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Trinität 15 07 09 1 Trinität Worum es mir geht: ich will mit diesem Vortrag nicht die ansprechen, für die sowieso alles klar ist. Ich möchte darüber nachdenken, wie heute so von Gott gesprochen werden kann, dass die Suchenden und Fragenden heute mitdenken und nachvollziehen können, was trinitarische Rede bedeuten kann und was nicht, ich möchte mir dabei als Gesprächspartner aufgeklärte und liberale Juden und Muslime und Christen vorstellen. Dieses Anliegen und diese Methode sind nicht neu; schon Paulus und die ersten Kirchenväter haben dieses versucht und mussten sich mit ihren zeitgenössischen Philosophien und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen auseinandersetzen. Dafür mussten sie das Denken ihrer Vorväter, ja auch das Denken der biblischen Schriftsteller immer auch ein Stück weit hinter sich lassen und für ihre eigene Zeit interpretieren. Die Rede von Gott am Hofe Salomos war nun einmal eine andere als die Rede des Paulus von Gott. Auch biblische Rede von Gott ist schillernd und vielfältig, wie sollte sie auch nicht bei einer Zeitspanne von gut 1000 Jahren vom ältesten biblischen bis zum jüngsten biblischen Buch – welche das nun wirklich sind, hat die theologische Wissenschaft nicht endgültig klären können, aber bei einem solchen Zeitraum spielen das eine oder andere Jahrzehnt keine Rolle. Stellen Sie sich vor: in einem Buch deutsche Liebeslyrik von einem Jahrtausend versammelt – von Walter von der Vogelweide etwa bis in die Gegenwart. Und selbst gegenwärtige Liebeslyrik bräuchte noch einmal eine Übersetzung und eine Interpretation für jenen „Otto Normalverbraucher“ wie die meisten von uns es nun einmal sind. Wie können wir heute verantwortlich von Gott reden? Wie machen wir uns denen gegenüber verständlich, die einen anderen Glauben in sich tragen oder auf der Suche nach dem christlichen sind? Diese Frage treibt mich um. 1. Spuren „Der Herr erschien Abraham bei Mamre. Abraham saß zur Zeit der Mittagshitze am Zelteingang. Er blickte auf und sah drei Männer stehen“ (Gen 18, 1). Der eine Gott als drei Personen. Die hebräische Bibel kennt trotzdem eine Lehre von der Dreieinigkeit Gottes nicht. Vielleicht würde ein humorvoller Jude sagen, es sei ja kein Wunder, drei Personen zu sehen – mitten in der Mittagshitze, wenn die Luft so flimmert... „Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28, 19). Hier sprechen einige von einer sog. Trinitarischen Formel. Vorsichtiger könnte man auch sagen, dass es sich zuerst einmal um eine dreigliedrige Formel handelt, die Gott und Jesus und Geist in eine enge Verbindung bringt. Augustinus sagt: „...alles ... Wirkliche ist von dreifacher Struktur: Jedes Ding ist eines, unterscheidet sich von anderem und steht zugleich mit diesem in

Tr<strong>in</strong>ität 15 07 09 1<br />

Tr<strong>in</strong>ität<br />

Worum es mir geht: ich will mit diesem <strong>Vortrag</strong> nicht die ansprechen, für die<br />

sowieso alles klar ist. Ich möchte darüber nach<strong>den</strong>ken, wie heute so von Gott<br />

gesprochen wer<strong>den</strong> kann, dass die Suchen<strong>den</strong> und Fragen<strong>den</strong> heute mit<strong>den</strong>ken und<br />

nachvollziehen <strong>können</strong>, was tr<strong>in</strong>itarische Rede bedeuten kann und was nicht, ich<br />

möchte mir dabei als Gesprächspartner aufgeklärte und liberale Ju<strong>den</strong> und Muslime<br />

und Christen vorstellen.<br />

Dieses Anliegen und diese Methode s<strong>in</strong>d nicht neu; schon Paulus und die ersten<br />

Kirchenväter haben dieses versucht und mussten sich mit ihren zeitgenössischen<br />

Philosophien und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen ause<strong>in</strong>andersetzen. Dafür<br />

mussten sie das Denken ihrer Vorväter, ja auch das Denken der biblischen<br />

Schriftsteller immer auch e<strong>in</strong> Stück weit h<strong>in</strong>ter sich lassen und für ihre eigene Zeit<br />

<strong>in</strong>terpretieren. Die Rede von Gott am Hofe Salomos war nun e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e andere<br />

als die Rede des Paulus von Gott. Auch biblische Rede von Gott ist schillernd und<br />

vielfältig, wie sollte sie auch nicht bei e<strong>in</strong>er Zeitspanne von gut 1000 Jahren vom<br />

ältesten biblischen bis zum jüngsten biblischen Buch – welche das nun wirklich<br />

s<strong>in</strong>d, hat die theologische Wissenschaft nicht endgültig klären <strong>können</strong>, aber bei<br />

e<strong>in</strong>em solchen Zeitraum spielen das e<strong>in</strong>e oder andere Jahrzehnt ke<strong>in</strong>e Rolle.<br />

Stellen <strong>Sie</strong> sich vor: <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Buch deutsche Liebeslyrik von e<strong>in</strong>em Jahrtausend<br />

versammelt – von Walter von der Vogelweide etwa bis <strong>in</strong> die Gegenwart. Und<br />

selbst gegenwärtige Liebeslyrik bräuchte noch e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e Übersetzung und e<strong>in</strong>e<br />

Interpretation für jenen „Otto Normalverbraucher“ wie die meisten von uns es<br />

nun e<strong>in</strong>mal s<strong>in</strong>d.<br />

Wie <strong>können</strong> wir heute verantwortlich von Gott re<strong>den</strong>? Wie machen wir uns <strong>den</strong>en<br />

gegenüber verständlich, die e<strong>in</strong>en anderen Glauben <strong>in</strong> sich tragen oder auf der<br />

Suche nach dem christlichen s<strong>in</strong>d? Diese Frage treibt mich um.<br />

1. Spuren<br />

„Der Herr erschien Abraham bei Mamre. Abraham saß zur Zeit der Mittagshitze<br />

am Zelte<strong>in</strong>gang. Er blickte auf und sah drei Männer stehen“ (Gen 18, 1).<br />

Der e<strong>in</strong>e Gott als drei Personen. Die hebräische Bibel kennt trotzdem e<strong>in</strong>e Lehre<br />

von der Dreie<strong>in</strong>igkeit Gottes nicht. Vielleicht würde e<strong>in</strong> humorvoller Jude sagen, es<br />

sei ja ke<strong>in</strong> Wunder, drei Personen zu sehen – mitten <strong>in</strong> der Mittagshitze, wenn die<br />

Luft so flimmert...<br />

„Taufet sie auf <strong>den</strong> Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“<br />

(Mt 28, 19). Hier sprechen e<strong>in</strong>ige von e<strong>in</strong>er sog. Tr<strong>in</strong>itarischen Formel. Vorsichtiger<br />

könnte man auch sagen, dass es sich zuerst e<strong>in</strong>mal um e<strong>in</strong>e dreigliedrige Formel<br />

handelt, die Gott und Jesus und Geist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e enge Verb<strong>in</strong>dung br<strong>in</strong>gt.<br />

August<strong>in</strong>us sagt: „...alles ... Wirkliche ist von dreifacher Struktur: Jedes D<strong>in</strong>g ist<br />

e<strong>in</strong>es, unterscheidet sich von anderem und steht zugleich mit diesem <strong>in</strong>


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Beziehung“. Dazu wieder e<strong>in</strong> russisches Sprichwort: „Gott liebt die Dreifaltigkeit.<br />

Aller guten D<strong>in</strong>ge s<strong>in</strong>d drei.“<br />

Anfrage aus dem Koran, Sure 5, 116-117, wo es um e<strong>in</strong> Zweigespräch zwischen<br />

Gott und Jesus geht: „Und als Gott sprach: O Jesus, Sohn Marias, warst Du es, der<br />

zu <strong>den</strong> Menschen sagte: Nehmt Euch neben Gott mich und me<strong>in</strong>e Mutter zu<br />

Göttern? Er sagte: Preis sei Dir! Es steht mir nicht zu, etwas zu sagen, wozu ich<br />

ke<strong>in</strong> Recht habe. Hätte ich es gesagt, dann wüsstest Du es. Du weißt, was <strong>in</strong><br />

me<strong>in</strong>em Inneren ist, ich aber weiß nicht, was <strong>in</strong> De<strong>in</strong>em Inneren ist ... Ich habe<br />

ihnen nichts anderes gesagt als das, was Du mir befohlen hast, nämlich: Dient<br />

