Totholz – ein Kohlen- stoffspeicher? - BayCEER
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Globaler Wandel<br />
Inken Krüger<br />
Werner Borken<br />
Christoph Schulz<br />
<strong>Totholz</strong> <strong>–</strong><br />
<strong>ein</strong> <strong>Kohlen</strong><strong>stoffspeicher</strong>?<br />
Eine Studie über den<br />
Beitrag von <strong>Totholz</strong> zur<br />
<strong>Kohlen</strong><strong>stoffspeicher</strong>ung<br />
in bayerischen Wäldern<br />
Anders als in Wirtschaftswäldern werden im Naturschutzgebiet<br />
Rohrberg alte Bäume nicht gefällt. Als<br />
stehendes <strong>Totholz</strong> sind sie <strong>ein</strong> Lebensraum für Insekten,<br />
Vögel und Pilze.
Zu <strong>ein</strong>em natürlichen Wald gehören nicht<br />
nur alte Bäume mit großen Kronen, sondern<br />
auch jene Bäume, die schon lange k<strong>ein</strong> Grün<br />
mehr tragen. Das so genannte <strong>Totholz</strong> erfüllt viele<br />
ökologische Funktionen. Es ist Lebensraum für<br />
Vögel, Insekten und Pilze, Wasserspeicher, <strong>ein</strong><br />
Keimbett für Jungwuchs und Bestandteil des Nährstoffkreislaufs.<br />
Als Teil des <strong>Kohlen</strong>stoffkreislaufs<br />
wird <strong>Totholz</strong> im Kyotoprotokoll berücksichtigt.<br />
Dennoch liegen wenig Zahlen über die Rolle von<br />
<strong>Totholz</strong> im <strong>Kohlen</strong>stoffkreislauf vor: wie viel <strong>Totholz</strong><br />
kommt in den heimischen Wäldern vor und<br />
wie lange verbleibt es im Wald? Was passiert nach<br />
der Holzzersetzung mit dem <strong>Kohlen</strong>stoff? Reichert<br />
sich <strong>Kohlen</strong>stoff aus <strong>Totholz</strong> im Boden an oder<br />
wird dieser vollständig zu CO2 mineralisiert?<br />
Um den Einfluss von <strong>Totholz</strong> auf <strong>Kohlen</strong>stoffvorräte<br />
beschreiben zu können, werden in drei bayerischen<br />
Wäldern mit den hier typischen Baumarten<br />
Fichte, Buche und Eiche Untersuchungen zur<br />
Funktion von <strong>Totholz</strong> durchgeführt. Dabei werden<br />
je <strong>ein</strong> unbewirtschafteter Wald und <strong>ein</strong> nahe gelegener<br />
bewirtschafteter Wald betrachtet. Zur Ermittlung<br />
der <strong>Totholz</strong>mengen kann man bei oberirdischem<br />
<strong>Totholz</strong> auf zwar aufwendige, aber relativ<br />
<strong>ein</strong>fache Art und Weise vorgehen: mit Maßband<br />
und Zollstock werden alle toten Stämme, Stümpfe<br />
und Äste mit <strong>ein</strong>em Durchmesser größer als 7 cm<br />
abgemessen und erfasst. Anhand äußerer Merkmale<br />
wird <strong>ein</strong> Zersetzungsgrad zugewiesen und<br />
durch das Anbohren von Stämmen die Holzdichte<br />
bestimmt. Die Erfassung von unterirdischem <strong>Totholz</strong><br />
gestaltet sich schwieriger. So müssen zu dessen<br />
Erfassung abgestorbene Wurzelstöcke mithilfe<br />
<strong>ein</strong>es Baggers ausgegraben werden. In den für alte<br />
Eichen bekannten Naturschutzgebieten Rohrberg<br />
im Spessart und Ludwigshain bei Kelheim finden<br />
sich mit bis zu 165 m 3 /ha (30 t <strong>Kohlen</strong>stoff)<br />
rund fünfmal mehr oberirdisches <strong>Totholz</strong> als in<br />
den angrenzenden Wirtschaftswäldern. Im Naturwaldreservat<br />
