

1 VLSPADKTNV KAAWGKVGAH AGEYGAEALE RMFLSFPTTK TYFPHFDLSH<br />

HHHHHHH HHHHHHH HHHHHHHHHH HHHHH TTT T<br />

51 GSAQVKGHGK KVADALTNAV AHVDDMPNAL SALSDLHAHK LRVDPVNFKL<br />

T HHHHHHHH HHHHHHHHHH HTTT HHHHT HHHHHHHHHT T TTHHHH<br />

101 LSHCLLVTLA AHLPAEFTPA VHASLDKFLA SVSTVLTSKY R<br />

HHHHHHHHHH TTTTTTTTHH HHHHHHHHHH HHHHHHHTT<br />

1 VHLTPEEKSA VTALWGKVNV DEVGGEALGR LLVVYPWTQR FFESFGDLST<br />

HHHHHH HHHHHHHTTH HHHHHHHHHH HHHH T<br />

51 PDAVMGNPKV KAHGKKVLGA FSDGLAHLDN LKGTFATLSE LHCDKLHVDP<br />

HHHHHTTHHH HHHHHHHHHH HHHHHTTTT HHHHHTHHHH HHHHT T<br />

101 ENFRLLGNVL VCVLAHHFGK EFTPPVQAAY QKVVAGVANA LAHKYH<br />

HHHHHHHHHH HHHHHHH HHHHHHH HHHHHHHHHH HHTT<br />

Chemie, 6sm<br />

81


a ) b )<br />

c )<br />

W a s s e r s t o f f - B r ü cke n b i n d u n g<br />

= C = H = N = O = S e i tenkette<br />

Abbildung 82: Helixstruktur, oben rechts: paralleles unten: antiparalleles Faltblatt (β-sheet) (N-C-<br />

Enden gleichgerichtet, N-C-Enden entgegengesetzt)<br />

Abbildung 85: Eine α-Helix (rot) und β-Faltblätter (blau) mit<br />

Turns (gelb und rot, dünn)<br />

2.2.5 Tertiärstruktur<br />

Weil die Proteine meist in Wasser vorliegen, ist die<br />

Struktur ganz wesentlich durch diese polare Umgebung<br />

bestimmt. Als Tertiärstruktur ordnen sich die Sekundärstrukturelemente<br />

eines Proteins im Raum so an, dass<br />

sich die hydrophoben ("wasserscheuen" = lipophilen,<br />

„Fett liebenden“) Seitenketten der Aminosäuren Valin,<br />

Leucin, Isoleucin, Methionin, Phenylalanin, Tyrosin und<br />

Tryptophan möglichst im Innern der Proteins<br />

zusammenlagern können (so wie sich Öl- und Fett-<br />

Chemie, 6sm<br />

Cys<br />

S S<br />

Cys<br />

Abbildung 84: Schwefelbrücke<br />

einer Peptidkette<br />

+<br />

-<br />

Abbildung 84: Durch Ionen<br />

stabilisierte Peptidkette<br />

82


moleküle im Wasser sofort zu Tröpfchen zusammenlagern), während die hydrophilen<br />

("wasserliebenden" = lipophoben, „fettscheuen“) Seitenketten der Aminosäuren<br />

Glutamat, Aspartat, Arginin, Lysin, Histidin, Serin, Threonin, Asparagin und Glutamin<br />

die Oberfläche des Proteins bilden. Glycin und Prolin sind aufgrund ihrer speziellen<br />

strukturellen Eigenschaften häufig in Turns lokalisiert. Paare von Cystein-Seitenketten<br />

können zu Disulfiden oxidieren und so entfernte Teilen der Peptidkette kovalent<br />

verbinden. Disulfidbrücken durch Oxidation der Thiolgruppen zweier Cystein-<br />

Einheiten zu Cystin:<br />

(R-S-H + H-S-R R-S-S-R).<br />

Entgegengesetzt geladene Ionen können Ketten ebenfalls zusammenhalten, ebenso<br />

van der Waals Bindungen.<br />

Die durch die Faltung bestimmte exakte räumliche Anordnung der Atome eines Proteins<br />

bezeichnet man als die Tertiärstruktur des Proteins. Sie kann durch Kernresonanzspektroskopie<br />

und durch Röntgenkristallographie experimentell bestimmt werden.<br />

Sehr lange Proteine bilden dabei mehrere, unabhängig voneinander faltende Struktureinheiten<br />

aus (Domänen), die über flexible, hydrophile Teile der Kette verknüpft sind.<br />

Denaturierung bezeichnet den Verlust der biologischen Aktivität durch Zerstörung der<br />

Sekundär- und Tertiärstruktur, z.B. durch Erhitzen.<br />

2.2.6 Quartärstruktur<br />

Viele Proteine bestehen aus mehreren Peptidketten. Die räumliche Anordnung der<br />

einzelnen, gefalteten Peptidkette zum biologisch aktiven Komplex bezeichnet man als<br />

die Quartärstruktur. Dabei können sowohl mehrere Kopien der gleichen Proteinkette<br />

wie auch unterschiedliche Ketten im Komplex enthalten sein. Kleinere Nicht-Protein-<br />

Moleküle können in den Komplex eingebunden und für dessen Aktivität wichtig sein.<br />

(Cofaktoren, Coenzyme, prostetische Gruppen).<br />

Abbildung 87: Eine Untereinheit von<br />

Hämoglobin (das ganze Molekül besteht<br />

aus 4 Untereinheiten). Die Proteinkette<br />

ist als Band dargestellt.<br />

Abbildung 86: Hämoglobin als Tetramer mit 4 Häm-<br />

Gruppen<br />

Was ist z.B. der Vorteil der Quartärstruktur beim Hämoglobin, bei welcher sich 4<br />

Grundeinheiten zu einem Tetramer zusammenlagern? Dabei sind die 4 Einheiten<br />

eigentlich alle gleich.<br />

Chemie, 6sm<br />

83


Setzt eine Einheit im Gewebe den Sauerstoff frei, dann geben auch die anderen 3<br />

Einheiten den Sauerstoff ab. Das wird durch eine räumliche Änderung bemerkbar:<br />

Beladen sind die Einheiten näher zusammen, entladen sind sie weiter auseinander.<br />

Verantwortlich dafür ist die Änderung der Bindungen am zentralen Eisenion.<br />

Wenn in der Lunge ein O2-aufgenommen ist, nehmen die anderen drei Einheiten die<br />

Sauerstoffe leichter auf! Man kann hier von einem kooperativen Effekt sprechen.<br />

Der Nobelpreisträger Perutz bezeichnete diesen kooperativen Effekt als „Matthäus-<br />

Effekt“:<br />

„Denn wer da hat, dem wird mehr gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer<br />

aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden.“ (Matt. 25,29)<br />

Abbildung 88: Mikroskopische Aufnahme von Hämoglobin 63<br />

Die Oberflächenladung wird bei der Elektrophorese ausgenützt, um eine Trennung bei<br />

einem bestimmten pH-Wert zu erreichen. Isoelektrische Fokussierung: Die Proteine<br />

laufen bis zu dem Punkt in einem pH-Gradienten, bei welchem sie neutral sind. Sie<br />

erklärt auch, warum Eiweisse bei bestimmten pH-Werten denaturieren.<br />

Neuere NMR-Untersuchungen haben ergeben 64 : „Das Innere eines Proteins ist viel<br />

'flüssiger' als ursprünglich angenommen. Alles ist ständig in Bewegung und verändert<br />

sich sogar unglaublich schnell.“<br />

63 Hämoglobin, http://micro.magnet.fsu.edu/micro/gallery/proteins/prot2.html, 27.02.01<br />

64 University of Pennsylvania Medical Center, Nature 411: 501-504 (2001)<br />

Chemie, 6sm<br />

84


2.2.7 Beispiele<br />

2.2.7.1 Insulin<br />

Abbildung 89: Bauchspeicheldrüse (Pankreas) : ca. 15 cm lang, hinter dem Magen.<br />

Langerhans’sche Inselzellen (Insulin von den -Zellen, in der Mitte, synthetisiert. Aussen - und -<br />

Zellen)<br />

Biochemischer Aufbau:<br />

Aufbau geschieht als lange Kette bei den Ribosomen<br />

als Prä-Proinsulin 107 AMCS).<br />

Prä-Sequenz aus ca. 23 AMCS: eine<br />

Signalpeptidsequenz (Leader-Sequenz), mit der<br />

Information, dass die nachfolgende Sequenz<br />

(Proinsulin) an der Membran des endoplasmatischen<br />

Retikulums aufgebaut und in das Innere der Kanälchen<br />

desselben transportiert werden soll.<br />

Proinsulin: 84 AMCS<br />

A-Kette: 21 AMCS (Bereich A8 bis A10 ist artspezifisch)<br />

B-Kette: 30 AMCS<br />

C-Peptid: 33 AMCS<br />

S- Verbindungen: A6, A11; A7,B7; A20, B19<br />

Insulin MG ca. 6000 g/mol<br />

Signalpeptid<br />

connecting peptide<br />

C-Peptid<br />

Aufbau an den Ribosomen als eine Kette, Primärstruktur.<br />

Entfernung des Prä-Insulins (Signalpeptid).<br />

Sekundärstruktur: Verformung und Stabilisierung durch S-S- Brücken (2 Cystein 1<br />

Cystin).<br />

Entfernung des C-Peptids durch Enzyme (Peptidasen): Proinsulin Insulin<br />

Tabelle 8: Aminosäuresequenz und Struktur von Humaninsulin<br />

Chemie, 6sm<br />

85


A - K e t t e<br />

G l y - I l e - V a l - G l u - G l n - C y s - C y s - T h r - S e r - I l e - C y s - S e r - L e u - T y r - G l n - L e u - G l u - A s n - T y r - C y s - A s n<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 1 1 1 2 1 3 1 4 1 5 1 6 1 7 1 8 1 9 2 0 2 1<br />

B - K e t t e<br />

P h e - V a l - A s n - G l n - H i s - L e u - C y s - G l y - S e r - H i s - L e u - V a l - G l u - A l a - L e u - T y r - L e u - V a l - C y s - G l y - G l u<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 1 1 1 2 1 3 1 4 1 5 1 6 1 7 1 8 1 9 2 0 2 1<br />

T h r L y s P r o T h r T y r P h e P h e G l y A r g<br />

3 0 2 9 2 8 2 7 2 6 2 5 2 4 2 3 2 2<br />

1922 Isolierung aus Pankreas durch Banting und Best<br />

1934 Kristallines Insulin D.A. Scott mit Zinkionen<br />

1964 Totalsynthese des Schafinsulins durch Zahn und Mitarbeiter<br />

Wirkung: Insulin lagert Glucose in Form von Glycogen ab. Die blutzuckersenkende<br />

Wirkung wird wahrscheinlich durch Permeabilitätserhöhung der Zellmembranen für<br />

Glucose erreicht: Förderung des Abbaus der Glucose nach deren Eintritt in die Zelle.<br />

Die räumliche Struktur von Insulin enthält alle wichtigen Elemente:<br />

Die alpha-Helix<br />

Das beta-Faltblatt und<br />

Den Turn<br />

Die Stabilität wird vor allem durch die<br />

oxidationsempfindlichen Schwefelbrücken (-S-S-<br />

) erreicht.<br />

Die beiden Amino- und Säure-Enden sind frei,<br />

was einen leichten Abbau ermöglicht. Die<br />

Halbwertszeit im Blut beträgt ca. 5 Minuten.<br />

Insulin bewirkt die Einlagerung von Glucogen in<br />

den Zellen, diese werden mit Zucker gefüllt. Das<br />

wird von Bodybuildern und Athleten ausgenützt –<br />

sie verwenden Insulin als Doping 65 -<br />

wahrscheinlich eines der potenteren<br />

Dopingmittel!!<br />

65 Coghlan A., Race to the death, New Scientist, 11 August 2001, 4<br />

Chemie, 6sm<br />

Abbildung 90: Die räumliche Struktur<br />

von Rinder-Insulin<br />

86


3.3.7.2 Beispiele von grossen Proteinen<br />

Enzyme Biochemische Katalysatoren, Regler<br />

Bsp.: Catalase 1 Molekül spaltet pro Min. 5.10 6 H2O2<br />

Strukturproteine Bausteine mit Stütz- und Schutzfunktionen (z.B. Collagen,<br />

Keratin oder Elastin)<br />

Kontraktile Elemente Mechanische Energie (Muskelzellen, Actin-,<br />

Myosinfilamente))<br />

Sauerstoffhaushalt Transport Hämoglobin<br />

Speicherung Myoglobin<br />

Übertragung (Oxidation) Cytochrom<br />

Membranproteine der Zellwand (z.B. Rezeptoren, Transportproteine)<br />

Plasmaeiweisse (Albumin)<br />

Blutgerinnungsfaktoren<br />

Antikörper<br />

Die Häm-Gruppe tritt in der Natur in verschiedensten Formen auf.<br />

Strategie der Natur<br />

Erfolgreiche Strukturen treten an verschiedensten Orten und für unterschiedlichste<br />

Aufgaben auf (Corrine in Häm, Vitamin B12, Chlorophyll, Bakterienchlorophylle...).<br />

Innere Abwehr Immunoglobuline (Antikörper)<br />

Toxine Abwehr von Fremdem<br />

LD(50):Botulinustoxin: 0.000'000’03 mg/kg: 10 -6 g töten 10 7 Mäuse<br />

LD(50):Tetanustoxin: 0.000’00001 mg/kg<br />

LD(50):Diphterietoxin: 0.000’03 mg/kg<br />

Umsatz der menschlichen Eiweissstoffe:<br />

Proteine der Leber werden in 10–20 Tagen, diejenigen der<br />

Proteine der Haut und Muskulatur in ca. 160 Tagen zur Hälfte erneuert.<br />

Die Hälfte des menschlichen Bluteiweisses wird in 10 Tagen ab- und wieder<br />

aufgebaut, und<br />

täglich werden 9% der Plasma-Albumine (Proteine in Flüssigkeiten und Geweben)<br />

umgesetzt (HWZ 70/9 = 7,8 Tage).<br />

Abbildung 91: Botulinus Toxin (Botox)<br />

Chemie, 6sm<br />

87


3.3.7.3 Faserartige Proteine<br />

Proteine gehören zu den wichtigen „Baustoffen“ der Lebewesen.<br />

Die wichtigsten Faserproteine sind Collagen, Keratin, Fibrinogen und Muskelproteine;<br />

sie werden im Folgenden kurz beschrieben.<br />

Collagen<br />

Abbildung 92: Collagen-Fasern<br />

Collagen ist das weitaus häufigste Protein bei Wirbeltieren. Knochen, Haut, Sehnen und<br />

Knorpel bestehen aus Collagenfasern. Das Molekül ist normalerweise aus drei sehr<br />

langen Aminosäureketten zusammengesetzt, jede mit etwa 1000 Aminosäuren (Gly-<br />

Pro-Hypro--), die zu einer Dreifach-Helix gezwirbelt sind (Hypro kann dabei H-Brücken<br />

bilden). Dadurch entsteht die grosse Festigkeit von Haut und Sehnen. Denaturiert man<br />

lange Collagenfasern durch Kochen, so entstehen kürzere Ketten; das Produkt ist<br />

Gelatine.<br />

Abbildung 93: Dreifach-Helix von Collagen<br />

3.3.7.4 Keratin<br />

Keratin bildet die äussere Schicht der menschlichen Haut, Haare und Nägel sowie der<br />

Schuppen, Hufe und Federn von Tieren. Seine Struktur ist eine reguläre α-Helix.<br />

Chemie, 6sm<br />

88


Keratin ist in Wasser nicht löslich – eine wichtige Eigenschaft, um den Körper vor<br />

äusseren Einflüssen zu schützen. Durch viele Schwefelbrücken (-S-S-) ist das Protein<br />

sehr stabil und lässt sich auch durch proteolytische (proteinlösende) Enzyme nicht<br />

lösen. Die Behandlung des Haares zur Erzeugung von Dauerwellen beruht auf dem<br />

Prinzip, die Zahl der Schwefelbrücken durch ein Reduktionsmittel, zum Beispiel<br />

Thioglycol, zu verringern. Sie werden wieder gebildet, sobald das Haar mit Sauerstoff in<br />

Berührung kommt.<br />

Abbildung 94: Haar einer Europäerin<br />

Bei übermässiger Keratin-Bildung, z. B. in Hühneraugen, Schwielen und Warzen spricht<br />

man von Hyperkeratose.<br />

3.3.7.5 Fibrinogen<br />

Fibrinogen ist ein Blutplasmaprotein, das für die Blutgerinnung zuständig ist. Durch die<br />

katalytische Wirkung des Thrombin wird Fibrinogen in das schwer lösliche Protein Fibrin<br />

überführt. Dieses bildet Blutpfropfen.<br />

Muskelproteine<br />

Ein Protein, das in erster Linie für die Muskelkontraktion zuständig ist, ist das Myosin.<br />

Zusammen mit Aktin, einem weiteren Muskelprotein, bildet es den Aktomyosin-<br />

Komplex. Durch Verkürzung der Filamente des Aktomyosin entsteht die Kontraktion des<br />

Muskels.<br />

Chemie, 6sm<br />

89


Spinnfaden<br />

Abbildung 95: Die Struktur eines Spinnfadens<br />

Anwendung: Unterscheidung von Baumwolle und Wolle/Seide durch den „Brenntest“<br />

3.3.7.6 Globuläre Proteine<br />

Im Gegensatz zu Faserproteinen sind globuläre Proteine kugelförmig und löslich. Sie<br />

spielen eine wichtige Rolle im Stoffwechsel des Körpers. Beispiele für globuläre<br />

Proteine sind: Albumin, Globulin, Casein, Hämoglobin, Enzyme und Peptidhormone.<br />

Albumine und Globuline sind lösliche Proteine aus tierischen Zellen, Blutserum, Milch<br />

und Eiern. Hämoglobin ist ein Protein, das für den Sauerstofftransport im Blut zuständig<br />

ist. Die rote Farbe der Blutkörperchen stammt von diesem Protein.<br />

Man kennt heute mehr als 100 verschiedene Varianten des menschlichen Hämoglobins.<br />

Das Hämoglobin S ist Ursache der Sichelzellenanämie, einer Erbkrankheit<br />

unter Schwarzafrikanern.<br />

3.3.7.7 Protein-Hormone<br />

Diese Proteine stammen aus Hormondrüsen und wirken nicht als Enzyme. Sie<br />

stimulieren vielmehr bestimmte (enzymatische) Reaktionen in den Zielorganen. Auf<br />

diese Weise haben sie Einfluss auf lebenswichtige Körperfunktionen, wie Grundumsatz,<br />

Produktion der Verdauungsenzyme und Milchproduktion, um nur einige zu nennen. Ein<br />

wichtiges Enzym ist z. B. Insulin oder TRH (Thyroid Releasing Hormone). Es stammt<br />

aus der Bauchspeicheldrüse, wo es in den Langerhans-Inseln produziert wird, und<br />

beeinflusst den Blutzuckerspiegel. Ein anderes Enzym, das Thyroglobulin aus der<br />