Gott, me<strong>in</strong>em Herrn und Eurem Herrn...“<br />

Ist der Koran der ursprünglichen Gottesauffassung Jesu und der ersten Christen<br />

näher als die spätchristlichen Schriften und die ersten Konzile?<br />

2. Der H<strong>in</strong>tergrund<br />

2.1. Der religionsgeschichtliche H<strong>in</strong>tergrund<br />

Zwei E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> andere Religionen:<br />

a) Die Yoruba aus Nigeria glauben an Olodumare, das ist der, „der die Macht hat“.<br />

„ Er ist der Anfang, h<strong>in</strong>ter <strong>den</strong> nicht zurückgegangen wer<strong>den</strong> kann. Er schuf die<br />

Orisha (Götter) ... An der verborgenen Spitze der yorubischen Götterwelt steht<br />

Obatala. Er ist e<strong>in</strong> „Sohn“ Olodumares; Olodumare hat ihn aus sich geboren, ohne<br />

dass er verheiratet gedacht würde.“<br />

b) aus der altägyptischen Religion: „Isis sprach zu Re: Sage mir de<strong>in</strong>en Namen,<br />

großer göttlicher Vater, <strong>den</strong>n derjenige, dessen Name genannt wird, wird leben.<br />

Re aber antwortete ihr und sagte: Ich b<strong>in</strong> es, der Himmel und Erde gebildet hat, der<br />

die Berge kettete und schuf, was darauf ist. ... Ich b<strong>in</strong> es, der die Augen öffnete und<br />

dadurch das Licht erzeugte, und wenn ich me<strong>in</strong>e Augen schließe, wird es dunkel<br />

auf der Welt. ... Am Morgen b<strong>in</strong> ich Chepra, am Mittag b<strong>in</strong> ich Re, am Abend b<strong>in</strong><br />

ich Atum.“ (Ders. 94)<br />

Es f<strong>in</strong>det sich ansche<strong>in</strong>end <strong>in</strong> vielen Religionen, dass <strong>in</strong> unterschiedlichen Bildern<br />

ausgedrückte Wissen, dass sich h<strong>in</strong>ter vielen göttlichen Ersche<strong>in</strong>ungsformen immer<br />

nur e<strong>in</strong> göttliches Wesen bef<strong>in</strong>det. Und oft genug wer<strong>den</strong> diese göttlichen<br />

Ersche<strong>in</strong>ungsformen auch <strong>in</strong> der Dreizahl vorgestellt, <strong>den</strong>n <strong>in</strong> der Drei f<strong>in</strong><strong>den</strong> Zwei<br />

und E<strong>in</strong>s, das e<strong>in</strong>e und das Viele, das e<strong>in</strong>e und das andere, wieder zusammen – <strong>in</strong><br />

ihr zeigt sich die E<strong>in</strong>heit <strong>in</strong> der Verschie<strong>den</strong>heit.<br />

2.1.1. Von der Mehrfaltigkeit Gottes im AT<br />

Der Name Johann Michael Schmidt hat <strong>hier</strong> bei uns e<strong>in</strong>en guten Ruf; Prof.<br />

Schmidt war bei uns als <strong>Vortrag</strong>sredner und als Prediger. Er schreibt:<br />

„Für biblische Rede von Gott s<strong>in</strong>d die Beziehung zu <strong>den</strong> Menschen, E<strong>in</strong>zelnen,<br />

Kle<strong>in</strong>- oder Großgruppen und ihre Geschichte konstitutiv. Verschie<strong>den</strong>artigkeit<br />

und Vielfalt geben dem beredten Ausdruck, bed<strong>in</strong>gt durch verschie<strong>den</strong>e


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Gotteserfahrungen, -verehrungen und –vostellungen verschie<strong>den</strong>er Menschen und<br />

Gruppierungen, durch ihre Herkunft aus verschie<strong>den</strong>en kulturellen Bereichen und<br />

verschie<strong>den</strong>en Zeiten“ (J. M. Schmidt, „… um se<strong>in</strong>es NAMENs willen. Alttestamentliche Anhaltspunkte<br />

für tr<strong>in</strong>itarisches Re<strong>den</strong> vom Gott Israels, <strong>in</strong>: K. Kriener, J.M. Schmidt (Hgg.), „… um se<strong>in</strong>es NAMENs willen“.<br />

Christen und Ju<strong>den</strong> vor dem e<strong>in</strong>en Gott Israels, Neukirchen-Vluyn 2005, S. 76).<br />

Schmidt benennt vier Gruppen von Anhaltspunkten für mehrfältiges Re<strong>den</strong> von<br />

Gott:<br />

a) Gotteserfahrungen und –vorstellungen verschie<strong>den</strong>er Gruppierungen<br />

Nur e<strong>in</strong> Beispiel sei genannt: Das „Volk Israel“ ist „zusammengewachsen aus<br />

verschie<strong>den</strong>en Gruppierungen mit verschie<strong>den</strong>en Gotteserfahrungen und –<br />

vorstellungen“ (ebd.). So f<strong>in</strong><strong>den</strong> sich <strong>in</strong> <strong>den</strong> sog. Vätergeschichten (Gen 12-50), die ja<br />

auch Mütterzählungen s<strong>in</strong>d, Überlieferungen von der Verehrung e<strong>in</strong>es El-Gottes;<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> Exodus- und S<strong>in</strong>aiüberlieferungen f<strong>in</strong>det sich die JHWH-Verehrung und<br />

schließlich gibt es Überliefrungen, die aus dem Stadtkönigtum Jerusalems stammen<br />

mit der Zentralfigur des David und der Rede vom höchsten oder Schöpfergott.<br />

Ausdrücklich thematisieren manche biblische Stellen das Wissen von der<br />

verschie<strong>den</strong>en Herkunft verschie<strong>den</strong>er Gottheiten, unterschei<strong>den</strong> zwischen dem<br />

Gott der Väter und dem, dessen Name JHWH ist und br<strong>in</strong>gen diese<br />

unterschiedlichen Traditionen im Rückblick zusammen, vgl. Ex 3, 15: JHWH ist<br />

der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“<br />

Es handelt sich <strong>hier</strong> um das Zusammenfassen unterschiedlicher religiöser<br />

Strömungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em nun für alle gelten<strong>den</strong> oder gelten sollen<strong>den</strong> geme<strong>in</strong>samen<br />

Glauben Israels, e<strong>in</strong> <strong>in</strong>terreligiöser Prozess kam <strong>hier</strong> zu e<strong>in</strong>em Ende. (Nebenbei: es<br />

wäre unerhört spannend zu erfahren, welche Faktoren <strong>hier</strong> zu dem Ergebnis<br />

geführt haben. Gab es Widerstand? Gab es Opfer? Gab es vorher Dialog oder<br />

Machtspiele? E<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weis f<strong>in</strong><strong>den</strong> wir <strong>in</strong> der Bekämpfung der Baalsgottheiten.)<br />

b) Personifizierungen oder Hypostasierungen von Eigenschaften oder Wirkgrößen<br />

des Gottes Israels<br />

Wer im Alten Testament liest begegnet immer wieder folgen<strong>den</strong> Begriffen: „der<br />

Name“, die „starke Hand“, der „ausgestreckte Arm“ Gottes, wie auch „das<br />

Angesicht“, „die Herrlichkeit“ oder der „Geist“ Gottes. Es handelt sich <strong>hier</strong> um<br />

eigenständige Wirkgrößen oder Mächte, die von Gott selbst zu unterschei<strong>den</strong>, aber<br />

nicht zu trennen s<strong>in</strong>d. Zitat: „Der »Name« und die parallel stehen<strong>den</strong> Begriffe von<br />

der »starken Hand und dem ausgestreckten Arm« deuten darauf, was von JHWH<br />

und se<strong>in</strong>em Handeln weltweit erfahrbar sei.“ (ders. 81); <strong>in</strong> ähnlicher Weise f<strong>in</strong>det sich<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> Geschichten der Richtergestalten die Rede vom Geist Gottes als e<strong>in</strong>er<br />

eigenständigen Kraft Gottes.<br />

c) Repräsentierende Mittlergestalten<br />

Hier s<strong>in</strong>d folgende Begriffe relevant, die auch im Neuen Testament e<strong>in</strong>e<br />

entschei<strong>den</strong>de Rolle spielen sollen: „Sohn Gottes“, „Beauftragter“ oder „Knecht“,<br />

