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Ursachen und Behandlung der Schulphobie bei Jugendlichen

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<strong>Ursachen</strong> <strong>und</strong> <strong>Behandlung</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Schulphobie</strong> <strong>bei</strong> Kin<strong>der</strong>n <strong>und</strong><br />

<strong>Jugendlichen</strong><br />

Prof. Dr. Reinmar du Bois<br />

Klinik für Kin<strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie <strong>und</strong> Psychotherapie<br />

Klinikum Stuttgart – Standort Olgahospital<br />

du Bois 2011


Diagnosen<br />

• Emotionale Störung <strong>der</strong> Kindheit z.B. mit Trennungsangst F93<br />

• Aggressionen gegen die Eltern F92<br />

• Depressive Störungen F32<br />

• Phobische Störung (Sozialphobie) F40.2<br />

• Angststörungen F41<br />

• Zwangsstörungen (selten) F42<br />

• Somatisierungsstörungen <strong>und</strong> somatoforme Störungen F45<br />

• Teilschwächen (mit schulischer Überfor<strong>der</strong>ung) F81<br />

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du Bois 2011


psychosoziale Belastungsfaktoren<br />

• Abnorme familiäre Beziehungen<br />

• abweichendes Verhalten <strong>und</strong> psychische Erkrankungen <strong>der</strong> Eltern<br />

• verzerrte Kommunikation in <strong>der</strong> Familie (verdeckte<br />

Leistungserwartungen)<br />

• abnorme Erziehungsbedingungen<br />

• abnorme unmittelbare Lebensumstände<br />

• akute belastende Lebensereignisse<br />

• gesellschaftliche Belastungsfaktoren (z.B. ungeeignetes Schulsystem)<br />

• chronische zwischenmenschliche Belastungen im Zusammenhang mit<br />

<strong>der</strong> Schule)<br />

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Schule - Erlebnisraum (1)<br />

• System Schule – Selbstverständnis <strong>und</strong> Wi<strong>der</strong>sprüche<br />

– Wissensvermittlung – o<strong>der</strong> Persönlichkeit bilden?<br />

– Konkrete Berufsorientierung – o<strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>wissen <strong>und</strong> allg. Verstehen?<br />

– Eliten för<strong>der</strong>n – o<strong>der</strong> alle gemeinsam bilden <strong>und</strong> sozial integrieren?<br />

• Schule als sozialer Entwicklungsraum<br />

– Kind soll in <strong>der</strong> Schule gut versorgt <strong>und</strong> verstanden werden<br />

– Kind soll altersadäquate Beziehungen zu Mitschülern <strong>und</strong> Lehrern aufnehmen<br />

– Kind soll den Ernst des Lebens lernen (?) („Vorgeschmack“)<br />

– Kind <strong>und</strong> Eltern müssen akzeptieren, dass die Schule legitimiert ist, das Kind<br />

zu taxieren<br />

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Schule - Erlebnisraum (2)<br />

• Schule als Projektionsfläche für Eltern-Kind Konflikte<br />

– Trennungskonflikte (<strong>bei</strong> problematischen Bindungen)<br />

– Überfor<strong>der</strong>ung, überhöhte Erwartungen <strong>der</strong> Eltern<br />

– narzisstische Konflikte (Angst nicht mehr geliebt/bew<strong>und</strong>ert zu werden,<br />

wenn erfolglos)<br />

• Schule zeigt an bzw. macht sichtbar, wo das Kind „nicht<br />

normal“ ist<br />

– Ich-Schwäche, Defizite in <strong>der</strong> Autonomieentwicklung<br />

– Depression, Mangel an Selbstvertrauen <strong>und</strong> Motivation<br />

– Teilleistungsschwächen – Aufmerksamkeitsstörung (altersabhängig!)<br />

– Umfassende Leistungsschwäche<br />

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Stationen, an denen schulvermeidende<br />

Kin<strong>der</strong> scheitern<br />

• Historisch<br />

– vor 1960 galt jedes Fernbleiben von <strong>der</strong> Schule als soziale<br />

Regelwidrigkeit („Wi<strong>der</strong>setzlichkeit“), i.S. eines oppositionellen<br />

Verhaltens<br />

– seit HERSOV (1960) ist <strong>Schulphobie</strong> als emotionales Problem<br />

anerkannt<br />

• Schulanfang<br />

– Fokus „Mutter-Kind Interaktion (Symbiose?)“<br />

• Gr<strong>und</strong>schule (3. <strong>und</strong> 4. Klasse)<br />

– Fokus Ar<strong>bei</strong>tsverhalten des Kindes <strong>und</strong> Toleranz <strong>der</strong> Lehrer<br />

