Österreich Sport – Das Magazin der Bundes-Sportorganisation - BSO

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10.10.2013 Aufrufe

KOOPERATIONEN BSO-Kooperationspartner „möwe“ e In Österreich nutzen ¾ der Neun-bis Achtzehnjährigen das Internet nahezu täglich; aus diesem Grund greifen Organisationen zunehmend die Möglichkeit der Onlineberatung auf. Das Kernthema der möwe Misshandlung und sexueller Missbrauch von Minderjährigen ist für die Betroffenen selbst meist mit Scham und Angst verbunden; ein Gespräch über das Thema fällt daher schwer. „Gerade hier bietet die Onlineberatung aufgrund ihrer Niederschwelligkeit eine gute Alternative“ erläutert Psychologin Mag. Mara Kuchler, die das Pilotprojekt betreute. Onlineberatung kann einen ersten Schritt zur Erleichterung der Inanspruchnahme eines professionellen Beratungsangebotes darstellen. So kann Vertrauen in die Wirksamkeit eines solchen Angebotes aufgebaut werden, wodurch auch die Hemmschwelle für eine eventuell hilfreiche Face-to-Face Beratung sinkt. Nähere Infos zum neuen Angebot finden Sie im Internet: www.die-moewe.at oder die-moewe.beranet.info Kinder- & Jugendschutz im Sport Was können TrainerInnen, ÜbungsleiterInnen, Vereinsmitglieder tun, um Kindern und Jugendlichen bestmögliche Rahmenbedingungen im Training zu ermöglichen? Die BSO traf Michael Gaudriot, Psychotherapeut und Präventionsspezialist der möwe, zum Gespräch: F: Was ist das Ziel der Zusammenarbeit zwischen der möwe und der BSO? A: Als Kinderschutzzentrum sehen wir es als unsere Aufgabe, Kinder und Jugendliche vor Gewalt zu schützen. Kurz gesagt geht es um Vorbeugen und Beenden von Gewalt und Vernachlässigung. Dabei sind wir auf die Kooperationsbereitschaft und das verantwortliche Handeln von Erwachsenen angewiesen: Eltern, LehrerInnen, oder eben TrainerInnen. Und genau das ist das vorrangige Ziel unserer Kooperation. Dass die, die mit Kindern beruflich oder in der Freizeitbetreuung zu tun haben über das schwierige Thema ‚Gewalt an Kinder‘, und wie sie vermeidbar ist, Bescheid wissen. F: Und wie kann diese Hilfe aussehen? Was kann ich als TrainerIn, ÜbungsleiterIn, InstuktorIn tun bzw. was gilt es generell zu beachten, um im Verein / beim Training ein respektvolles, gewaltfreies Miteinander zu fördern? A: Zunächst ist da mal die Bereitschaft hinzuschauen und zu wissen, dass es leider verschiedene Formen von Gewalt an Kindern gibt. So ist beispielsweise jedes dritte bis vierte Mädchen und jeder siebente und achte Bub von sexueller Gewalt betroffen. Das heißt konkret, dass sehr viele Kindern und Jugendliche die Erfahrung machen müssen, dass ein Erwachsener oder ein anderer überlegener Jugendliche sie 24 ÖSTERREICH SPORT als sexuelles Objekt behandelt. Das kann von begrapscht werden über die Nötigung zu sexualisierten Handlungen bis zur Vergewaltigung gehen. Wenn TrainerInnen darüber Bescheid wissen und in Schulungen die Anzeichen für Missbrauch und die Handlungsmöglichkeiten kennen gelernt haben, finden Kinder in ihnen Vertrauenspersonen, die helfen können oder wissen, wo Hilfe zu finden ist. Da Kinder Erwachsenen gegenüber immer unterlegen sind, können wir von Kindern auch nicht verlangen, dass sie sich ganz alleine gegen Erwachsene durchsetzen. Wir sagen den Kindern immer wieder: „Hör auf dein Gefühl und suche dir Hilfe. Sprich mit einem Erwachsenen, dem du vertraust. Und solche Erwachsene können eben auch TrainerInnen sein“. F: Wie erkenne ich, dass ein mir im Training anvertrautes Kind Opfer von Gewalt in einem Lebensbereich außerhalb des Sports (z.B. Kindergarten/Schule/Hort, zu Hause, im Rahmen anderer Hobbies etc.) wird? Und wie verhalte ich mich fachlich richtig? Leider stehen Kinder, denen Gewalt angetan wird, insbesondere wenn es um sexuelle Gewalt geht nahezu immer unter massivem Geheimnisdruck. Deshalb erzählen Kinder sehr selten von solchen Erlebnissen. Trotzdem kann einem etwas auffallen: Dass sich ein Kind immer mehr zurückzieht, Essstörungen entwickelt, sich selbst verletzt oder aber auch, dass es besonders exzessiv trainiert oder in einer seinem Alter nicht entsprechenden Weise über Sexualität spricht oder Bescheid weiß. All das kann natürlich auch ganz andere Ursachen haben. Bei körperlicher Gewalt können TrainerInnen natürlich Verletzungen auffallen. Es gibt viele Hinweise auf sexuellen Missbrauch und leider sind sie fast nie eindeutig. Da ist es auch wichtig auf seinen Bauch zu hören, wenn einem etwas seltsam vorkommt. F: Und wie kann dann bei Verdacht auf Missbrauch gehandelt werden? A: Bei einem vagen Verdacht, wenn also das Kind nichts erzählt hat und die Hinweise nicht eindeutig sind das ist der häufigste Fall gilt zunächst folgendes: Nicht überstürzt handeln. Das schadet meist. Wenn möglich mit jemandem anderen darüber reden (beispielsweise anderen TrainerInnen, die das Kind auch kennen.) Sich selbst Hilfe holen am besten bei einem Kinderschutzzentrum, beispielsweise bei der möwe helpline. Natürlich kann es auch sinnvoll sein, mit dem Kind zu sprechen, wenn man einen guten Kontakt zu ihm hat und solange es keine Vernehmung wird. Da gibt es ganz viel dazu zu sagen und das ist auch wichtiger Bestandteil unserer TrainerInnenschulungen, aber nicht überstürzt handeln und sich selbst Hilfe suchen ist das Wichtigste.