Grübel im Bayerischen Wald, <strong>ein</strong>em<br />
Fichtenbestand, kommen rund 65 m 3 /ha <strong>Totholz</strong><br />
(11 t <strong>Kohlen</strong>stoff) vor. Sowohl in s<strong>ein</strong>er Funktion<br />
als Lebensraum als auch in Hinblick auf die Zersetzungsrate<br />
ist nicht nur die Menge an <strong>Totholz</strong>,<br />
sondern auch die <strong>Totholz</strong>form von Bedeutung. So<br />
findet man im unbewirtschafteten Wald abgestorbene<br />
Eichenstämme mit Volumen von bis zu 10 m 3<br />
und hohe Anteile an stehendem <strong>Totholz</strong>.<br />
Um <strong>ein</strong>zuschätzen, ob <strong>Totholz</strong> <strong>ein</strong>e <strong>Kohlen</strong>stoffsenke<br />
ist, genügt <strong>ein</strong>e Momentaufnahme der <strong>Totholz</strong>-<br />
Ausgabe 1 . 2011<br />
vorräte nicht. Angaben über die Verweilzeit von<br />
<strong>Totholz</strong> im Wald sind ebenfalls notwendig. Zur<br />
Bestimmung dieses Zeitraums werden zwei verschiedene<br />
Methoden <strong>ein</strong>gesetzt. Bei der dendrochronologischen<br />
Kreuzdatierung werden die Jahrringsequenzen<br />
von <strong>Totholz</strong>stämmen digitalisiert<br />
und mit Sequenzen von Bäumen, deren Absterbejahr<br />
bekannt ist, verglichen. Da die Jahrringbreiten<br />
von ökologischen Faktoren wie dem Wetter abhängen,<br />
ist die Abfolge von breiten und schmalen<br />
Ringen für die Bäume <strong>ein</strong>es Bestands sehr ähnlich<br />
und ermöglicht <strong>ein</strong>e präzise Datierung. Mit der<br />
Radiokarbonmethode kann das Alter des jüngsten<br />
Inken Krüger bei der Aufnahme von<br />
<strong>Totholz</strong>. Die Geoökologin schreibt seit<br />
Oktober 2009 am Lehrstuhl für Bodenökologie<br />
bei Werner Borken an ihrer Doktorarbeit<br />
mit dem Titel „Potential von ober- und<br />
unterirdischen <strong>Totholz</strong> als <strong>Kohlen</strong>stoffsenke in<br />
Natur- und Wirtschaftswäldern“.<br />
71
Globaler Wandel<br />
Stark zersetztes <strong>Totholz</strong>, das teils<br />
über<strong>ein</strong>andergestapelt ist, stellt <strong>ein</strong>e<br />
Herausforderung für die vollständige Kartierung<br />
dar. Die Aufnahme aus dem Naturschutzgebiet<br />
Ludwigshain zeigt, wie viel <strong>Totholz</strong> sich<br />
auf kl<strong>ein</strong>em Raum sammeln kann.<br />
Jahrrings bestimmt werden. Durch oberirdische<br />
Atombombentests wurden in den 1950er und<br />
60er Jahren große Mengen des radioaktiven <strong>Kohlen</strong>stoffisotops<br />
14 C in die Atmosphäre freigesetzt.<br />
Seit dem Moratorium 1963 nimmt die 14 C Konzentration<br />
in der Atmosphäre kontinuierlich ab. Durch<br />
diesen Effekt kann die Radiokarbonmethode nicht<br />
nur für archäologische Zwecke, sondern auch für<br />
rezente Altersbestimmungen genutzt werden. Zur<br />
Altersbestimmung von <strong>Totholz</strong> ist sie deshalb anwendbar,<br />
da die 14 C Konzentration jedes Jahrrings<br />
jener der Atmosphäre im entsprechenden Jahr<br />
entspricht. Beide Methoden setzen jedoch voraus,<br />
dass die Waldkante, der letzte gebildete Jahrring,<br />
noch vorhanden ist. Stark zersetztes <strong>Totholz</strong> kann<br />
deshalb nicht datiert werden.<br />
Der Zersetzungsprozess ist von vielen Parametern<br />
