Weinbauliches Gutachten - Balthasar Ress
Weinbauliches Gutachten - Balthasar Ress
Weinbauliches Gutachten - Balthasar Ress
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<strong>Weinbauliches</strong> <strong>Gutachten</strong><br />
Untersuchungen hinsichtlich der weinbaulichen Eignung<br />
von Flächen in Schleswig-Holstein<br />
Insel Sylt, Gemeinde Keitum<br />
(<strong>Ress</strong>)<br />
Prof. Dr. Otmar Löhnertz<br />
Fachbereich Geisenheim<br />
Forschungsanstalt Geisenheim<br />
April 2009<br />
1
<strong>Weinbauliches</strong> <strong>Gutachten</strong><br />
Untersuchungen hinsichtlich der weinbaulichen Eignung<br />
von Flächen in Schleswig-Holstein<br />
Insel Sylt, Gemeinde Keitum<br />
(<strong>Ress</strong>)<br />
Auftraggeber: Weingut <strong>Balthasar</strong> <strong>Ress</strong> KG<br />
Rheinallee 7<br />
65347 Hattenheim<br />
Bearbeitung: Prof. Dr. Otmar Löhnertz<br />
Fachbereich Geisenheim<br />
Forschungsanstalt Geisenheim<br />
v. Lade Str. 1<br />
65366 Geisenheim<br />
Geisenheim, April 2009<br />
Prof. Dr. Otmar Löhnertz<br />
2
1. Einleitung<br />
2. Beschreibung und Lage der Fläche<br />
3. Anbaueignung<br />
3.1 Allgemeine Phänologie<br />
3.2 Klima- und Witterungsfaktoren<br />
3.3 Phänologie Reben<br />
4. Weinbauliche Betreuung<br />
5. Sortenwahl<br />
5.1 Anforderungen<br />
5.2 Anbau interspezifischer Sorten<br />
5.3 Weißwein<br />
5.4 Rotwein<br />
6. Änderungen in den nächsten Jahren (Klimaveränderung) und zu erwartende<br />
Qualität<br />
7. Umsetzung<br />
8. Schlussfolgerungen<br />
1. Einleitung<br />
Der Standort Keitum auf der Insel Sylt ist mit einem Rebstandort in den traditionellen<br />
deutschen oder europäischen Weinbaugebieten nicht zu vergleichen. Dies gilt<br />
sowohl hinsichtlich der zu erzielenden Qualitäten und Prädikate als auch bezüglich<br />
der Auswahl traditioneller, teilweise spätreifender Rebsorten, wie Riesling oder auch<br />
Spätburgunder. In noch stärkerem Maße hat dies für internationale Sorten wie<br />
Cabernet Sauvignon, Merlot oder Shiraz Gültigkeit. Ohnehin ist das Erzielen<br />
nachhaltig wirtschaftlicher Erträge ausschließlich auf der Basis einer sorgfältigen<br />
Weinbergspflege möglich. Nur durch eine konsequente Ertragsregulierung können<br />
die erforderlichen Qualitäten hervorgebracht werden.<br />
Bei der Beschreibung der potentiell zu erreichenden Qualität bzw. bei der Prognose<br />
der Anbaueignung ist ein Vergleich mit vorhandenen, vergleichbaren Rebflächen<br />
nicht möglich.<br />
Seit August 2000 ist Dänemark als EU Weinland mit einer Rebfläche von 99 Hektar<br />
anerkannt. Aktuell werden allerdings nur 23 ha angepflanzt (nach: Wein-Plus). Die<br />
3
Rebflächen verteilen sich in den Regionen Jütland, Fünen und Seeland (DIE ZEIT<br />
Nr. 31, 24.07.2008 s. Anhang). Im Anhang befinden sich weitere aktuelle<br />
Informationen über den Weinbau in Dänemark.<br />
Die nördlichen Anbauflächen in Mecklenburg-Vorpommern können nur bedingt als<br />
Vergleichsgröße herangezogen werden. Dies gilt auch für Flächen in der Gemeinde<br />
Grebin, die vom Gutachter in Zusammenarbeit mit einer Mitarbeiterin des Deutschen<br />
Wetterdienstes, Außenstelle Geisenheim, im letzten Jahr bewertet wurde.<br />
2. Beschreibung und Lage der Fläche<br />
Die zu bewertende Fläche in der Gemarkung Keitum auf der Insel Sylt ist eine ebene<br />
Fläche und daher bezüglich Neigung und Exposition einheitlich.<br />
Es handelt sich um die Fläche:<br />
Gemarkung Keitum auf Sylt<br />
Flur 3<br />
Flurstück 25/7<br />
Gesamtgröße: 8996 m 2<br />
Geplante Rebanlage: 3000 – 4000 m 2<br />
Lage des Grundstücks: 54 Grad 53´ 59“ nördlicher Breite<br />
8 Grad 21´ 54“ östlicher Länge<br />
Höhe über NN: ca. 10 m<br />
Grundstückseigentümer: Hans-Bunde Boysen<br />
Am Mühlenhof 3<br />
25980 Keitum<br />
Auftraggeber: Weingut <strong>Balthasar</strong> <strong>Ress</strong> KG<br />
Rheinallee 7<br />
65347 Hattenheim<br />
Die Lage der Fläche ist aus der Abbildung 1 (Katasterauszug) ersichtlich. Die<br />
geplante Rebanlage befindet sich am Ortsrand der Gemeinde Keitum in unmittelbarer<br />
Nähe der Bebauung. Von der knapp 9000 m 2 großen Fläche ist die Anlage in<br />
dem mit einem roten Pfeil markierten Teilfläche vorgesehen. Diese Teilfläche ist auf<br />
drei Seiten durch einen Bewuchs umgeben, der einen optimalen Windschutz<br />
4
gewährleistet. Nach Westen ist die Fläche windoffen und muss durch entsprechende<br />
Windschutzmaßnahmen verbessert werden.<br />
Abb. 1: Lage der geplanten Rebfläche in der Gemeinde Keitum<br />
5
Abb. 2 a und b: Lage der Fläche in der Gemarkung Keitum<br />
7
Abb. 3: Ansicht des zur Rebanlage vorgesehenen Grundstücks<br />
oben: Gesamtsicht aus Westen<br />
unten: Teilansicht der vorgesehenen Fläche von Norden<br />
8
Bodenverhältnisse<br />
Die Bodenart entspricht einem lehmigen Sand mit einem relativ hohen Humusgehalt.<br />
Der Standort wird nicht durch das Grundwasser beeinflusst, so dass Staunässe nicht<br />
zu erwarten ist. Die Bodenstruktur ist positiv zu bewerten, da im Falle eines lehmigen<br />
Sandes keine Verdichtungen auftreten werden. In Verbindung mit den zu<br />
erwartenden Niederschlägen und dem vorhandenen Humusgehalt ist eine<br />
ausreichende Wasserversorgung gegeben. Der Boden ist für den Anbau von Reben<br />
grundsätzlich als geeignet anzusehen.<br />
Der Boden eignet sich für den Anbau von Reben und es sind keine besonderen<br />
Maßnahmen zur Verbesserung des Standortes erforderlich.<br />
3. Anbaueignung<br />
Phänologische<br />
Jahreszeit<br />
Leitphase<br />
Ersatzphase<br />
Vorfrühling Hasel (Blüte) Schneeglöckchen (Blüte)<br />
Erstfrühling Forsythie (Blüte)<br />
Stachelbeere<br />
(Blattentfaltung)<br />
Vollfrühling Apfel (Blüte) Stiel-Eiche (Blattentfaltung)<br />
Frühsommer Schwarzer Holunder (Blüte) Robinie (Blüte)<br />
Hochsommer Sommer-Linde (Blüte)<br />