„Menschensohn“, „Hirte“ oder „Davidssohn“. Jeder der Begriffe kann sowohl e<strong>in</strong>e


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e<strong>in</strong>zelne Gestalt als auch das Gottesvolk Israel bezeichnen, stets aber liegt e<strong>in</strong>e<br />

Beauftragung von Gott her vor – der Auftrag ist, das Verhältnis des Volkes Israel<br />

zu se<strong>in</strong>em Gott, aber auch das Verhältnis Gottes zu <strong>den</strong> Völkern vermittelnd zu<br />

ordnen, zu festigen, zu regeln.<br />

d) Äußerungen gegensätzlicher Gotteserfahrungen<br />

gerade <strong>in</strong> <strong>den</strong> Psalmen und <strong>hier</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Klagepsalmen begegnet das Phänomen<br />

unterschiedlicher Gotteswahrnehmungen oder –erfahrungen. Hier <strong>können</strong><br />

verschie<strong>den</strong>e Gottesnamen dann auch „für unterschiedliche Erfahrungen von Gott<br />

und dementsprechend unterschiedliche Beziehungen zu ihm“ stehen (ders. 84). Das<br />

führt bei Hiob bis zur Anrufung Gottes gegen Gott, vgl. Hiob 19, 21.22.25:<br />

„Erbarmt euch über mich, erbarmt euch, me<strong>in</strong>e Freunde; <strong>den</strong>n die Hand Gottes<br />

hat mich getroffen! Warum verfolgt ihr mich wie Gott und könnt nicht satt wer<strong>den</strong><br />

von me<strong>in</strong>em Fleisch? ... Aber ich weiß, dass me<strong>in</strong> Erlöser lebt, und als der Letzte<br />

wird er über dem Staub sich erheben.“ Gott als Verfolger und Gott als Erlöser<br />

oder wie bei Jeremia: Gott aus der Nähe und auch aus der Ferne (vgl. Jer 23, 23).<br />

Fazit 1: „Das Alte Testament spricht von dem Gott Israels, von se<strong>in</strong>em Ich im<br />

S<strong>in</strong>gular, von menschlichen Gotteserfahrungen und –vorstellungen aber im Plural.“<br />

(ders. 86). Oder anders: altestamentliche Rede von Gott ist mehrfaltige Rede über <strong>den</strong><br />

e<strong>in</strong>en Gott. Ihren Zusammenhalt f<strong>in</strong>det sie <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>en Bekenntnis zu JHWH, der<br />

se<strong>in</strong>en Bund mit dem Volk Israel geschlossen hat und <strong>in</strong> der Verknüpfung der<br />

Glaubensgenerationen und dem Zusammenleben e<strong>in</strong>stmals e<strong>in</strong>ander fremder<br />

Gruppen. Das Zusammenleben von Menschen ist Ausdruck von der I<strong>den</strong>tität des<br />

Glaubens <strong>in</strong> aller Verschie<strong>den</strong>heit.<br />

2.2. Neutestamentliche Aspekte zur tr<strong>in</strong>itarischen Rede von Gott<br />

Das Neue Testament ist sich <strong>in</strong> der Verschie<strong>den</strong>heit se<strong>in</strong>er 27 Schriften dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ig,<br />

dass sich Glaube an Gott auf e<strong>in</strong>e neue Größe zu beziehen hat und die ist „der<br />

Christus“ – der Gesalbte der der Messias. E<strong>in</strong>igkeit herrscht auch dar<strong>in</strong>, dass Jesus<br />

von Nazareth dieser Christus war. „Er war es für sie, weil sie glaubten, dass Gott<br />

… an ihm gehandelt hatte. Denn das ist der Grund-Satz des Neuen Testaments:<br />

»Gott hat Jesus von <strong>den</strong> Toten auferweckt.«“ (K. Wengst, Neutestamentliche Aspekte zur<br />

tr<strong>in</strong>itarischen Rede von Gott, <strong>in</strong>: K. Kriener, J.M. Schmidt (Hgg.), „… um se<strong>in</strong>es NAMENs willen“. Christen und<br />

Ju<strong>den</strong> vor dem e<strong>in</strong>en Gott Israels, Neukirchen-Vluyn 2005, S. 90)<br />

Geht es um Jesus, so geht es stets um <strong>den</strong> <strong>in</strong> ihm und an ihm handeln<strong>den</strong> Gott,<br />

und wer sich auf Jesus bezieht, der bezieht sich auf Gott. Gott wird also ohne<br />

Jesus, <strong>den</strong> Christus, für das Neue Testament nicht aussagbar. Hieß es <strong>in</strong> Ex 14, 31<br />

noch: „Und das Volk fürchtete <strong>den</strong> HERRN und sie glaubten ihm und se<strong>in</strong>em<br />

Knecht Mose.“ , so heißt es nun <strong>in</strong> Joh 14, 1: „Glaubt an Gott und glaubt an<br />

mich!“. Und damit ist ke<strong>in</strong> doppelte Glaube an zwei nebene<strong>in</strong>ander stehende<br />

Instanzen geme<strong>in</strong>t, sondern das e<strong>in</strong>e Vertrauen auf Jesus, <strong>in</strong> dem der Gott Israels<br />

präsent ist oder andersherum: der Glaube an <strong>den</strong> Gott Israels, wie er sich <strong>in</strong> Jesus<br />

auch zeigt. Der Glaube an Jesus ist nichts anderes als der Glaube an <strong>den</strong> <strong>in</strong> ihm


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handeln<strong>den</strong> Gott, wie für Israel der Glaube an Mose nicht anderes ist „als der<br />

Glaube an <strong>den</strong> durch ihn handeln<strong>den</strong> Gott“ (ders. 91).<br />

Dies lässt sich noch e<strong>in</strong> wenig präziser fassen, wenn wir auf Joh 12, 44 blicken.<br />

Dort spricht der johanneische Jesus: „Wer an mich glaubt, der glaubt nicht an<br />

mich, sondern an <strong>den</strong>, der mich gesandt hat.“ Hier unterscheidet der Bote sich<br />

selbst von dem, der ihn sendet, <strong>hier</strong> nimmt Jesus e<strong>in</strong>e dienende Funktion an, die<br />

sich dann auch ausweiten muss auf die jegliche Rede von Gott: „Es geht nicht um<br />

e<strong>in</strong>en isolierten Glauben an Jesus, um e<strong>in</strong>e für sich stehende Christologie, sondern<br />

um die Wahrnahme des <strong>in</strong> Jesus präsenten Gottes. … Wer an Jesus glaubt, glaubt<br />

nicht an ihn, sondern an Gott“ (ders. 92).<br />

Alle neutestamentliche Rede über die Beziehung zwischen Gott und Jesus hat -<br />

und e<strong>in</strong>e solche Rede muss ja noch „b<strong>in</strong>itarisch“ genannt wer<strong>den</strong>, - hat dienen<strong>den</strong><br />

oder funktionalen Charakter: es geht um Gott und <strong>den</strong> Menschen, es geht darum<br />

zu zeigen, dass, wer sich auf Jesus e<strong>in</strong>lässt, auf Gott selbst se<strong>in</strong> Vertrauen setzt. Nur<br />

auf ihn, auf <strong>den</strong> e<strong>in</strong>en Gott, wie er an Jesus gehandelt hat, sich an ihm erwies.<br />

Nun ist dieser Jesus ke<strong>in</strong>em von uns direkt zugänglich, es spiegelt sich <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

neutestamentlichen Schriften nur die Wahrnehmung dieses Jesus und se<strong>in</strong>es<br />

Lebens. Und <strong>in</strong> aller Unterschiedlichkeit der Wahrnehmungen lässt sich doch so<br />

etwas empf<strong>in</strong><strong>den</strong>, <strong>hier</strong> will ich ganz vorsichtig formulieren, wie e<strong>in</strong><br />

Jesusbewußtse<strong>in</strong>, lässt sich e<strong>in</strong> Geist spüren, der jesuanisch und zugleich göttlich<br />

ist, der bewegt, der e<strong>in</strong>nimmt, der befreit, der löst. Aus b<strong>in</strong>itarischer Rede muss<br />

tr<strong>in</strong>itarische Rede wer<strong>den</strong> – ohne dass e<strong>in</strong>e Lehre von der Tr<strong>in</strong>ität sich <strong>in</strong> der Bibel<br />

