TITELGESCHICHTE Bewegte Kindheit Ein gesun<strong>der</strong> Geist in einem gesunden Körper 8 ÖSTERREICH SPORT
28 Prozent <strong>der</strong> Jungen und 25 Prozent <strong>der</strong> Mädchen im Alter zwischen sechs und 18 Jahren sind übergewichtig o<strong>der</strong> adipös. 40 Prozent <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> mit fettleibigen Symptomen im 7. Lebensjahr weisen diese auch als Erwachsene auf. Sieben von zehn Jugendlichen bleiben stark übergewichtig. Zu viel Fett und Trägheit machen die jungen Körper alt, anfällig für Erwachsenengebrechen. Übergewicht för<strong>der</strong>t Herz-Kreislauferkrankungen, Darmkrebs, Gallensteine, eine Fettleber und Schäden in den Gelenken. „Mein jüngster Patient mit Diabetes mellitus, Typ II, ist neun Jahre alt“, berichtet Kin<strong>der</strong>ärztin Susanne Holzmann und fügt besorgt hinzu: „Die Krankheit nennt sich eigentlich Altersdiabetes.“ In <strong>Österreich</strong> sind 9,3 Prozent <strong>der</strong> Sterbefälle auf mangelnde Bewegung zurückzuführen. 34,8 Prozent <strong>der</strong> heimischen Bevölkerung über 15 Jahre kommt nicht auf die empfohlene körperliche Aktivität, die ÄrztInnen in <strong>der</strong> Woche raten. Nur 20,4 Prozent <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler erfüllen die Bewegungsempfehlungen von 60 Minuten täglich. Die WHO warnt: Bald sterben ebenso viele Menschen an den Folgen von Überernährung und Bewegungsmangel wie an Hunger. „Nicht nur <strong>der</strong> Körper leidet. <strong>Das</strong> Fett drückt auch auf die Seele. Die Kin<strong>der</strong> suchen Lin<strong>der</strong>ung und Wohlbefi nden und greifen zur nächsten Tafel Schokolade. Sie mampfen sich durch eine Gesellschaft, <strong>der</strong>en schizophrene Botschaft lautet: Konsumieren ist großartig, Gewicht ein Makel“, bringt es Holzmann auf den Punkt. Bizarre Situation Noch nie gab es so viele <strong>Sport</strong>- und Fitnessangebote, Vereine o<strong>der</strong> gesundheitsför<strong>der</strong>nde Institutionen wie heute. Noch nie zogen so viele Läufe- TITELGESCHICHTE PolitikerInnen, InteressenvertreterInnen im <strong>Sport</strong>, MedizinerInnen und LehrerInnen warnen: <strong>Österreich</strong>s Nachwuchs wird immer dicker und träger. Sie for<strong>der</strong>n deshalb mehr <strong>Sport</strong>unterricht. In den Schulen sollen die Jungen und Mädchen die Freude an <strong>der</strong> täglichen Bewegung wie<strong>der</strong>fi nden und lernen, wie man sich gesund ernährt. rinnen und Läufer ihre Runden, walkten so viele Menschen über Wan<strong>der</strong>wege, die früher allenfalls von Hundebesitzern aufgesucht wurden. Doch unter den Tüchtigen fi nden sich kaum Kin<strong>der</strong>. Die „Alten“ haben die Jungen abgehängt. Peter Kleinmann (Präsident <strong>Österreich</strong>ischer Volleyballverband) spricht von einer drastischen Situation: „Für unsere Kin<strong>der</strong> ist es fünf nach zwölf. Sie essen zu viel und bewegen sich zu wenig. Für unsere Jugend ist es zehn nach zwölf. Sie trinken zu viel Alkohol, rauchen und essen zu viel und bewegen sich kaum. Wir brauchen ein neues Motto: Lernen und <strong>Sport</strong>. <strong>Das</strong> <strong>der</strong>zeitige Motto: Lernen o<strong>der</strong> <strong>Sport</strong> macht unsere Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen krank.“ Was also tun? Unsere Kin<strong>der</strong> kommen nicht träge auf die Welt, im Gegenteil: ein durchschnittlich trainierter Zehnkämpfer schafft es nur vier Stunden lang, das dauernde Gerenne und Gehopse eines normal entwickelten Vierjährigen nachzumachen. Versagen die Eltern, wie ein österreichischer Kin<strong>der</strong>neurologe meint, <strong>der</strong> die „insuffi cientia educatoria communis“, das allgemeine erzieherische Unvermögen von Familien zur neuen Volkskrankheit erklärt? Und falls ja: Wie können Schulen und Kin<strong>der</strong>gärten gegensteuern? Dick, unsportlich und krankheitsanfällig Unsere Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen zeigen uns auf erschreckende Art und Weise die Schattenseiten unserer Wohlstandsgesellschaft. Je<strong>der</strong> zehnte Fünfjährige ist übergewichtig und Untersuchungen bestätigen, dass bei vielen elf- bis 15-Jährigen die sportliche Leistungsfähigkeit stagniert. Susanne Ring-Dimitriou, Professorin an <strong>der</strong> Universität für <strong>Sport</strong>wissenschaf- ÖSTERREICH SPORT 9