Rote Johannisbeere<br />
(Früchte)<br />
Spätsommer Apfel, frühreifend (Früchte) Eberesche (Früchte)<br />
Frühherbst<br />
Schwarzer Holunder<br />
(Früchte)<br />
Kornelkirsche (Früchte)<br />
Vollherbst Stiel-Eiche (Früchte) Rosskastanie (Früchte)<br />
Spätherbst Stiel-Eiche (Blattverfärbung) Eberesche (Blattfall)<br />
Winter Stiel-Eiche (Blattfall)<br />
1. Apfel, spätreifend<br />
(Blattfall)<br />
2. Europ. Lärche (Nadelfall)<br />
Auf der Basis phänologischer Daten anderer Kulturen kann die Fläche mit<br />
vorhandenen Anbaugebieten verglichen werden. Als markante phänologische<br />
9
Stadien sind der „Vegetationsbeginn“ (Austrieb), die „Blüte“ und der „Reifeverlauf“ zu<br />
nennen.<br />
Da keine Vergleichswerte für den Vegetationsverlauf bei Reben für die Insel Sylt<br />
vorliegen, wird auf andere phänologische Beobachtungen zurückgegriffen. Als<br />
Orientierung werden die phänologischen Daten der Region Trier herangezogen.<br />
Hierfür wurden frei im Internet verfügbare Daten des Deutschen Wetterdienstes<br />
benutzt.<br />
10
Phänologische Jahreszeiten für die Station 10020 List auf Sylt<br />
Informationen über die Station<br />
Normalwerte der Periode 1961 - 1990<br />
für den Naturraum 680 Nordfriesische Geestinseln<br />
Station 10020 List/Sylt<br />
Phänologische Jahreszeiten für die Station 10020 List auf Sylt<br />
phänologische<br />
Jahreszeit<br />
Vorfrühling 16.<br />
Mrz<br />
Beginn Ende<br />
14.<br />
Apr<br />
Erstfrühling 15. Apr 17.<br />
Mai<br />
Vollfrühling 18. Mai 13.<br />
Jun<br />
Frühsommer 14.<br />
Jun<br />
7.<br />
Jul<br />
Hochsommer 8. Jul 17.<br />
Aug<br />
Spätsommer 18.<br />
Aug<br />
Frühherbst 13.<br />
Sep<br />
Vollherbst 22.<br />
Sep<br />
12.<br />
Sep<br />
21.<br />
Sep<br />
30.<br />
Sep<br />
Spätherbst 1. Okt 6.<br />
Okt<br />
Winter 7. Okt 15.<br />
Mrz<br />
Dau<br />
er<br />
Tage<br />
phänologische Leitphase<br />
30 Hasel Beginn der<br />
Blüte<br />
33 Forsythie Beginn der<br />
Blüte<br />
27 Apfel Beginn der<br />
Blüte<br />
24 Schwarzer<br />
Holunder<br />
Beginn der<br />
Blüte<br />
41 Sommer-Linde Beginn der<br />
Blüte<br />
26 Apfel,<br />
frühreifend<br />
09 Schwarzer<br />
Holunder<br />
Beginn der<br />
Pflückreife<br />
erste reife<br />
Früchte<br />
09 Rosskastanie erste reife<br />
Früchte<br />
06 Rosskastanie Blattverfärbu<br />
ng<br />
160 Winterweizen Auflaufen<br />
http://www.dwd.de/bvbw/appmanager/bvbw/dwdwwwDesktop?_nfpb=true&_pageLabel=_dwdwww_klima_umwelt<br />
_klimadaten_deutschland&T82002gsbDocumentPath=Content%2FOeffentlichkeit%2FKU%2FKU2%2FKU21%2F<br />
klimadaten%2Fgerman%2Fdownload%2Fphaenojahreszeiten%2F10020__phaeno.html<br />
11
Phänologische Jahreszeiten für die Station 10609 Trier-<br />
Petrisberg<br />
Informationen über die Station<br />
Normalwerte der Periode 1961 - 1990<br />
für den Naturraum 250 Mittleres Moseltal<br />
Station 10609 Trier-Petrisberg<br />
Phänologische Jahreszeiten für die Station 10609 Trier-Petrisberg<br />
phänologisch<br />
e<br />
Jahreszeit<br />
Begin<br />
n<br />
Vorfrühling 15.<br />
Feb<br />
Erstfrühling 24.<br />
Mrz<br />
Vollfrühling 27.<br />
Apr<br />
Frühsommer 27.<br />
Mai<br />
Hochsommer 19.<br />
Jun<br />
End<br />
e<br />
23.<br />
Mrz<br />
26.<br />
Apr<br />
26.<br />
Mai<br />
18.<br />
Jun<br />
1.<br />
Aug<br />
Spätsommer 2. Aug 16.<br />
Aug<br />
Frühherbst 17.<br />
Aug<br />
Vollherbst 20.<br />
Sep<br />
Spätherbst 14.<br />
Okt<br />
Winter 21.<br />
Okt<br />
19.<br />
Sep<br />
13.<br />
Okt<br />
20.<br />
Okt<br />
14.<br />
Feb<br />
Daue<br />
r<br />
Tage<br />
phänologische Leitphase<br />
37 Hasel Beginn der Blüte<br />
34 Forsythie Beginn der Blüte<br />
30 Apfel Beginn der Blüte<br />
23 Schwarzer<br />
Holunder<br />
44 Sommer-<br />
Linde<br />
15 Apfel,<br />
frühreifend<br />
34 Schwarzer<br />
Holunder<br />
Beginn der<br />
Blüte<br />
Beginn der Blüte<br />
Beginn der<br />
Pflückreife<br />
erste reife<br />
Früchte<br />
24 Stiel-Eiche erste reife<br />
Früchte<br />
7 Stiel-Eiche Blattverfärbun<br />
g<br />
117 Winterweize<br />
n<br />
Auflaufen<br />
http://www.dwd.de/bvbw/appmanager/bvbw/dwdwwwDesktop?_nfpb=true&_pageLabel=_dwdwww_klima_um<br />
welt_klimadaten_deutschland&T82002gsbDocumentPath=Content%2FOeffentlichkeit%2FKU%2FKU2%2FKU21<br />
%2Fklimadaten%2Fgerman%2Fdownload%2Fphaenojahreszeiten%2F10609__phaeno.html<br />
12
Abb. 4: Beginn der Blüte Schwarzer Holunder = Phase Frühsommer<br />
Die beginnende Blüte des Schwarzen Holunders wird nach dieser phänologischen<br />
Einteilung als Frühsommer definiert. Der Standort List auf Sylt weist dabei eine<br />
Verzögerung von etwa 18 Tagen auf. Allerdings ist auch eine Überlappung der<br />
Zeiträume festzuhalten, d.h. in einigen Jahren wird der Beginn des Frühsommers auf<br />
Sylt dem Beginn des Frühsommers in anderen Jahren an der Mosel entsprechen.<br />
13
Während im Rheingau vor dem 147. Tag des Jahres mit einer Blüte zu rechnen ist,<br />
tritt die Blüte vom Schwarzem Holunder auf Sylt zwischen dem 162. und 168. Tag<br />
des Jahres ein.<br />
Abb. 5: Beginn der Phase Vollherbst mit den ersten reifen Früchten der Rosskastanie<br />
Gegenüber einer klassischen Weinbauregion vergrößert sich der Vegetationsrückstand<br />
auf der Insel Sylt im Verlauf der Vegetation nach dieser phänologischen<br />
14
Betrachtung nicht. Auch zum Termin Herbst muss von einer Verzögerung von ca. 2<br />
Wochen ausgegangen werden. Während im Rheingau diese Phase zwischen dem<br />
260. und dem 266. Tag erfolgt, beginnt diese phänologische Phase auf Sylt zwischen<br />
dem 267. und dem 273. Tag.<br />
3.2 Klima- und Witterungsfaktoren<br />
a. Temperatur<br />
Um die Witterungsverläufe für den Standort Sylt und deren Bedeutung für die -<br />
Anbaueignung bewerten zu können, werden Daten des Deutschen Wetterdienstes<br />