<strong>nachlesen</strong> ließe. Der Geist wiederholt biblische Worte und sie wer<strong>den</strong> mir zu Jesus-<br />

und Gottesworten. Der Geist macht wirksam, holt <strong>in</strong> die jeweilige Gegenwart das<br />

Jesusgeschehen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, holt über <strong>den</strong> Boten <strong>den</strong> h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong> unsere Wirklichkeit, der<br />

ihn gesendet hat. Wieder geht es nur um Gott selbst und es ist se<strong>in</strong> Geist, der Geist<br />

des Gottes Israels, der wirkt und bewirkt.<br />

Ich me<strong>in</strong>e also, dass der S<strong>in</strong>n tr<strong>in</strong>itarischer Rede dar<strong>in</strong> liegt, aufzuzeigen, dass es um<br />

<strong>den</strong> e<strong>in</strong>en Gott im Verhältnis zum Menschen geht, nicht um e<strong>in</strong>e<br />

Gotteskonstruktion und erst Recht nicht um drei Götter. Jegliche tr<strong>in</strong>itarische<br />

Rede, die das verwischt, ist nicht im S<strong>in</strong>ne des Erf<strong>in</strong>ders, ist nicht biblisch orientiert<br />

- und verliert vor allem <strong>den</strong> jüdischen Kontext der neutestamentlichen Schriften<br />

und <strong>den</strong> Ju<strong>den</strong> Jesus von Nazareth selbst schnell aus dem Blick.<br />

2.2. Der kirchen- und dogmengeschichtliche H<strong>in</strong>tergrund<br />

Der junge christliche Glaube war <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Anfangszeit noch im Schutz der<br />

jüdischen Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> geborgen, nach der Trennung von der Synagoge, die eher e<strong>in</strong><br />

Rausschmiss war, war er <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en und eher unauffälligen christlichen Geme<strong>in</strong><strong>den</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> Zentren der Küstengebiete des östlichen Mittelmeerraumes beheimatet,<br />

vorsorgt <strong>in</strong> <strong>den</strong> alltäglichen Fragen zuerst durch die Briefe des Paulus, die<br />

Evangelien, später, im frühen 2. Jahrhundert durch die Briefe der sog.<br />

Apostolischen Väter, <strong>den</strong> ersten Clemensbrief, die Briefe des Ignatius, <strong>den</strong><br />

Barnabasbrief, die sog. Zwölfapostellehre. Alles Schriften, die noch ke<strong>in</strong>e große


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Auswirkung auf die Entwicklung der Theologie nehmen sollten, sondern e<strong>in</strong>en<br />

E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> das Leben der frühchristlichen Geme<strong>in</strong><strong>den</strong> boten.<br />

Doch im Verlauf des 2. Jahrhunderts entstand e<strong>in</strong>e neue Gattung christlicher<br />

Literatur: die Verteidigung des christlichen Glaubens gegen die Anschuldigungen<br />

seitens vieler Griechen und Ju<strong>den</strong>- die apologetischen Schriften. <strong>Sie</strong> hatten sich<br />

damit ause<strong>in</strong>anderzusetzen, das vom jüdischen Glauben her die E<strong>in</strong>zigkeit Gottes<br />

im Christentum bezweifelt wurde, <strong>den</strong>n da war e<strong>in</strong> Sohn und e<strong>in</strong> Geist, und vom<br />

griechischen Denken her die Göttlichkeit Gottes im christlichen Glauben<br />

bezweifelt wurde, <strong>den</strong>n da war von e<strong>in</strong>em lebendigen Gott die Rede, e<strong>in</strong>em sich<br />

mitteilen<strong>den</strong>, sogar mitlei<strong>den</strong><strong>den</strong> Gott. Aber Gott konnte nur unveränderlich,<br />

unbewegt und unendlich se<strong>in</strong> – so die Vorstellung. Es musste versucht wer<strong>den</strong>,<br />

„die neutestamentlichen Aussagen über Jesus und <strong>den</strong> Geist <strong>in</strong> ihrem Verhältnis zu<br />

Gott im Kontext griechischen Denkens zu formulieren“ (ebd.).<br />

Grundlegend für die weitere Entwicklung, die sich <strong>hier</strong> nur äußerst knapp<br />

darstellen war der um 150 nach Christius <strong>in</strong> Kor<strong>in</strong>th geborene Jurist (!) Tertullian.<br />

Er prägte die theologischen Begriffe, die <strong>in</strong> der Folgezeit Verwendung fan<strong>den</strong>.<br />

„Christus ist für ihn das göttliche Wort, das <strong>in</strong> der Schöpfung aus der Vernunft<br />

Gottes hervorgeht. … Christus ist e<strong>in</strong>s mit Gott und <strong>den</strong>noch e<strong>in</strong> anderer als der<br />

Vater. Er ist aus Gottes Wesen hervorgegangen wie der Sonnenstrahl aus der<br />

Sonne…“ Merken <strong>Sie</strong> die andere Sprache? Merken <strong>Sie</strong> <strong>den</strong> anderen kulturellen<br />

H<strong>in</strong>tergrund?<br />

Mit der Verwendung des Person- und Substanzbegriffes gel<strong>in</strong>gt Tertullian die<br />

Verhältnisbestimmung zwischen Vater, Sohn und Heiliger Geist. Die drei Personen<br />

s<strong>in</strong>d präexistent <strong>in</strong> Gott und e<strong>in</strong>es Wesens, genannt substantia oder griechisch:<br />

ousia. Im E<strong>in</strong>klang mit der Heilsordnung (griech. Oikonomia, lat. Dispensatio) ist<br />

der Sohn „aus dem Vater hervorgegangen, um die Heilsordnung zu erklären. Die<br />

drei Personen bezeichnen verschie<strong>den</strong>e Stadien der Gottesoffenbarung, s<strong>in</strong>d aber<br />

<strong>den</strong>noch e<strong>in</strong>s…“ (B. Hägglund, Geschichte der Theologie. E<strong>in</strong> Abriß, München 1983, S. 42 f.).<br />

Dagegen nun die Bewegung des sog. Monarchianismus, hergeleitet von dem Begriff<br />

„monarchia“, womit die E<strong>in</strong>heit Gottes bezeichnet wird. Der Monarchianismus<br />

verne<strong>in</strong>t „… <strong>den</strong> Dreifaltigkeitsgedanken, der se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach dem Glauben<br />

an <strong>den</strong> e<strong>in</strong>en Gott widerspricht“ (ders. 53). Das Ersche<strong>in</strong>en Gottes als Sohn und<br />

Heiliger Geist im S<strong>in</strong>ne der oikonomia wird auch abgelehnt. Dah<strong>in</strong>ter steht der<br />

griechischen Gottesgedanke, demzufolge Gott über die Materie und damit auch<br />

über <strong>den</strong> Wechsel und die Vielfalt erhöht ist.<br />

Zu dem Lager der Monarchianer zählten wiederum die Dynamisten und die<br />

Modalisten.<br />

Theodot der Gerber war Dynamist: „Jesus sei e<strong>in</strong> Mensch, …, habe gelebt wie die<br />

übrigen Menschen und sei überaus gottesfürchtig gewesen; nach der Taufe am<br />

Jordan habe er [deshalb] <strong>den</strong> Christus aufgenommen, welcher auf ihn <strong>in</strong> Gestalt<br />

e<strong>in</strong>er Taube von oben herabkam. Daher hätten auch die [göttlichen] Kräfte<br />

(d??aµe??) nicht eher <strong>in</strong> ihm gewirkt, als bis das Pneuma auf ihn herabgekommen


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und <strong>in</strong> ihm <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung getreten sei; dies [Pneuma] aber nennt er <strong>den</strong> Christus.“<br />

So schreibt Hippolyt über die Position des - Ketzers - Theodot (Hippolyt, Widerlegung<br />

sämtlicher Häresien, 7, 35,1 f., zitiert <strong>in</strong>: A.M. Ritter, Kirchen- und Theologiegeschichte <strong>in</strong> Quellen, Bd. 1 Alte<br />

Kirche, Neukirchen-Vluyn 3. Aufl. 1985, S. 60).<br />

Zu <strong>den</strong> Modalisten zählte unter anderem Sabellius, der seit etwa 215 <strong>in</strong> Rom lehrte.<br />

Vater, Sohn und Heiliger Geist s<strong>in</strong>d für ihn e<strong>in</strong>s und zwar von e<strong>in</strong>er Substanz. „Die<br />

drei Personen s<strong>in</strong>d verschie<strong>den</strong>e Offenbarungsweisen (modi) des e<strong>in</strong>en Gottes.<br />