Schilddrüse, kontrolliert den Grundumsatz. Calcitonin, ein weiteres Enzym der Schilddrüse,<br />

senkt den Calciumspiegel im Blut.<br />

3.3.7.8 Antikörper<br />

Antikörper sind ein wichtiger Teil unserer „Verteidigung“.<br />

Antikörper, auch Immunoglobuline genannt, sind Tausende<br />

verschiedener Proteine im Blutserum. Sie reagieren mit<br />

Antigenen (Erregern oder Fremdkörpern) im Blut. Ein<br />

einzelnes Antigen ist in der Lage, die Produktion vieler<br />

Antikörper zu stimulieren, die dann das Antigen von<br />

verschiedenen Seiten her angreifen und unschädlich<br />

machen.<br />

Chemie, 6sm<br />

90<br />

Abbildung 96: Schematische<br />

Struktur eines Antikörpers


Abbildung 97: Antigen-Antikörper-Reaktion: Immunkomplexbildung (AG: Antigen, AK: Antikörper)<br />

a) Optimales AG-AK-Verhältnis (Komplexe unlöslich); b) AK-Überschuss (Komplexe meist<br />

unlöslich); c) AG-Überschuss (Komplexe überwiegend löslich)<br />

Chemie, 6sm<br />

91


2.3 Enzyme<br />

2.3.1 Entdeckung und Wesen der Enzyme 66<br />

Unter den vielen Proteinen, die am Aufbau und der Funktion der lebenden Zelle beteiligt<br />

sind, haben die biologischen Katalysatoren, die wir Enzyme (Fermente) nennen,<br />

besondere Bedeutung. Ihre Zahl ist nicht klein. Man kennt heute wenige tausend<br />

verschiedene Enzyme, und es gibt viele Gründe anzunehmen, dass im Laufe der Zeit<br />

noch sehr viel mehr hinzukommen werden. Viele sind isoliert und genügend rein<br />

dargestellt worden, um ihren Aufbau nachzuweisen.<br />

Ausserordentlich ist, dass Andreas Libavius (1555-1616) bereits 1597 in seinem Buch<br />

„Alchymia“ die enzymatische Katalyse als Fermentation verwendet 67 .<br />

Die Bezeichnung Ferment ist seit dem 17. Jahrhundert in Gebrauch zur qualitativen<br />

Beschreibung der Gärung von Stärkeprodukten, aber auch der Verdauung und der<br />

Fäulnis.<br />

Eines der ersten Enzyme, das entdeckt<br />

wurde - obgleich seine wahre Natur damals<br />

kaum erahnt werden konnte - war das<br />

Pepsin, ein proteinabbauendes Enzym des<br />

Magensaftes. Der grosse italienische<br />

Physiologe Lazzaro Spallanzani fütterte<br />

Falken mit Fleischstückchen, die in feinsten<br />

Drahtgehäusen eingeschlossen waren. Als<br />

die Vögel später wie gewohnt die<br />

unverdauten Reste (das („Gewölle“)<br />

erbrachen, fand man, dass die<br />

Drahtbüchschen leer waren. Dies zeigte,<br />

dass der Magensaft der Vögel etwas<br />

enthalten musste, das Fleisch verdauen<br />

konnte. Diese Experimente wurden schon<br />

Abbildung 98: Ein Wanderfalke und<br />

Fermente?<br />

1783 ausgeführt. Dennoch dauerte es noch lange, bis Enzyme systematisch untersucht<br />

wurden.<br />

1833 begannen die chemischen Untersuchungen der Enzyme, als der französische<br />

Chemiker Anselme Payen (1795 - 1871) Amylase (damals noch Diastase genannt) das<br />

erste Enzym überhaupt entdeckte. Die Enzyme spielen eine zentrale Rolle im<br />

Stoffwechsel aller lebenden Organismen. Der Grossteil der chemischen Reaktionen,<br />

von der Energieumwandlung bis zur Übertragung der Erbinformation, wird von<br />

Enzymen katalysiert und gesteuert.<br />

1858 konnte der grosse Louis Pasteur beim Studium des Gärungsprozesses zeigen,<br />

dass Zuckerlösungen vollkommen stabil sind, sofern sie steril und unter Luftabschluss<br />

bleiben. Gelangt aber Luft an die Lösungen, so fallen Hefezellen aus der Luft hinein und<br />

der Gärungsprozess setzt unmittelbar ein. Ebenso konnte nachgewiesen werden, dass<br />

die Säuerung von Wein und Milch von der Tätigkeit anderer Mikroorganismen abhängt,<br />

66<br />

Grossteils nach: Baldwin E., Das Wesen der <strong>Biochemie</strong>, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1968, 39<br />

67<br />

Libavius Andreas, Die Alchemie des Andreas Libavius, Ein Lehrbuch aus dem Jahre 1597, Verlag<br />

Chemie, Weinheim, 1964, S. 103<br />

Chemie, 6sm<br />

92


die Pasteur seinerzeit „Fermente“ nannte. Er glaubte, dass an der Fermentation, der<br />

Säuerung und an verwandten Prozessen spezielle Mikroorganismen beteiligt und diese<br />

Vorgänge mit ihrem Leben untrennbar verknüpft sind.<br />

40 Jahre später, genauer 1897, bereiteten zwei deutsche Chemiker, die Brüder<br />

Buchner, einen Saft, in dem sie lebende Hefezellen mit Sand und Kieselgur (einer<br />

silikathaltigen Erde) zerrieben und das Produkt in einer hydraulischen Presse<br />

auspressten. Der resultierende Hefesaft sollte medizinischen Zwecken dienen, aber er<br />

wurde sehr schnell schlecht und das Problem der Konservierung musste gelöst werden.<br />

Unter anderem versuchten es die beiden Buchner mit der Kochbuchchemie, indem sie<br />

grosse Mengen Rohrzucker hinzufügten. Ohne es zu wissen, legten sie auf diese<br />

Weise das Fundament für unsere gesamte heutige Kenntnis über die Enzyme, denn<br />

obgleich ihr Hefesaft keine intakten Hefezellen mehr enthielt, brachte er den Zucker zur<br />

lebhaften Gärung. Hier wurde zum ersten Mal ein „Ferment“ künstlich von den Zellen,<br />

die es hervorgebracht hatten, getrennt.<br />

Dieser Zucker fermentierenden Substanz wurde der Name „Enzym“ gegeben, was<br />

wörtlich „in der Hefe“ heisst. Als man später fand, dass von anderen Zellen Saft mit<br />

anderen katalysierenden Eigenschaften gewonnen werden konnte, wurde der Name<br />

„Enzym“ als kollektive Bezeichnung unternommen und dem Hefeenzym der<br />

differenzierende Name Zymase gegeben. Innerhalb weniger Jahre wurde die neu<br />

entdeckte Zymase besonders von Harden und Young in England ausführlich<br />

untersucht. Sie fanden beispielsweise, dass Zymase ihre Aktivität durch Kochen verliert<br />

und dass sie aus mindestens zwei Komponenten besteht, einem Apoenzym und einem<br />

sogenannten Coenzym, welches hitzestabil ist. Das kann mit einer Methode<br />

nachgewiesen werden, die man Dialyse nennt. Wenn man Hefesaft in ein Kollodium-<br />

oder Zellophansäckchen füllt, das in ein grosses Gefäss mit destilliertem Wasser<br />

gehängt wird, kann das niedermolekulare Coenzym durch das Cellophan in die<br />

Wasserumgebung hinaustreten. Die Proteinmoleküle des Apoenzyms sind zu gross, um<br />

durch die Membranporen hindurch zu schlüpfen und werden deshalb zurückgehalten.<br />

Das Enzym, das auf diese Weise von niedermolekularen Substanzen befreit wird, ist<br />

inaktiv. Aber es gewinnt seine Aktivität zurück, wenn das Wasser aus dem grossen<br />

Behälter konzentriert und zum Enzym gegeben wird. Auch kann man so die Aktivität<br />

wieder herstellen, indem man etwas gekochten Hefesaft zu dem dialysierten Enzym<br />

hinzufügt. Kochen zerstört des Enzym, lässt aber das niedermolekulare Coenzym, die<br />

Cozymase, unverändert:<br />

Apoenzym + Coenzym Holoenzym<br />

Wir wissen heute, dass „Zymase“ kein einzelnes Enzym, sondern eine komplette<br />

Mischung von etwa 15 Enzymen ist und dass „Cozymase“ mindestens vier Substanzen<br />

in sich vereinigt. Die Vergärung von Glucose oder Rohrzucker in Alkohol und<br />

Kohlendioxid ist in Wirklichkeit kein einfacher Ein-Schritt-Prozess, sondern eine lange<br />

Kette schrittweiser chemischer Vorgänge, von denen keiner mit wahrnehmbarer<br />

Geschwindigkeit abläuft, wenn nicht das passende Enzym vorhanden ist. Einige<br />

brauchen Coenzyme, ohne deren Anwesenheit die Reaktion nicht ablaufen kann.<br />

Carboyxpeptidase A benötigt beispielsweise Zn ++ als Cofaktor.<br />

Urease: 2 CO(NH2)2 + H2O 2 NH3 + CO2<br />

Urease katalysiert die Spaltung von Harnstoff in Ammoniak und CO2. Methylharnstoff<br />

ergibt keine Reaktion. Die Urease besteht aus 3 Untereinheiten und benötigt als<br />

Cofaktor Nickel. Urease kommt im Boden und bei Helicobacter vor.<br />

Chemie, 6sm<br />

93


Bereits die frühen Arbeiten von Harden und Young brachten viele prinzipielle und<br />

charakteristische Eigenschaften der Enzyme zutage, die man folgendermassen<br />

zusammenfassen kann: Enzyme sind komplexe organische Katalysatoren, die von<br />

lebenden Zellen produziert werden. Sie sind jedoch fähig, unabhängig von den Zellen,<br />

die sie hervorgebracht haben, zu funktionieren. Sie sind thermolabil, d.h. durch Hitze<br />

zerstörbar. Auch sind sie hochspezifisch, d.h. ihre Wirkungsweise ist auf eine einzige<br />

Reaktion oder auf eine kleine Gruppe ähnlicher chemischer Reaktionen beschränkt.<br />

Ohne den passenden Cofaktor - Coenzym - sind viele Enzyme wirkungslos.<br />

Der Untersuchung der Enzym-Kinetik (Sørensen, Michaelis, ca. 1910) folgte 1926 die<br />

Kristallisation des ersten Enzym (Urease) durch Sumner und der Nachweis der Protein-<br />

Natur. Das erste Enzym, dessen Aminosäure-Sequenz vollständig entschlüsselt werden<br />

konnte, war Ribonuclease (Moore und Stein, 1963). Lysozym war das erste, dessen<br />

Tertiärstruktur aufgeklärt wurde (1966). Im Jahre 1969 synthetisierte Merrifield mit der<br />

nach ihm benannten Technik in 11931 Schritten die gesamte Sequenz der<br />

Ribonuclease. Durch die Fortschritte in der Synth. der Desoxyribonucleinsäuren sowie<br />

ihrer gentechnologischen Vermehrung (Klonierung) und Expression in Organismen, ist<br />

es heute praktisch möglich geworden, "massgeschneiderte" Enzym mit veränderten<br />

Eigenschaften wie Substratspezifitäten, Säure- und Wärmetoleranzen etc. in beliebigen<br />

Mengen herzustellen.<br />

2.3.2 Eigenschaften der Enzyme<br />

Die Enzyme sind die „Produktionsmaschinen“<br />

der Zellen.<br />

Alle Enzyme sind globuläre Proteine.<br />

Sie verbinden sich daher schnell mit<br />

anderen Substanzen, den<br />

sogenannten Substraten, um die<br />

verschiedensten chemischen<br />

Reaktionen im Körper zu katalysieren<br />

Substrat<br />

Enzym<br />

Enzym-Substrat-<br />

Komplex<br />

Abbildung 99: Enzymatische Reaktion<br />

(Biokatalysatoren). Im Wesentlichen kontrollieren die Enzyme den Stoffwechsel.<br />

Produkte<br />

Enzyme sind zusammen mit den Coenzymen echte Katalysatoren – sie verringern die<br />

Aktivierungsenergie und lassen Prozesse rascher ablaufen. Den Stoff, den Enzyme<br />

umsetzen nennt man Substrat S.<br />

Chemie, 6sm<br />

94


E<br />

S+B+<br />

E<br />

E<br />

S +B<br />

E mit Enzym<br />

a<br />

P<br />

E ohne Enzym<br />

a<br />

Abbildung 100: Die Aktivierungsenergie einer Enzymreaktion, im Vergleich mit einer<br />

unkatalysierten Reaktion<br />

E<br />

Im Vergleich mit dem Umfang der chemischen Veränderungen, die in ihrer Gegenwart<br />

ablaufen können, ist die Menge, in der sie gebraucht werden, sehr klein. Man findet<br />

Enzyme überall in der Zelle, und im transzellulären Raum, z.B. in den<br />

Verdauungsorganen. Man schätzt, dass eine Leberzelle nur ca. 50 Millionen<br />

Enzymmoleküle enthält. Das findet seine Erklärung darin, dass sie wie andere<br />

Katalysatoren an der Reaktion, die sie katalysieren, teilnehmen, aber am Ende des<br />

Prozesses regeneriert werden und so lange wieder benutzt werden können.<br />

Wie andere Katalysatoren können Enzyme „vergiftet“ werde, so dass sie einen Teil oder<br />

die gesamte katalytische Kraft verlieren. Man spricht dann von Hemmung oder<br />

Inaktivierung.<br />

Physikalische Faktoren die eine solche Wirkung auf die Enzyme ausüben, sind z.B:<br />

hohe Temperaturen, extreme pH-Werte, ultraviolettes Licht, gewaltsame mechanische<br />

Beanspruchung und vieles andere. Hemmung oder Inaktivierung werden auch häufig<br />

von Chemikalien hervorgerufen, die mit den -SH, oder -NH2 oder -COOH Gruppen<br />

reagieren, was die Annahme zulässt, dass Gruppen wie diese eine lebenswichtige<br />

Rolle in der enzymatischen Katalyse spielen. Es gibt viele Beweise, dass das wirklich<br />

so der Fall ist. Bekannte starke Inhibitoren sind die Salze von Schwermetallen<br />

(reagieren oft mit den S-Gruppen!) und Säuren, wie Phosphorwolframsäure,<br />

Perchlorsäure und Trichloressigsäure. Die letztgenannten Ionen sind natürlich negativ<br />

geladen und verbinden sich mit Enzymen in sauren Lösungen, in denen die<br />

Enzymproteine positiv geladen sind. Sie bilden unlösliche, salzähnliche Komplexe, die<br />

als Katalysatoren unwirksam sind. Dagegen üben Schwermetallionen ihren Einfluss in<br />

Lösungen aus, die im Vergleich zu dem isoelektrischen pH des Enzymproteins<br />

alkalischer sind. Diese sind dann negativ geladen und es werden weder unlösliche,<br />

katalytisch unwirksame, salzähnliche Stoffe gebildet. Andererseits stellt z.B. die<br />

Cytochromoxidase der Atmungskette schon bei Anwesenheit von geringen Blausäure-<br />

Mengen ihre Aktivität ein.<br />

Viele Reagenzien, die Enzyme inaktivieren, lassen entweder Eiweiss gerinnen oder<br />

rufen in ihm feine chemische Veränderungen hervor, die man schlechthin<br />

„Denaturierung“ nennt; ein weiterer Hinweis, dass Enzyme wirklich Proteine sind. Man<br />

Chemie, 6sm<br />

P+<br />

E<br />

P<br />

Zeit<br />

95


kann behaupten, dass fast alle Enzyme Proteine, seltener Glycoproteine sind<br />

(Verbindung mit Zucker und Proteinen).<br />

Die haben Enzyme ein sehr hohes Molekulargewicht und deshalb ist ihre molare<br />

Konzentration in Zellen und Geweben immer sehr klein. Ein einfaches Beispiel ist die<br />

Urease 68 , ein Enzyms, das die Hydrolyse des Harnstoffs katalysiert.<br />

O<br />

H 2 N C NH 2<br />

H 2 O<br />

(Urease)<br />

O<br />

H 2 N C OH<br />

Carbamidsäure<br />

+<br />

NH 3<br />

Abbildung 101: Vereinfachtes Reaktionsschema der Urease<br />

Harnstoff hat ein Molekulargewicht von 60, während das der Urease ungefähr 544 000<br />

Gramm pro Mol ist. Wollen wir eine 1%ige Lösung beider Stoffe herstellen, wäre die<br />

molare Konzentration des Harnstoffes nicht weniger als 9000mal so gross wie die des<br />

Enzyms. Urease beschleunigt die Harnstoff-Hydrolyse auf mehr als das 10 14 fache (!!)<br />

der unkatalysierten Reaktion. So spaltet 1 g Urease bei 20 °C innerhalb 1 Minute etwa<br />

60 g Harnstoff, also 544'000 Spaltungen pro Minute und Enzym.<br />

Viele Enzyme treten in Zellen und Geweben in Konzentrationen auf, die man fast<br />

unendlich klein nennen möchte, und dennoch hängt das Leben der Zelle von ihrer<br />

katalytischen Aktivität ab.<br />

Eine der beachtenswertesten Eigenschaften der Enzyme und eine, die sie von anderen<br />

bekannteren Katalysatoren wie z.B. dem Platinmohr oder anderen feinverteilten<br />

Metallen unterscheidet, ist ihre ausgeprägte Spezifität. Wie allgemein bekannt,<br />

katalysiert Platinmohr eine ziemlich grosse Zahl chemisch verschiedener Prozesse;<br />

dagegen sind sehr viele Enzyme absolut spezifisch. Damit meinen wir, dass ein Enzym<br />

dieser Art nur eine einzige Reaktion katalysieren kann. In wenigen Fällen kann ein<br />

bestimmtes Enzym eine Reihe ähnlicher Reaktionen katalysieren. In diesem Fall spricht<br />

man von Gruppenspezialität. Der Fall so genannt niedriger Spezifität ist verhältnismässig<br />

selten. Einer der wenigen bekannt gewordenen Fälle wurde bei bestimmten<br />

Ester spaltenden Enzymen entdeckt. Sie spalten Esterbindungen unabhängig von der<br />

Natur der Säure oder des Alkohols, aus denen sie gebildet sind. Zusammenfassend<br />

kann gesagt werden: Enzyme haben nebst der Katalyse vier wichtige Eigenschaften sie<br />

sind 69 :<br />

1. substratspezifisch (eduktspezifisch, selektiv; reagieren nur mit wenigen<br />

Edukten),<br />

2. produktspezifisch (immer dasselbe Produkt, führen immer dieselbe<br />

Reaktion durch).<br />

3. reaktionsspezifisch (wirkungsspezifisch, benötigen vorgegebene<br />

Reaktionsbedingungen)<br />

4. enantiospezifisch (stereospezifisch räumliche Anordnung).<br />

68 Urease (EC 3.5.1.5); Die Urease besteht aus 3 Untereinheiten und benötigt als Cofaktor Nickel.<br />

69 Ball Ph., Chemie der Zukunft – Magie oder Design?, VCH, Weinheim, 1996, 82<br />

Chemie, 6sm<br />

CO 2<br />

+<br />

2<br />

NH 3<br />

96


Bei Enzymen ist nicht nur das aktive Zentrum, die Bindungsstelle, sondern das ganze<br />

Protein beteiligt. Neben der Form („Schlüssel-Schloss-Prinzip“) spielt die Chemie<br />

(Dipole, freie Elektronenpaare, Komplexbindungen, H-Brücken, van der Waals-<br />

Bindungen) eine ebenso grosse Rolle – insbesondere beim Andocken und der<br />

Reaktion!!!<br />

Die Enzymwirkung wird heute mit 2 Modellen beschrieben, die sich auf den ersten Blick<br />

nicht sehr stark unterscheiden, aber in der molekularen Dynamik von unterschiedlichen<br />

Annahmen ausgehen:<br />

+<br />

+<br />

Enzym + Substrat Enzym - Substrat - Komplex<br />

Abbildung 102: Oben: "Schlüssel-Schloss"-Modell; Unten: „Induced Fit“-Modell 70<br />

Der wesentliche Unterschied der beiden Modelle besteht darin, dass beim Induced-Fit<br />