von den Stationen Geisenheim und Neubrandenburg als Vergleich herangezogen:<br />
- Geisenheim als eine klassische Anbauregion im Rheingau,<br />
- Neubrandenburg als neu ausgewiesenes Landweingebiet in Mecklenburg-<br />
Vorpommern.<br />
Die Lage über N.N. und die geographische Lage ist aus der folgenden Tabelle<br />
ersichtlich.<br />
GEISENHEIM (AMBF) 118 49°59' 07°57'<br />
NEUBRANDENBURG 17 53°34' 13°16'<br />
LIST AUF SYLT (WEWA) 26 55°00' 08°24'<br />
Abb. 6: Temperaturwerte (Monatsmittel) Zeitraum 1961 – 1990 in Grad Celsius<br />
Jahresmitteltemperatur Sylt 8,4 Grad C; Neubrandenburg 7,9 Grad C; Geisenheim<br />
Grad 9,9 C<br />
Nach:http://www.dwd.de/bvbw/appmanager/bvbw/dwdwwwDesktop?_nfpb=true&_pageLabel=_dwdwww_klima_u<br />
mwelt_klimadaten_deutschland&T82002gsbDocumentPath=Navigation%2FOeffentlichkeit%2FKlima__Umwelt%2<br />
FKlimadatenzentren%2FNKDZ%2Fkldaten__akt%2Fausgabe__mittelwerte__node.html__nnn%3Dtrue<br />
15
Mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von 8,4 Grad Celsius liegt der Wert der<br />
Station List auf Sylt um 1,5 Grad Celsius tiefer als im Rheingau, aber um 0,5 Grad<br />
Celsius höher als in Neubrandenburg. Auffallend ist die deutlich höhere Temperatur<br />
im Rheingau in der ersten Jahreshälfte. In den Reifemonaten September und<br />
Oktober ist dagegen eine Angleichung der Temperatur festzustellen.<br />
In den letzten Jahren ist eine merkliche Erhöhung der Temperaturen zu beobachten<br />
(s. Änderungen in den nächsten Jahren (Klimaveränderung) und zu erwartende<br />
Qualität)<br />
b. Sonnenscheindauer<br />
Abb. 7: Mittelwerte der Sonnenscheindauer für den Zeitraum 1961-1990<br />
Jahressonnenscheinstunden: Sylt 1714; Neubrandenburg 1648; Geisenheim 1587<br />
http://www.dwd.de/bvbw/appmanager/bvbw/dwdwwwDesktop?_nfpb=true&_pageLabel=dwdwww_start&T320003<br />
9671164966383319gsbDocumentPath=Navigation%2FOeffentlichkeit%2FKlima__Umwelt%2FKlimadatenzentren<br />
%2FNKDZ%2Fkldaten__akt%2Fausgabe__mittelwerte__node.html__nnn%3Dtrue<br />
Die Anzahl an Sonnenscheinstunden ist auf Sylt mit 1714 Stunden deutlich erhöht<br />
gegenüber dem Standort Geisenheim mit 1587 Stunden im Jahr. Der Faktor<br />
Sonnenscheinstunden dürfte demnach kein begrenzender Faktor für die<br />
Anbaueignung darstellen.<br />
16
c. Niederschlagsverhältnisse<br />
Abb. 8 Mittelwerte des Niederschlags für den Zeitraum 1961-1990<br />
Jahresniederschlag. Sylt 745,3 mm; Neubrandenburg 548,1 mm; Geisenheim 536,1<br />
http://www.dwd.de/bvbw/appmanager/bvbw/dwdwwwDesktop?_nfpb=true&_pageLabel=dwdwww_start&T320003<br />
9671164966383319gsbDocumentPath=Navigation%2FOeffentlichkeit%2FKlima__Umwelt%2FKlimadatenzentren<br />
%2FNKDZ%2Fkldaten__akt%2Fausgabe__mittelwerte__node.html__nnn%3Dtrue<br />
Die Niederschlagsverhältnisse auf Sylt sind durch erhöhte Niederschläge im<br />
September und Oktober mit > 80 mm Niederschlag (gegenüber den<br />
Vergleichsstationen) gekennzeichnet. Auf der Basis einer<br />
Jahresniederschlagssumme von 745 mm ist von einer ausreichenden<br />
Wasserversorgung auszugehen. Die erhöhten Niederschläge während der<br />
Reifephase sind insbesondere im Pflanzenschutz zu beachten, da ein erhöhter<br />
Botrytis-Befall zu erwarten ist. Vor diesem Hintergrund sind die relativ hohen<br />
Niederschläge in der Reifephase als problematisch zu bewerten. Hierbei ist<br />
insbesondere die erhöhte Botrytis-Gefahr (Sauerfäule, Stielfäule, Grauschimmel) in<br />
dieser Phase zu beachten. Es ist unbedingt notwendig, alle Maßnahmen zu<br />
ergreifen, die den Befall mit Botrytis reduzieren. Neben der Sortenwahl<br />
(Lockerbeerigkeit), der Laubwandgestaltung und Laubarbeiten (Entblätterung der<br />
Traubenzone) ist der Einsatz von Spezialbotrytiziden (und Bioregulatoren?)<br />
unbedingt anzuraten. Starker Botrytis-Befall - bedingt durch die erhöhten<br />
Niederschläge während der Reifephase - ist sowohl bei der Weißwein- als auch bei<br />
der Rotweinproduktion sehr problematisch.<br />
Aufgrund der ständigen Windbelastung verringert sich die Problematik durch eine<br />
gute Durchlüftung der Anlage. Bei der Gestaltung des Windschutzes ist auf die<br />
17
Verhältnisse im Herbst zu achten. Gegebenenfalls ist ein mobiler Windschutz zu<br />
installieren, der während der Reifephase leicht entfernt oder winddurchlässig<br />
gemacht werden kann.<br />
Da das Auftreten von Botrytis bei vergleichsweise niedrigen Reifegraden zu<br />
erwarten ist, muss mit erheblichen Qualitätsproblemen und Ernteverlusten<br />
gerechnet werden. Bei Rotweintrauben sind zusätzlich starke Verluste in der<br />
Farbausbeute zu befürchten. Mit Botrytis befallenes Traubenmaterial eignet sich<br />
nicht zur Rotweinbereitung und könnte lediglich zur Herstellung eines Roséweines<br />
genutzt werden.<br />
Gegenüber Botrytis stark anfällige Sorten wie Kerner oder Sauvignon blanc scheiden<br />
aus diesen Gründen bei der Sortenwahl aus.<br />
3. 3 Phänologie Reben<br />
Austrieb<br />
Das Auftreten von Frost nach dem Austrieb (Spätfrostgefahr) führt bei Reben zu<br />
größeren Schäden bis hin zum Totalausfall. Von daher sind Regionen mit regelmäßig<br />
oder gehäuft auftretenden Frostereignissen zum Zeitpunkt Ende April oder Anfang<br />
Mai (Spätfrost) für den Weinbau ungeeignet oder erfordern aufwendige Frostschutzmaßnahmen.<br />
Aufgrund der verzögerten Erwärmung im Frühjahr ist mit einem Austrieb nicht vor<br />
Mitte Mai zu rechnen. Da Daten über den Verlauf der Phänologie bei Reben für den<br />
zu bewertenden Standort fehlen, wird hierbei der phänologische Ablauf anderer<br />
Pflanzengattungen als Maßstab zurückgegriffen.. Auf der Basis dieser Daten wird die<br />
Spätfrostgefahr als nicht besonders hoch eingestuft und damit als vernachlässigbar<br />
angesehen. Gegenüber dem Rheingau ist mit einer Verzögerung des Austriebs um<br />
zwei bis drei Wochen zu rechnen. Das ohnehin geringe Risiko von Schäden durch<br />