Gegen Tertullian besteht für Sabellius also die E<strong>in</strong>heit Gottes <strong>in</strong> Substanz und<br />

Person. 261 wurde se<strong>in</strong>e Lehre verdammt.<br />

Den griechischen Gottesgedanken vom Erhöhtse<strong>in</strong> Gottes über Materie, Wechsel<br />

und Vielfalt wird später auch Arius zum Ausgangspunkt nehmen: Gott ist für ihn<br />

der E<strong>in</strong>zige und Unteilbare und demzufolge kann (!) er se<strong>in</strong> Wesen ke<strong>in</strong>em anderen<br />

mitteilen. Christus muss demzufolge der Schöpfung angehören, kann nicht Gott<br />

se<strong>in</strong>. Für Arius ist er e<strong>in</strong> Mittelwesen zwischen Gott und Mensch, <strong>in</strong> der Zeit oder<br />

vor der Zeit erschaffen, und doch gab es e<strong>in</strong>e Zeit, <strong>in</strong> der er nicht war. So konnte<br />

man Arius Götzendienst vorwerfen, <strong>den</strong>n er verehrte Christus, obwohl er ihn zum<br />

Geschaffenen zählte. Arius wurde wegen Irrlehre exkommuniziert.<br />

Bis <strong>in</strong> <strong>den</strong> Jahren 325 und 381 auf <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> ersten großen Konzilien von Nicäa<br />

und Konstant<strong>in</strong>opel e<strong>in</strong> erster Konsens gefun<strong>den</strong> wurde, stritten sich also<br />

Dynamisten und Modalisten mit <strong>den</strong> Alexandr<strong>in</strong>ern, Athanasianer mit Arianern,<br />

und von allen gab es auch noch Re<strong>in</strong>e, Gemäßigte, Gemischte, die sich auch<br />

mite<strong>in</strong>ander stritten.<br />

Bei allem Unverständnis, das e<strong>in</strong>en heute beschleichen mag: es g<strong>in</strong>g allen<br />

Streiten<strong>den</strong> darum, das Christentum <strong>in</strong> der damaligen Zeit glaubwürdig zu machen,<br />

die Bibel, die so mit ihren Vorstellungen von Gott und Mensch nicht mehr zu <strong>den</strong><br />

Menschen sprach, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e neue Sprache und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e neue Begrifflichkeit zu<br />

übersetzen – <strong>in</strong> die philosophische geprägte Sprache des 4. Jahrhunderts.<br />

Am Ende setzte sich der Patriarch von Alexandrien, Athanasius, durch. Er starb<br />

schon 373, acht Jahre vor dem Konzil von Konstant<strong>in</strong>opel, das dann aber se<strong>in</strong>e<br />

Position bestätigte und damit die Beschlüsse, die <strong>in</strong> Nicäa knapp 60 Jahre vorher<br />

gefasst wur<strong>den</strong>, auch. All das festgehalten im Bekenntnis von Nicäa-<br />

Konstant<strong>in</strong>opel, das wir auch heute noch zu besonderen Gelegenheiten sprechen –<br />

ob mit guten Grün<strong>den</strong>, ist die Frage:<br />

Bekenntnis von Nizäa-Konstant<strong>in</strong>opel<br />

Wir glauben an <strong>den</strong> e<strong>in</strong>en Gott, <strong>den</strong> Vater, <strong>den</strong> Allmächtigen,<br />

...und an <strong>den</strong> e<strong>in</strong>en Herrn Jesus Christus, Gottes e<strong>in</strong>geborenen Sohn, aus dem<br />

Vater geboren vor aller Zeit:<br />

Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht<br />

geschaffen, e<strong>in</strong>es Wesens mit dem Vater; durch ihn ist alles geschaffen.


Tr<strong>in</strong>ität 15 07 09 8<br />

Für uns Menschen und zu unserm Heil ist er vom Himmel gekommen,<br />

hat Fleisch angenommen<br />

durch <strong>den</strong> Heiligen Geist<br />

von der Jungfrau Maria<br />

und ist Mensch gewor<strong>den</strong>.<br />

...<br />

Wir glauben an <strong>den</strong> Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem<br />

Vater und dem Sohn hervorgeht,<br />

der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird...<br />

Dies ist nicht mehr die lobende Sprache der Bibel, die manche ja als e<strong>in</strong>e Art von<br />

Liebessprache verstehen, nicht gemacht und nicht geme<strong>in</strong>t für ewige Wahrheiten<br />

und Dogmen, dies ist hochverdichtete theologische Sprache, bei der h<strong>in</strong>ter jedem<br />

Wort e<strong>in</strong> philosophisch-theologisches Gebäude steht.<br />

Der Sohn ist wesense<strong>in</strong>s mit dem Vater; beide bil<strong>den</strong> sie e<strong>in</strong>e Gottheit. „Der Vater<br />

ist der, der sich selbst entscheidet und gebiert, der Sohn der, der geboren wird. Der<br />

Vater ist das göttliche Wesen <strong>in</strong> sich selbst, der Sohn ist Gott <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Wirksamkeit<br />

nach außen. ... Der Geist gehört zu demselben e<strong>in</strong>igen Gottwesen und ist ke<strong>in</strong><br />

geschaffener Geist. Durch <strong>den</strong> Geist erhält der Mensch Anteil am göttlichen<br />

Leben“ (B. Hägglund, Geschichte der Theologie, 1983, 63).<br />

Der 2005 erschienene Katechismus der Katholischen Kirche fasst zusammen – und<br />

ich mute Ihnen das zu, um deutlich wer<strong>den</strong> zu lassen, was sich h<strong>in</strong>ter der schnell<br />

gesagten tr<strong>in</strong>itarischen Formel von Gott dem Vater und dem Sohn und dem<br />

Heiligen Geist noch alles verbirgt. Es geht im Folgen<strong>den</strong> um die <strong>in</strong>nergöttliche<br />

Dreie<strong>in</strong>igkeit, die sich von dem b<strong>in</strong>itarischen und tr<strong>in</strong>itarischen und auch<br />

mehrfaltigem Re<strong>den</strong> der Bibel weit entfernt hat.<br />

Nur e<strong>in</strong> paar Zitate, die auch durch die lutherischen Bekenntnisschriften abgedeckt<br />

s<strong>in</strong>d:<br />

„234. Das Mysterium der heiligsten Dreifaltigkeit ist das zentrale Geheimnis des<br />

christlichen Glaubens und Lebens. Es ist das Mysterium des <strong>in</strong>neren Lebens<br />

Gottes, der Urgrund aller anderen Glaubensmysterien und das Licht, das diese<br />

erhellt.<br />

253. Die Tr<strong>in</strong>ität ist e<strong>in</strong>e. Wir bekennen nicht drei Götter, sondern e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen<br />

Gott <strong>in</strong> drei Personen: die „wesensgleiche Dreifaltigkeit" (2. K. v. Konstant<strong>in</strong>opel<br />

553: DS 421). Die göttlichen Personen teilen die e<strong>in</strong>zige Gottheit nicht<br />

untere<strong>in</strong>ander, sondern jede von ihnen ist voll und ganz Gott: „Der Vater ist<br />

dasselbe wie der Sohn, der Sohn dasselbe wie der Vater, der Vater und der Sohn<br />

dasselbe wie der Heilige Geist, nämlich von Natur e<strong>in</strong> Gott" (11. Syn. v. Toledo<br />

675: DS 530). „Jede der drei Personen ist jene Wirklichkeit, das heißt göttliche<br />

Substanz, Wesenheit oder Natur" (4. K. im Lateran 1215: DS 804).