Modell von Koshland mit statischen Molekülmodellen keine korrekte Vorhersage der<br />

möglichen Substrate möglich ist. Das ist damit begründet, dass das Substrat nach<br />

diesem Modell das Enzym-Protein selbst verformt, bis es gebunden und dann umgewandelt<br />

werden kann.<br />

Wie beim Händeschütteln genügt es nicht, dass die Moleküle in der komplementären<br />

Gestalt rechter oder linker Hände vorliegen. Denn auch Hände greifen nur dann<br />

vollständig ineinander, wenn sie sich umschliessen. Die Formen zweier Dipeptide<br />

passen sich zum Beispiel bei ihrem molekularen Händedruck dynamisch aneinander<br />

an. Dabei induzieren die Moleküle wechselseitig eine Änderung ihrer Konformation.<br />

2.3.3 Messung der Enzymaktivität<br />

Wenn ein Enzym zusammen mit seinem Substrat 71 unter konstanten Bedingungen in<br />

bezug auf Temperatur und pH inkubiert wird, kann der Umfang der ablaufenden<br />

chemischen Veränderung durch geeignete analytische Methoden gemessen werden.<br />

Angenommen, das Substrat sei ein nicht reduzierender Zucker, Rohrzucker, und das<br />

Enzym sei Hefesaccharase, ein hydrolysierendes Enzym, das Ergebnis der Hydrolyse<br />

sind Glucose und Fructose.<br />

Beide haben reduzierende Eigenschaften; den Ablauf der Reaktion kann man dadurch<br />

bestimmen, dass man den Umsatz misst, indem man aus der Reaktionsmischung in<br />

bestimmten Zeitabständen Proben entnimmt oder kontinuierlich misst. Zeichnet man<br />

den Umsatz gegen die Zeit auf, erhält man eine Verlaufskurve der Reaktion. In den<br />

meisten Fällen hat die Kurve eine Form wie in der folgenden Abbildung.<br />

70 Enzyme, Römpp Lexikon Chemie – Version 2.0, Stuttgart/New York: Georg Thieme Verlag 1999<br />

71 Die Substanz, auf welche die katalytische Wirkung ausgeübt wird.<br />

Chemie, 6sm<br />

97


Gespaltene Proteine (titrierte<br />

NH 2-Gruppen)<br />

4.5<br />

4<br />

3.5<br />

3<br />

2.5<br />

2<br />

1.5<br />

1<br />

0.5<br />

0<br />

0 20 40 60 80 100<br />

Zeit (Min.)<br />

Abbildung 103: Reaktionsablauf mit einem Enzym: Die Verdauung von Casein durch Trypsin.<br />

Die Reaktion beginnt, sobald das Enzym zum Substrat hinzugefügt wird. Zunächst ist<br />

die Kurve praktisch linear, aber bald fällt die Umsatzrate ab. Man hätte eigentlich<br />

erwarten dürfen, dass das Ergebnis so lange konstant bleibt, bis das Substrat<br />

verbraucht ist; die Erfahrung lehrt es anders. Mit fortschreitender Reaktion verändert<br />

sich die Reaktionsmischung. Das Substrat wird verbraucht, Die Reaktionsprodukte<br />

treten auf und beginnen sich anzuhäufen, und wenn die Reaktion reversibel ist,<br />

tendieren sie dazu, der Vorwärtsreaktion entgegenzuwirken. In einigen Reaktionen<br />

entstehen sogar pH-Verschiebungen. Alle diese Veränderungen beeinflussen die<br />

Enzymaktivität.<br />

Wenn wir die Auswirkungen von Einflüssen wie Temperatur und pH auf die<br />

Enzymaktivität untersuchen wollen, müssen wir entweder darauf achten, dass die<br />

Veränderungen in der Reaktionsmischung in jedem Experiment gleich bleiben, oder<br />

versuchen, diese Veränderungen minimal zu halten. Eine Methode ist die Messung der<br />

Zeit, die das Enzym braucht, um einen bestimmten Grad von chemischer Veränderung<br />

zu katalysieren. Die gemessene Zeit gibt dann das reziproke Mass der Enzymaktivität;<br />

reziprok, weil ein Enzym, das halb so aktiv ist, doppelt so lange braucht, um denselben<br />

Betrag einer chemischen Veränderung herbeizuführen.<br />

Diese Methode sehr breit anwendbar, vorausgesetzt, dass das Enzym unter den<br />

experimentellen Bedingungen stabil bleibt. Aber diese Voraussetzung wird nicht immer<br />

erfüllt, und eine andere Methode wird im Allgemeinen vorgezogen. Da die<br />

Veränderungen in der angesetzten Mischung schon sehr bald nach dem<br />

Reaktionsbeginn stattfinden, müssen wir sie in Betracht ziehen, was für gewöhnlich<br />

schwierig ist, oder wir müssen unsere Untersuchung sehr bald nach dem Beginn der<br />

Reaktion durchführen. Wenn dieses Intervall klein genug ist, werden die<br />

Veränderungen in der Reaktionsmischung klein genug sein, um sie vernachlässigen zu<br />

können. Man braucht nicht darauf hinzuweisen, dass die Substratmenge, die in einem<br />

kurzen Zeitraum abgebaut worden ist, nur sehr klein sein wird. Aber heutzutage stehen<br />

viele ausgezeichnete mikroanalytische Methoden zur Verfügung, so dass genaue<br />

Messungen der initialen Reaktionsgeschwindigkeit in den meisten Fällen durchgeführt<br />

werden können. Die Messung der Anfangsgeschwindigkeit einer enzymgesteuerten<br />

Reaktion gibt ein zuverlässiges Mass der Enzymaktivität unter festgelegten<br />

experimentellen Bedingungen.<br />

Chemie, 6sm<br />

98


2.3.3.1 Einfluss des pH<br />

Der Einfluss des pH-Wertes auf die Enzymaktivität ist ausgeprägt, und die grosse<br />

Mehrzahl der Enzyme funktioniert nur in einem sehr engen pH-Bereich.<br />

COOH<br />

NH3<br />

+<br />

H H+<br />

COOH<br />

NH3<br />

+<br />

saurer pH pH = pI<br />

+<br />

+ _<br />

+<br />

+<br />

+ _<br />

_<br />

+<br />

_ _ +<br />

+<br />

+ +<br />

+<br />

_<br />

+3<br />

+2<br />

+1<br />

0<br />

-1<br />

-2<br />

-3<br />

Nettoladung<br />

_ _<br />

COO<br />

COO<br />

NH3<br />

+<br />

OH-<br />

_<br />

COO<br />

NH3<br />

+<br />

isoelektr.<br />

Punkt pl<br />

alkal. pH<br />

5 10 pH<br />

Abbildung 104: Veränderung der Oberfläche durch pH-Änderungen<br />

NH2<br />

_<br />

COO<br />

NH2<br />

Die Abbildung zeigt einige typische Aktivitätskurven. Unter bestimmten<br />

Voraussetzungen entsteht ein deutliches Wirkungsmaximum beim sogenannten<br />

optimalen pH-Wert. Zu beiden Seiten dieses Optimalwertes fällt die Aktivität mit der<br />

Veränderung des pH schnell ab. Der optimale pH-Wert ist keine feste und<br />

unveränderliche Eigenschaft, sondern kann sich z.B. mit dem Ausmass der Ionisierung,<br />

dem verwendeten Puffer und der Wirkungsdauer des Enzyms ändern.<br />

Isoelektrischer Punkt (IEP) = pH-Wert, bei dem die Nettoladung einer Aminosäure<br />

oder eines Proteins Null ist. Dieser ist dadurch charakterisiert, dass die Summe der<br />

tatsächlichen Ladungen der Partikel (Nettoladung) null ist. Z. B. sind bei Aminosäuren<br />

und andere Zwitterionen beide Grössen identisch, da sie hier durch Fremdionen nicht<br />

beeinflusst werden. Bei makromolekularen Ampholyten fallen IEP und<br />

Ladungsnullpunkt nicht mehr ohne weiteres zusammen. So wird z. B. die für Eiweisse<br />

charakteristische Lage des IEP von der Anzahl der sauren und basischen Gruppen und<br />

deren Lage im Molekül (Oberfläche) beeinflusst. Man bestimmt den IEP von Eiweissen<br />

meist elektrophoretisch aufgrund des Minimums der Wandergeschwindigkeit im<br />

elektrischen Feld, seltener durch Messung des mit dem isoelektrischen Zustand<br />

verbundenen Flockungsmaximums oder des Minimums von Löslichkeit.<br />

Chemie, 6sm<br />

99


Relative Enzymaktivität<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

1 3 5 7 9 11<br />

pH-Wert<br />

Pepsin<br />

Speichelamylase<br />

Arginase<br />

Abbildung 105: Wirkung des pH auf die Enzymaktivität. Im sauren Bereich: Pepsin; Neutral:<br />

Speichelamylase; Basisch: Arginase.<br />

Amylase eine Verdauungsenzym im Speichel und Darm katalysiert nur die Spaltung<br />

von Stärke in Glucose und nicht Cellulose, obwohl beide aus Ketten von Glucose<br />

bestehen. Der Unterschied ist die Bindung der Glucosemoleküle. Die Amylase besteht<br />

aus 1 Polypeptidkette und enthält Ca ++ als Cofaktor.<br />

2.3.3.2 Einfluss der Temperatur<br />

Die Temperatur hat auf die Enzyme ebenfalls einen deutlichen Effekt. Als allgemeine<br />

Regel gilt, dass chemische Reaktionen umso schneller ablaufen, je höher die<br />

Temperatur ist (RGT-Regel). Die enzymgesteuerten Reaktionen bilden keine<br />

Ausnahme. Enzyme werden durch zu hohe Temperatur jedoch zerstört<br />

(Denaturierung). Folglich gibt es eine optimale Temperatur, d.h. eine Temperatur, mit<br />

der grössten Reaktionsgeschwindigkeit, bei einer gegebenen Enzymmenge und unter<br />

gegebenen experimentellen Bedingungen.<br />

Enzymaktivität<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

0 20 40 60 80<br />

Temperatur °C<br />

Abbildung 106: Einfluss der Temperatur auf die Enzymaktivität der Catalase (Temperaturoptimum)<br />

Chemie, 6sm<br />

100


2.3.4 Umkehrbarkeit der Enzymwirkung<br />

Thermisch sind alle Reaktionen reversibel und eine katalytische Reaktion. Ein<br />

Katalysator, der eine Reaktion in einer Richtung beschleunigt, sollte sie - wiederum<br />

theoretisch - auch in der andern Richtung beschleunigen, so dass alle enzymatisch<br />

katalysierten Reaktionen in ein Gleichgewicht kommen müssten. Diese Reversibilität<br />

der Enzymwirkung ist tatsächlich in vielen Fällen nachgewiesen worden.<br />

Untenstehende Abb. zeigt die Versuchsergebnisse der Wirkung von fettspaltenden<br />

Enzymen (Ricinussöllipase) bei der Hydrolyse und Synthese des entsprechenden<br />

Fettes: Die endgültige Gleichgewichtsmischung ist dieselbe, ob man nun vom Ester<br />

oder von seinen einzelnen Komponenten ausgeht.<br />

freie Fettsäure<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

0 10 20 30<br />

Zeit (Stunden)<br />

Hydrolyse<br />

Synthese<br />

Abbildung 107: Reversibilität der Wirkung von Rizinuslipase auf Triolein (Ester mit drei<br />

Oleinsäuren). (Man beachte die Geschwindigkeit der Gleichgewichtseinstellung).<br />

In vielen Fällen ist das Gleichgewicht aber so weit zur einen oder anderen Seite<br />

verschoben, so dass die Reaktion praktisch nur in einer Richtung abläuft. Ein<br />

ausgezeichnetes Beispiel dafür ist die Wasserstoffperoxidspaltung, die durch das<br />

eisenhaltige Enzym Catalase 72 katalysiert wird.<br />

(Catalase: Wasserstoffperoxid:<br />

Wasserstoffperoxid-Oxidoreduktase, EC 1.11.1.6).<br />

Catalase ist ein Enzym, das in pflanzlichen und<br />

tierischen Geweben allgemein verbreitet ist.<br />

2 H2O2 2 H2O + O2 ; H= - 193 kJ<br />

Bei aeroben (Sauerstoff-verbrauchenden)<br />

Stoffwechselprozessen entsteht unter der<br />

Einwirkung von Oxidasen in besonderen<br />

Zellorganellen (Peroxisomen) Wasserstoffperoxid,<br />

das von der gleichzeitig anwesenden Catalase<br />

sofort zersetzt wird. Zu den Peroxidasen gehörig,<br />

72<br />

Catalase (EC 1.11.1.6) MR 245 000; Catalase ist eines der „s<br />

spezifischen Aktivität von 0,08 kat (5 · 10 6 Abbildung 108: Catalase mit dem<br />

aktiven Zentrum der Häm-Gruppe im<br />

chnellsten“ Zentrum (1/4 Enzyme Einheit, mit Catalase einer ist ein<br />

UmsetzungenTetramer) pro Minute) pro Mikromol.<br />

Chemie, 6sm<br />

101


kann Catalase auch von anderen Donoren, z.B. Ethanol, Wasserstoff auf<br />

Wasserstoffperoxid übertragen.<br />

MG. 245000 mit 4 Häm-Mol. in Form von Ferriprotoporphyrin mit Eisen(III)<br />

Catalase ist eines der „schnellsten“ Enzyme<br />

Hemmstoffe sind z.B. Schwefelwasserstoff, Blausäure, Fluoride, Azide und<br />

Hydroxylamin<br />

Tabelle 9: Katalyse von Wasserstoffperoxid<br />

Molekül Molmasse<br />

g/mol<br />

Fe 3+<br />

aq<br />

Geschwindigkeit<br />

ml/s<br />

pro Gramm<br />

Geschwindigkeit<br />

ml/s<br />

pro Mol<br />

relative<br />

Geschwindigkeit<br />

pro Molekül<br />

102<br />

Aktivierungsenergie<br />

kJ<br />

(abgeschätzt)<br />

164 0.000’01 6.1E-8 1.0 163<br />

Häm 364 0.01 2.7E-5 450 127<br />

Catalase 250’000 100’000 4.0E-1 6’600’000 50<br />

Strategie der Natur:<br />

Der Aufbau von sehr grossen Molekülen ist für die Natur sehr ökonomisch, sie spart<br />

damit viel Material und damit auch viel Energie !!<br />

Enzyme sind spezifisch. Beispiel: Urease<br />

2 CO(NH2)2 + H2O 2 NH3 + CO2<br />

Urease katalysiert die Spaltung von Harnstoff in Ammoniak und CO2. Methylharnstoff<br />

ergibt keine Reaktion.<br />

(Die Urease besteht aus 3 oder 6 Untereinheiten und benötigt als Cofaktor Nickel)<br />

Enzyme sind sehr spezifisch und wirksam.<br />

2.3.5 Klassifizierung der Enzyme<br />

Die Klassifizierung der Enzyme ist keine leichte Sache, besonders deshalb nicht, weil<br />

sie eine solche enorme Vielzahl und Vielfalt chemischer Reaktionen katalysieren – man<br />

kennt heute ca, 7000 Enzyme 73 . Um die Sache noch komplizierter zu machen, gab es<br />

lange keine eindeutige Methode, um diese Katalysatoren zu benennen. Früher war es<br />

üblich, die Silbe -ase an den Substratnamen anzuhängen, d.h. an die Substanz, auf die<br />

das Enzym seine Aktivität ausübt; aber das war nicht zufriedenstellend. Im Idealfall<br />

sollte der Name, den man einem Enzym gibt, einiges aussagen, nämlich:<br />

1. Die Art des Substrates,<br />

2. die Art der chemischen Veränderung, die an dem Substrat vorgenommen wird,<br />

3. die Herkunft des Enzyms.<br />

So könnte man z.B. von „Muskellactatdehydrogenase“, sprechen. Das würde ein<br />

Enzym bezeichnen, das a) am Lactat angreift, b) die Entfernung von Wasserstoff<br />

katalysiert, und c) im Muskel vorkommt.<br />

Die heute vorgeschlagene Klassifizierung sieht kurz dargestellt folgendermassen aus:<br />

73 Ball Ph., Chemie der Zukunft – Magie oder Design?, VCH, Weinheim, 1996, 83<br />

Chemie, 6sm


Tabelle 10: Enzymklassen nach der IUB-Einteilung (Klassierung nach Wirkung)<br />

EC-Nr. Klasse katalysierter Reaktionstyp<br />

1 Oxidoreductasen Wasserstoff-, Elektronenübertragung<br />

Diese Klasse schliesst verschiedene Gruppen oxydierender und<br />

reduzierender Enzyme ein.<br />

2 Transferasen Gruppenübertragung<br />

Hexokinase transferiert ein Phosphatrest von ATP auf Glucose.<br />

3 Hydrolasen Hydrolytische Spaltung<br />

Enzyme, die die Spaltung ihrer Substrate mit Hilfe eines zweiten<br />

Reaktionsteilnehmers, für gewöhnlich Wasser, Katalysieren, so<br />

dass die katalysierte Reaktion eine Hydrolyse ist.<br />

Bsp.: Urease, Amylase<br />

4 Lyasen Eliminierung<br />

Enzyme, die den Hydrolasen ähneln, aber keinen zweiten<br />

Reaktionsteilnehmer für die Spaltung benötigen. Citratsynthetase<br />

stellt Citronensäure her.<br />

Bsp.: Catalase<br />

5 Isomerasen Isomerisierung<br />

Sie katalysieren die intramolekulare Umlagerung in den<br />

Substratmolekülen. Phosphoglucoisomerase wandelt Glucose-6-<br />

6 Ligasen<br />

(Synthetasen)<br />

Beispiel: Eine Amylase<br />

2.3.6 Funktionen der Enzyme<br />

Phosphat in Fructose-6-Phosphat um.<br />

Kondensationen unter Verbrauch von Adenosin-5’-triphosphat<br />

(ATP)<br />

Diese Enzyme katalysieren die Synthese vieler biologischer<br />

Substanzen. DNA-Ligase repariert DNA.<br />

Der erste chemische Prozess, dem die aufgenommenen Nahrungsmittel im Tier<br />

unterliegen, ist die Verdauung. An diesem Vorgang sind eine ziemlich grosse Zahl von<br />

Hydrolasen beteiligt, jede spezifisch für die Hydrolyse eines ganz bestimmten<br />

Substrates. Alle Verdauungsenzyme sind Hydrolasen, d.h. sie katalysieren<br />

hydrolytische Prozesse. Es gibt z.B. Amylasen (aus dem lateinischen Amylum =<br />

Stärke), die den hydrolytische Abbau der Stärke zu Glucose katalysieren, und Lyasen,<br />

die in der gleichen Form auf Fette einwirken. Eiweissspaltende Enzyme nennt man<br />

Peptidasen. Das Gesamtergebnis dieser Verdauung ist die Auflösung der komplexen<br />

Moleküle, aus denen die Nahrungsmittel zusammengesetzt sind, in ihre einfacheren<br />

Komponenten, ähnlich Monosaccharin, Fettsäuren und Aminosäuren. Diese können<br />

vom Darm resorbiert werden und treten in die Blutbahn über.<br />

Chemie, 6sm<br />

103


Mit Hilfe des Blutes werden diese einfacheren Stoffe<br />

an die einzelnen Körperorgane verteilt und gelangen<br />

in ein riesiges und ausserordentlich verwickeltes<br />

Labyrinth enzymatisch gesteuerter chemischer<br />

Vorgänge, denen man den kollektiven Namen<br />

Intermediärstoffwechsel gegeben hat. Einige dieser<br />

Reaktionen sind ihrer Art nach Synthesen, andere<br />

Abbaureaktionen, die einfachere Substanzen bilden<br />

und deren Endprodukte schliesslich in der<br />

Hauptsache Wasser, Kohlendioxyd und bei<br />

Säugetieren Harnstoff sind. Der Metabolismus als<br />

Ganzes kann daher unterteilt werden in<br />

1. Anabolismus , d.h. alle Reaktionen, die zu<br />

Synthesen führen, z.B. Körperprotein aus<br />

Aminosäuren, und<br />

2. Katabolismus, also Abbaureaktionen wie z.B.<br />

Zucker in CO2 und Wasser.<br />

Abbildung 109: Pepsin (Schwein),<br />

Proteinkette<br />

Es ist zwar leicht, Zucker oder Butter zu Kohlendioxid<br />

und Wasser abzubauen, indem man sie einfach ins Feuer wirft. Aber bei dieser<br />