Spätfröste auf dem Bewertungsstandort Sylt durch den vergleichsweise späten<br />
Austriebstermin noch geringer.<br />
Ein Spätfrostschaden ist daher nicht zu befürchten, so dass die Spätfrostgefahr<br />
nicht als begrenzender Anbaufaktor anzusehen ist.<br />
Diese Aussage gilt auch für die Gefahr von Frühfrösten, also von Minustemperaturen<br />
während der Reifezeit, die zu einer Verkürzung der Vegetationszeit führen könnten.<br />
Es kann also von einer ausreichend langen Vegetationszeit und einer potentiell<br />
18
späten Lese ausgegangen werden. Eine Zeitspanne von über 200 Tagen ohne Frost<br />
entspricht den Bedingungen des Rheingaues. Unter Berücksichtigung dieser<br />
Kriterien steht eine ausreichend lange Vegetationszeit zur Verfügung. Es wird<br />
allerdings betont, dass dieser Parameter keine Aussage über die Ausnutzung der<br />
Vegetationszeit für die Qualitätsbildung ist. Die für das Wachstum der Reben und die<br />
Reife der Trauben zur Verfügung stehenden Vegetationszeit ist unter Umständen<br />
genauso lang wie in den traditionellen deutschen Weinbaugebieten; allerdings liegt<br />
die Vegetationsphase um zwei bis drei Wochen später, was insbesondere im Herbst<br />
hinsichtlich der Ausreifung der Beeren und des bereits angesprochenen Pilzbefalls<br />
problematisch sein kann.<br />
Blüte<br />
Die zu erreichende Qualität, insbesondere das zu erzielende Mostgewicht, hängt<br />
entscheidend vom Blütetermin und der damit zur Verfügung stehenden Reifezeit ab.<br />
Unter Berücksichtigung der phänologischen Daten anderer Pflanzengattungen<br />
scheint die Blüteperiode und damit der Fruchtansatz unter den auf Sylt<br />
herrschenden Bedingungen eine problematische Phase zu sein. Neben dem um<br />
zwei bis drei Wochen später stattfindenden Blühbeginn kann die Temperatur<br />
während und nach der Blüte problematisch sein. Temperaturen unter 15 Grad<br />
Celsius führen zu einer verzögerten Blüte und einem höheren Verrieselungsgrad,<br />
also einem geringeren Ertrag. Um das Risiko starker Ertragsverluste zu reduzieren,<br />
ist der Anbau von Sorten mit geringer Verrieselungsneigung zu empfehlen, d.h. der<br />
Anbau von Sorten mit hoher Blühfestigkeit (geringe Verrieselungsanfälligkeit)<br />
wird nachdrücklich empfohlen. Da die Temperatur auf dem Standort in Keitum<br />
durch den Wind beeinflusst wird, ist die Schaffung eines optimalen Bestandesklimas<br />
durch Windschutzmaßnahmen erforderlich. Dennoch muss mit beträchtlichen<br />
Ertragsschwankungen gerechnet werden, die auch durch Sortenwahl und<br />
weinbauliche Maßnahmen nicht vollständig ausgeglichen werden können. Im<br />
langjährigen Mittel muss mit einem gegenüber den Erträgen in den traditionellen<br />
Anbaugebieten deutlich reduzierten Ertrag gerechnet werden. Realistisch sind<br />
Erträge von ca. 40 - 50 hl/ha mit größeren Ertragsschwankungen. In Jahren mit<br />
besserem Fruchtansatz sollte allerdings kein sehr hoher Ertrag angestrebt werden,<br />
da dies zu erniedrigten oder extrem niedrigen Reifegraden führen würde. In solchen<br />
Jahren ist eine Ertragsreduzierung dringend geboten. In Jahren mit ungünstigen<br />
19
Temperaturverhältnissen im Zeitraum der Blüte muss auch mit stark verminderten<br />
Befruchtungsraten und damit sehr geringen Erträgen gerechnet werden.<br />
Reife<br />
Im Mittel ist mit einer Sonnenscheindauer von ca. 1.700 Stunden zu rechnen. Damit<br />
ist die Sonnenscheindauer als nicht kritisch einzuordnen.<br />
Die Temperatursumme in der Vegetationsperiode ist mit einem Standort in<br />
Neubrandenburg vergleichbar, gegenüber Rieslingstandorten im Rheingau<br />
(Geisenheim) allerdings deutlich reduziert.<br />
Von Vorteil ist die fehlende Kaltluftgefährdung des Standortes, was positive<br />
Auswirkungen auf das zu erwartende Bestandesklima hat.<br />
Reife und Zuckergehalt<br />
Es kann von einer um zwei bis drei Wochen verzögerten Reife bei dem zu bewer<br />
tenden Standort ausgegangen werden. Diese Reifeverzögerung bedingt die Ernte<br />
von Trauben mit einem geringeren Mostgewicht. Dieser Standortnachteil kann<br />
teilweise durch die Sortenwahl und durch den zu erwartenden geringeren Ertrag bzw.<br />
durch eine konsequente Ertragskontrolle ausgeglichen werden.<br />
4 Weinbauliche Betreuung<br />
Bedingt durch die isolierte Lage ist ein effektiver Schutz gegen Wildverbiss erforderlich.<br />
Die Fläche ist unbedingt mit einem entsprechenden Zaun zu schützen. Dieser<br />
Schutz ist sowohl gegen Kaninchen als auch Reh- und Schwarzwild erforderlich.<br />
Zusätzlich empfiehlt sich ein Schutz gegen Vogelfraß.<br />
Als Bodenpflegesystem kann eine Begrünung der Flächen vorgenommen werden.<br />
Um den Befall mit Pilzkrankheiten zu minimieren, ist eine regelmäßige Bearbeitung<br />
(Mulchen) notwendig. Die Begrünung darf auf keinen Fall zu einer Erhöhung der<br />
Luftfeuchte in der Anlage führen. Dies gilt insbesondere in der zweiten Hälfte der<br />
Vegetationsperiode, um für den Botrytis-Pilz ungünstige Entwicklungsbedingungen<br />
zu schaffen..<br />
20
Als Erziehungssystem bietet sich die Spaliererziehung an. Eine Zeilenbreite von 2,00<br />
m bis 2,20 m erfordert spezielle Maschinen, die eine Bearbeitung erlauben. Dies gilt<br />
sowohl für den Schlepper als auch für Bodenbearbeitungs- und Pflanzenschutzgeräte.<br />
Bei der Wahl des Erziehungssystems ist unbedingt ein Verfahren zu<br />
bevorzugen, welches eine gute Durchlüftung der Traubenzone gewährleistet. Dies<br />
gilt auch für die durchzuführenden Laubarbeiten während der Vegetationszeit. Die<br />
Pflanzdichte sollte mit ca. 4.500 bis 5.000 Reben/ha ausgelegt werden.<br />
Pflanzenschutz<br />
Der Pflanzenschutz - insbesondere gegen pilzliche Schaderreger - ist bei diesem<br />
Standort von besonderer Bedeutung.<br />
Grundsätzlich sollte größter Wert auf nachhaltige Pflanzengesundheit gelegt werden,<br />