– Erwartungshaltung <strong>der</strong> Eltern<br />

• weiterführende Schule<br />

– Komplexer sozialer Diskurs in <strong>der</strong> Peer Gruppe<br />

– alleine Ar<strong>bei</strong>ten lernen– Konflikte <strong>der</strong> <strong>Jugendlichen</strong> mit ihren Eltern<br />

wegen Mitar<strong>bei</strong>t, Noten, Fleiß. Umschulung nötig?<br />

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Symptomatik<br />

• Verhalten im Elternhaus<br />

– Quengeln - For<strong>der</strong>n - Vermeiden - Trödeln - Bedingungen stellen<br />

– Tyrannisieren - Mutter soll Kind zur Schule begleiten – penibles<br />

Aushandeln von Bedingungen<br />

• Körperliche Beschwerden<br />

– Bauchschmerzen, Kopfweh, Durchfall, Infektanfälligkeit,<br />

Schwindel, Schwächegefühl, Hypochondrie<br />

• Begründungen des Kindes<br />

– offene Weigerung - Kind sagt, es werde in <strong>der</strong> Schule gehänselt,<br />

gemobbt - Lehrer sei ungerecht <strong>und</strong> zu streng - stellt Besserung<br />

durch Schulwechsel in Aussicht.<br />

• Angaben zum inneren Erleben<br />

– Weigerung ohne Angabe von Gründen - es „geht nicht“, innerer<br />

Wi<strong>der</strong>stand - aufkommendes Panikgefühl - Rückzug in <strong>der</strong><br />

Wohnung<br />

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Familiendynamik<br />

<strong>bei</strong> Kin<strong>der</strong>n<br />

• Motto: „Kind traut sich nicht, <strong>der</strong> Mutter den Rücken<br />

zuzukehren“<br />

– Ein Elternteil depressiv o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s psychisch geschwächt<br />

– Krankheit <strong>und</strong> Tod enger Angehöriger (psychischer Umbruch <strong>bei</strong><br />

den Eltern)<br />

– Auflösungserscheinungen <strong>der</strong> Familie (kaschierte<br />

Trennungsarrangements „dem Kind zuliebe“)<br />

– Mütterliche Angst vor dem Alleinsein<br />

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Gründe für Schulvermeidung<br />

<strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong><br />

– familiäres Harmoniebedürfnis, Verleugnung von<br />

Autonomiebestrebungen des <strong>Jugendlichen</strong><br />

– In <strong>der</strong> gesamten Familie: Kontaktarmut, Scheu, Misstrauen<br />

gegenüber <strong>der</strong> Außenwelt<br />

– starker negativer Affekt zwischen Eltern <strong>und</strong> Kind (Angst vor<br />

totalem Beziehungsabbruch)<br />

– Peer Gruppe entwickelt Eigendynamik. Sozial schwache Kin<strong>der</strong><br />

können nicht mehr mithalten <strong>und</strong> werden ausgeschlossen, gehen<br />

<strong>bei</strong> Verabredungen leer aus<br />

– Familie kann den sozialen Verkehr ihres Kindes nicht mehr<br />

arrangieren.<br />

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Was ist zu tun?<br />

• Kin<strong>der</strong>arzt (Hausarzt)<br />

– Schulangst (eventuell auch Krankheitsangst) thematisieren<br />

– sparsame somatische Abklärung - sparsames Überweisen<br />

– schulbefreiende Atteste sind tabu<br />

– Verständnis für die Situation <strong>der</strong> Eltern zeigen<br />

– Parent Battering abfragen<br />

– Erklären: Beseitigung <strong>der</strong> Beschwerden führt nicht automatisch<br />

zur Wie<strong>der</strong>aufnahme des Schulbesuchs<br />

• Schule<br />

– Öffentliche Schulpflicht verteidigen <strong>und</strong> durchsetzen<br />

– (Schule trat früher selbstbewusster in dieser Rolle auf!)<br />

– Schule bewusst als Gegenpol zu den bedrängten Familien<br />

darstellen<br />

– keinen Hausunterricht arrangieren<br />

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Psychotherapie<br />

• Elternzentrierte Ar<strong>bei</strong>t<br />

• den Eltern helfen, sich aus dem Konfliktfeld zu lösen<br />

• eheliche Beziehung klären<br />

• Zukunft (abgesehen vom Kind) in Angriff nehmen<br />

• Schuld <strong>und</strong> Scham gegenüber <strong>der</strong> Außenwelt bear<strong>bei</strong>ten<br />

• dunkle Punkte <strong>der</strong> familiären Vorgeschichte bear<strong>bei</strong>ten<br />

• klare, energische, selbstbewußte Positionen vertreten -<br />

Handlungsfähigkeit beweisen<br />

• ambulante Therapie<br />

• (nur <strong>bei</strong> gelingen<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufnahme des Schulbesuchs!)<br />

• Trennungsängste bear<strong>bei</strong>ten - Nachreifung erreichen<br />

• angstauslösende Situationen erkennen<br />

• stationäre Therapie<br />

• Anfang <strong>der</strong> Therapie ist die größte Hürde<br />

• an<strong>der</strong>e Beziehungsmuster im Alltag erfahren<br />

• Schulbesuch im neutralen Umfeld <strong>der</strong> Klinik problemlos!<br />

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