Methode wird viel Energie verschwendet, da die freigesetzte Energie bei dieser Form<br />

der Verbrennung nur ein wenig zu der Hitze beiträgt, die das Feuer selbst entwickelt.<br />

Auf jeden Fall geht das Meiste in den Schornstein. Beim lebenden Organismus liegen<br />

die Dinge ganz anders. Der Organismus lebt von Energie, die er aus dem Katabolismus<br />

der Nahrungsmittel gewinnt, und die, und die katabolen Prozesse, durch die er Energie<br />

gewinnt, sind umwegreiche Schritt-für-Schritt-Operationen, ganz unähnlich denen, die<br />

im Feuer passieren. Bei jeder einzelnen Zwischenstation wird ein Enzym,<br />

gegebenenfalls auch ein Coenzym, gebraucht. Keiner dieser Vorgänge ist völlig<br />

selbstständig, sondern alle sind mit anderen Zweigen des Stoffwechsels gekoppelt, so<br />

dass im Endergebnis der ganze Stoffwechsel des Organismus eine sehr komplexe<br />

Angelegenheit voller Querverbindungen darstellt. Dieses Netz so vollständig wie<br />

möglich zu entwirren und zu verstehen, ist das Hauptziel der <strong>Biochemie</strong>.<br />

Ohne Enzyme würde unsere zelluläre <strong>Biochemie</strong> nicht ablaufen, d.h. Leben gäbe es<br />

nicht! Fehlen Enzyme, so kann das krankhafte Folgen haben. Die häufigste<br />

enzymatisch bedingte Erbkrankheit der Welt ist Favismus (ca. 400 Millionen Kranke),<br />

ein Fehlen der Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase (G6PD); Folge: Anämien.<br />

Eiweissverdauung<br />

Die Eiweissverdauung ist eine grosse Meisterleistung, weil die Enzyme selbst Eiweisse,<br />

Proteine, sind, und auch die Zellwände des Verdauungssystems viele Proteine<br />

enthalten.<br />

Die wesentlichen an der Verdauung beteiligten Sekrete sind der Speichel aus den<br />

Speicheldrüsen; Der Magensaft, der von Zellen abgesondert wird, die den Magen<br />

auskleiden, und der eine ganze Menge freier Salzsäure enthält; der Pankreassaft und<br />

der Gallensaft aus dem Pankreas bzw. der Leber und der Darmsaft aus der<br />

Schleimhaut, die den Dünndarm auskleidet.<br />

Die erste Hydrolase, die das mit der Nahrung aufgenommene Eiweiss angreift, ist das<br />

Pepsin, ein proteolytisches Enzym im Magensaft. Sein ungewöhnlich saures pH-<br />

Chemie, 6sm<br />

104


Optimum liegt bei 1.54 und wird durch die Salzsäure im Magensaft erzielt. Pepsin ist<br />

ein gutes Beispiel für ein Phänomen, das wir bisher noch nicht erwähnt haben. So wie<br />

es sezerniert wird, greift es Eiweiss nicht an, weil der aktiv Teil des Enzyms durch eine<br />

andere Substanz sozusagen maskiert ist. Diese „Maske“ wird durch die freie Salzsäure<br />

des Magensaftes entfernt und damit das Enzym aktiviert. Wenn erst etwas freies<br />

Pepsin da ist, demaskiert und aktiviert es selbst seine Vorstufe (Pepsinogen), so dass<br />

die Aktivierung, wenn sie erst einmal angelaufen ist, zum autokatalytischen Prozess<br />

wird.<br />

Amino-Terminus<br />

R 1 O R 2 O R 3 O<br />

H2N CH C NH CH C NH CH C<br />

Carboxy-Terminus<br />

R<br />

n<br />

O<br />

NH CH C OH<br />

AS-Rest 1 AS-Rest 2 AS-Rest 3 AS-Rest n<br />

Abbildung 110: Peptidkette mit Amino-Ende, Peptidbindungen und Carboxyl-Ende<br />

Pepsin gehört zu den Endopepitdasen, d.h. es greift die Proteinkette an bestimmten<br />

Punkten an, die nicht an den Enden der Peptidkette liegen. Bezüglich der Aminosäure-<br />

Reste besteht bei Pepsin A keine ausgeprägte Spezifität; jedoch werden die Bindungen<br />

Phe-Phe, Phe-Tyr, Phe-Leu, Tyr-Leu und Leu-Val bevorzugt gespalten. Anschaulich<br />

dargestellt können 500 g Pepsin in wenigen Minuten etwa 20 t Fleisch verdauen oder<br />

rund 4 Mio. Liter Milch zum Gerinnen bringen 74 .<br />

Wenn der teilweise angedeutete Speisebrei in den Zwölffingerdarm fortbewegt wird,<br />

kommt er mit Pankreassaft und Galle in Berührung, die genug freies Alkali enthalten,<br />

um die Säure aus dem Magen zu neutralisieren.<br />

Der Pankreassaft enthält eine weitere<br />

Enzymvorstufe, das Trypsinogen, das durch eine<br />

weitere Form der „Demaskierung“, abspalten<br />

eines Hexapeptids, zum freien Trypsin 75 , einer<br />

anderen Endopeptidase, aktiviert wird 76 . Dieses<br />

Enzym setzt die vom Pepsin begonnene Arbeit<br />

fort, es unterscheidet sich aber vom Pepsin<br />

durch seine Spezialität und spaltet Peptid-Ketten<br />

spezifisch Carboxy-seitig der basischen<br />

Aminosäure-Reste L-Lysin und L-Arginin, wobei<br />

noch kürzere Fragmente der Aminosäurekette<br />

entstehen.<br />

Chymotrypsin<br />

Phe<br />

Lys<br />

105<br />

Trypsin<br />

Abbildung 111: Spezifische Spaltung von<br />

Trypsin und Chymotrypsin<br />

Die abbauende Wirkung von Enzymen wird heute grosstechnisch bei Waschmitteln<br />

eingesetzt.<br />

74 Pepsin: Römpp Lexikon Chemie – Version 2.0, Stuttgart/New York: Georg Thieme Verlag 1999<br />

75 Klassierung: EC 3.4.21.4, Trypsin (MR ca. 23 300, 223 Aminosäure-Reste) ist in Wasser, nicht aber in<br />

Alkohol löslich, besitzt ein Wirkungsoptimum bei pH 7–9<br />

76 Die im Pankreas produzierte Vorstufe Trypsinogen wird durch Aktivierung mittels Calcium-Ionen und<br />

der Enteropeptidase (Enterokinase) gebildet oder entsteht durch autokatalytische Wirkung des<br />

Trypsins selbst.<br />

Chemie, 6sm


Tabelle 11: Enzyme in Waschmitteln 77<br />

Enzymklasse Abbau von Beisiele für Anwendungen<br />

Proteasen Eiweiss Entfernen in Waschmitteln Eiweiss-Flecken (z.B. Gras, Ei,<br />

Blut..)<br />

Lipasen Fett Entfernen in Waschmitteln Fettflecken<br />

Cellulasen Cellulose Verhindern in Waschmitteln die Bildung kleiner Fusseln auf<br />

der Kleidung (Bio-Polishing).<br />

Ersetzen bei der Jeans-Produktion das Stone-Washing mit<br />

Bimssteinen.<br />

Amylasen Stärke Entfernen in Waschmitteln Spaghetti-, Sossen- und<br />

Breiflecken.<br />

Ersetzen Enzyme aus Malz bei der Herstellung von<br />

Spirituosen.<br />

Ergänzen im Mehl beim Brotbacken -Amylasen für die<br />

Gärung.<br />

Entfernen Schutzschicht beim Verarbeiten von Baumwolle<br />

(Entschlichten),<br />

Pektinasen Pektin Steigern bei der Saft- und Weinproduktion den Ertrag.<br />

Catalasen Wasserstoffperoxid<br />

2.3.7 Ein Modell der Enzymwirkung<br />

Ersetzen das Abkochen von Rohbaumwolle.<br />

Enzym + Substrat -k1 k2-<br />

Gleichgewicht<br />

Enzym-<br />

Substrat<br />

Komplex<br />

Zerstören überschüssiges Wasserstoffperoxid nach der<br />

Bleiche von Textilien oder der Entkeimung von<br />

Kontaktlinsen oder Milch.<br />

k3 Geschwindigkeit<br />

v<br />

Kopplung<br />

[E] [S] [ES] v<br />

Konzentration<br />

des Enzyms<br />

mol/l<br />

Konzentration<br />

des Substrates<br />

mol/l<br />

Konzentration<br />

Enzym-<br />

Substrat-<br />

Komplex<br />

Proportionalitäts- <br />

Konstante<br />

Messbare<br />

Reaktionsgeschwindigkeit<br />

77 Riisgaard S., Wenn es der Wäsche zu bunt wird, Research, Das Bayer-Forschungsmagazin, Ausgabe<br />

Chemie, 6sm<br />

12, 2000, 99<br />

106


107<br />

Annahmen für das Modell:<br />

k2<br />

E S 1<br />

Dissoziationskonstante: K M ; Reziprokwert der chemischen<br />

k1<br />

ES K<br />

Gleichgewichtskonstanten;<br />

E S<br />

1. Gleichgewicht : K M ;<br />

ES 2. Geschwindigkeit : v = [ES] k3 ; Geschwindigkeit v proportional der mit<br />

Substraten belegten Enzymen.<br />

3. Maximale Geschwindigkeit : vmax = [Et] k3 ; alle Enzyme belegt, d.h. vmax<br />

maximale Geschwindigkeit.<br />

4. Massenbilanz : [Et] = [ES] + [E]; [Et] Konzentration aller Enzyme in der Lösung.<br />

Gesucht ein Modell, welches nur die messbaren Grössen [S], KM, v und vmax enthält.<br />

vmax ist dabei die maximale Geschwindigkeit, die vom Enzym als Umsatz erreicht<br />

werden kann.<br />

Mathematische Herleitung:<br />

[E]= [Et] - [ES] ; aus 4)<br />

E<br />

vmax<br />

v<br />

; 2) und 3) eingesetzt<br />

k3<br />

k3<br />

vmax<br />

v <br />

S k3<br />

k3<br />

K<br />

<br />

M <br />

<br />

; aus 1)<br />

v<br />

k3<br />

vmax<br />

SvS vmax<br />

v<br />

K M <br />

S v<br />

v<br />

v K v S v S<br />

<br />

v <br />

M max <br />

KSvS M<br />

max<br />

[ S]<br />

v vmax<br />

[ S]<br />

K M<br />

Man beachte, dass KM einen Quotienten von Geschwindigkeiten enthält. KM=0.001<br />

kann also zustande kommen als KM=1/1000 oder KM= 0.001/0.000001. Das sind völlig<br />

andere Geschwindigkeiten der Gleichgewichtseinstellung.<br />

Mathematische Formulierung der Michaelis-Menten Gleichung:<br />

Geschwindigkeit v [moll -1 s -1 ]:<br />

[ S]<br />

v vmax<br />

;<br />

[ S]<br />

K<br />

[S]: Substratkonzentration [mol/l]<br />

KM : Dissoziationskonstante (mg/kg) entspricht der Konzentration [S] für die<br />

halbmaximale Geschwindigkeit (Michaelis-Menten-Konstante).<br />

KM, die Michaelis-Konstante, setzt sich aus mehreren Geschwindigkeitskonstanten<br />

zusammen und stellt anschaulich diejenige Substrat-Konzentration dar, bei der die<br />

Hälfte der maximalen Reaktionsgeschwindigkeit (vmax/2)erreicht wird. Michaelis-<br />

Konstanten KM haben Grössenordnungen von 10 –2 –10 –5 Mol pro Liter, wobei ein<br />

kleiner Wert eine grosse Affinität zwischen Enzym und Substrat bedeutet<br />

Chemie, 6sm<br />

M


108<br />

(Dissoziationskonstante). Die Michaelis-Menten-Gleichung als Beziehung zwischen<br />

Reaktionsgeschwindigkeit und Substrat-Konzentration stellt grafisch eine Hyperbel dar,<br />

die für grosse [S] asymptotisch dem Grenzwert vmax zustrebt, und ist der mathematische<br />

Ausdruck einer Sättigungskinetik, da Vmax genau dann erreicht wird, wenn das Enzym<br />

mit Substrat gesättigt ist, d. h. alles Enzym als Enzym-Substrat-Komplex vorliegt. Im<br />

Bereich der Sättigung ist die Menge der von einem Enzym umgesetzten Stoffe<br />

proportional der Enzym-Menge und der Wirkungsdauer. Die Michaelis-Menten-<br />

Beziehung gilt nur für einfache Systeme; bei Vorliegen von allosterischer Regulation,<br />

gegenseitiger Beeinflussung von Enzym-Untereinheiten (Kooperativität) sowie bei<br />

vielen Mehrsubstrat-Reaktionen sind kompliziertere Modelle zu verwenden.<br />

Wird die Michaelis-Menten-Gleichung so umgeformt, dass ein linearer Graph erhalten<br />

wird, so spricht man vom Lineweaver-Burk-Plot 78 :<br />

1 1 KM<br />

1<br />

;<br />

v vmax<br />

vmax<br />

[ S]<br />

1/v: Abszisse<br />

1/[S]: Ordinate<br />

Für 1/[S] = 0, d.h. x = 0 ist 1/v = 1/vmax Bestimmung der<br />

Maximalgeschwindigkeit.<br />

Für 1/v = 0, d.h. y = 0 ist x = -1/KM Bestimmung von KM<br />

2.3.8 Hemmung von Enzymen<br />

Man versteht darunter jede Stoffwechselstörung, die durch den direkten Eingriff einer<br />

Substanz in metabolische Prozesse ausgelöst wird. Ein typisches Beispiel ist die<br />

Hemmung der Cytochromoxidase durch Cyanidionen.<br />

Ein Hemmstoff kann auf unterschiedliche Weise wirken 79 :<br />

1. Er verhindert die Substrataufnahme in die Zelle durch Änderung der<br />

Membranpermeabilität oder Hemmung von Transportprozessen.<br />

2. Er greift in den oxidativen Substrat-Stoffwechsel ein.<br />

3. Er unterdrückt die Bildung energiereicher Phosphate.<br />

4. Er hemmt die Biosynthese essenzieller Protoplasma-Bestandteile.<br />

5. Er unterbindet den notwendigen Umsatz an energiereichen Substanzen.<br />

6. Er greift in Energie verbrauchende Reaktionen ein.<br />

7. Er hemmt direkt funktionelle Zellsysteme.<br />

Eine durch einen Wirkstoff hervorgerufene Hemmung kann reversibel oder irreversibel<br />

sein. Grundsätzlich unterscheidet man:<br />

1. Kompetitive (konkurrierende) Hemmung und<br />

2. Nichtkompetitive Hemmung.<br />

78<br />

Christensen H.N., Palmer G.A., Lehrprogramm Enzymkinetik, Verlag Chemie, Weinheim, 1974, 41<br />

79<br />

Korolkovas A., Grundlagen der molekularen Pharmakologie, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, Frankfurt<br />

am Main, 1974, 307<br />

Chemie, 6sm


Bei der kompetitiven Hemmung konkurrenzieren sich Wirkstoff und Substrat um<br />

dieselbe Bindungsstelle am Enzym. Beide werden als Gleichgewichtsreaktion reversibel<br />

angelagert. Dabei sind die relativen Substrat- und Wirkstoffkonzentrationen von<br />

grundlegender Bedeutung, da sie das Ausmass der Hemmung bestimmen. Liegt das<br />

Substrat im Überschuss vor, so wird es den Wirkstoff vom Rezeptor verdrängen und die<br />

Bindungsstelle selbst besetzen. Diese Reaktion verändert das Bindungsgleichgewicht,<br />

nicht aber das vm.<br />

Bei der nichtkompetitiven Hemmung binden sich Substrat und Wirkstoff an<br />

verschiedenen Bindungsstellen. Der Wirkstoff geht also nicht an das aktive Zentrum<br />

sondern z.B. an eine allosterische 80 Bindungsstelle (eine Bindungsstelle an einem<br />

anderen Ort als dem aktiven Zentrum). Eine solche Hemmung ist normalerweise<br />

reversibel. Sie ist durch die Substratkonzentration normalerweise nicht beeinflusst, da<br />

das Substrat an der allosterischen Bindungsstelle nicht bindet. Die allosterische<br />

Bindung verändert das vm der Reaktion.<br />

Beispiel:<br />

v<br />

2<br />

1,8<br />

1,6<br />

1,4<br />

1,2<br />

1<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

0<br />

0 10 20 30<br />

[S]<br />

Abbildung 112: Enzymwirkung mit Hemmung<br />

1/v<br />

2,5<br />

2<br />

1,5<br />

1<br />

0,5<br />

0<br />

-0,5 0 0,5 1<br />

-0,5<br />

1/[S]<br />

v kompetitiv<br />

v ohne Hemmung<br />

v nicht kompetitiv<br />

kompetitiv<br />

Ohne Hemmung<br />

nicht kompetitiv<br />

80 Allosterie: Dadurch, dass ein Enzym-Molekül an einer von der Bindungsstelle des Substrats räumlich<br />

entfernten Stelle eine Kopplung mit einem Effektor eingeht, wird über Bewegungen des Enzyms<br />

die räumliche Anordnung (Konformation) im aktiven Zentrum reversibel so abgewandelt, dass<br />

sich die Substrat-Bindung oder -Umsatzgeschwindigkeit ändert.<br />

Chemie, 6sm<br />

109


Abbildung 113: Lineweaver-Burk-Plot von einem Enzym mit kompetitiver und nichtkompetitiver<br />

Hemmung<br />

Kompetitive Hemmung durch das Produkt selbst, das Produkt ist Inhibitor<br />

(Bsp. Hefe wird durch ihr Produkt Ethanol gehemmt)<br />

kb<br />

Bildung<br />

kg<br />

Wirksame<br />

Enzymmenge<br />

Gärung<br />

ki<br />

Ethanol<br />

Inhibition<br />

Abbildung 114: Flussdiagramm der Inhibition durch das Produkt<br />

Gleichungen:<br />

(01) Bildung= kb*Wirksame Enzymmenge<br />

Units: mmol/Minute<br />

(02) Ethanol= INTEG (Gärung, 0)<br />

Units: mmol [0,?]<br />

(03) FINAL TIME = 120<br />

Units: Minute<br />

The final time for the simulation.<br />

(04) Gärung= kg*Wirksame Enzymmenge<br />

Units: mmol/Minute<br />

(05) Inhibition= ki*Wirksame Enzymmenge*Ethanol<br />

Units: mmol/Minute [0,?]<br />

(06) INITIAL TIME = 0<br />

Units: Minute<br />

The initial time for the simulation.<br />

(07) kb= 0.1<br />

Units: 1/Minute [0,1]<br />

(08) kg= 0.005<br />

Units: 1/Minute [0,0.01]<br />

(09) ki= 0.06<br />

Units: 1/Minute/mmol [0,?]<br />

(10) SAVEPER = TIME STEP<br />

Units: Minute [0,?]<br />

The frequency with which output is stored.<br />

(11) TIME STEP = 1<br />

Units: Minute [0,?]<br />

The time step for the simulation.<br />

(12) Wirksame Enzymmenge= INTEG (+Bildung-Inhibition, 10)<br />

Units: mmol [0,?]<br />

Abbildung 115: Gleichungen der Inhibition durch das Produkt<br />

Chemie, 6sm<br />

110


Chemie, 6sm<br />

40 mmol<br />

4 mmol<br />

20 mmol<br />

2 mmol<br />

0 mmol<br />

0 mmol<br />

0 12 24 36 48 60 72 84 96 108 120<br />

Time (Minute)<br />

Wirksame Enzymmenge : Current mmol<br />

Ethanol : Current mmol<br />

Abbildung 116: Untere Kurve (rot): Wirksame Enzymkonzentration, Obere Kurve (blau):<br />