weitert Beratungsangebot Wenn ein Kind von Missbrauch erzählt, soll dem Kind unbedingt geglaubt werden. Es war sehr mutig von dem Kind sich Hilfe zu holen! Und dann sollen sich TrainerInnen wieder selbst Hilfe suchen. Am besten bei einem Kinderschutzzentrum. Kein Verschweigen und keine Alleingänge! Ein sehr heikles Thema ist, was zu tun ist, wenn ein Missbrauchsverdacht gegen TrainerInnen-KollegInnen besteht. Oder wenn es zu sexuellen Übergriffen unter Kindern und Jugendlichen kommt. Auch hier gilt: kein Stillschweigen, keine Alleingänge sondern eine fachlich kompetente Aufarbeitung in Zusammenarbeit mit einem Kinderschutzzentrum. F: Was kann ich als TrainerIn, ÜbungsleiterIn, InstuktorIn proaktiv unternehmen, um Verdachtsmomenten, missverständlichen Situationen in puncto sexuelle Belästigung und Gewalt vorzubeugen? A: Ganz wichtig ist größtmögliche Transparenz bei allem was ich Kindern im Training sage und mit ihnen tue. Das beginnt beim verbalen Feedback und bei den Anleitungen im Rahmen des Trainings, wo es wichtig ist respektvolle und wertschätzende Begriffe zu verwenden. Schon die sprachliche Kultur in der Gruppe sagt eine Menge darüber aus, wie miteinander umgegangen wird. Sexistische Witze zum Beispiel können die Vorstufe zu sexuellen Übergriffen sein. Wichtig ist es auch alle Hilfestellungen so zu machen, dass sie unmissverständlich sind das heißt keine sexuelle Färbung haben. Das beginnt damit, wohin ich greife und dass die Hilfestellung auch für alle nachvollziehbar und erklärbar ist. F: Was kann ich als TrainerIn, ÜbungsleiterIn, InstuktorIn tun, wenn ich verdächtigt werde? An wen kann ich mich wenden etc.? KOOPERATIONEN A: Wie bereits gesagt, ist es auch im Falle einer Verdächtigung wichtig, sich professionell beraten zu lassen und keinesfalls zu verschweigen und zu vertuschen. Wenn bei einer Hilfestellung oder Anleitung beispielswiese eine unangenehme Situation entstanden ist wäre es wichtig, dass ich als TrainerIn meinen KollegInnen davon erzähle. Durch einen transparenten Umgang mit dem Thema Grenzen kann einerseits viel schwerer das Gerücht entstehen, ein Trainer / eine Trainerin käme Kindern zu nahe, andererseits ist es für TäterInnen viel schwerer, genau das zu tun! Das sogenannte „schlechte Geheimnis“ ist das Kernübel beim Thema sexueller Missbrauch und umso wichtiger ist es offen zu kommunizieren, am besten unter Beiziehung von KinderschutzexpertInnen. Optimal ist es sicherlich, wenn bereits ein Verhaltenskodex bzw. Kinderschutzrichtlinien vorhanden sind. F: Was sind hilfreiche Schritte, um als Verein ‚gewaltfrei‘ zu sein? A: Wir hoffen, dass möglichst viele Verbände und Vereine sich für die Einführung von Kinderschutzrichtlinien entscheiden. Hilfreich ist eine Kinderschutzcharta, der man beitreten kann und die klare Vorgaben zu all diesen Fragen beinhaltet. Konkret geht es zunächst um TrainerInnenschulungen, Workshops mit den Kindern, Verfahrensrichtlinien, ja nach Struktur des Vereins. F: Gibt es so etwas wie eine Vision für den Kinderschutz? A: Sexuelle Gewalt findet ja meist im näheren Umfeld des Kindes, oft sogar innerhalb der Familie statt. Da gibt es für das Kind viel Angst und wenig Chancen auf Hilfe. Wenn der Sportplatz ein Ort der Hilfe werden könnte, wäre das schon sehr schön! ÖSTERREICH SPORT 25