Tr<strong>in</strong>ität 15 07 09 9<br />

254. Die drei göttlichen Personen s<strong>in</strong>d real vone<strong>in</strong>ander verschie<strong>den</strong>. Der e<strong>in</strong>e Gott<br />

ist nicht „gleichsam für sich alle<strong>in</strong>" (Fides Damasi: DS 71). „Vater", „Sohn",<br />

„Heiliger Geist" s<strong>in</strong>d nicht e<strong>in</strong>fach Namen, welche Se<strong>in</strong>sweisen des göttlichen<br />

Wesens bezeichnen, <strong>den</strong>n sie s<strong>in</strong>d real vone<strong>in</strong>ander verschie<strong>den</strong>: „Der Vater ist<br />

nicht derselbe wie der Sohn, noch ist der Sohn derselbe wie der Vater, noch ist der<br />

Heilige Geist derselbe wie der Vater oder der Sohn" (11. Syn. v. Toledo 675: DS<br />

530). <strong>Sie</strong> s<strong>in</strong>d vone<strong>in</strong>ander verschie<strong>den</strong> durch ihre Ursprungsbeziehungen: Es ist<br />

„der Vater, der zeugt, und der Sohn, der gezeugt wird, und der Heilige Geist, der<br />

hervorgeht" (4. K. im Lateran 1215:DS 804). Die göttliche E<strong>in</strong>heit ist dreie<strong>in</strong>ig.<br />

255. Die drei göttlichen Personen beziehen sich aufe<strong>in</strong>ander. Weil die reale<br />

Verschie<strong>den</strong>heit der Personen die göttliche E<strong>in</strong>heit nicht zerteilt, liegt sie e<strong>in</strong>zig <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> gegenseitigen Beziehungen: „Mit <strong>den</strong> Namen der Personen, die e<strong>in</strong>e Beziehung<br />

ausdrücken, wird der Vater auf <strong>den</strong> Sohn, der Sohn auf <strong>den</strong> Vater und der Heilige<br />

Geist auf beide bezogen: Obwohl sie im H<strong>in</strong>blick auf ihre Beziehung drei Personen<br />

genannt wer<strong>den</strong>, s<strong>in</strong>d sie, so unser Glaube, doch e<strong>in</strong>e Natur oder Substanz" (11.<br />

Syn. v. Toledo 675: DS 528). In ihnen ist „alles ... e<strong>in</strong>s, wo sich ke<strong>in</strong>e<br />

Gegensätzlichkeit der Beziehung entgegenstellt" (K. v. Florenz 1442: DS 1330).<br />

„Wegen dieser E<strong>in</strong>heit ist der Vater ganz im Sohn, ganz im Heiligen Geist; der<br />

Sohn ist ganz im Vater, ganz im Heiligen Geist; der Heilige Geist ist ganz im Vater,<br />

ganz im Sohn" (ebd.: DS 1331).“<br />

Soweit h<strong>in</strong> <strong>in</strong> das <strong>in</strong>nergöttliche Leben ist das Dogma der Tr<strong>in</strong>ität h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gegangen,<br />

will also – das sche<strong>in</strong>t mir der Anspruch – das Wesen Gottes <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er <strong>in</strong>neren<br />

Struktur erfassen.<br />

Theologie hat stets versucht, die Übersetzung des christlichen Glaubens, <strong>in</strong> die<br />

Sprache des 4. Jahrhunderts – nichts anderes war ja die Tr<strong>in</strong>itätslehre - stets neu <strong>in</strong><br />

ihre jeweilige Zeit zu übersetzen. Die Frage, ob die Tr<strong>in</strong>ität als Übersetzung<br />

überhaupt das Eigentliche traf, ob die Übersetzung also richtig war, stellte sich <strong>in</strong><br />

der nachfolgen<strong>den</strong> Theologiegeschichte bis <strong>in</strong> die Gegenwart immer wieder, wobei<br />

sich die Streitigkeiten der ersten drei christlichen Jahrhunderte um Gott-Sohn-Geist<br />

<strong>in</strong> immer neuen Varianten wiederholten. Durchgesetzt hat sich bisher das<br />

tr<strong>in</strong>itarische Denken und die tr<strong>in</strong>itarische Rede, vor allem <strong>in</strong> der liturgischen<br />

Sprache. Wer das tr<strong>in</strong>itarische Dogma <strong>in</strong> Frage stellt, stellt <strong>in</strong> der Tat die gesamte<br />

Ökumene und die christliche Tradition der letzten 1700 Jahre <strong>in</strong> Frage.<br />

Die Frage aber muss gestellt wer<strong>den</strong>: Wer glaubt <strong>den</strong>n „so“ tr<strong>in</strong>itarisch, und wer<br />

kann <strong>den</strong>n „so“ tr<strong>in</strong>itarisch glauben? Welche Rolle spielt Tr<strong>in</strong>ität für <strong>den</strong> ganz<br />

persönlichen Glauben, welche Rolle im christlichen Glauben außer der, dass sie<br />

hochoffizielles Bekenntnis ist und se<strong>in</strong> muss?<br />

Ist nicht e<strong>in</strong>e Rückbes<strong>in</strong>nung auf <strong>den</strong> Mann aus Nazareth und auf se<strong>in</strong>en Gott<br />

wieder notwendig?<br />

2.3. Noch e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Blick <strong>in</strong> die Bibel, Mk 1, und e<strong>in</strong> neuer Blick auf die<br />

Tr<strong>in</strong>ität


Tr<strong>in</strong>ität 15 07 09 10<br />

„Und es begab sich zu der Zeit, dass Jesus aus Nazareth <strong>in</strong> Galiläa kam und ließ<br />

sich taufen von Johannes im Jordan. Und alsbald, als er aus dem Wasser stieg, sah<br />

er, dass sich der Himmel auftat und der Geist wie e<strong>in</strong>e Taube herabkam auf ihn.<br />

Und da geschah e<strong>in</strong>e Stimme vom Himmel: Du bist me<strong>in</strong> lieber Sohn, an dir habe<br />

ich Wohlgefallen.“ (Mk 1, 9-11)<br />

In e<strong>in</strong>em geistlichen Geschehen nimmt Jesus sich als geliebter „Sohn Gottes“ wahr;<br />

es handelt sich um e<strong>in</strong>e Geistessohnschaft.<br />

Fortan sollte es Menschen geben, die <strong>in</strong> Jesus nun Gott wahrnahmen, ihm se<strong>in</strong>en<br />

Gott glaubten, sich von se<strong>in</strong>em Geist anrühren ließen. Fortan glaubten Menschen<br />

an Gott <strong>den</strong> Vater durch <strong>den</strong> Sohn im Heiligen Geist.<br />

Fortan gab es e<strong>in</strong>en Dreischritt im Glauben, auf <strong>den</strong> christlicher Glaube nicht mehr<br />

würde verzichten <strong>können</strong>: Gott lässt sich wahrnehmen, Gott teilt sich mit als Geist,<br />

und welcher Geist es ist, erkennt christlicher Glaube an des ersten - ne<strong>in</strong>, nicht an<br />

des ersten Geistes K<strong>in</strong>d, <strong>den</strong>n der Geist Gottes wirkte ja auch schon vor Jesus von<br />

Nazareth <strong>in</strong> <strong>den</strong> Menschen! – erkennt christlicher Glaube an dem e<strong>in</strong>en, für uns<br />

maß-geblichen Geistes K<strong>in</strong>d – erkennt Glaube durch Jesus. „Ich glaube an Gott,<br />

<strong>den</strong> Vater, durch <strong>den</strong> Sohn im Heiligen Geist.“<br />

Dies ist die Dreie<strong>in</strong>igkeit des Glaubens, die Gott Gott se<strong>in</strong> lässt, die Jesus e<strong>in</strong>en<br />

geisterfüllten Menschen se<strong>in</strong> lässt und die dem Geist Gottes alle Freiheit lässt zu<br />

wehen, wo er will – auch heute noch. Gott lässt sich wahr-nehmen – man sollte<br />

nicht von „erkennen“ sprechen, <strong>den</strong>n dar<strong>in</strong> liegt schon e<strong>in</strong> zu hoher und allgeme<strong>in</strong><br />

gelten wollender Wahrheitsanspruch. Er lässt sich une<strong>in</strong>deutig wahrnehmen, er hat<br />

sich dazu entschie<strong>den</strong>. Mehrfaltiges Re<strong>den</strong> von Gott, wie wir es schon im Alten<br />

Testament fan<strong>den</strong>, ist die Konsequenz.<br />

Wer die Lehre von der Tr<strong>in</strong>ität als Ausdruck dafür nimmt, dass Menschen Gott<br />

unterschiedlich und doch als <strong>den</strong> e<strong>in</strong>en Gott wahr-genommen haben und wahrnehmen,<br />

dass er ihnen also <strong>in</strong> Jesus begegnete und ihnen <strong>in</strong> der Geschichte des<br />

Mannes von Nazareth begegnet, dass sie sich bewegt und erfüllt fühlen von se<strong>in</strong>em<br />