Substratkonzentration=Inhibitorkonzentration.<br />

Die „Selbstvergiftung“ führt zu einer stabilen End-Konzentrationen, wie sie z.B. bei der<br />

Vergärung von Traubenmost zu Wein gefunden wird.<br />

Ein Enzym stellt sich vor<br />

mit einer Alpha-Helix hin,<br />

Von J.C. Meyer- Bertenrath<br />

die sich im Raum noch mehrmals<br />

knickte<br />

Enzym zu sein ist heut’ modern,<br />

so dass ich selbstverständlich gern<br />

bis ich das Licht der Welt erblickte.<br />

erlaube Ihnen hier zu lesen,<br />

Hier muss ich nun zur Klärung sagen,<br />

was wichtig scheint an meinem Wesen. dass es kein Protein kann wagen,<br />

Um die Strukturen darzulegen,<br />

sich arrogant Enzym zu nennen<br />

bin ich am Anfang so verwegen<br />

wenn nicht Substrate landen können.<br />

das Rad der Zeit zurückzudrehen<br />

Als Teil der Tertiärstruktur<br />

und mich als Urahn zu verstehen wird zum aktiven Zentrum nur<br />

die schmale, engbegrenzte Bucht,<br />

Als einst zu Lande und im Meer<br />

die Welt war noch von Leben leer,<br />

die das Spezialsubstrat sich sucht.<br />

entstand in Wolken voller Blitze Dadurch vermag ich ohne Müh’<br />

also aus feuchter Luft und Hitze- die Aktivierungsenergie<br />

die erste Säurekollektion vom hohen Ross herabzuheben -<br />

mit einer NH2 - Funktion: den Reaktionsstart freizugeben:<br />

Es hatte jedes Molekül<br />

Nur im Enzym-Substrat-Komplex<br />

Aminorest und Carboxyl.<br />

die Reaktion läuft wie verhext!<br />

Was sonst in Wochen nicht will gehen<br />

Dies traf sich deshalb so vorzüglich,<br />

weil beide Gruppen höchstvergnüglich<br />

ist jetzt sekundenschnell geschehen.<br />

begannen bald das Reagieren<br />

Hierüber sagt die Wechselzahl,<br />

um zum Peptid zu kondensieren.<br />

wieviel Substrat von Fall zu Fall<br />

Die Kette wuchs zum Protein<br />

pro Molekül, Enzym und Zeit<br />

111


vom Umsatzschicksal wird ereilt.<br />

Danach wird das Produkt sofort<br />

entfernt von seinem Bildungsort.<br />

Es tritt mit allergrösster Schnelle<br />

ein frisches Teil an seine Stelle.<br />

So wird in jeweils zarter Bindung<br />

-dies ist ein Kernpunkt der Erfindung-<br />

sehr viel Substrat rasch umgesetzt<br />

und keinesfalls Enzym versetzt,<br />

von dem deshalb schon Mini-Mengen<br />

die Reaktion zum Ablauf drängen.<br />

Die Wirkung also, das ist typisch,<br />

vollzieht sich einfach katalytisch!<br />

In diesem Umstand liegt begründet,<br />

Chemie, 6sm<br />

weshalb man mich so einfach findet.<br />

Hat man erst einmal hergestellt,<br />

was mir besonders gut gefällt<br />

-zum Beispiel Wärme und pH -<br />

und ist Substrat genügend da,<br />

entfalte ich Aktivität,<br />

die man zu messen gut versteht<br />

112<br />

Natürlich war es nicht ganz leicht<br />

(und manchem Forscher hat’s gereicht<br />

zu Doktorgrad und and’ren Ehren)<br />

das Wissen ständig zu vermehren.<br />

Heut ist die Enzymologie<br />

heraus aus grauer Theorie,<br />

verehrt doch jede Diagnose<br />

der Forschung eine rote Rose!


Tabelle 12: Einige wichtige Aminocarbonsäuren (AMCS)<br />

Name<br />

Alanin Ala<br />

Arginin Arg<br />

Asparagin Asn<br />

Cystein Cys<br />

Cystin Cy-S-S-Cy<br />

Glutamin Gln<br />

Abkürzung Formel Maximal-Gehalt in %<br />

H 2N<br />

HOOC<br />

NH<br />

H 2N COOH<br />

H 2N<br />

N<br />

H<br />

CH 2<br />

H 2N CH C<br />

O<br />

O<br />

H2N COOH<br />

HS<br />

H 2N COOH<br />

S<br />

NH 2<br />

H 2N CH C<br />

Glycin Gly H 2N COOH<br />

Histidin His<br />

Hydroxyprolin<br />

Hypro<br />

Leucin Leu<br />

Lysin Lys<br />

Methionin Met<br />

Phenylalanin<br />

Chemie, 6sm<br />

Phe<br />

NH 2<br />

C<br />

CH 2<br />

CH 2<br />

S<br />

OH<br />

H 2N COOH<br />

O<br />

O<br />

H 2N CH C<br />

H 2N<br />

HS<br />

N<br />

HO<br />

N<br />

H<br />

CH 2<br />

NH<br />

O<br />

OH<br />

OH<br />

COOH<br />

H 2N COOH<br />

H 2N COOH<br />

H 2N COOH<br />

H 2N COOH<br />

Seidenfibroin 29.7<br />

Spargel 20.0<br />

Keratin,<br />

Haare, Wolle<br />

Federn<br />

Keratin<br />

(Menschenhaar)<br />

Speichersubstanz<br />

Haare, Wolle<br />

Seidenfibroin<br />

Gelatine<br />

Hämoglobin<br />

Gelatine<br />

Collagen<br />

Serumalbumin (Rind)<br />

Mais<br />

Pepsinogen<br />

Getreide<br />

Casein<br />

Ovalbumin<br />

Lactoglobulin<br />

Serumalbumin<br />

Globulin<br />

Ovalbumin<br />

113<br />

14.4<br />

11.9<br />

8.2<br />

18.0<br />

43.6<br />

25.7<br />

13.6<br />

12.8<br />

12.8<br />

19<br />

20.0<br />

4.1<br />

5.2<br />

3.2<br />

7.8<br />

4.6<br />

7.7


Prolin Pro<br />

Serin Ser<br />

Threonin Thr<br />

Tryptophan<br />

Tyrosin Tyr<br />

Valin Val<br />

Chemie, 6sm<br />

N<br />

H<br />

HO<br />

COOH<br />

H 2N COOH<br />

H 2N CH C<br />

HO<br />

CH<br />

CH 3<br />

N<br />

O<br />

OH<br />

OH<br />

H 2N COOH<br />

H 2N COOH<br />

H 2N COOH<br />

Casein<br />

Gelatine<br />

Salmin<br />

Seidenfibroin<br />

Trypsinogen<br />

Pepsin<br />

Glycoproteine<br />

Lysozym<br />

Lactalbumin<br />

Seidenfibroin<br />

Papain<br />

Elastin<br />

Rindersehne<br />

Rinderaorta<br />

114<br />

10.6<br />

16.3<br />

6.9<br />

16.2<br />

16.7<br />

12.2<br />

10.6<br />

7.0<br />

12.0<br />

14.7<br />

17.4<br />

17.6


3 Glossar: <strong>Biochemie</strong><br />

abiotische Faktoren<br />

Faktoren der unbelebten Umwelt, die auf Organismen einwirken wie Licht<br />

Wasser, Temperatur, Klima, CO2-Gehalt, pH, UV-Licht usw.<br />

Acetylcholinesterase<br />

Enzym an den Synapsen der Neuronen, was die Acetylcholin (Transmitter) -<br />

wirkung beendet<br />

Die physische oder psychische vorübergehende oder dauernde Anpassung<br />

eines Organismus, Organs, Gewebes oder einer Zelle an veränderte<br />

Bedingungen. Bsp.: a) Abnahme der Empfindungsintensität bei fortdauernder<br />

Adaptation<br />

Reizeinwirkung von gleichbleibender Stärke. Anzutreffen auf der Ebene der<br />

Sinnesrezeptoren (periphere Adaptation) oder auf nachgeschalteten Ebenen<br />

des Sinneskanals (zentrale Adaptation, auch Habituation). b) Anpassung der<br />

Sauerstofftransportkapazität des Blutes an den Aufenthalt in grossen Höhen<br />

durch Vermehrung der Erythrozyten.<br />

Reaktion unter Beteiligung von Sauerstoff;<br />

aerob<br />

Lebensweise eines Organismus, der auf Sauerstoff angewiesen ist wie Tiere,<br />

Pflanzen, Pilze<br />

Aerosol Luft mit Schwebeteilchen aus feinverteilten Flüssigkeiten<br />

Zustandsform; der feste, flüssige oder gasförmige Zustand, den ein Stoff bei<br />

Aggregatzustand<br />

unterschiedlichem Druck und unterschiedlicher Temperatur annimmt, z.B. Eis,<br />

Wasser, Dampf. Ein vierter Aggregatzustand ist das Plasma<br />

Aktivator Effektor, welcher das Enzym in der aktiven Konformation fixiert.<br />

aktive Stelle<br />

Ort im Enzym, in einer Vertiefung der Globulärstruktur liegend, an der der<br />

katalytische Vorgang geschieht<br />

aktiver Transport Transport von Teilchen unter Energieaufwand der Zelle<br />

Aktivierungsenergie Die Energie, die zur Reaktion eines Stoffes notwendig ist<br />

basische, stickstoffhaltige organische Verbindungen, die in Pflanzen<br />

vorkommen und auf Menschen oder Tiere eine ausgeprägte Wirkung ausüben.<br />

Die Alkaloide sind eine breite Stoffklasse. Gemeinsam ist jedoch allen, dass<br />

sie heterozyklische Kohlenstoffringe als Grundbausteine enthalten. Bekannte<br />

Alkaloide-Klassen sind folgende:<br />

Pyridin-Alkaloide, z.B. Nikotin, Piperin (Schwarzer Pfeffer)<br />

Alkaloide<br />

Tropan-Alkaloide, z.B Scopolamin und Atropin<br />

(Nachtschattengewächse), Kokain<br />

Phenatren-Alkaloide, z.B. Morphin, Codein, Heroin<br />

Mutterkorn-Alkaloide, substituierte Amide der Lysergsäure, z.B. LSD<br />

und LSA<br />

allosterisch<br />

Weitere bekannte Alkaloide sind das Coffein, Chinin (wird zur Malaria-<br />

Bekämpfung eingesetzt) und Strychnin<br />

an einem anderen Ort; Hemmung eines Enzyms an einer anderen Stelle als<br />

der aktiven<br />

Ein substratähnlicher Stoff setzt sich in das allosterische Zentrum des Enzyms<br />

Allosterische Hemmung<br />

und verhindert damit, dass das aktive Zentrum „arbeiten“ kann. Nach kurzer<br />

Zeit ist das Enzym aber wieder frei und kann weiterarbeiten<br />

(Gleichgewichtsreaktion).<br />

Allosterisches Enzym Enzym mit einem aktiven und einem allosterischen Zentrum.<br />

Aminogruppe<br />

-NH2-Gruppe; eine der funktionellen Gruppen einer Aminosäure, mit der die<br />

Peptidbindung gemacht wird; basische Eigenschaft, polar<br />

Aminosäuren<br />

Carbonsäuren mit einer Aminogruppe (>N-, -NH oder –NH2); biologisch wichtig<br />

sind ca. 20 Aminosäuren<br />

Amylase Stärke- spaltendes(/synthetisierendes) Enzym im Speichel, und Dünndarm<br />

anaerob<br />

Reaktion unter Ausschluss von Sauerstoff;<br />

Lebensweise eines Organismus, der nicht auf Sauerstoff angewiesen ist<br />

Antiport<br />

Transportprotein, das 2 Teilchen in verschiedene Richtungen durch die<br />

Membran transportiert<br />

Arginase Enzym der Leber, das im Harnstoffzyklus aus Arginin Harnstoff abspaltet<br />

aromatisch organischer Stoff, z.B. wenn er einen Phenylring (-Benzolring) besitzt.<br />

ATP Adenosintriphosphat, Energiespeicherstoff aller Zellen<br />

Chemie, 6sm<br />

115


Auflösungsvermögen<br />

Das Auflösungsvermögen misst die minimale Trennung zweier Objekte, die<br />

man gerade noch getrennt erkennen kann; beim Auge 0,2 mm<br />

Lebensweise von Pflanzen und einigen Bakterien, die mit Hilfe einer<br />

autotroph<br />

Energiequelle anorganische Stoffe in organische Stoffe umwandeln und davon<br />

leben<br />

Bergmannsche Regel<br />

Gleichwarme Tiere haben in kälteren Gebieten eine grössere<br />

Durchschnittsgrösse<br />

Biokatalysatoren Enzyme; katalysieren in biologischer Umgebung Reaktionen<br />

biologische Stufe<br />

Mittlere Stufe einer Kläranlage, die mit Hilfe von Bakterien und O2 organische<br />

Stoffe abbaut<br />

biologisches Gleichgewicht<br />

natürlicher Zustand eines Ökosystems, hervorgerufen durch die gegenseitige<br />

Abhängigkeit der darin lebenden Organismen<br />

Biome Klima/Vegetationszonen der Erde<br />

Biosphäre der Bereich der Erdkruste, in dem es Organismen gibt (+- 8 km)<br />

biotische Faktoren<br />

Faktoren der belebten Umwelt, die Organismen beeinflussen z. B. Konkurrenz,<br />

Symbiose, Parasitismus, Verbreitung<br />

Bodenozon<br />

das durch Blitze und vor allem Verbrennungsprozesse der menschlichen<br />

Zivilisation im Sommer entstehende Ozon in Bodennähe.<br />

Braunsche Teilchenbewegung Bewegung von Teilchen aufgrund der Umgebungswärme<br />

BSE (=bovine spongiform gehirnzersetzende Krankheit bei Rindern, verursacht durch infektiöse Proteine<br />

encephalopathy)<br />

(= Prionen)<br />

Calcitonin Hormon, das den Ca ++ -Haushalt regelt<br />

Capsid Hülle der Viren, besteht meist aus Protein, kann mehrschichtig sein<br />

Carboanhydrase<br />

Zn 2+ -haltiges Enzym im Blut, das die Spaltung von H2CO3 in CO2 und Wasser<br />

katalysiert<br />

Carbonsäure Säure mit der Gruppe –COOH. Sind meist weing starke Säuren<br />

Carboxylgruppe (- COO) -Gruppe, funktionelle Gruppe der Carbonsäuren<br />

Carboxypeptidase A<br />

Verdauungsenzym im Dünndarm das eine Peptidkette vom Carboxylende her<br />

spaltet.<br />

Carotinoide gelborange Blattfarbstoffe, auch in anderen pflanzlichen Geweben enthalten<br />

Cellulose, Hemicellulosen, Bestandteile von pflanzlichen Zellwänden, Cellulose besteht aus Ketten von<br />

Pektin<br />

Glucose, Hemicellulosen und Pektine haben eine davon modifizierte Struktur.<br />

CFC = Chlorine-Fluorine-Carbons = englische Bezeichnung von FCKW<br />

chemische Stufe letzte Stufe einer Kläranlage zur Beseitigung von anorganischen Salzen<br />

Durch chemische Reize ausgelöste gerichtete Bewegung von Zellen auf die<br />

Chemotaxis<br />

Reizquelle hin oder das Fortbewegen von der Reizquelle weg (positive oder<br />

negative Chemotaxis) Regelung.<br />

Chlorophyll Grüner Blattfarbstoff in den Chloroplasten, wird durch Licht angeregt<br />

Chromatinfäden lange Fäden aus DNA im Zellkern; enthalten die Erbinformation<br />

Chymotrypsin Verdauungsenzym im Dünndarm, spaltet Polypeptidketten<br />

Citratsynthetase Enzym der Zellatmung; stellt Citronensäure her<br />

Citronensäure<br />

H 2C<br />

HO C COOH<br />

Tricarbonsäure:<br />

CKW Chlorierte Kohlenwasserstoffe<br />

spezieller Stoff, der sich um eine Membrangrube anlagert, in der Stoffe<br />

Clathrin<br />

transportiert werden.<br />

Colchizin Gift der Herbstzeitlosen; hemmt Spindelfaserapparat<br />

Nachbildung eines realen Systems mit seinen dynamischen Prozessen in<br />

einem mathematischen Modell mit Hilfe des Computers. Es können dabei<br />

Computersimulation<br />

Erkenntnisse zu den Wirkungsnetzen und dessen Wechselwirkungen im<br />

System gewonnen werden, die mit Experimenten an der Wirklichkeit überprüft<br />

werden müssen (Systemdynamik).<br />

Steroid-Hormone der Nebennieren-Rinde (NNR, lateinisch: cortex glandulae<br />

Corticosteroide<br />

suprarenalis), die dort unter dem Einfluss des Hormons Corticotropin aus dem<br />

(Corticoide)<br />

Hypophysen-Vorderlappen gebildet werden.<br />

Chemie, 6sm<br />

H 2C<br />

COOH<br />

COOH<br />

116


gehirnzersetzende Krankheit beim Menschen, verursacht durch infektiöse<br />

Creutzfeld-Jacob Krankheit<br />

Proteine (= Prionen)<br />

sehr alte, autotrophe aquatische Bakteriengruppe, leben oft in Kolonien;<br />

Cyanobakterien<br />

grösste Bakteriengruppe<br />

Enzym in den Mitochondrien mit der prosthetischen Gruppe Häm, das e<br />

Cytochrom B562<br />

-<br />

überträgt.<br />

Von cyto... u. griech.: chroma = Farbe abgeleitete Bezeichnung für eine<br />

Gruppe von lebenswichtigen und weitverbreiteten Hämproteinen (ähnlich<br />

Cytochrome<br />

Hämoglobin, Myoglobin), die als Redoxkatalysatoren für das Funktionieren der<br />

Atmungskette, der Photosynthese, aber auch für den Stoffwechsel vieler<br />

Bakterien notwendig sind.<br />

Cytoplasma "Suppe" innerhalb der Membran, in dem sich die Organelle befinden.<br />

Denaturierung Zerstörung der räumlichen Struktur der Proteine durch Hitze, Säure und Base<br />