KOOPERATIONEN<br />

<strong>BSO</strong>-Kooperationspartner „möwe“ e<br />

In <strong>Österreich</strong> nutzen ¾ <strong>der</strong> Neun-bis Achtzehnjährigen das<br />

Internet nahezu täglich; aus diesem Grund greifen Organisationen<br />

zunehmend die Möglichkeit <strong>der</strong> Onlineberatung<br />

auf. <strong>Das</strong> Kernthema <strong>der</strong> möwe <strong>–</strong> Misshandlung und sexueller<br />

Missbrauch von Min<strong>der</strong>jährigen <strong>–</strong> ist für die Betroffenen<br />

selbst meist mit Scham und Angst verbunden; ein<br />

Gespräch über das Thema fällt daher schwer. „Gerade hier<br />

bietet die Onlineberatung aufgrund ihrer Nie<strong>der</strong>schwelligkeit<br />

eine gute Alternative“ erläutert Psychologin Mag. Mara<br />

Kuchler, die das Pilotprojekt betreute. Onlineberatung kann<br />

einen ersten Schritt zur Erleichterung <strong>der</strong> Inanspruchnahme<br />

eines professionellen Beratungsangebotes darstellen. So<br />

kann Vertrauen in die Wirksamkeit eines solchen Angebotes<br />

aufgebaut werden, wodurch auch die Hemmschwelle<br />

für eine eventuell hilfreiche Face-to-Face Beratung sinkt.<br />

Nähere Infos zum neuen Angebot finden Sie im Internet:<br />

www.die-moewe.at o<strong>der</strong> die-moewe.beranet.info<br />

Kin<strong>der</strong>- & Jugendschutz im <strong>Sport</strong><br />

Was können TrainerInnen, ÜbungsleiterInnen, Vereinsmitglie<strong>der</strong><br />

tun, um Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen bestmögliche<br />

Rahmenbedingungen im Training zu ermöglichen? Die <strong>BSO</strong><br />

traf Michael Gaudriot, Psychotherapeut und Präventionsspezialist<br />

<strong>der</strong> möwe, zum Gespräch:<br />

F: Was ist das Ziel <strong>der</strong> Zusammenarbeit zwischen <strong>der</strong><br />

möwe und <strong>der</strong> <strong>BSO</strong>?<br />

A: Als Kin<strong>der</strong>schutzzentrum sehen wir es als unsere Aufgabe,<br />

Kin<strong>der</strong> und Jugendliche vor Gewalt zu schützen. Kurz<br />

gesagt geht es um Vorbeugen und Beenden von Gewalt<br />

und Vernachlässigung. Dabei sind wir auf die Kooperationsbereitschaft<br />

und das verantwortliche Handeln von Erwachsenen<br />

angewiesen: Eltern, LehrerInnen, o<strong>der</strong> eben<br />

TrainerInnen. Und genau das ist das vorrangige Ziel unserer<br />

Kooperation. <strong>Das</strong>s die, die mit Kin<strong>der</strong>n beruflich o<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

Freizeitbetreuung zu tun haben über das schwierige Thema<br />

‚Gewalt an Kin<strong>der</strong>‘, und wie sie vermeidbar ist, Bescheid<br />

wissen.<br />

F: Und wie kann diese Hilfe aussehen? Was kann ich als<br />

TrainerIn, ÜbungsleiterIn, InstuktorIn tun bzw. was gilt es<br />

generell zu beachten, um im Verein / beim Training ein respektvolles,<br />

gewaltfreies Miteinan<strong>der</strong> zu för<strong>der</strong>n?<br />

A: Zunächst ist da mal die Bereitschaft hinzuschauen und<br />

zu wissen, dass es lei<strong>der</strong> verschiedene Formen von Gewalt<br />

an Kin<strong>der</strong>n gibt. So ist beispielsweise jedes dritte bis vierte<br />