was i.d.R. einen vielschichtigen Rebschutz erforderlich macht. Dies gilt in erster Linie<br />
für die Bekämpfung des Erregers des Falschen Mehltaus (Plasmopara viticola,<br />
Rebenperonospora), während der Befall mit Echtem Mehltau (Uncinula necator,<br />
Oidium) als eher unproblematisch gesehen werden kann.<br />
Werden so genannte interspezifische Kreuzungen angebaut, kann die Gefahr eines<br />
erhöhten Befalls mit Falschem Mehltau minimiert werden, da diese Sorten weniger<br />
anfällig für bestimmte Pilzkrankheiten sind.. Erfahrungen bei der Bewirtschaftung<br />
interspezifischer Rebsorten liegen in Deutschland insbesondere im Bereich des<br />
ökologischen Weinbaus vor. Die Gefahr des verstärkten Auftretens von Pilzkrankheiten<br />
ist also bei der Auswahl der Rebsorten ein wichtiges Entscheidungskriterium.<br />
Allerdings können über den auf Sylt herrschenden Infektionsdruck durch Vermehrungseinheiten<br />
des Falschen Mehltaus keine Aussagen gemacht werden. In den<br />
ersten Jahren der Bewirtschaftung wird sich die Befallssituation ggf. schwach darstellen,<br />
da die Primärinfektion aufgrund des oosporen-freien Standortes nicht vom<br />
Boden ausgehen wird. Es ist aber damit zu rechnen, dass sich diese Situation mit<br />
fortschreitender Bewirtschaftungsdauer ändern wird. Das bodenbürtige<br />
Inokulumpotential und der Infektionsdruck werden sich stetig erhöhen. Allerdings wird<br />
sich der Standort aufgrund der isolierten Insellage in Bezug auf rebenspezifische<br />
Pilzkrankheiten (z.B. Falscher Mehltau, Echter Mehltau, Schwarzfäule) nie mit den<br />
Bedingungen in den traditionellen deutschen Anbaugebieten vergleichen lassen.<br />
21
Dies gilt nicht für den ubiquitär vorkommenden Schadpilz Botrytis cinerea, der auch<br />
andere Pflanzengattungen befällt. Hinzu kommt, dass bei der Sortenwahl die<br />
Toleranz bzw. Resistenz gegenüber den Erregern des Echten und des Falschen<br />
Mehltaus genutzt werden kann, was im Falle von Botrytis nicht möglich ist. Daher<br />
sind Sorten mit einer gewissen „Botrytis-Festigkeit“ (Lockerbbeerigkeit, dickere<br />
Beerenhaut) besonders in Betracht zu ziehen.<br />
Durch die erhöhten Niederschläge in der Reifephase ist die indirekte und direkte<br />
Bekämpfung von Botrytis von besonderer Bedeutung (vgl. Kapitel 3.2).<br />
Neben einer entsprechenden Sortenwahl ist die intensive Vorbeugung gegen Botrytis<br />
(durch geeignete Erziehungssysteme) und die direkte Bekämpfung (durch den<br />
Einsatz von Pflanzenschutzmitteln) zu empfehlen . Maßnahmen der Fäulnisprävention<br />
und der Kulturhygiene müssen also ihren festen Platz im Katalog der<br />
anzuwendenden Verfahren des Pflanzenbaus haben. Als Rebschutzmaßnahme ist<br />
aber der Einsatz von Spezialbotrytiziden unbedingt geraten. Über den Einsatz von<br />
Bioregulatoren muss situationsbedingt entschieden werden, weil derzeit zum<br />
Auftreten von Verrieselung keine Aussage gemacht werden kann, was ggf. gegen die<br />
Applikation von Bioregulatoren im Rahmen der Fäulnisprävention sprechen könnte.<br />
5 Sortenwahl<br />
5.1 Anforderungen<br />
Folgende Anforderungen an die Sortenwahl müssen erfüllt sein:<br />
frühe oder mittelfrühe Reife<br />
Blühfestigkeit<br />
Lockerbeerigkeit (geringe Botrytis-Anfälligkeit)<br />
Als erstes wichtiges Kriterium ist der Reifezeitpunkt der Sorte zu nennen. Im<br />
agrarmeteorologischen Teil der Ausführungen wird stets die Sorte Riesling als<br />
Vergleichssorte herangezogen.<br />
Für den Standort erscheinen „klassische“ spätreifende Sorten, wie z.B. Riesling<br />
oder Sorten mit einem vergleichbaren Anspruch an die Qualität der Lage als nicht<br />
bzw. bedingt geeignet. Dagegen kommen Sorten mit einem frühen Reifezeitpunkt<br />
in Frage. Nur auf der Basis dieser Auswahl - in Verbindung mit moderaten Erträgen -<br />
ist eine zufrieden stellende Ausreife zu erwarten. Der Anbau von mittelspät oder<br />
22
sogar spät reifenden Sorten ist nicht möglich. Demzufolge scheiden auch alle so<br />
genannten internationalen Rotweinsorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot oder<br />
Shiraz aus.<br />
Da keine besondere Frostgefahr besteht, können auch weniger winterfrostanfällige<br />
Sorten wie Müller-Thurgau, Ortega oder Huxel angebaut werden. Die Bedeutung der<br />
Sortenwahl hängt in besonderem Maße von der späteren Verwendung des Sortennamens<br />
ab. Wenn realistischerweise lediglich Tafel- oder Landwein als Produktionsziel<br />
angestrebt wird, spielt die Sortenbezeichnung keine Rolle.<br />
Der Anbau von Rotwein wird durch die erhöhte Botrytis-Anfälligkeit und die Reifeverzögerung<br />
als kritisch eingestuft. Wenn ein Rotweinanbau vorgenommen wird,<br />
sollte auf den Aspekt Pilztoleranz unbedingt geachtet werden.<br />
5.2 Anbau interspezifischer Sorten<br />
Interspezifische Sorten weisen eine gewisse Toleranz gegen Pilzkrankheiten auf.<br />
Dabei steht der verminderte Befall durch den Echten und den Falschen Mehltau im<br />
Vordergrund. Durch die Auswahl dieser Sorten könnte der chemische Pflanzenschutz<br />
deutlich reduziert werden. Da nicht mit einem gehäuften Auftreten von Heu- und<br />
Sauerwurm (Traubenwickler) in dieser isolierten Lage zu rechnen ist, kann der<br />
Pflanzenschutz reduziert und auf Maßnahmen zur Unterstützung der Widerstandsfähigkeit<br />
gegen Echten und Falschen Mehltau und der Fäulnisprävention (vor allem<br />
gegen Botrytis) beschränkt werden. Es sei nochmals betont, dass keine Toleranz<br />
oder Resistenz gegen Botrytis bei diesen Sorten vorliegt. Durch geeignete<br />
weinbauliche Maßnahmen, wie eine gezielte Entblätterung, kann in Jahren mit<br />
geringen Niederschlägen in der Reifephase der Pflanzenschutz auf ein Minimum<br />
reduziert werden. Zum kombinierten Einsatz von Laubarbeiten, Bioregulatoren und<br />