Derivate Abkömmlinge einer bestimmten Verbindung oder einer Stoffgruppe<br />

Alle Organismen ( meist Mikroorganismen), die in einem Biotop oder<br />

Destruenten<br />

Ökosystem organisches Material in anorganisches abbauen, was Nahrung für<br />

die Produzenten bedeutet.<br />

Detergenzien waschaktive Substanzen<br />

entsteht aus Vitamin D3 durch UV in der Haut, Umwandlung in der Leber und<br />

D-Hormon<br />

Niere; steigert die Blut-Ca 2+ -Konzentration<br />

Bewegung von Teilchen entlang eines Konzentrationsgradienten in Medien nur<br />

Diffusion<br />

durch die thermische Bewegung<br />

Diisopropylfluorophosphat<br />

irreversibler Hemmstoff der Acetylcholinesterase<br />

(DFP)<br />

Dipeptid Verbindung aus 2 Aminosäuren über Peptidbindung<br />

Dissimilation Stoffabbau zum Energiegewinn in Zellen<br />

Aufhebung einer Verbindung. a) Reversibler Zerfall einer chemischen<br />

Verbindung in Moleküle, Atome oder Ionen. b) Unterschiedlich stark<br />

ausgeprägte Empfindungsstörung verschiedener Sinnesqualitäten. c)<br />

Dissoziation<br />

Unterschiedlich stark ausgeprägte Normabweichung der Liquorbestandteile bei<br />

krankhaften Veränderungen des ZNS. d) Nicht beidseits koordinierte<br />

Augenabweichung im Sinne einer Bewegungsstörung bei krankhaften<br />

Prozessen des ZNS.<br />

Kovalente Bindung zwischen 2 Cysteinresten in Proteinen. Dabei verbinden<br />

Disulfidbrücke<br />

sich unter H2-Abspaltung die beiden -SH-Gruppen und bilden eine -S-S-<br />

Brücke.<br />

Makromolekül im Zellkern, in den Mitochondrien, Chloroplasten und in<br />

DNA<br />

Bakterienzellen in dem die Erbinformation gespeichert ist.<br />

= DU; Masseinheit für den Ozongehalt der Stratosphäre; entspricht 2.69 x 10<br />

Dobson-Einheit<br />

16<br />

dynamisches Gleichgewicht<br />

Effektor<br />

Efficiency<br />

elektromagnetisches Spektrum<br />

Elementarpartikel<br />

Emulgatoren<br />

Emulsionen<br />

Chemie, 6sm<br />

Ozonmoleküle/cm 2<br />

117<br />

Gleichgewichtssituation bei dem zwei entgegengesetzte Vorgänge permanent<br />

ablaufen und dieselbe Geschwindigkeit zeigen, z. B. Hin-und Rückreaktion<br />

(dchin/dt = dcrück/dt) (engl. steady state)<br />

kleines Molekül, welches sich in das allosterische Zentrum setzen kann.<br />

Wirkungsgrad: Das Verhältnis von Ausgangsleistung zu Eingangsleistung wird<br />

normalerweise bei voller Belastung und nominalen Eingangsbedingungen<br />

gemessen. Bei Mehrfachausgängen kann der Wirkungsgrad von der Aufteilung<br />

der Ausgangsleistung auf die verschiedenen Ausgänge abhängen.<br />

Gesamtheit der elektromagnetischen Wellen: dazu gehören Gamma-<br />

Strahlung, Röntgenstrahlen, UV-Strahlung, Licht, Wärme, Radiowellen, Radar,<br />

Fernsehwellen<br />

ATP-Synthase-haltige Struktur auf den Cristae der inneren<br />

Mitochondrienmembran, dient der ATP-Produktion<br />

Grenzflächenaktive Stoffe, die eine feine Verteilung zweier nicht miteinander<br />

mischbarer Flüssigkeiten stabilisieren<br />

Systeme aus zwei nicht miteinander mischbaren Flüssigkeiten, bei denen die<br />

eine Flüssigkeit in Form kleinster Tröpfchen in der anderen Flüssigkeit verteilt<br />

ist (Beispiel: Öl/Wasser, Milch)


Eigenschaft von Vorgängen und Reaktionen, Energie verbrauchend, läuft nicht<br />

endergonisch<br />

freiwillig ab; G >0<br />

Endoplasmatisches Retikulum Zellorganell, das ein System abgeplatteter Röhren und Säcke bildet; dient als<br />

(ER)<br />

Transportsystem<br />

Endozytose Aufnahme von Partikeln in die Zelle<br />

Form der Inhibition, bei der das Endprodukt einer Synthesekette ein Enzym in<br />

Endprodukthemmung<br />

der Kette hemmt. Im Stoffwechsel gibt es viele solche Enzymketten. Auf diese<br />

Weise regelt sich der Stoffwechsel selbst.<br />

Thermodynamischer Ausdruck als Mass für die Unordnung eines Systems.<br />

Jedem Übergang von einem Anfangs- in einen Folgezustand ist eine<br />

Entropie<br />

bestimmte Entropieänderung zugeordnet. Bsp.: Ist in einem System Wärme<br />

ungleich verteilt, kennzeichnet die Entropie die Tendenz zum<br />

Temperaturausgleich im System.<br />

Enzyme sind funktionelle Proteine, die durch ihre dreidimensionale Struktur<br />

chemische Prozesse katalysieren Biokatalysatoren, und Prozesse steuern. Die<br />

Modellvorstellung ist, dass Enzyme ihre Substrate in eine neue Raumstruktur<br />

zwingen oder Reaktanden so nahe zusammenführen, dass die Reaktion<br />

leichter ablaufen kann. Grundsätzlich ist die Reaktion für Assoziation und<br />

Enzym<br />

Dissoziation gleich beschleunigt. Meist wird jedoch ein Produkt abgezogen, so<br />

dass sich Reaktionsgleichgewichte verschieben (Le Chatelier). Enzyme<br />

bestehen in der Regel aus einem Protein-Anteil und einer weiteren Gruppe<br />

(Ionen, organische Moleküle), dem Coenzym. Es sind Proteine mit<br />

katalytischen Fähigkeiten in Zellen und transzellulärem Raum (Blut,<br />

Verdauungstrakt) oder in der Umwelt<br />

Geschwindigkeit, mit der ein Enzym eine Menge Substrat katalysiert<br />

Enzymaktivität<br />

(Reaktionsgeschwindigkeit bezogen auf die Enzymkonzentration).<br />

Enzym-Substrat-Komplex Kurzzeitiger Komplex von Enzym und Substrat im Moment der Katalyse<br />

Escherichia Coli Darmbakterium der Säugetiere, lebt in Symbiose<br />

Essigsäure CH3-COOH, die Salze heissen Acetate<br />

Zelle der Tiere, Pflanzen und Pilze mit den Zellorganellen Kern, Mitochondrien,<br />

Eukaryontische Zelle<br />

Golgi-Apparat, Chloroplasten, ER, Lysosomen, Ribosomen usw,<br />

Eutrophierung Anreicherung eines Gewässers mit Nährstoffen ( z. B. Phosphat, Nitrat, Sulfat)<br />

Energie freisetzend unter Standardbedingungen, freiwillig ablaufend;<br />

exergonisch<br />

Eigenschaft von Vorgängen und Reaktionen; G = - (negativ)<br />

Exozytose Ausschleusung von Partikeln aus der Zelle<br />

Sekundärstruktur, die dadurch entsteht, dass Primärstrukturen sich parallel<br />

Faltblatt<br />

oder antiparallel aneinander lagern<br />

Ferredoxin Enzym in den Chloroplasten, überträgt e -<br />

Fischtoxizität Giftiger Effekt auf Fische<br />

Kriterium für die Entflammbarkeit brennbarer Flüssigkeiten. Der Flammpunkt<br />

ist die niedrigste Temperatur, bei der sich in einer Prüfapparatur unter<br />

Flammpunkt<br />

normierten Bedingungen über dem Flüssigkeitsspiegel ein entzündbares<br />

Dampf-/Luft-Gemisch bildet, das durch Fremdzündung entflammbar ist.<br />

freie Enthalpie Die Energie einer freiwillig ablaufenden Reaktion, die frei werden kann; (G)<br />

Der Fühler oder Sensor, in biologischen Systemen oft auch Rezeptor genannt,<br />

ist eine Mess- bzw. Registriervorrichtung, die den augenblicklichen Wert<br />

Fühler<br />

(Istwert) der zu regelnden Grösse misst. Der Fühler meldet das, was er fühlen<br />

kann, nicht das, was er im Sinne des Regelsystems fühlen soll.<br />

Glycerinaldehydphosphatdehydrogenase, Enzym der Glycolyse (Energie<br />

GAPD<br />

gewinnender Stoffwechsel), Quartärstruktur, 4 Untereinheiten, Oxidoreduktase;<br />

Kofaktor NAD<br />

gekoppelter Transport Transport von 2 verschiedenen Teilchen gemeinsam durch die Membran<br />

glattes ER Endoplasmatisches Retikulum ohne Ribosomen<br />

K= Γ[Produkte]/ Γ [Edukte]; errechnet sich aus dem Massenwirkungsgesetz,<br />

Gleichgewichtskonstante Die Grösse von K macht eine Aussage über die Gleichgewichtslage und damit<br />

auch über die Konzentrationen<br />

Chemie, 6sm<br />

118


Chemische Reaktion bestehend aus Hin- und Rückreaktion; beide laufen<br />

gleichzeitig ab. Beim Erreichen der Gleichgewichtskonzentration sind beide<br />

Gleichgewichtsreaktionen<br />

Geschwindigkeiten gleich gross – aber beide Reaktionen sind permanent am<br />

Laufen dynamisch.<br />

Globulärstruktur Wollknäuelstruktur = Tertiärstruktur; räumliche Faltung der Polypeptidkette<br />

Glucose<br />

Einfachzucker:<br />

OH<br />

OH<br />

OH<br />

O<br />

OH<br />

Glutamat<br />

Na<br />

Hier das Natriumsalz der Glutaminsäure:<br />

O<br />

H OH<br />

Glykogen<br />

Formel: (C6H10O5)n, Molmasse bis 16 Millionen g/mol. Glykogen ist ein α -D-<br />

1,4-Glucan mit Verzweigungen über α-1,6-Bindungen, also ein Polysaccharid,<br />

das nur aus D-Glucose-Einheiten aufgebaut ist, die aber (im Gegensatz etwa<br />

zu Cellulose) α -glykosidisch miteinander verbunden sind.<br />

Halbwertszeit<br />

Zeit, in der die Hälfte der anfänglich vorhandenen Teilchen umgesetzt worden<br />

sind. Für Exponentialfunktionen gilt: HWZ = ln(2)/k<br />

Halogenalkane<br />

Verbindungen von Alkanen wie Methan oder Ethan mit Halogenen wie Fluor,<br />

Chlor und Brom; CCl4 = Tetrachlormethan<br />

Halone Halogenalkane, die Brom enthalten (zB. CCl3Br in Feuerlöschern)<br />

Häm<br />

Roter Farbstoff, Bestandteil vieler Proteine wie Hämoglobin oder Cytochrome;<br />

enthält Fe oder Cu.<br />

Hämoglobin<br />

O2/CO2-transportierendes globuläres Protein in den roten Blutkörperchen; roter<br />

Blutfarbstoff<br />

Harnsäure<br />

O<br />

1<br />

HN<br />

O<br />

6<br />

2 N<br />

H<br />

H<br />

7 N<br />

8<br />

4<br />

N 9<br />

H<br />

OH<br />

O<br />

-O<br />

O<br />

N<br />

O -<br />

N<br />

H<br />

N<br />

N<br />

H<br />

NH 2 O<br />

O<br />

2 H + +<br />

H-Brücken<br />

Nebenvalenzbindungen zwischen polaren Gruppen über ein H-Atom; z.B. über<br />

2 -OH- Gruppen (Wasserstoffbrücken)<br />

Helix Sekundärstruktur, die Primärstruktur schraubt sich auf<br />

= teilparasitisch lebender Organismus, z. B. Mistel bezieht organische und<br />

Hemiparasit<br />

anorganische Nahrung von der Wirtspflanze, kann aber auch Photosynthese<br />

machen<br />

Lebensweise von Tieren und Pilzen und vielen Bakterien, nehmen organische<br />

heterotroph<br />

Nahrung auf, die von anderen Organismen produziert worden sind und leben<br />

davon<br />

Körperfunktionen werden durch Regulation innerhalb sehr enger Grenzen<br />

Homöostase<br />

konstant gehalten und etwaige Veränderungen sofort wieder ausgeglichen.<br />

Bsp. Werden von aussen Stoffe zugeführt, die der Körper selbst herstellen<br />

kann, dann vermindert er die Produktion oder stellt sie ganz ein.<br />

Hydrolyse<br />

Spaltung einer über Kondensation entstandenen Bindung unter Aufnahme von<br />

H2O<br />

„wasserliebend“ meist auch zu mindest teilweise wasserlöslich. Die Ursache ist<br />

hydrophil<br />

die Polarität, welche dazu führt, dass Wassermoleküle mit Wasserstoffbrücken<br />

gebunden werden können.<br />

hydrophob wasserabstossend (daher meist fettlöslich = lipophil)<br />

hypertonisch überkonzentrierte Lösung im Vergleich zu einer benachbarten<br />

hypotonisch unterkonzentrierte Lösung im Vergleich zu einer benachbarten<br />

Infrarot Wärmestrahlung; Wellenlängenbereich oberhalb 800 nm des elektromagnet.<br />

Spektrums<br />

Inhibitor Effektor, welcher ein Enzym oder einen Rezeptor inaktiviert.<br />

Insulin Hormon der Bauchspeicheldrüse, blutzuckersenkend<br />

Ionische Wechselwirkungen Anziehung zwischen zwei geladenen Atomgruppen z. B. COO - und NH3 +<br />

irreversibel nicht umkehrbar<br />

Chemie, 6sm<br />

119


Isoleucin<br />

H 2N CH C<br />

CH<br />

CH 2<br />

CH3 Aminosäure mit 2 chiralen Zentren<br />

Zustand gleicher oder konstanter Konzentrationen gelöster Teilchen bzw.<br />

Ausgleich des osmotischen Druckes von Lösungen in getrennten<br />

Isotonie<br />

Kompartimenten. Bei Isotonie findet keine Nettoverschiebung von Flüssigkeit<br />

von einem Kompartiment zum anderen statt. Lösungen mit einer Osmolarität<br />

von ca. 300 mosmol/l sind isoton mit der Körperflüssigkeit.<br />

isotonisch gleichkonzentrierte Lösung im Vergleich zu einer benachbarten<br />

Atome, die zerfallen und dabei radioaktive Strahlung aussenden z. B.<br />

Isotope<br />

14 C, 15 N<br />

usw.<br />

Katalase Enzym der Leber, das H2O2 spaltet, Catalase<br />

Eigenschaften, die Lebendiges vom Toten unterscheiden: Stoffwechsel,<br />

Kennzeichen des Lebens<br />

Reizbarkeit, Fortpflanzung, Vererbung, Beweglichkeit, Differenzierung, Tod<br />

Kernporen Poren in der Kernmembran<br />

organische Hilfsstoffe der Enzyme wie NAD, FAD; oft aus Vitaminen<br />

Koenzyme<br />

entstanden; Coenzyme<br />

Monosaccharide Glucose, Fructose usw. Oligosaccharide Maltose, Lactose<br />

Kohlenhydrate<br />

usw. Polysaccharide Stärke, Cellulose usw.<br />

Umwandlung von C-Verbindungen in der Natur ineinander hauptsächlich CO2<br />

Kohlenstoffkreislauf<br />

organische Stoffe CO2<br />

Organische Verbindungen, nur bestehend aus den Elementen Kohlenstoff und<br />

Kohlenwasserstoffe<br />

Wasserstoff<br />

a) Funktionelle Abgrenzung von Reaktionsräumen in Zellen (meist als Teil<br />

einer Organelle), die Enzyme und Reaktionspartner für einen bestimmten<br />

biochemischen Prozess enthalten oder Substanzspeicher sind. b)<br />

Kompartimentierung<br />

Stoffabhängige Unterteilung des Körpers in Volumenbereiche<br />

(Kompartimente), in denen Substanzen sich homogen verteilen und gleichen<br />

pharmakokinetischen Bedingungen unterliegen.<br />

Ein substratähnlicher Stoff setzt sich in das aktive Zentrum des<br />

Enzyms/Rezeptors, kann aber nicht umgesetzt werden. Dadurch wird das<br />

Kompetitive Hemmung Enzym/Rezeptor für eine gewisse Zeit blockiert, und die Enzym-<br />

/Rezeptoraktivität sinkt. Nach kurzer Zeit ist das Enzym/Rezeptor aber wieder<br />

frei und kann weiterarbeiten (Gleichgewichtsreaktion).<br />

Mit Substraten konkurrierender Hemmstoff von Enzymen/Rezeptoren, der eine<br />

kompetitiver Inhibitor<br />

ähnliche Struktur wie das Substrat besitzt und deshalb vom Enzym/Rezeptor<br />

damit verwechselt wird<br />

Eine Eigenschaft von Systemen oder Realitätsbereichen. Sie charakterisiert<br />

die Wechselwirkungen von Teilsystemen oder Systemelementen und<br />

beschreibt die Vielfalt von unterscheidbaren Zuständen des Systems. Sie kann<br />

Komplexität<br />

quantifiziert werden mit Hilfe des Begriffs der Varietät. Je grösser die<br />

Komplexität desto höher ist Unbestimmtheit von Ereignissen. Komplexe<br />

Systeme sind unüberschaubar, vernetzt, undurchsichtig,<br />

wahrscheinlichkeitsabhängig und meist instabil.<br />

erdähnliches Produkt bei der Kompostierung, entsteht durch Abbau von totem<br />

Kompost<br />

pflanzlichen und tierischen Material<br />

Abbau von totem pflanzlichen und tierischen Material durch Mikroorganismen,<br />

Kompostierung<br />

Insekten und Wirbellose in ein erdähnliches Produkt<br />

Verbindung zweier Stoffe unter Wasserabspaltung z. B. zwei Aminosäuren<br />

Kondensation<br />

bilden ein Amid und dabei wird Wasser abgespalten. Oder die Esterbildung:<br />

Säure + Alkohol Ester + Wasser<br />

unterschiedliche räumliche Zustände eines Moleküls. Räumliche Struktur der<br />

Konformation<br />

Moleküle, also auch der Proteine und Peptide<br />

haben unterschiedliche Oberflächen. Konformation: Räumliche Struktur der<br />

Konformere Moleküle<br />

Proteine und Peptide.<br />

Konsumenten ernähren sich von fremdem organischen Material (heterotroph)<br />

Chemie, 6sm<br />

O<br />

CH 3<br />

OH<br />

120


Konvergenz, Hub<br />

Konzentrationsgefälle<br />

Kraftwerke der Zelle<br />

Lactose<br />

121<br />

Verbindungspunkt in einem Netzwerk<br />

Prinzip einer Verschaltung, das die Bündelung des Datenflusses von mehreren<br />

vorgeschalteten Elementen auf ein nachgeschaltetes Element beschreibt.<br />

unterschiedliche Konzentrationsbereiche in Lösungen oder Räumen, diese<br />

führen zu Osmose und elektrischen Spannungen (Nernstsches Gesetz)<br />

Mitochondrien als Produzent von ATP, die Stoffwechselenergie aller<br />

Lebensvorgänge<br />

CH2OH HO<br />

O<br />

OH<br />

Regelungsprinzipien, nach denen ein System betrieben wird. Zum Beispiel: ab<br />

Leistungsregelung<br />

welcher Konzentration eines Hormons, Neurotransmitters oder eines Produkts<br />

einer Stoffwechselkette Energie bereitgestellt oder verbraucht wird.<br />

Lignin Grundbestandteil des Holzes<br />

Lipase Fettspaltendes Enzym im Dünndarm<br />

“Fette”, Sammelbezeichnung für strukturell sehr unterschiedliche, in allen<br />

Zellen vorkommende Stoffe mit übereinstimmenden Lösungs-Eigenschaften:<br />

Lipide<br />

Sie sind im allgemeinen in Wasser unlöslich, mit Wasser schlecht benetzbar,<br />

also lipophil<br />

fettlöslich (=schlecht wasserlöslich, schlecht mit Wasser benetzbar oder<br />

wasserunlöslich). Die Ursache der Lipophilie ist die geringe Polarität der<br />

lipophil<br />

entsprechenden Moleküle oder Oberflächen. Die Bindungen erfolgen über van<br />

der Waals Kräfte.<br />

Modell zur Räuber-Beute-Populationsentwicklung nach dem Biophysiker Lotka<br />

Lotka-Volterra-Modell<br />

und dem Mathematiker Volterra 1913 Strategien<br />

Lysosomen Kleine Zellorganelle mit Verdauungsfunktion<br />

Makromoleküle Riesenmoleküle<br />

Makropinosom Vesikel, das durch Aufnahme flüssiger Stoffe in die Zelle entsteht<br />