abhängig, wie vom Pilzbefall, der Exposition, der<br />
Dicke des Stammes oder mechanischen Schäden<br />
des Holzes. So korreliert der Todeszeitpunkt nicht<br />
zwingend mit Zersetzungsgrad und der Holzdichte.<br />
Das maximale Alter von <strong>Totholz</strong> ist stark abhängig<br />
von der Baumart. So kann Eichentotholz<br />
Verweilzeiten von über 60 Jahren aufweisen. Das<br />
gefundene und datierte Fichten- und Buchentotholz<br />
geht hingegen nach etwa 30 Jahre in <strong>ein</strong>en<br />
stark zersetzen Zustand über, in dem es nicht mehr<br />
datiert werden kann.<br />
Projekt KLIP 23<br />
Doch was passiert nach der Holzzersetzung mit<br />
dem <strong>Kohlen</strong>stoff? Der überwiegende Teil gelangt<br />
durch den mikrobiellen Abbau als CO 2 in die Atmosphäre,<br />
<strong>ein</strong> geringerer Teil in den Boden. Der<br />
Boden enthält in unseren Breiten <strong>ein</strong>en beträchtlichen<br />
Vorrat an organischem <strong>Kohlen</strong>stoff. In den<br />
untersuchten Wäldern konnten Mengen von bis zu<br />
14 t/ha in der Humusauflage und bis zu 82 t/ha<br />
<strong>Kohlen</strong>stoff in den obersten 10 cm des Bodens<br />
berechnet werden. Doch wie viel <strong>Kohlen</strong>stoff sich<br />
durch <strong>Totholz</strong> im Boden anreichern kann, ist bislang<br />
kaum untersucht. Auf den Versuchsflächen<br />
soll durch den Vergleich von bewirtschaftetem und<br />
unbewirtschaftetem Wald dieser Einfluss bestimmt<br />
werden. Für die Analyse wurden in jedem der untersuchten<br />
unbewirtschafteten sowie bewirtschafteten<br />
Wäldern 30 Bodenproben bis in 1 Meter<br />
Tiefe entnommen und deren <strong>Kohlen</strong>stoffgehalt untersucht.<br />
Um Aussagen über die Umsatzzeiten von<br />
organischem <strong>Kohlen</strong>stoff im Boden treffen zu können,<br />
wird die 14 C-Signatur von verschiedenen Fraktionen<br />
des Bodens bestimmt. Die Auswertung der<br />
bisherigen Resultate zeigt, dass die Bewirtschaftungsform<br />
k<strong>ein</strong>en Einfluss auf den Gesamtkohlenstoffgehalt<br />
des Bodens hat. Allerdings ändert<br />
sich der Gesamtkohlenstoffgehalt nur langsam im<br />
Vergleich zu den Zeiträumen, seit denen die Wälder<br />
nicht mehr wirtschaftlich genutzt werden. Die<br />
14 C-Signatur ermöglicht <strong>ein</strong>e detaillierte Analyse<br />
der Veränderungen durch <strong>Totholz</strong>. Mit diesem<br />
Ansatz soll die Funktion des <strong>Totholz</strong>es für die <strong>Kohlen</strong><strong>stoffspeicher</strong>ung<br />
in Waldböden untersucht werden<br />
und die Frage beantwortet werden, wie viel<br />
<strong>Kohlen</strong>stoff sich durch <strong>Totholz</strong> im Wald anreichert.<br />
72 Ausgabe 1 . 2011<br />
Info<br />
Das Projekt KLIP 23 wird am Lehrstuhl für<br />
Bodenökologie durch Inken Krüger, Helga<br />
Hertel-Kolb, Uwe Hell und Werner Borken in<br />
Kooperation mit Christoph Schulz von der<br />
Bayerischen Landesanstalt für Wald und<br />
Forstwirtschaft (LWF) in Freising bearbeitet.<br />
Das Projekt läuft von Oktober 2009 bis September<br />
2012 und wird im Rahmen des Klimaprogrammes<br />
2020 vom Bayerischen Staatsministerium<br />
für Ernährung, Landwirtschaft und<br />
Forsten finanziert.<br />
• www.bayceer.uni-bayreuth.de/bod