Spezialbotrytiziden liegen in Geisenheim mehrjährige Versuchsergebnisse vor.<br />
Die in den traditionellen Weinbaugebieten auftretenden Anbauprobleme im Bereich<br />
Rebschutz würden sich auf dem zu bewertenden Standort durch die Sortenwahl<br />
deutlich reduzieren lassen. In diesem Zusammenhang ist in Betracht zu ziehen, den<br />
Erreger des Falschen Mehltaus mit Verfahren und Strategien des ökologischen<br />
Weinbaus zu regulieren.<br />
23
Inwieweit diese Aspekte bei der Vermarktung eine Rolle spielen könnten und<br />
bewusst deklariert werden sollten, wäre zu prüfen.<br />
Darüber hinaus weisen interspezifische Sorten in der Regel eine geringe Anfälligkeit<br />
für Verrieselung auf. Vor diesem Hintergrund ist mit höheren und gleichmäßigeren<br />
Erträgen zu rechnen, da bei diesen Sorten geringere Ertragsschwankungen<br />
zu befürchten sind. Die möglichen, in Kapitel 3.3 angesprochenen Probleme<br />
einer mangelnden Verblührate aufgrund von wechselhaftem Wetter zum Zeitpunkt<br />
der Blüte und damit einhergehenden ungleichmäßigen oder niedrigen Erträgen<br />
wären somit reduziert.<br />
5.3 Weißwein<br />
Beispiele Sortenwahl (Interspezifische Sorten)<br />
Als Übersicht (Weißwein) kann die Zusammenstellung des Staatlichen<br />
Weinbauinstitutes Freiburg dienen.<br />
Nach dieser Liste erscheint die Sorte Solaris, die fruchtige Weine ergibt, besonders<br />
geeignet. Neben einer frühen Reife ist die Anfälligkeit gegen Verrieselung und gegen<br />
Stiellähme zu nennen.<br />
Als zweite Weißweinsorte mit vergleichbaren Eigenschaften ist die Sorte Merzling zu<br />
nennen. Der Reifezeitpunkt dieser Sorte ist mit der Sorte Müller-Thurgau vergleichbar,<br />
so dass sie aus diesem Grunde für den Standort als geeignet erscheint.<br />
Die nachfolgenden, ausführliche Beschreibungen der Sorten wurden vom Staatlichen<br />
Weinbauinstitut Freiburg übernommen.<br />
24
Solaris<br />
Die weiße Rebsorte (auch FR 240-75) ist eine Neuzüchtung zwischen Merzling x GM<br />
6493. Die Kreuzung erfolgte im Jahre 1975 am Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg<br />
(Baden-Württemberg). Die früh reifende Sorte ist sehr gut gegen beide Mehltau-Pilze<br />
resistent und nur gering anfällig für Verrieselung. Sie wird im deutschen Anbaugebiet<br />
Baden (Markgräflerland) und in den zwei Schweizer Kantonen Zürich (Winterthur)<br />
und Thurgau kultiviert. Die Sorte erbringt kräftige Weißweine mit eingebundener<br />
Säure und ausgeprägter Fruchtigkeit. Sie war Kreuzungspartner bei den<br />
Neuzüchtungen Galanth und Muscaris.<br />
Merzling<br />
Die weiße Rebsorte ist eine Neuzüchtung zwischen Seyve-Villard 5-276 x (Riesling x<br />
Ruländer). Die Kreuzung erfolgte im Jahre 1960 durch Dr. Johannes Zimmermann<br />
(1907-1998) am Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg (Baden-Württemberg). Der<br />
Name leitet sich vom Stadtteil Merzhausen in Freiburg ab, in dem das Institut (das in<br />
der Merzhauserstraße ansässig ist) mehrere Rebflächen besitzt. Die früh reifende<br />
26
Rebe ist ertragreich, pilzresistent und widerstandsfähig gegen Frühfröste. Der<br />
grünlich-gelbe Wein hat ein fruchtiges Bouquet und ähnelt dem Müller-Thurgau.<br />
5.4 Rotwein<br />
Als Vergleichssorte wurde bei der Zusammenstellung von Rotweinsorten die Sorte<br />
Spätburgunder (Pinot noir) herangezogen. Es ist unbedingt eine Sorte auszuwählen,<br />
die früher als Spätburgunder geerntet werden kann. Von den in der Übersicht<br />
gelisteten Sorten kommen Cabernet Carol und Cabernet Cantor in Frage. In dieser<br />
Liste ist der vergleichsweise extrem späte Reifezeitpunkt von Cabernet Sauvignon zu<br />
erkennen.<br />
Neben den beiden genannten interspezifischen Sorten Cabernet Carol und Cabernet<br />
Cantor soll die positive Bewertung der Sorte Regent im Weinbau in Mecklenburg<br />
angeführt werden. Dort wird diese Sorte nach einer Versuchsphase ausschließlich<br />
angebaut.<br />
27
Die Sorte Rondo mit einer frühen Reife und einer besonders intensiven Farbe stellt<br />
eine weitere Alternative dar. Diese Sorte wird u.a. auch in Dänemark angebaut.<br />
Weiterhin käme auch die Sorte Bolero (Gm 8221-3) in Frage. Die Sorte zeichnet sich<br />
durch eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen Oidium und eine gute bis mittlere<br />
Plasmopara-Toleranz aus. Aufgrund der lockeren Traubenstruktur und der festen<br />
Traubenstiele ist die Botrytis-Anfälligkeit gering. Bis auf Extremjahre konnte unter<br />
den Bedingungen in den traditionellen Weinbaugebieten auf den Einsatz von<br />
Fungiziden verzichtet werden.<br />
(Herkunft: Kreuzung aus dem Jahr 1982 mit den Elternsorten Gm 6427-5 (Rotberger<br />
x Reichensteiner) x Chancellor (Seibel 7053). Gm 6427-5 ist eine frühreife, reichtragende<br />
Weißweinsorte. Chancellor ist eine besonders winterharte und Oidium-<br />
Resistente französische Sorte.)<br />
28
Regent<br />
Die rote Rebsorte (auch Geilweilerhof 67-198-3) ist eine Neuzüchtung zwischen<br />
Diana (Silvaner x Müller-Thurgau) x Chambourcin, also ein Ergebnis zwischen<br />
weißen und roten Sorten. Die Kreuzung erfolgte im Jahre 1967 durch Dr. Gerhardt<br />
Alleweldt (1927-2005) am Institut Geilweilerhof in Siebeldingen (Pfalz). Die mittelfrüh<br />
reifende Sorte ist sehr frostresistent und gilt als die gegen beide Mehltau-<br />
Krankheiten widerstandsfähigste Neuzüchtung Deutschlands. Der Sortenschutz<br />
wurde 1994, die Zulassung im Jahre 1995 erteilt. In der Zwischenzeit ist sie in allen<br />
deutschen Anbaugebieten zugelassen.In Deutschland betrug die Gesamtrebfläche<br />
im Jahr 2004 über 2.000 Hektar, die Tendenz ist stark steigend. Weitere Anbauflächen<br />
gibt es in der Schweiz und in den Niederlanden. Der tiefrote, farbkräftige und<br />
tanninbetonte Wein erinnert an südländische Weine. Wegen dieser Sorte entbrannte<br />