Mädchen und je<strong>der</strong> siebente und achte Bub von sexueller<br />

Gewalt betroffen. <strong>Das</strong> heißt konkret, dass sehr viele Kin<strong>der</strong>n<br />

und Jugendliche die Erfahrung machen müssen, dass ein<br />

Erwachsener o<strong>der</strong> ein an<strong>der</strong>er überlegener Jugendliche sie<br />

24 ÖSTERREICH SPORT<br />

als sexuelles Objekt behandelt. <strong>Das</strong> kann von begrapscht<br />

werden über die Nötigung zu sexualisierten Handlungen bis<br />

zur Vergewaltigung gehen. Wenn TrainerInnen darüber Bescheid<br />

wissen und in Schulungen die Anzeichen für Missbrauch<br />

und die Handlungsmöglichkeiten kennen gelernt<br />

haben, finden Kin<strong>der</strong> in ihnen Vertrauenspersonen, die helfen<br />

können o<strong>der</strong> wissen, wo Hilfe zu finden ist. Da Kin<strong>der</strong><br />

Erwachsenen gegenüber immer unterlegen sind, können<br />

wir von Kin<strong>der</strong>n auch nicht verlangen, dass sie sich ganz<br />

alleine gegen Erwachsene durchsetzen. Wir sagen den Kin<strong>der</strong>n<br />

immer wie<strong>der</strong>: „Hör auf dein Gefühl und suche dir Hilfe.<br />

Sprich mit einem Erwachsenen, dem du vertraust. Und<br />

solche Erwachsene können eben auch TrainerInnen sein“.<br />

F: Wie erkenne ich, dass ein mir im Training anvertrautes<br />

Kind Opfer von Gewalt in einem Lebensbereich außerhalb<br />

des <strong>Sport</strong>s (z.B. Kin<strong>der</strong>garten/Schule/Hort, zu Hause, im<br />

Rahmen an<strong>der</strong>er Hobbies etc.) wird? Und wie verhalte ich<br />

mich fachlich richtig?<br />

Lei<strong>der</strong> stehen Kin<strong>der</strong>, denen Gewalt angetan wird, insbeson<strong>der</strong>e<br />

wenn es um sexuelle Gewalt geht nahezu immer<br />

unter massivem Geheimnisdruck. Deshalb erzählen Kin<strong>der</strong><br />

sehr selten von solchen Erlebnissen. Trotzdem kann einem<br />

etwas auffallen: <strong>Das</strong>s sich ein Kind immer mehr zurückzieht,<br />

Essstörungen entwickelt, sich selbst verletzt o<strong>der</strong><br />

aber auch, dass es beson<strong>der</strong>s exzessiv trainiert o<strong>der</strong> in<br />

einer seinem Alter nicht entsprechenden Weise über Sexualität<br />

spricht o<strong>der</strong> Bescheid weiß. All das kann natürlich<br />

auch ganz an<strong>der</strong>e Ursachen haben. Bei körperlicher Gewalt<br />

können TrainerInnen natürlich Verletzungen auffallen. Es gibt<br />

viele Hinweise auf sexuellen Missbrauch und lei<strong>der</strong> sind sie<br />

fast nie eindeutig. Da ist es auch wichtig auf seinen Bauch<br />

zu hören, wenn einem etwas seltsam vorkommt.<br />

F: Und wie kann dann bei Verdacht auf Missbrauch gehandelt<br />

werden?<br />

A: Bei einem vagen Verdacht, wenn also das Kind nichts<br />

erzählt hat und die Hinweise nicht eindeutig sind <strong>–</strong> das ist<br />

<strong>der</strong> häufigste Fall <strong>–</strong> gilt zunächst folgendes: Nicht überstürzt<br />

handeln. <strong>Das</strong> schadet meist. Wenn möglich mit jemandem<br />

an<strong>der</strong>en darüber reden (beispielsweise an<strong>der</strong>en TrainerInnen,<br />

die das Kind auch kennen.) Sich selbst Hilfe holen <strong>–</strong> am<br />

besten bei einem Kin<strong>der</strong>schutzzentrum, beispielsweise bei<br />

<strong>der</strong> möwe helpline. Natürlich kann es auch sinnvoll sein, mit<br />

dem Kind zu sprechen, wenn man einen guten Kontakt zu<br />

ihm hat und solange es keine Vernehmung wird. Da gibt es<br />

ganz viel dazu zu sagen und das ist auch wichtiger Bestandteil<br />

unserer TrainerInnenschulungen, aber nicht überstürzt<br />

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