Nachdem gewisse Neurotransmitter den synaptischen Spalt passiert haben,<br />

werden sie von der postsynaptischen Zelle resorbiert und durch die<br />

mitochondriale Mono-Amino-Oxidase (MAO) "deaktiviert". MAO-Hemmer<br />

verhindern diesen Mechanismus, so dass es zu einem Überschuss an<br />

Neurotransmittern kommt. Dieser Überschuss äussert sich in einer erhöhten<br />

neuronalen Aktivität. Da bestimmte Neurotransmitter, wie z.B. Dopamin und<br />

MAO-Hemmer<br />

Serotonin, massgeblich an der Informationsverarbeitung in Belohnungszentren<br />

des Gehirns verantwortlich sind, führt die Einnahme von MAO-Hemmern zu<br />

Antriebssteigerung, guter Laune oder gar euphorischen Glücksgefühlen.<br />

Warnung: Es ist sehr gefährlich, MAO-Hemmer mit Drogen zu kombinieren.<br />

Aufgrund kumulativer Effekte kann es zu lebensbedrohlichen Zuständen<br />

kommen.<br />

mechanische Stufe 1. Stufe einer Kläranlage zur Entfernung des groben Unrats<br />

mesophile Bakterien Bakterien, die mittlere Temperaturen (25-40° C ) zum Wachstum benötigen<br />

Methylbromid Halogenalkan, CH3Br, ; Pestizid z.B. in Erdbeerplantagen<br />

Km, abgeleitet aus dem Massenwirkungsgesetz, angewandt auf eine<br />

Michaelis-Menten-Konstante enzymatische Katalyse; gibt die Menge des Substrats an, die für die halbe<br />

Maximalaktivität des Enzyms notwendig ist.<br />

Mikrovilli Bürstensaum, feine Ausstülpungen der Zellmembran bei z. B. Darmzellen<br />

COOH HOOC<br />

Milchsäure<br />

OH<br />

HO C H<br />

CH 3<br />

O<br />

CH 2 OH<br />

OH<br />

H<br />

O<br />

OH<br />

H, OH<br />

C OH<br />

L(+)-Milchsäure D(-)-Milchsäure<br />

rechtsdrehend linksdrehend<br />

Mistel parasitisch auf Laubbäumen lebende grüne Pflanze<br />

Mitochondrien<br />

meist bohnenförmige, grosse Zellorganelle, die ATP herstellen, eigene DNA<br />

und Ribosomen besitzen<br />

Chemie, 6sm<br />

CH 3


Mitochondrienmatrix Flüssigkeit in den Mitochondrien<br />

Vereinfachtes Abbild einer realen Situation. Es muss durch hinreichende<br />

Modell<br />

Ähnlichkeit mit diesem gekennzeichnet sein und wird für Simulationen<br />

verwendet.<br />

Diese erfolgt durch die vereinfachende Nachbildung der Struktur eines<br />

Modellbildung<br />

Systems (Original) durch ein analoges System (Modell). Dafür werden<br />

bestimmte Eigenschaften des Originals ausgewählt und im Modell abgebildet.<br />

messenger RNA; Abschrift eines Gens, besteht aus Ribonukleinsäure;<br />

mRNA<br />

wandern zu den Ribosomen und dienen dort als Bauplan zur Herstellung von<br />

Eiweissen.<br />

Mutation sprunghafte Erbänderung, ausgelöst z. B. durch Strahlung oder Chemikalien<br />

Na + /K + -Pumpe Antiport-Protein, das Na + aus der Zelle und K + in die Zelle transportiert<br />

Nahrungskette In einer Biozönose ernähren sich die Organismen voneinander<br />

Ein Neuronales Netzwerk ist ein Geflecht aus Neuronen, wie es auch im<br />

menschlichen Gehirn vorkommt. Aufgrund der stark parallelen Verarbeitung<br />

unterscheidet es sich grundlegend von seriell arbeitenden Computern. Der<br />

grösste Unterschied ist jedoch, dass es nicht nach Regeln und Algorithmen<br />

arbeitet, sondern lediglich multidimensionale Eingabevektoren nach den<br />

jeweils herrschenden synaptischen Übergangsgewichten verarbeitet und sonst<br />

keinerlei "Kenntnis" von irgendwelchen vordefinierten Zusammenhängen hat.<br />

Diese synaptischen Verbindungen werden durch einen Lernvorgang<br />

eingestellt, wobei das Netzwerk anhand von problemspezifischen Daten<br />

solange trainiert wird, bis Verarbeitungsgenauigkeit das gewünschte Mass<br />

erreicht hat.<br />

Neuronale Netzwerke<br />

122<br />

Schon einfache Netzwerke mit einigen hundert Neuronen erreichen bei<br />

"menschlichen Aufgabenstellungen" wie Gesichtserkennung und Sprache die<br />

gleichen Resultate wie hochkomplexe Computerprogramme, die Millionen<br />

Zeilen an Code enthalten - durch einfaches Lernen! Charakteristisch ist auch<br />

die Fähigkeit, selbst unvollständige oder fehlerhafte Eingabevektoren noch mit<br />

hoher Wahrscheinlichkeit richtig zu "interpretieren".<br />

Man unterscheidet zwischen zwei Arten von Netzwerken: Feed-Forward-<br />

Netzwerke: Ein Eingebevektor wird nach den vorherrschenden synaptisches<br />

Übergangsgewichten verarbeitet, wobei die Übertragung nur in einer Richtung<br />

(aufsteigend) stattfindet. FF-Netzwerke haben keine Kontextbezug. Rekurrente<br />

Netzwerke: Neben aufsteigenden sind auch absteigende Synapsen<br />

vorhanden. Es können Informationen zwischen verschiedenen<br />

Neuronenebenen ausgetauscht werden, wodurch ein Rückbezug auf vorherige<br />

Verarbeitungsschritte möglich wird. Rekurrente Netzwerke weisen somit einen<br />

Kontextbezug auf.<br />

Neurotransmitter Sorgen für die chemische Übertragung von Nervensignalen, indem sie über<br />

den synaptischen Spalt diffundieren.<br />

Es gibt grundsätzlich zwei Arten von N., erregende und hemmende:<br />

Erregende N.: z.B. Adrenalin, Dopamin, Serotonin<br />

Hemmende N.: z.B. Glycin und Gamma-Aminobuttersäure (GABA)<br />

Nitrat NO3 - ; Salz der Salpetersäure HNO3<br />

nitrifizierende Bakterien Destruenten, die organisches, N-haltiges Material in Nitrat umwandeln<br />

Nitrobacter wichtiges nitrifizierendes Bakterium, konvertiert Nitrit zu Nitrat<br />

Nitrogenase Enzym der N-fixierenden Bakterien<br />

Nitrosomonas wichtiges nitrifizierendes Bakterium, konvertiert Ammoniak zu Nitrit<br />

besteht aus Makromolekülen; es gibt 2 Formen: DNA und RNA; dient zur<br />

Nukleinsäure<br />

Speicherung von Erbinformation oder Aufbau von Ribosomen oder zum<br />

Transport von Aminosäuren.<br />

Nukleolus Kernkörperchen, Bildungsort der Ribosomen<br />

oberer Cortex Äussere Schutzschicht bei Flechten, besteht aus Pilzzellen<br />

System das mit seiner Umgebung Stoff-und Energieaustausch hat, z. B.<br />

offenes System<br />

Lebewesen, oder Erde<br />

Oligopeptid kurze Ketten von Aminosäuren, die durch Peptidbindung verbunden sind<br />

Osmose Diffusion von Wasser durch Membranen entlang eines<br />

Chemie, 6sm


osmotischer Druck<br />

Konzentrationsgradienten<br />

Druckdifferenz zwischen zwei durch eine semipermeable Membran<br />

voneinander getrennten Kompartimenten. Er wird verursacht durch die<br />

unterschiedlichen Konzentrationen an gelösten Substanzen. Dabei ist die<br />

Membran für das Lösungsmittel, nicht aber für gelöste Substanzen<br />

durchlässig. Einheit des Drucks: Pascal (Pa)= Newton (N)/m 2 . Er entsteht z.B.<br />

durch Wassereinstrom in eine Zelle und wirkt z. B. gegen die Zellwand<br />

Oxytocin Hormon der Hypophyse, ruft bei der Geburt die Wehen hervor; Nonapeptid<br />

Parasitismus<br />

Lebensweise eines Organismus unter einseitiger Ausnutzung eines anderen,<br />

z.B. Bandwurm<br />

PCA Polycyclische Aromaten<br />

Pepsin Verdauungsenzym im Magen, Protease<br />

Peptid Verbindung von mindestens 2 Aminosäuren über die Peptidbindung. Ein<br />

Peptid enthält weniger als 100 Aminosäuren Protein<br />

Peptidbindung Bindung über die Carboxylgruppe und Aminogruppe bei Peptiden<br />

Perm<br />

Zeitalter des Erdaltertums (290 - 250 Millionen Jahre), Baumfarne, Amphibien<br />

Reptilien<br />

Peroxisomen<br />

Kleine Zellorganellen, vesikelartig die Hydrolasen (Catalase) enthalten; dienen<br />

der Verdauung in Zellen; z. B. Leberzellen<br />

Gesetz des Minimums von Liebig, der im Minimum befindliche Faktor bestimmt<br />

Pessimum-Gesetz<br />

das Ganze. Wird dieser Faktor bei Pflanzen z.B. als Dünger gegeben, dann<br />

kann das Wachstum entscheidend gesteigert werden.<br />

Pestizid Insektenvertilgungsmittel<br />

Phagen Viren, die Bakterienzellen befallen<br />

Phagosom<br />

ein membranumhülltes Vesikel, das sich durch Phagozytose bildet, indem die<br />

Zellmembran eine Partikel umschlossen hat.<br />

Phagozytose<br />

Vorgang zur Bildung eines Phagosoms; Aufnahme fester Partikel in die Zelle;<br />

siehe Phagosom<br />

pH-Optimum optimaler pH, bei dem ein Enzym katalysiert<br />

Phosphate Salze der Phosphorsäure (PO4 3- )<br />

Photosynthese<br />

Stoffwechsel bei grünen Pflanzen, bei dem mit Licht aus CO2 und H2O Glucose<br />

und O2 aufgebaut wird.<br />

pH-Wert<br />

pH = -log [H3O + ]; gibt die Menge an H3O + -Ionen in einer Lösung an (0-14); 0-<br />

7-14 = basisch<br />

Physiologie Wissenschaft von den natürlichen Lebensvorgängen der Organismen.<br />

Pigmente = Farbstoffe wie z. B. Chlorophyll oder Häm<br />

Pinozytose Aufnahme von flüssigen Stoffen in die Zelle<br />

Plasmodesmen<br />

Verbindungsstellen zwischen pflanzlichen Zellen , von Cytoplasma und ER<br />

durchzogen zum Stoffaustausch<br />

Plasmolyse<br />

Ablösen des Cytoplasmas durch eine hypertonische Lösung ausserhalb der<br />

Zelle<br />

Polypeptid Aminosäurekette mit vielen Aminosäuren<br />

Polysomen<br />

an mRNA aufgereihte Ribosomen, die parallel an der Herstellung eines<br />

Polypeptids arbeiten<br />

Porin<br />

Röhrenförmiges Protein, das in der Zellmembran von Bakterien einen Kanal<br />

bildet<br />

primäre Zellwand Zellwand von jungen Pflanzenzellen; besteht aus Cellulose<br />

primärer aktiver Transport<br />

das Membranprotein benötigt selbst ATP um seine Konformation zu ändern<br />

und den Stoff zu transportieren.<br />

Primärstruktur<br />

grundsätzliche Struktur einer Peptidkette, die sich aus der Sequenz ergibt;<br />

Zick-Zack-Kette<br />

Gehirnproteine (= PrP) der Schafe, Rinder (u.a. Tieren) und des Menschen die<br />

Prionen<br />

in eine infektiöse Konformation übergehen können und Scrapie, BSE und<br />

Creutzfeld-Jacob Krankheit in Form einer Gehirnzersetzung hervorrufen<br />

können.<br />

Produzenten<br />

Pflanzen und Bakterien, die autotroph leben, also aus anorganischem Material<br />

organisches herstellen<br />

prosthetische Gruppe fest an Enzyme gebundener Nichtproteinanteil; z.B. Häm<br />

Chemie, 6sm<br />

123


Proteid Protein mit Nichtproteinanteil (z.B. Häm)<br />

Protein Polypeptidkette mit über 100 Aminosäuren<br />

Protisten einzellige Lebewesen<br />

Protoplasma alles innerhalb der Zellmembran: Cytoplasma und Organelle<br />

Quartärstruktur<br />

räumliche Struktur von Proteinen, die aus mehreren Tertiärstrukturen<br />

bestehen, z. B. Hämoglobin besteht aus 4 Ketten<br />

Radikale<br />

energiereiche Atome oder Moleküle mit ungepaarten Elektronen, Symbol: R . ,<br />

diese Atome oder Moleküle sind chemisch sehr reaktiv<br />

rauhes ER ER mit Ribosomen besetzt<br />

Reaktionsgeschwindigkeit<br />

Stoffumsatz pro Zeit, Konzentrationsänderung pro Zeit, Geschwindigkeit, mit<br />

der ein chemischer oder biochemischer Prozess oder eine Reaktion abläuft<br />

Regelgrösse (Regelstrecke,<br />

Istwert)<br />

Regelung<br />

Regelzeit<br />

Regler<br />

Regulation<br />

Regulator (Regelkreis),<br />

Regulation<br />

Renaturierung<br />

124<br />

Zustand oder Vorgang, der konstant gehalten werden soll. Der Istwert stimmt<br />

nur selten mit dem Sollwert (Führungsgrösse) überein, in den meisten Fällen<br />

schwankt er um ihn. Die Frequenz der Schwingung hängt von der<br />

Reaktionsgeschwindigkeit des Systems ab (Zeitverhalten), die Amplitude<br />

(Bandbreite) von der Leistungskapazität des Regelsystems.<br />

Vorgang, bei dem die Regelgrösse (Istwert), trotz Einwirkung von Störungen<br />

(Störgrösse), fortlaufend erfasst, mit der Führungsgrösse (Sollwert),<br />

verglichen, und abhängig von der Abweichung im Sinne einer Angleichung an<br />

die Führungsgrösse gesteuert wird.<br />

Zeitdifferenz zwischen Eingangs- und Ausgangssignal (resp. Konzentration).<br />

Sie bestimmt das Zeitverhalten.<br />

Im Regler werden Istwert und Sollwert miteinander verglichen und<br />

abgeglichen. Geht der Istwert geht mit negativem Vorzeichen in den Abgleich<br />

ein, spricht man von negativer Rückkopplung. Eine positive Rückkopplung, wie<br />

sie z.B. bei einer Wachstumsfunktion zum tragen kommt, führt entweder zu<br />

Selbstverstärkereffekten oder zu einem Systemzusammenbruch.<br />

Steuerung von Abläufen in beliebigen Systemen. Die Regulation über<br />

Regelkreise dient biochemisch der Erhaltung der Homöostase oder der<br />

Anpassung und Koordination unterschiedlicher Abläufe. Bsp.: Der Blutdruck<br />

wird durch Regulation innerhalb bestimmter Grenzen an die jeweilige<br />

Belastungssituation des Organismus angepasst.<br />

Teil eines Systems, welcher das Ausgangssignal (Nervenreiz, Konzentration..)<br />

regelt. Sein Zeitverhalten ist für die Stabilität des Systems von entscheidender<br />

Bedeutung.<br />

Regenerierung der räumlichen Struktur einer Proteins nach milder<br />

Denaturierung<br />

reversibel umkehrbar<br />

Reversibilität Umkehrbarkeit, das Gegenteil ist Irreversibilität<br />

Membranproteine, die spezifisch auf chemische Stoffe oder physikalische<br />

Rezeptoren<br />

Reize reagieren (binden); dadurch werden intrazellulär Reaktionen ausgelöst<br />

Strukturen an der Aussenseite von Membranen, zur Erkennung von Signalen<br />

Rezeptoren<br />

oder Botenstoffen (Neurotransmitter); meist Proteine<br />

rezeptorgesteuerte Endocytose Rezeptoren an der Zellmembran ermöglichen die Aufnahme von Partikeln<br />

Reaktionsgeschwindigkeit-Temperatur-Regel: Erhöht man die Temperatur um<br />

RGT-Regel<br />

10° C, verdoppelt bis verdreifacht sich die Reaktionsgeschwindigkeit (diese<br />

Regel hat viele Ausnahmen) Q10-Regel<br />

Ribonuklease Enzym was Ribonukleinsäure, RNA, spaltet<br />

Kleine Zellorganelle, die Proteine herstellen, sind aus Nucleoproteinen<br />

Ribosomen<br />

aufgebaut<br />

Methode zur Strukturaufklärung von Stoffen; dabei werden von Stoffen<br />

Röntgenstrukturanalyse Kristalle gezüchtet und diese geröntgt; die Ablenkung der Röntgenstrahlung<br />

wird gemessen und daraus die dreidimensionalen Atomkoordinaten berechnet.<br />

oder auch Feedback, kennzeichnet eine gegenseitige Beeinflussung zwischen<br />

Elementen eines Systems. Man unterscheidet positive und negative<br />

Rückkopplung<br />

Rückkopplung. Chemisch: Rückwirken eines Reaktionsprodukts auf den<br />

laufenden Prozess.<br />

Diese wirkt im System stabilisierend. Notwendige Bedingung dafür ist die<br />

Rückkopplung, negative<br />

Vorzeichenumkehr im Regler (negative feedback): Ein Element, das einen<br />

Chemie, 6sm


Anstieg der Eingangsgrösse mit einem Absinken der Ausgangsgrösse (Istwert)<br />

beantwortet oder umgekehrt (feedback inhibition).<br />

Diese wirkt verstärkend und führt zu einem Ungleichgewicht im System.<br />

Notwendige Bedingung dafür ist die fehlende Vorzeichenumkehr im Regler<br />

Rückkopplung, positive (positive feedback): Ein Element beantwortet einen Anstieg der<br />

Eingangsgrösse mit einem Anstieg der Ausgangsgrösse (Istwert) oder<br />

umgekehrt. Sie führt zu dysfunktionaler Instabilität.<br />

Modell zum Ablauf einer enzymatischen Katalyse; Substrate passen wie ein<br />

Schloss-Schlüssel-Modell Schlüssel in das Schloss: Enzym (hier fehlen die sehr wichtigen<br />

chemischen Bindungen!!) Das bessere Modell ist das induced fit-Modell.<br />

Schwefelbakterien autotrophe Bakterien, die H2S zu Sulfat oxidieren<br />

gehirnzersetzende Krankheit bei Schafen, verursacht durch infektiöse Proteine<br />

Scrapie<br />

(= Prionen)<br />

es wird ATP dazu benötigt, einen Gradienten zu schaffen. Entlang des<br />

sekundärer aktiver Transport<br />

Gradienten kann dann das Transportprotein Moleküle transportieren.<br />

Sekundärstruktur Räumliche Organisation einer Peptidkette in Form einer Helix oder als Faltblatt<br />

Mechanismus der Evolution, bei dem durch die gerade vorherrschenden<br />

Selektion<br />

Umweltbedingungen bestimmte Genotypen (= Individuen mit bestimmtem<br />

Erbgut) bevorzugt sind, diese überleben besser als andere<br />

semipermeabel halbdurchlässig<br />

Die Empfindlichkeit eines Systems gegenüber spezifischen Veränderungen,<br />

Sensitivität, Empfindlichkeit<br />

z.B. Temperatur, Wirkstoffe, Licht etc.<br />

kurze Aminosäuresequenz am Ende jeder Polypeptidkette; dient zur<br />

Signalpeptid<br />

Ansteuerung des Wirkungsorts in der Zelle<br />

Durchspielen verschiedener Entwicklungsmöglichkeiten am Computer.<br />

Simulation hat zum Ziel, das Verhalten eines Systems mit Hilfe eines Modells,<br />