ein Streit zwischen der EU und Deutschland, denn auf Grund der Vatersorte<br />
Chambourcin mit amerikanischen Genen war sie ursprünglich gemäß EU-<br />
Verordnung nicht als Qualitätswein-Rebsorte klassifiziert. In der Zwischenzeit wurde<br />
die Sorte als der Spezies Vitis vinifera zugehörig anerkannt (siehe dazu ausführlich<br />
unter Hybriden).<br />
Rondo<br />
Die rote Rebsorte (auch Geisenheim 6494-5, GM 6494-5) ist eine Neuzüchtung<br />
zwischen Zarya Severa (mit Genen von Vitis amurensis) x St. Laurent. Die Kreuzung<br />
erfolgte im Jahre 1964 durch Professor Kraus in der damaligen CSSR. Er bot Dr.<br />
Helmut Becker (1927-1990) in Geisenheim einige der Rebkerne an, der die<br />
Bedeutung dieses Zuchtmaterials erkannte. Die früh reifende Sorte besitzt eine<br />
hohe Resistenz gegen Winterfrost und Falschen Mehltau (jedoch nur schwache<br />
gegen den Echten Mehltau). Sie erbringt einen rubinroten Wein, der sich als<br />
Teinturier (Farbverstärker) auch sehr gut zu Verschnitten eignet. Die Sorte wird in<br />
Rheinhessen sowie in Dänemark, England und in den Niederlanden angebaut.<br />
30
6. Änderungen in den nächsten Jahren (Klimaveränderung) und zu erwartende<br />
Qualität<br />
Viele jüngere Studien belegen eine potentielle Verschiebung der Weinbaugrenze<br />
nach Norden. Mit Hilfe des Huglin-Indexes kann die Sorteneignung für jede Fläche<br />
errechnet werden. In Abb. 9 wird die mögliche Veränderung der Sorteneignung<br />
aufgezeigt. So werden für den Standort Potsdam seit Mitte der 90er Jahre Werte<br />
erzielt, die bis in die 70er Jahre den Bedingungen des Rheingaus entsprochen<br />
haben. In zehn Jahren werden Bedingungen prognostiziert, die als deutlich besser zu<br />
beurteilen sind, als die Anbaubedingungen im Rheingau in den 70er Jahren. Es ist zu<br />
erwarten, dass diese klimatischen Veränderungen auch weiter im Norden liegende<br />
Standorte begünstigen werden.<br />
Am Standort Johannisberg wird die Verschiebung der Vegetationszeit mit dem<br />
Erntetermin dokumentiert (Abb. 10). Die um bis zu vier Wochen frühere Ernte<br />
bedeutet für einen Standort mit einer verzögerten Reife eine längere Reifezeit.<br />
Die zu erwartende Klimaveränderung wird demnach die Anbaubedingungen auf dem<br />
bewerteten Standort verbessern; das Risiko, die erforderlichen Mindestmostgewichte<br />
für Tafelwein oder Landwein nicht zu erreichen, wird in den nächsten Jahren bzw.<br />
Jahrzehnten sinken.<br />
32
Abb.9 1<br />
Abb. 10 2<br />
Die Veränderungen der klimatischen Bedingungen wird aus Abbildung 11 ersichtlich.<br />
Abb. 11: Mittlere Temperatur im Juni (1), Juli (2) und August (3) in verschiedenen<br />
Beobachtungszeiträumen (Quelle: verschiedene Quellen DWD)<br />
1<br />
Manfred Stock et al. Weinbau und Klima – eine Beziehung wechselseitiger Variabilität, Terra Nostra 2003/6: 6.<br />
Deutscher Klimatag, http://www.pik-potsdam.de/~stock/paper/weinbau&klima_dkt2003.pdf<br />
2<br />
Manfred Stock et al. Weinbau und Klima – eine Beziehung wechselseitiger Variabilität, Terra Nostra 2003/6: 6.<br />
Deutscher Klimatag, http://www.pik-potsdam.de/~stock/paper/weinbau&klima_dkt2003.pdf<br />
33
In den letzten Jahren ist ein Anstieg der mittleren Tagestemperatur im Sommer zu<br />
beobachten. Während für den Zeitraum 1961 bis 1999 eine mittlere Temperatur von<br />
14,2 Grad Celsius ermittelt wurde, beträgt im letzten gezeigten Zeitraum (1999 –<br />
2007) die Temperatur 14,7 Grad Celsius. Im Jahre 2007 wurden sogar 16,8 Grad<br />
Celsius erreicht.<br />
Eine solche Veränderung ist auch für Juli und August zu beobachten. So stiegen die<br />
Werte von 16,2 Grad Celsius (1961 – 1999) auf 17,4 Grad Celsius (1999 – 2007) an.<br />
Im Jahre 2002 wurden sogar 19,9 Grad Celsius erreicht. Die zu beobachtende<br />
Klimaveränderung führt bei den betrachteten Flächen zu einer Verringerung des<br />
Anbaurisikos.<br />
Produktionsziel<br />
Erzeugung Tafelwein<br />
Im deutschen Weingesetz wird mit der Bezeichnung Tafelwein die unterste<br />
Qualitätskategorie bezeichnet, die allerdings keiner besonderen Qualitätsprüfung<br />
unterliegt. Deutscher Tafelwein der Weinbauzone A muss ausschließlich von<br />
zugelassenen Rebsorten stammen und einen natürlichen Mindestalkoholgehalt von 5<br />
Vol.-% aufweisen. Das entspricht einem sogenannten Mindestmostgewicht von 44<br />
Grad Oechsle.<br />
Unter den vorhandenen Bedingungen dürfte dieses Mindestmostgewicht auf<br />
den betrachteten Flächen erreicht werden. Dies gilt besonders unter den in den<br />
beiden letzten Dekaden herrschenden Bedingungen und den weiter zu erwartenden<br />
Veränderungen. Witterungsabläufe wie 1972, 1974, 1980 oder 1984, die auch in<br />
traditionellen Anbaugebieten zu vergleichsweise niedrigen Mostgewichten führten,<br />
sind unter den Bedingungen der Klimaveränderung kaum zu erwarten.<br />
Tafelwein muss nach Anreicherung einen Alkoholgehalt von mindestens 8,5 Vol.-%<br />
aufweisen. Deutsche Tafelweine dürfen keine Lagennamen, keine Gemeinde oder<br />
Ortsteilnamen und keine Namen von bestimmten Anbaugebieten tragen. Diese<br />
Bezeichnungen sind ausschließlich den Qualitätsweinen vorbehalten.<br />
Landwein ist weinrechtlich gesehen ein gehobener Tafelwein. Deutscher Landwein<br />
bezeichnet demnach Wein der zweitniedrigsten Qualitätsstufe nach dem Tafelwein.<br />
34
Die Mindestmostgewichte liegen daher um mindestens 0,5 Vol-% Alkohol, das<br />
entspricht 3 Grad Oechsle höher. Seit 1982 gibt es die Bezeichnung Landwein als<br />
Qualitätsstufe für einen gebietstypischen trockenen oder halbtrockenen Tafelwein.<br />
Deutscher Landwein darf ausschließlich aus Trauben der Region gekeltert werden,<br />
aus welcher der Wein stammt.<br />
Aus den oben genannten Gründen dürfte auch das Mindestmostgewicht von 48<br />
Grad Oechsle keine andere Hürde als das Mindestmostgewicht für Tafelwein<br />
darstellen. Beide Bezeichnungen wären demnach möglich.<br />