Geist, der wird Tr<strong>in</strong>ität nicht als Dogma verstehen. Der darf absehen von e<strong>in</strong>em<br />

theologischen Konstrukt, dessen Grundlagen aus dem 4. Jahrhundert schon lange<br />

nicht mehr gelten.<br />

Ob er weiterh<strong>in</strong> von Tr<strong>in</strong>ität sprechen sollte, ist nochmals e<strong>in</strong>e weitere Frage. Mir<br />

selbst sche<strong>in</strong>t der Begriff für die e<strong>in</strong>en überlastet oder für die anderen nichts<br />

sagend, wenn nicht irreleitend. Für das <strong>in</strong>terreligiöse Gespräch wäre es gut, auf ihn<br />

zu verzichten, für die Ökumene ist er – noch – unverzichtbar.<br />

Aber wir sollten anfangen, unsere Sprache zu überprüfen: im normalen Gespräch,<br />

auch im Glaubensgespräch, kommt die Frage der Tr<strong>in</strong>ität nur als e<strong>in</strong> Randproblem<br />

vor. In der gottesdienstlichen Sprache steckt sie h<strong>in</strong>ter unzähligen Wendungen.<br />

Und e<strong>in</strong> eigenes Fest hat die Tr<strong>in</strong>ität auch bekommen – mit e<strong>in</strong>em riesigen Anhang<br />

von Sonntagen „nach Tr<strong>in</strong>itatis“. Dieses Fest der Tr<strong>in</strong>ität wurde allerd<strong>in</strong>gs erst<br />

1334 vom Papst Johannes XXII. allgeme<strong>in</strong> vorgeschrieben. Vorher wurde es von<br />

Rom noch als Fest e<strong>in</strong>es Dogmas abgelehnt (vgl. H. Küng, Credo, 199).


Tr<strong>in</strong>ität 15 07 09 11<br />

Im Apostolischen Glaubensbekenntnis ist von dem drei-e<strong>in</strong>en Gott nicht die Rede.<br />

Obwohl beide Bekenntnisse zu gleicher Zeit verwendet wur<strong>den</strong>, obwohl das<br />

Apostolische Credo vom Glaubensbekenntnis aus Nicäa-Konstant<strong>in</strong>opel her<br />

gedeutet wer<strong>den</strong> kann und gedeutet wurde: Die Lehre von der Dreie<strong>in</strong>igkeit kommt<br />

ausdrücklich nicht vor, vielmehr wer<strong>den</strong> <strong>hier</strong> Gott Vater und Sohn und Heiliger<br />

Geist nebene<strong>in</strong>ander gestellt und mite<strong>in</strong>ander verbun<strong>den</strong> – aber es wird nicht<br />

gesagt wie; es wird ke<strong>in</strong>e Lehre aufgestellt, und erst recht ke<strong>in</strong> tr<strong>in</strong>itarisches Dogma.<br />

Damit ist das Apostolikum noch ganz beim Neuen Testament:<br />

3. Der neutestamentliche Befund<br />

Im ganzen Neuen Testament wer<strong>den</strong> Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist als<br />

verschie<strong>den</strong>e Größen angesehen, <strong>den</strong>en nicht e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same göttliche<br />

Natur zugesprochen wird. Das im Weltkatechismus zitierte Mysterium der<br />

heiligsten Dreifaltigkeit als dem zentralen Geheimnis des christlichen Glaubens und<br />

Lebens wird im Neuen Testament nicht erwähnt (für e<strong>in</strong>en solchen Satz wurde der<br />

Theologe Servet unter Calv<strong>in</strong> noch verbrannt).<br />

Außer der Taufe Jesu ließe sich <strong>hier</strong> noch die Verteidigungsrede des Stephanus<br />

anführen, der wegen angeblicher Gotteslästerung vor <strong>den</strong> Hohen Rat gebracht<br />

wurde. Am Ende se<strong>in</strong>er Rede sah er „voll des Heiligen Geistes“ auf zum Himmel<br />

„und sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes und sprach: <strong>Sie</strong>he,<br />

ich sehe <strong>den</strong> Himmel offen und <strong>den</strong> Menschensohn zur Rechten Gottes stehen“<br />

(Apg 7, 55.56).<br />

Hier ist der Heilige Geist auf der Seite des Stephanus, erfüllt ihn und öffnet ihm die<br />

Augen, so dass er <strong>in</strong> <strong>den</strong> Himmel schauen kann.<br />

Hier ist Gott nicht zu sehen, nur se<strong>in</strong>e Herrlichkeit, se<strong>in</strong> Glanz und se<strong>in</strong>e Macht.<br />

Hier ist der Sohn zur Rechten Gottes als Stellvertreter Gottes für uns und als<br />

Mensch unser Stellvertreter vor Gott.<br />

Auch die Grußformel des 2. Briefes an die Kor<strong>in</strong>ther ist zu erwähnen: „Die Gnade<br />

unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Geme<strong>in</strong>schaft des<br />

Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ (2 Kor 13, 13). Für <strong>den</strong> Glauben<strong>den</strong> geht s<br />

<strong>hier</strong> um die e<strong>in</strong>e Begegnung mit Gott, um das e<strong>in</strong>e Handeln Gottes selbst – um e<strong>in</strong><br />

wohltuendes Liebeshandeln. An der Frage, wie <strong>den</strong>n diese drei Größen im Wesen<br />

e<strong>in</strong>s se<strong>in</strong> könnten und doch unterschie<strong>den</strong>, hat das Neue Testament ke<strong>in</strong> Interesse.<br />

Wichtiger war, wie <strong>den</strong>n wohl der Mann aus Nazareth <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung zu Gott<br />

gebracht wer<strong>den</strong> könnte und dies auf dem H<strong>in</strong>tergrund der hebr. Bibel. Es war also<br />

die Christologie, die geklärt wer<strong>den</strong> musste: <strong>in</strong> welchem Verhältnis steht Jesus, der<br />

Christus, zu Gott, dem Vater? Vom jüdischen Denken her war dabei höchste<br />

Pflicht, die E<strong>in</strong>zigkeit Gottes zu betonen. Hier folgt das Neue Testament noch<br />

ganz der hebr. Bibel und betont: „Es gibt außer Gott ke<strong>in</strong>en anderen Gott“.<br />

Und dann muss gesagt wer<strong>den</strong>: Es ist dieser Gott, der an Jesus handelt und der<br />

sich durch Jesus der Welt offenbart: „Gott selbst wird durch Jesus Christus<br />

offenbar im Geist“ (H. Küng, Credo, 204).


Tr<strong>in</strong>ität 15 07 09 12<br />

4. Konsequenzen:<br />

In diesem „tr<strong>in</strong>itarischen Heilgeschehen“, und ich möchte von nun an lieber von<br />

e<strong>in</strong>em „dreifachen Schritt des e<strong>in</strong>en Gottes auf die Menschen zu“ sprechen, <strong>in</strong><br />

diesem Geschehen, das auf <strong>den</strong> Menschen zielt und nicht auf Gott, und das <strong>in</strong> der<br />

klassischen Thelogie die „Oikonomia“ genannt wurde, bleibt Gott der e<strong>in</strong>e Gott,<br />

Jesus kann als Sohn Gottes im Geiste verstan<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> und der Geist wird<br />

verstan<strong>den</strong> als das, was die Bibel von ihm sagt: Gott ist Geist und wo der Geist<br />

Gottes ist, da ist Freiheit.<br />

E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nergöttliche Dreie<strong>in</strong>igkeit von Vater, Sohn und Heiligen Geist muss dabei<br />

nicht gedacht wer<strong>den</strong>. Gott bleibt der e<strong>in</strong>e und Mächtige, und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Beziehung<br />

durch Jesus zu <strong>den</strong> Menschen im Geiste ist und bleibt er die Liebe.<br />

Zusammenfassend zitiere ich Hans Küng, der <strong>den</strong> biblischen Kern der<br />

außerbiblischen und traditionellen Tr<strong>in</strong>itätslehre <strong>in</strong> folgen<strong>den</strong> drei Punkten sieht:<br />

- An Gott, <strong>den</strong> Vater, glauben, heißt, an <strong>den</strong> e<strong>in</strong>en Gott, Schöpfer, Bewahrer<br />

und Vollender von Welt und Mensch glauben: Diesen Glauben an <strong>den</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Gott haben Ju<strong>den</strong>tum, Christentum und Islam geme<strong>in</strong>sam.<br />

- An <strong>den</strong> Heiligen Geist glauben, heißt, an Gottes wirksame Macht und Kraft<br />

<strong>in</strong> Mensch und Welt glauben: Auch dieser Glaube an Gottes Geist kann<br />

Ju<strong>den</strong>, Christen und Muslimen geme<strong>in</strong>sam se<strong>in</strong>.<br />