Simulation<br />

z. B. ein Wirkungsnetz zu untersuchen, um Wissen für optimale Strukturen und<br />

Prozesse zu entwickeln.<br />

Sollwert (Zielwert) Einstellungswert des Reglers durch die Führungsgrösse<br />

verschiedene Bindungen in einer räumlich gefalteten Polypeptidkette zwischen<br />

bestimmten Aminosäureresten, Disulfidbrücken, H-Brücken, ionische und<br />

stabilisierende Bindungen<br />

hydrophobe Wechselwirkungen, bei grossen lipophilen Bereichen auch van der<br />

Waalssche Bindungen<br />

steady state Gleichgewichtszustand.<br />

Stellglied Regelelement, das den Wert der Regelgrösse ändert; z. B. Hormondrüse<br />

Stellgrösse Grösse der Beeinflussung der Regelgrösse durch das Stellglied<br />

Vorgang in einem System, bei dem sich eine oder mehrere Grössen als<br />

Steuerung<br />

Eingangsgrössen, andere Grössen als Ausgangsgrössen systematisch<br />

beeinflussen.<br />

Kreislauf der N-Verbindungen in der Natur N2 und Nitrat <br />

Stickstoffkreislauf<br />

Aminosäuren/Proteine Ammoniak Nitrit Nitrat<br />

Auf ein System wirken Störgrössen ein, die ausgeregelt werden müssen. Die<br />

Störgrösse<br />

Störungen müssen korrigierbar sein. Übersteigen sie die Regelkapazität eines<br />

Systems, kommt es zu einer Regelkatastrophe, das System bricht zusammen.<br />

Im Verlauf der Evolution der Lebewesen haben sich zwei prinzipielle Strategien<br />

entwickelt: die r- und K-Strategie (= r- und K-Selektion). Die r-Strategie ist<br />

(ohne Berücksichtigung von K) durch eine hohe Vermehrungsrate<br />

gekennzeichnet. Sie tritt vor allem bei Arten in Erscheinung, die darauf<br />

spezialisiert sind, neue Lebensräume mit variablen Bedingungen zu besiedeln,<br />

oder bei solchen, deren Populationsgrössen starken Schwankungen<br />

unterworfen sind. Die K-Strategie hingegen beschreibt eine geregelte,<br />

dichteabhängige Vermehrung (unter Berücksichtigung der Kapazitätsgrenze<br />

Strategie<br />

des Lebensraums K). Sie kommt bei Arten in stabilen Lebensräumen vor, in<br />

denen eine hohe Vermehrungsrate ohne Vorteil wäre, und gilt als evolutionär<br />

progressiver als die r-Strategie. In der Natur findet man meist alle denkbaren<br />

Übergänge zwischen beiden Extremen. Man kann daher sagen, dass sich eine<br />

Art vornehmlich der einen Strategie bedient, obwohl Anteile der anderen nicht<br />

zu übersehen sind. Manchmal bedingen äussere Umstände, z.B.<br />

unvorhergesehene Änderungen der Lebensbedingungen, einen Wechsel von<br />

einer Strategie zur anderen. dN / dt = rN(K - N) / K, N: Population, K: Kapazität.<br />

Chemie, 6sm<br />

125


Stratosphäre Schicht der Atmosphäre von ca. 10 - 40 km die die Ozonschicht enthält.<br />

Stroma Flüssigkeit in Chloroplasten<br />

Substrat Ausgangsstoff, Edukt einer Enzymreaktion<br />

Substratspezifität Enzyme erkennen ihr Substrat<br />

Sulfonamide<br />

Antibiotika einer bestimmten chemischen Klasse (>N-C6H4-SO2-), (Stoffe die<br />

Bakterien abtöten)<br />

Symbiose<br />

enges Zusammenleben zweier Organismen zum gegenseitigen Nutzen z. B.<br />

Alge und Pilz in Flechten oder Mensch und E. Coli<br />

Symport<br />

Transportprotein, das 2 Teilchen in eine Richtung durch die Membran<br />

transportiert<br />

Der Ort an dem die Informationsübertragung zwischen zwei Nervenzellen<br />

(Neuronen) stattfindet. Die elektrische Botschaft der Neuronen wird mittels der<br />

Neurotransmitter in eine chemische umgewandelt, damit sie den synaptischen<br />

Spalt passieren kann. Das Neuron, an dem ein Aktionspotential entsteht wird<br />

prä-synaptische Nervenzelle genannt, während das Neuron, dass die<br />

Synapse<br />

chemische Botschaft erhält und wieder in eine elektrische umwandelt postsynaptische<br />

Nervenzelle heisst. Eine Gehirnzelle kann zwischen 1000 und<br />

10’000 Synapsen ausbilden. Bei geschätzten 100 Milliarden Gehirnzellen<br />

wären das maximal 500 Billionen Synapsen, wenn jede Gehirnzelle 10’000<br />

Synapsen ausbilden würde (keine Mehrfachzählungen). Man nimmt an, dass<br />

ein durchschnittliches Gehirn ca. 100 Billionen Synapsen besitzt. Das erklärt<br />

die einzigartigen Fähigkeiten des menschlichen Gehirns<br />

Synergie<br />

Das einander positiv beeinflussende Zusammenwirken verschiedener<br />

Prozesse.<br />

fasst Funktionselemente (Funktionseinheiten, Funktionsglieder) sowie deren<br />

Wechselwirkungen untereinander als Ganzes zusammen. Die funktionellen<br />

Beziehungen der Systemelemente bedingen die besonderen Eigenschaften<br />

System<br />

und Leistungen eines Systems: die Systemeigenschaften. Wichtig ist die<br />

Unterscheidung von Systemelementen auf gleicher Hierarchieebene von<br />

solchen auf unter- bzw. übergeordneten Ebenen. Systeme auf untergeordneter<br />

Ebene sind Teilsysteme eines höherrangigen Systems.<br />

Durchschnittliche relative Änderung der Reaktionsgeschwindigkeit in Funktion<br />

Temperaturkoeffizient, Q10 der Änderung der Reaktionstemperatur um 10°C (oder 10 K) bei sonst<br />

konstanten Bedingungen.<br />

Tertiärstruktur = Globulärstruktur, Wollknäuelstruktur der Proteine<br />

Tetraeder 4-flächiger geometrischer Körper<br />

Tetrapeptid Peptid aus 4 Aminosäuren<br />

hitzeliebend; Lebensweise einiger Bakterien (Archäa) bei Temperaturen um<br />

thermophil<br />

den Siedepunkt von H2O; interessant ist hier die Stabilität der aufbauenden<br />

Verbindungen<br />

thermophile Bakterien<br />

wärmeliebende Bakterien, vor allem Archäbakterien, die bei Temperaturen<br />

oberhalb 40 und bis 100° C existieren.<br />

Thylakoide Membranausstülpungen der inneren Chloroplastenmembran<br />

Thymindimere<br />

Verbindung zweier nebeneinander liegender Thyminbasen in der DNA durch<br />

UV-Licht (Mutation)<br />

TOMS<br />

= Total Ozone Mapping Spectrometer, Gerät das in verschiedene Satelliten<br />

eingebaut ist und die Ozonkonzentration misst.<br />

Tonoplast<br />

abgrenzende Membran zwischen Cytoplasma und Vakuole in einer<br />

Pflanzenzelle<br />

Transferrin Fe-Transportprotein im Blut<br />

Transpiration<br />

Aufwärtstransport von Flüssigkeit in den Leitgeweben der Pflanzen (Spross),<br />

der durch die den Wassergradienten Boden- Luft entsteht<br />

Tripeptid Peptid aus 3 Aminosäuren<br />

Trypsin Verdauungsenzym im Dünndarm, Protease<br />

Tubulin Protein aus dem die Mikrotubuli bestehen<br />

Tunnelprotein Membranprotein das Stoffe hindurchlässt<br />

Turgeszenz Füllungszustand einer Zelle (Vakuole)<br />

Uniport Carrierprotein, dass nur in eine Richtung transportiert<br />

Urease Harnstoffspaltendes( synthetisierendes) Enzym bildet Ammoniak (NH3) und<br />

Chemie, 6sm<br />

126


Kohlendioxid (CO2)<br />

UV-A Wellenlängenbereich der UV-Strahlung von 400-320 nm, ungefährlich<br />

Wellenlängenbereich der UV-Strahlung von 320-240 nm, gefährlich, ruft in<br />

UV-B<br />

grösseren Dosen Sonnenbrand und Hautkrebs hervor, wird von Ozon<br />

absorbiert<br />

Wellenlängenbereich der UV-Strahlung von 240-100 nm, gefährlich, wird von<br />

UV-C<br />

der Atmosphäre vollständig absorbiert<br />

Das vegetative Nervensystem, auch autonomes Nervensystem genannt,<br />

steuert die Aufrechterhaltung des körperlichen Milieus und wird in zwei meist<br />

Vegetatives Nervensystem antagonistisch arbeitende funktionelle Einheiten aufgeteilt, den Sympathikus<br />

und den Parasympathikus, wobei eine genaue Abgrenzung nicht immer<br />

möglich ist.<br />

Partikel, kleiner als Zellen, aus Protein und Nukleinsäure bestehend, die Zellen<br />

Viren<br />

infizieren und töten<br />

italienischer Mathematiker, stellte zusammen mit Lotka ein mathematisches<br />

Volterra<br />

Modell der Populationsdynamik auf, das Gleichgewichte, periodische Prozesse<br />

oder chaotische Abläufe beschreiben kann (rückgekoppelte Prozesse)<br />

Verlauf des Wachstums von Bakterien in einer Petrischale mit anfänglich<br />

Wachstumskurve von Bakterien<br />

optimaler Nährstoffversorgung (logistisches Wachstum)<br />

Organismen, die ihre Körpertemperatur nicht Konstanthalten können und von<br />

wechselwarme Lebewesen<br />

der Umgebung abhängig sind; alle Wirbellose, Fische Amphibien und Reptilien<br />

Wirbellose Alle Tiere ohne Skelett, z. B. Würmer, Weichtiere, Insekten Spinnen, usw.<br />

Enzyme haben auf ihr Substat eine bestimmte chemische Wirkung, ebenso die<br />

Wirkungsspezifität<br />

Wirkstoffe an den Rezeptoren, es läuft nur eine vorbestimmte Reaktion ab<br />

Wollknäuelstruktur Tertiärstruktur = Globulärstruktur; random coil<br />

Bakterien, die in Symbiose mit Leguminosen leben und den Luftstickstoff als<br />

Wurzelknöllchenbakterien<br />

Nahrungsquelle nutzen können<br />

Xanthophylle gelbe Blattfarbstoffe in Chloroplasten<br />

Leitgewebe in Pflanzen (Spross), das Wasser und Salze nach oben<br />

Xylem<br />

transportiert<br />

Faktor für die Beschreibung der Zeit in Übertragungssystemen. Ein<br />

Eingangssignal führt zeitlich verzögert zu einem Ausgangssignal.<br />

Zeitverhalten<br />

Übertragungssysteme können daher - sofern sie selbst komplex strukturiert<br />

sind - über ein „Gedächtnis“ verfügen, in dem Eingangssignale additiv oder<br />

multiplikativ verrechnet werden.<br />

Stoffwechselweg in allen aeroben Organismen, bei dem zum ATP-Gewinn<br />

Zellatmung<br />

Glucose mit Hilfe von O2 abgebaut wird.<br />

Zellkern grösstes Zellorganell eukaryontischer Zellen; enthält Erbinformation<br />

Äussere Abgrenzung des Protoplasmas; besteht aus Lipoid (60%) und Protein<br />

Zellmembran<br />

(40%). Man beschreibt die Zellmembranen sehr gerne mit dem Fluid-Mosaic-<br />

Model.<br />

Zielzellen Zellen, die für ein Hormon den passenden Rezeptor enthalten.<br />

Chemie, 6sm<br />

127


4. Stichwortverzeichnis<br />

-Faltblatt 80<br />

-Helix 80<br />

absoluter Nullpunkt 4<br />

Agonist 49<br />

Aktin 89<br />

aktives Zentrum 97<br />

Aktivierungskaskade 47<br />

Aktomyosin 89<br />

Alkoholgärung 6<br />

allosterische Bindungsstelle 109<br />

Amidgruppe 65<br />

Aminocarbonsäure 38<br />

Aminoethansulfonsäure 44<br />

Amylase 100<br />

Anabolismus 104<br />

Antagonist 49<br />

Antibiotika 70<br />

Antikörper 90<br />

antitoxische Wirkung 75<br />

Atmung 8<br />

ATP 5<br />

autokatalytischer Prozess 105<br />

Biokatalysatoren 94<br />

biologische HWZ 53<br />

biologische Uhr 63<br />

Biosensor 37<br />

Biuret 68<br />

Bräunen der Haut 57<br />

Capsaicin 37<br />

Casein 98<br />

Catalase 101<br />

Chiralität 40<br />

Coenzym 93<br />

Cofaktor 93<br />

Collagen 88<br />

Cytochromoxidase 95<br />

Dauerwellen 89<br />

Denaturierung 83, 100<br />

Diffusion 51<br />

Diode 50<br />

Dissoziationskonstante 107<br />

Disulfidbrücke 83<br />

DNA 34<br />

DOM 50<br />

Dreifach-Helix 88<br />

Droge 50<br />

dynamisches Gleichgewicht 20<br />

Einfluss des pH-Wertes 99<br />

Eiweiss 66, 78<br />

Eiweissverdauung 104<br />

Endopepitdasen 105<br />

Endprodukthemmung 15<br />

Energie 3<br />

Energiewährung 5<br />

Entropie 3, 5<br />

Enzym 92<br />

Enzymaktivität 97, 98<br />

Enzyme 87<br />

Chemie, 6sm<br />

Enzym-Kinetik 94<br />

Enzymklassen 103<br />

Enzym-Substrat-Komplex 108<br />

Enzymwirkung 106<br />

Faltung 68<br />

Faserproteine 88<br />

Favismus 104<br />

Ferment 92<br />

Fette 34<br />

Fettsäuren 35<br />

Fibrinogen 88, 89<br />

Freie Reaktionsenthalpie 3<br />

G6PD 104<br />

Gelatine 88<br />

Gibbsche Energie 3<br />

Gleichgewicht 20<br />

globuläre Proteine 90<br />

Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase 104<br />

Gramicidin S 72<br />

grüner Knollenblätterpilz 74<br />

Hämoglobin 8, 80<br />

Hefe 92, 110<br />

Hemmung 108<br />

Homöostase 20<br />

Hormon 76<br />

Hormonwirkung 47<br />

hub 25<br />

Hydrolasen 103<br />

hydrophil 83<br />

hydrophob 82<br />

Hyperkeratose 89<br />

IEP 99<br />

Induced Fit“-Modell 97<br />

Inhibitor 15, 95, 110<br />

Insulin 85<br />

Internet 29<br />

Iodmangel 55<br />

Irreversibilität 3<br />

Isoelektrischer Punkt 99<br />

Kanalisierung 7<br />

Katabolismus 104<br />

Katalysator 94<br />

Keratin 88<br />

Knoten 25<br />

Kohlehydrate 34<br />

Kohlenhydrate 21<br />

Kohlgewächse 55<br />

Kompartimentierung 7<br />

kompetitive Hemmung 109<br />

kooperativer Effekt 84<br />

Kretinismus 55<br />

Kropf 52<br />

Kropferzeugende Stoffe 55<br />

L- Adrenalin 47<br />

L-Dopa 46<br />

Lineweaver-Burk-Plot 108<br />

logaritmische Empfindung 36<br />

LSD 64<br />

128


Makrosystem 9<br />

maximale Geschwindigkeit 107<br />

Melanin-Bildung 57<br />

Melatonin 63<br />

Merrifield-Synthese 67<br />

Mescalin 50<br />

Michaelis-Konstante 107<br />

Michaelis-Menten Gleichung 107<br />

Mikrosystem 9<br />

Mikrozustände 5<br />

molekulare Dynamik 97<br />

Monomer 78<br />

Myosin 89<br />

negative Rückkopplung 53<br />

Nervenreizleitung 48<br />

Netzwerk 25<br />

Neurotransmission 47<br />

Neurotransmitter 44<br />

nichtkompetitive Hemmung 109<br />

Nicotin 47<br />

Nukleinsäuren 34<br />

Oxytocin 76<br />

Parkinsonsche Krankheit 45<br />

Penicillin 70<br />

Pepsin 104<br />

Pepsinogen 105<br />

Peptid 66<br />

Peptidasen 103<br />

Peptidbindung 65, 66<br />

Peptide 34<br />

Phenol-Oxidasen 57<br />

Photosynthese 4<br />

Pigmentstoffwechsel 63<br />

Polypeptide 68<br />

Prä-Proinsulin 85<br />

Primärstruktur 68, 78, 80<br />

Proinsulin 85<br />

Protein 66, 78<br />

Proteine 34, 38<br />

Protein-Hormone 90<br />

Puffer 38<br />

Puffergleichung 39<br />

Quartärstruktur 78, 83<br />

Random-Netzwerk 25<br />

Reaktionen von Lebensprozessen 3<br />

Reaktionsabfolge 7<br />

Reaktionsenthalpie 3<br />

Reaktionsentropie 3<br />

Regelkreis 10, 12<br />

Regelung 10<br />

Regelungstechnik 11<br />

Regler 11, 49<br />

Regulierbarkeit 19<br />

Reizübertragung 51<br />

Reversibilität der Enzymwirkung 101<br />

Rezeptoren 36<br />

Chemie, 6sm<br />

Ribosomen 68<br />

Rizinuslipase 101<br />

Rückkopplungen 13<br />

Scale-free-Netzwerk 25<br />

Schilddrüse 19, 52<br />

Schilddrüsenhormone 52<br />

Schlüssel-Schloss"-Modell 97<br />

Schokolade 61<br />

Seitenkette 38<br />

Seitenketten 41<br />

Sekundärstruktur 68, 78, 80<br />

Selbstorganisation 5<br />

selbstorganisierende Systeme 4<br />

Sepiamelanin 59<br />

Sequenz 80<br />

Serotonin 61<br />

Simulation 13, 16, 23<br />

Spinnfaden 90<br />

Stabilität 30<br />

Stellsystem 11<br />

Stoffwechselkette 14<br />

Störgrösse 11<br />

STP 50<br />

Strukturproteine 87<br />

Substrat 97<br />

Süssstoff 69<br />

Synapse 48<br />

Synapsenbläschen 49<br />

T3 52<br />

T4 52<br />

Taurin 44<br />

Teilreaktionen 7<br />

Teilschritte 7<br />

Tertiärstruktur 78, 82, 83<br />

Thermodynamik 3<br />

Thyroid Stimulating Hormone 19<br />

Thyroid-Hormone 52<br />

Thyroxin 19<br />

Torsionswinkel 66<br />

Trypsin 98, 105<br />

Trypsinogen 105<br />

Tryptophan 61<br />

Turn 86<br />

Tyrosin 20, 42, 45<br />

Urease 93, 96, 102<br />

Vasopressin 76<br />

Verdauungsenzyme 103<br />

Vernetzung 10<br />

Vernetzung der Prozesse 10<br />

Waschmittel 105<br />

Wasserstoffperoxydspaltung 101<br />

Weber-Fechnersches Gesetz 36<br />

Wirkungsmaximum 99<br />

Zwitterionen 38<br />

Zymase 93<br />

129

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