Gesetzlich legitimierter Zwang in der stationären Versorgung von ...

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1 Gesetzlich legitimierter Zwang in der stationären Versorgung von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen/ psychiatrischen Krankheitsbildern BAWO-Fachtagung „Was können wir uns leisten?“ 2010 Erich Wahl, Bereichsleiter, Bewohnervertretung

1<br />

<strong>Gesetzlich</strong> <strong>legitimierter</strong> <strong>Zwang</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>stationären</strong> <strong>Versorgung</strong> <strong>von</strong> Menschen<br />

mit psychischen Bee<strong>in</strong>trächtigungen/<br />

psychiatrischen Krankheitsbil<strong>der</strong>n<br />

BAWO-Fachtagung „Was können wir uns leisten?“ 2010<br />

Erich Wahl, Bereichsleiter, Bewohnervertretung


2<br />

<strong>Gesetzlich</strong> <strong>legitimierter</strong> <strong>Zwang</strong> wird hier als E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong><br />

Grundrechte <strong>von</strong> Menschen mit psychischer Erkrankung<br />

und geistiger Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung def<strong>in</strong>iert.<br />

Dies kann aber nur unter bestimmten Voraussetzungen<br />

erfolgen<br />

und es muss e<strong>in</strong> ausreichen<strong>der</strong> Rechtsschutz durch<br />

gesetzliche Kontrolle gewahrt bleiben.<br />

Das Spannungsfeld <strong>von</strong> Schutz e<strong>in</strong>erseits und das hohe<br />

Maß <strong>von</strong> Fremdbestimmung bzw. „Entmündigung“<br />

an<strong>der</strong>erseits wird sichtbar.<br />

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3<br />

VertretungsNetz<br />

• Sachwalterschaft: gesetzliche Vertretung <strong>von</strong> Menschen<br />

mit psychischer Erkrankung und geistiger Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung,<br />

die ihre Angelegenheiten nicht mehr regeln können.<br />

(Sachwalterrecht)<br />

• Patientenanwaltschaft: gesetzliche Vertretung <strong>von</strong><br />

Menschen mit psychischer Erkrankung, die gegen ihren<br />

Willen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychiatrie untergebracht werden. (UbG)<br />

• Bewohnervertretung: gesetzliche Vertretung <strong>von</strong><br />

Menschen mit psychischer Erkrankung und geistiger<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung die <strong>in</strong> Pflege- und Betreuungse<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>in</strong> ihrer Freiheit beschränkt werden. (HeimAufG)<br />

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4<br />

Grundrechtse<strong>in</strong>griffe unterliegen e<strong>in</strong>er<br />

gesetzlichen Regelung<br />

E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die persönliche (Bewegungs-)Freiheit<br />

Rechtsschutz für die Menschen an denen <strong>der</strong><br />

Grundrechtse<strong>in</strong>griff vorgenommen wird.<br />

Rechtssicherheit für die Institution und die handelnden<br />

Personen.<br />

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5<br />

Grundrechtliche Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

(Schutz <strong>der</strong> persönlichen Freiheit)<br />

Art 5 EMRK: Recht auf Freiheit und Sicherheit<br />

(Europäische Menschenrechtskonvention: seit 1964<br />

im Verfassungsrang)<br />

Verpflichtung zur Achtung <strong>der</strong> Menschenrechte, Recht auf Leben, Verbot <strong>der</strong> Folter, Verbot <strong>der</strong><br />

Sklaverei und <strong>der</strong> <strong>Zwang</strong>sarbeit, Recht auf Freiheit und Sicherheit, Recht auf e<strong>in</strong><br />

faires Verfahren, Ke<strong>in</strong>e Strafe ohne Gesetz, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens,<br />

Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, Freiheit <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ungsäußerung, Versammlungsund<br />

Vere<strong>in</strong>igungsfreiheit, Recht auf Eheschließung, Recht auf wirksame Beschwerde, Verbot <strong>der</strong><br />

Benachteiligung (Diskrim<strong>in</strong>ierung), …<br />

(www.emrk.at)<br />

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6<br />

PersFrG 1988 (Bundesverfassungsgesetz über<br />

den Schutz <strong>der</strong> persönlichen Freiheit)<br />

Artikel 1<br />

(1) Je<strong>der</strong>mann hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit<br />

(persönliche Freiheit ).<br />

(2) Niemand darf aus an<strong>der</strong>en als den <strong>in</strong> diesem<br />

Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen o<strong>der</strong> auf e<strong>in</strong>e<br />

an<strong>der</strong>e als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen<br />

o<strong>der</strong> angehalten werden.<br />

(3) Der Entzug <strong>der</strong> persönlichen Freiheit darf nur gesetzlich vorgesehen werden, wenn dies nach<br />

dem Zweck <strong>der</strong> Maßnahme notwendig ist; die persönliche Freiheit darf jeweils nur entzogen<br />

werden, wenn und soweit dies nicht zum Zweck <strong>der</strong> Maßnahme außer Verhältnis steht.<br />