- An <strong>den</strong> Sohn Gottes glauben, heißt, an des e<strong>in</strong>en Gottes Offenbarung im<br />

Menschen Jesus von Nazareth glauben, der so Gottes Wort, Bild und Sohn<br />

ist. Über diese entschei<strong>den</strong>de Differenz müsste gerade unter <strong>den</strong> drei<br />

prophetischen Religionen weiter gesprochen wer<strong>den</strong>. (Ders. 204)<br />

Hier sehe ich aber gerade die Rede vom dreifachen Schritt des e<strong>in</strong>en Gottes auf die<br />

Menschen zu als e<strong>in</strong>e Chance der Verständigung und des Brückenbauens (vgl. dazu<br />

auch K.-P. Jörns, Mehr Leben bitte, S. 176 ff.).<br />

1. Schritt: es ist der der e<strong>in</strong>e Gott <strong>in</strong> der Vielfalt der Mythen und Namen, <strong>in</strong> der<br />

Vielfalt der Wahrnehmungsgestalten aller Religionen, der <strong>in</strong> dieser Welt ist und<br />

wirkt.<br />

2. Schritt: Dieser e<strong>in</strong>e Gott wendet sich se<strong>in</strong>en Geschöpfen zu; er offenbart sich,<br />

oder vorsichtiger: wird offenbart von Mittlergestalten – Mose, Buddha, die<br />

Propheten, Jesus, Mohammed und andere.<br />

3. Gott ist von allen Menschen erfahrbar als Geist; er ist geistesgegenwärtig. Er<br />

bewegt Menschen aufe<strong>in</strong>ander zu – das Zusammenleben von Menschen<br />

unterschiedlicher Konfession und Religion wird zum Ausdruck der e<strong>in</strong>en<br />

Gottesgegenwart. Denn:<br />

„Erfahrbare Menschlichkeit ist das e<strong>in</strong>zige Wahrheitskriterium für alle Religionen.<br />

Nur <strong>in</strong> diesem Punkt sollten Religionen mite<strong>in</strong>ander konkurrieren. Religionen<br />

selber s<strong>in</strong>d relativ. Gott ist der Absolute, und der ganze Beitrag der Religionen liegt<br />

dar<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong> Mensch im Vertrauen auf diesen Gott zum Muslim, zum befriedeten,<br />

oder zum Zaddik, zum gerechten, oder zu jemand wird, von dem Jesus gesagt hätte,<br />

er sei e<strong>in</strong> wirklicher Mensch, e<strong>in</strong> Menschensohn; oder e<strong>in</strong> Erleuchteter der Güte und<br />

der Weisheit, e<strong>in</strong> Buddha, oder e<strong>in</strong> Tathataga, e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>durchgegangener. Alle diese


Tr<strong>in</strong>ität 15 07 09 13<br />

Bilder kann man dann gebrauchen – und man wird ihren komplementären<br />

Charakter erkennen“ (E. Drewermann, Krieg ist Krankheit, ke<strong>in</strong>e Lösung, Freiburg i.Br. 2002, 132 f.).<br />

Ich plädiere dafür, nicht mehr vom dreifaltigen Gott zu re<strong>den</strong>, sondern, wie<br />

dargestellt, von e<strong>in</strong>em dreifachen Schritt des e<strong>in</strong>en Gottes auf se<strong>in</strong>e Menschen zu.<br />

Ich glaube, wir wür<strong>den</strong> vielen Menschen <strong>den</strong> Zugang zum christlichen Glauben<br />

erleichtern und e<strong>in</strong> breites Tor für <strong>den</strong> <strong>in</strong>terreligiösen Dialog aufstoßen.<br />

Deshalb haben wir angefangen, Gottesdienst im Namen Gottes des Vaters durch<br />

<strong>den</strong> Sohn im Heiligen Geist feiern.<br />

Wir hätten die Frage der Tr<strong>in</strong>ität zurückgeführt auf die biblische Frage Jesu an<br />

se<strong>in</strong>e Jünger: „Ihr aber, wer sagt ihr, dass ich sei?“ (Mk 8, 29).<br />

Und wir dürften ganz neu fragen:<br />

Was bedeutete es, wenn wir ihn <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Leben und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Sterben und Tod<br />

von Gott gehalten und umfangen glaubten, ohne dass er selbst, aus e<strong>in</strong>er ihm<br />

zugeschriebenen Göttlichkeit heraus auferstan<strong>den</strong> wäre, sondern von Gott<br />

auferweckt wor<strong>den</strong> wäre?<br />

Was bedeutete es, wenn wir <strong>in</strong> ihm <strong>den</strong> „Sohn Gottes im Geiste“ sähen, <strong>in</strong> dessen<br />

Nachfolge wir nichts anderes wären als er selbst: K<strong>in</strong>der Gottes im Geiste?<br />

Was bedeutete es, wenn wir <strong>in</strong> ihm nicht mehr und nicht weniger als unser Ur-bild,<br />

unsere Ikone, der Liebe Gottes sähen, und uns aufmachten, bei <strong>den</strong> anderen deren<br />

Bilder und Ikonen anzusehen?<br />

Was bedeutete es für uns und für die Ju<strong>den</strong> und Muslime, wenn wir <strong>in</strong> Jesus <strong>den</strong><br />

Gesandten Gottes sähen, also im S<strong>in</strong>ne der hebr. Bibel <strong>den</strong>, der Gottes Wort und<br />

Willen bevollmächtigt ausführt und mit se<strong>in</strong>er ganzen Person dafür e<strong>in</strong>steht?<br />

Was würde uns fehlen, wenn wir uns an die Liebe Gottes hielten, die durch Jesus <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em Leben und Sterben, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Worten und Taten, beurkundet wurde und die<br />

uns im Geist Gottes ergreift und bewegt?<br />

Kurz: Was würde uns fehlen, wenn wir mehr von der „wesensgleichen<br />

Dreifaltigkeit“ redeten?<br />

Klaus-Georg Poehls<br />

15.07.2009<br />

Literatur:<br />

Der Koran, erschlossen und kommentiert von A.T. Khoury, Düsseldorf 2005<br />

Die Bibel nach der Übersetzung Mart<strong>in</strong> Luthers, Stuttgart 1985<br />

Die Bekenntnisschriften der Evangelisch -Lutherische Kirche. Hg. im Ge<strong>den</strong>kjahr der Augsburg. Konfession 1930,<br />

9. Aufl. Gött<strong>in</strong>gen 1982<br />

Drewermann, E., Krieg ist Krankheit, ke<strong>in</strong>e Lösung, Freiburg i.Br. 2002Hägglund, B., Geschichte der Theologie. E<strong>in</strong><br />

Abriß, München 1983<br />

Evangelisches Gesangbuch. Ausgaben für die Nordelbische Evangelisch -Lutherische Kirche, Hamburg Kiel 1994<br />

Halbfas, H. Das Welthaus. E<strong>in</strong> religionsgeschichtliches Lesebuch, Stuttgart 1983


Tr<strong>in</strong>ität 15 07 09 14<br />

Jörns, K.-P., Mehr Leben bitte. Zwölf Schritte zur Freiheit im Glauben, Gütersloh 2009<br />

Katechismus der Katholischen Kirche. Kompendium, Deutsche Bischofskonferenz, München 2005<br />

Küng, H., Credo, München, 5. Aufl. 2005<br />

Ritter, A.M., Kirchen- und Theologiegeschichte <strong>in</strong> Quellen, Bd. 1 Alte Kirche, Neukirchen-Vluyn 3. Aufl. 1985<br />

Schmidt, J. M., „… um se<strong>in</strong>es NAMENs willen. Alttestamentliche Anhaltspunkte für tr<strong>in</strong>itarisches Re<strong>den</strong> vom Gott<br />

Israels, <strong>in</strong>: K. Kriener, J.M. Schmidt (Hgg.), „… um se<strong>in</strong>es NAMENs willen“. Christen und Ju<strong>den</strong> vor dem e<strong>in</strong>en<br />

Gott Israels, Neukirchen-Vluyn 2005<br />

Wengst, K., Neutestamentliche Aspekte zur tr<strong>in</strong>itarischen Rede von Gott, <strong>in</strong>: K. Kriener, J.M. Schmidt (Hgg.), „…<br />

um se<strong>in</strong>es NAMENs willen“. Christen und Ju<strong>den</strong> vor dem e<strong>in</strong>en Gott Israels, Neukirchen-Vluyn 2005

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