(4) Wer festgenommen o<strong>der</strong> angehalten wird, ist unter Achtung <strong>der</strong> Menschenwürde und mit<br />

möglichster Schonung <strong>der</strong> Person zu behandeln und darf nur solchen Beschränkungen<br />

unterworfen werden, die dem Zweck <strong>der</strong> Anhaltung angemessen o<strong>der</strong> zur Wahrung <strong>von</strong><br />

Sicherheit und Ordnung am Ort se<strong>in</strong>er Anhaltung notwendig s<strong>in</strong>d.<br />

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7<br />

PersFrG 1988 (Bundesverfassungsgesetz über<br />

den Schutz <strong>der</strong> persönlichen Freiheit)<br />

Artikel 2<br />

(1) Die persönliche Freiheit darf e<strong>in</strong>em Menschen <strong>in</strong> folgenden<br />

Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen<br />

werden:<br />

(…)<br />

5. wenn Grund zur Annahme besteht, dass er e<strong>in</strong>e Gefahrenquelle<br />

für die Ausbreitung anstecken<strong>der</strong> Krankheiten sei o<strong>der</strong> wegen<br />

psychischer Erkrankung sich o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e gefährde;<br />

(…)<br />

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8<br />

EMRK<br />

Ziffer 1<br />

„aufgrund e<strong>in</strong>er mit Strafe<br />

bedrohten Handlung auf<br />

Freiheitsentzug erkannt“<br />

Bundesverfassungsgesetzes<br />

zum Schutz <strong>der</strong> persönlichen<br />

Freiheit (PersFrG 1988)<br />

Erlaubte E<strong>in</strong>schränkungen<br />

gemäß Art 2 Abs 1<br />

Ziffer 5<br />

„wegen psychischer<br />

Erkrankung sich o<strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>e gefährde“<br />

StrafR<br />

Seit 1.7.2005<br />

HeimAufG<br />

Heime und<br />

ähnliche<br />

E<strong>in</strong>richtungen<br />

UbG<br />

Psychiatrie<br />

Ziffer 6<br />

notwendige<br />

Erziehungsmaßnahmen<br />

M<strong>in</strong><strong>der</strong>jähriger<br />

§ 146 b ABGB<br />

Bestimmung des<br />

Aufenthaltes<br />

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9<br />

Heimaufenthaltsgesetz – HeimAufG<br />

seit 01.07.2005 - Eckpfeiler<br />

• Geltungsbereich<br />

• Begriff <strong>der</strong> Freiheitsbeschränkung und<br />

Zulässigkeitsvoraussetzungen<br />

• Vornahme e<strong>in</strong>er Freiheitsbeschränkung<br />

• Meldepflichten<br />

• BewohnervertreterIn und <strong>der</strong>en Kompetenzen<br />

• Gerichtliches Überprüfungsverfahren<br />

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10<br />

Geltungsbereich<br />

§ 2. HeimAufG regelt …<br />

… die Voraussetzungen und die Überprüfung <strong>von</strong><br />

Freiheitsbeschränkungen <strong>in</strong> Alten- und Pflegeheimen,<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenheimen sowie <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en E<strong>in</strong>richtungen, <strong>in</strong><br />

denen wenigstens drei psychisch kranke o<strong>der</strong> geistig<br />

beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te Menschen ständig betreut o<strong>der</strong> gepflegt<br />

werden können.<br />

In Krankenanstalten ist dieses Bundesgesetz nur auf<br />

Personen anzuwenden, die dort wegen ihrer<br />

psychischen Krankheit o<strong>der</strong> geistigen Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

ständigen Pflege o<strong>der</strong> Betreuung bedürfen.<br />

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11<br />

Anwendbarkeit des HeimAufG<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>richtung<br />

Ja:<br />

Bestimmungen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>zuhalten<br />

Rechtsschutz - Rechtssicherheit<br />

Ne<strong>in</strong>:<br />

ke<strong>in</strong> Grundrechtse<strong>in</strong>griff (nach HeimAufG) möglich!<br />

ev. an<strong>der</strong>e Rechtfertigungsgründe …?<br />

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12<br />

Begriff <strong>der</strong> Freiheitsbeschränkung<br />

§ 3 HeimAufG …<br />

E<strong>in</strong>e Freiheitsbeschränkung im S<strong>in</strong>ne des HeimAufG liegt vor,<br />

wenn e<strong>in</strong>e Ortsverän<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>er betreuten o<strong>der</strong><br />

gepflegten Person gegen o<strong>der</strong> ohne ihren Willen mit<br />

physischen Mitteln o<strong>der</strong> durch <strong>der</strong>en Androhung<br />

unterbunden wird.<br />

Physische Mittel s<strong>in</strong>d:<br />

• mechanische,<br />

• elektronische,<br />

• medikamentöse<br />

Maßnahmen<br />

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13<br />

Zulässigkeitsvoraussetzungen e<strong>in</strong>er<br />

Freiheitsbeschränkung<br />

• psychische Erkrankung o<strong>der</strong> <strong>in</strong>tellektuelle<br />

Bee<strong>in</strong>trächtigung<br />

• ernstliche und erhebliche Selbst- o<strong>der</strong> Fremdgefährdung<br />

an Leben o<strong>der</strong> Gesundheit<br />

• die Maßnahme ist unerlässlich, geeignet und angemessen<br />

im Verhältnis zur Gefahr<br />

• schonen<strong>der</strong>e Maßnahmen s<strong>in</strong>d nicht möglich<br />

Die Freiheitsbeschränkung muss Ultima Ratio se<strong>in</strong><br />

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14<br />

Wie kommt e<strong>in</strong>e legale<br />

Freiheitsbeschränkung zustande?<br />

• Anordnung durch anordnungsbefugte Person<br />

• Aufklärung <strong>der</strong> BewohnerIn<br />

• Durchführung <strong>der</strong> Freiheitsbeschränkung:<br />

E<strong>in</strong>haltung fachgemäßer Standards<br />

möglichste Schonung <strong>der</strong> BewohnerIn<br />

• Dokumentation <strong>der</strong> Freiheitsbeschränkung<br />

• Unverzügliche Meldung <strong>der</strong> Freiheitsbeschränkung an die<br />

Bewohnervertretung (BWV)<br />

• Beendigung <strong>der</strong> Freiheitsbeschränkung: unverzüglich,<br />

wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.<br />

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15<br />

Bewohnervertretung<br />

• Bewohnervertretung = das im HeimAufG vorgesehene<br />

zentrale Rechtsschutz<strong>in</strong>strument<br />

• Außergerichtliche Abklärung <strong>von</strong> Freiheitsbeschränkungen<br />

und vielfältige Formen <strong>von</strong> Interventionen = Filterfunktion<br />

<strong>der</strong> BWV<br />

• Gerichtliche Überprüfungsverfahren<br />

• AnsprechpartnerInnen zum HeimAufG, zum Grundrecht<br />

auf persönliche Freiheit und zum sensiblen Themenfeld<br />

„<strong>Zwang</strong>“<br />

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16<br />

Tätigkeit <strong>der</strong> Bewohnervertretung<br />

Orientiert sich<br />

• an <strong>der</strong> Aufhebung <strong>der</strong> bewegungse<strong>in</strong>schränkenden Maßnahme<br />

• am Rechtsschutz <strong>der</strong> BewohnerIn<br />

• nicht an <strong>der</strong> Bewertung <strong>der</strong> Pflegetätigkeit / Betreuungstätigkeit<br />

• nicht an strukturellen o<strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen Interessen <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>richtungen<br />

Zentrale Instrumente<br />

• Kontrolle und Überprüfung <strong>der</strong> Situation<br />

• Multiprofessionelle Reflexion<br />

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17<br />

Effekte <strong>der</strong> BWV-Tätigkeit<br />

• Sensibilisierung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen bzgl. Grundrecht auf<br />

persönliche Freiheit<br />

• Neuer oft selbstkritischer Blick des Personals bzgl.<br />

Grundrechtse<strong>in</strong>griffen und <strong>Zwang</strong><br />

• Offeneres Besprechen <strong>von</strong> Grundrechtse<strong>in</strong>griffen und<br />

<strong>Zwang</strong><br />

• Vermehrter E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> Methoden, die<br />

Grundrechtse<strong>in</strong>griffe und <strong>Zwang</strong> verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

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18<br />

Schutz und Fremdbestimmung<br />

Schutz und Sicherheit vs. Autonomie und<br />

Selbstbestimmung<br />

Anwendung <strong>von</strong> <strong>Zwang</strong> zum Schutz<br />

Rechtsschutz ex lege<br />

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19<br />

Gut aufgehoben …<br />

… wir wollen nur das Beste<br />

für unsere KlientInnen!<br />

… wir wissen was das Beste<br />

ist!<br />

… ganz sicher!<br />

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20<br />

<strong>Zwang</strong> wird ausgeübt …<br />

… durch/mit vorgegebenen Strukturen / Abläufe <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Institution.<br />

… durch/mit Pflege-, <strong>Versorgung</strong>s- und<br />

Betreuungshandlungen.<br />

… durch Freiheitsbeschränkungen.<br />

… im Zusammenhang mit mediz<strong>in</strong>ischer<br />

Behandlung.<br />

Erich Wahl, Bereichsleiter, Bewohnervertretung


21<br />

(<strong>Zwang</strong>s-)Rechtsschutz?<br />

Tätigkeit des gesetzlichen Vertreters muss sich<br />

zwar am Wohl des zu Vertretenden orientieren<br />

und dessen Wünsche berücksichtigen, ist aber<br />

nicht <strong>von</strong> dessen Zustimmung abhängig.<br />

Erich Wahl, Bereichsleiter, Bewohnervertretung


22<br />

… hier wird geholfen!<br />

Danke für das Interesse und die Aufmerksamkeit<br />

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