Es wird als durchaus realistisch eingeschätzt, Weine mit diesen Bezeichnungen zu<br />
produzieren. Die Genehmigung der hier begutachteten Flächen als anerkannte<br />
Rebflächen ist unter den aktuellen weinrechtlichen Bestimmungen in beiden Fällen<br />
erforderlich. Die Vorgehensweise in Mecklenburg-Vorpommern mit der Ausweisung<br />
eines sog. Landweingebietes kann dabei als Beispiel herangezogen werden.<br />
7. Umsetzung<br />
Der Anbau von Reben auf den beantragten 4000 m 2 erscheint möglich und ist mit<br />
einem tragbaren Risiko verbunden. Da es sich beim Weingut <strong>Ress</strong> um ein etabliertes<br />
Weingut mit einem ausgewiesenen hohen Qualitätsstandard handelt, ist von einer<br />
optimalen Betreuung der Rebflächen auszugehen. Dies gilt sowohl hinsichtlich des<br />
Pflanzenschutzes, der Schaffung eines optimalen Bestandesklimas, der konsequenten<br />
Begrenzung der Erträge und der allgemeinen Weinbergspflege. Es kann von<br />
einer nachhaltigen Produktion ausgegangen werden. Wenn bei der Sortenwahl von<br />
dem Vorschlag der Pflanzung einer frühreifen Sorte abgewichen wird, sollte eine<br />
entsprechende Zusammenarbeit mit einem Beratungs- und Forschungsinstitut<br />
angestrebt werden. Die Forschungsanstalt Geisenheim hat großes Interesse an einer<br />
Auswertung solcher Versuche.<br />
Die Investitionskosten für die beantragte Fläche sind überschaubar.<br />
35
8. Schlussfolgerungen<br />
Auf einem Teil der begutachteten Fläche in Sylt – Gemarkung Keitum - könnte -<br />
vergleichbar mit der vom Gutachter bewerteten Fläche in Grebin oder dem Weinbau<br />
in Mecklenburg-Vorpommern (Stargart, Schloss Rattay) - Weinbau betrieben werden.<br />
Die Produktion von Tafel- oder Landwein ist grundsätzlich möglich.<br />
Der Anbau von frühreifen interspezifischen Rebsorten wird empfohlen. In diesem<br />
Zusammenhang ist vor allem auf die Botrytis-Festigkeit und eine geringe Neigung zur<br />
Verrieselung (Blühfestigkeit) zu achten.<br />
Durch weinbauliche Maßnahmen wie Sortenwahl und Ertragsbegrenzungen, falls<br />
erforderlich, kann ein Mindeststandard erreicht werden. Dabei sind diese<br />
weinbaulichen Maßnahmen unter den eingeschränkten klimatischen Rahmenbedingungen<br />
besonders wichtig. Um das Risiko zu minimieren, sollte daher auch<br />
eine eingeschränkte Sortenwahl vorgenommen werden.<br />
Die Optimierung des Bestandsklimas ist von besonderer Bedeutung und muss durch<br />
Windschutzmaßnahmen verbessert werden. Insbesondere hinsichtlich des Windschutzes<br />
sind besondere Maßnahmen notwendig. Die Schaffung eines künstlichen<br />
Windschutzes, besonders in der ersten Phase, ist zu prüfen.<br />
Als Erziehungssystem wird eine Drahtrahmenerziehung empfohlen. Es muss mit<br />
erheblichen Ertragsschwankungen aufgrund der niedrigen Temperaturen zur<br />
Zeit der Blüte gerechnet werden. Alle Prognosen deuten allerdings auf eine<br />
Verschiebung der Weinbaugrenze nach Norden hin.<br />
36
Dänemark<br />
Aus bester Randlage<br />
Von Rainer Schäfer | © DIE ZEIT, 24.07.2008 Nr. 31<br />
• Schlagworte:<br />
• Klima<br />
• Klimawandel<br />
Der Klimawandel macht’s möglich: In Dänemark keltern Liebhaber Wein, der teuer ist, aber<br />
erstaunlich gut schmeckt<br />
Am Dansk VinCenter in Kopenhagen wird erforscht, welche Rebsorten das nordische Wetter<br />
am besten vertragen<br />
© Dansk VinCenter<br />
Kein Zweifel, es sind Rebstöcke, keine zehn Kilometer vom Rathausplatz Kopenhagens<br />
entfernt. Alles würde man hier erwarten, aber nicht diese Reben, die sich etwas verloren an<br />
Stahldraht festklammern zwischen funktionalen Wohnblocks und Industrieanlagen der<br />
Vorstadt. Es regnet in Strömen, sehr zur Freude von Lars Juhl Olesen, dem Direktor des<br />
Dansk VinCenter. In den letzten Wochen war es trocken, »das ist nicht normal für<br />
Dänemark«. Aber was ist schon normal für ein Land, dessen Weine selbst Kennern bis jetzt<br />
37
kaum bekannt sind? Das statt Riesling und Spätburgunder Rebsorten mit zweifelhaften<br />
Namen wie Rondo oder Bolero kultiviert?<br />
Olesen, Jahrgang 1957, ist erst seit Januar Direktor. Die elf Jahre davor hat er als<br />
Weinhändler in Spanien verbracht. Ist es nicht verrückt, eins der besten Weinländer der Welt<br />
zu verlassen, um in einem dänischen Gewerbegebiet Trauben zu pflanzen? Olesen zieht das<br />
entspannte Lächeln auf, das viele Dänen beherrschen. Gelassenheit – das ist seine Antwort.<br />
Jene Gelassenheit, der man im ganzen Land begegnet. Selbst auf den Autobahnen wird<br />
meditatives Fahren eingeübt, verbunden mit möglichst wenig Aufregung für alle.<br />
Das Dansk VinCenter gilt als Schrittmacher im dänischen Weinbau. Sieben Jahre lang, von<br />
1992 bis 1999, wurden hier 200 Rebsorten darauf getestet, ob sie dem nordischen Klima<br />
standhalten. Inzwischen wachsen auf drei Hektar Rondo, Leon Millot, Castel und Regent,<br />
alles Rotweinsorten. »Am Anfang«, erzählt Olesen, »waren sie hier froh, dass überhaupt<br />
etwas gewachsen ist. Inzwischen haben wir unseren eigenen Stil gefunden.« Seit August 2000<br />
ist Dänemark von der EU als Weinland anerkannt, mit 99 Hektar Anbaufläche, verteilt auf die<br />
Regionen Fünen, Jütland, Seeland und Bornholm. Das Anbaugebiet Bornholm besteht aus<br />
einem einzigen Winzer, für den ein eigener Verwaltungsbeamter zuständig ist – einmalig in<br />
Europa.<br />
»Jetzt müssen wir endlich probieren.« Olesen kann es kaum erwarten, seinen Nordlund<br />
vorzuführen, den Prestigewein des VinCenter. Auf dem Etikett prangt das Wikingersymbol<br />
wie ein Hosenknopf, das Design der Flasche wurde auf Grau und Weiß reduziert, »Farben,<br />
kalt wie Dänemark«. Olesen zieht die Flasche auf, es ist tatsächlich Wein drin, er riecht nach<br />
Waldbeeren und einer Spur Eukalyptus. Der Nordlund ist kein Kraftprotz, er ist von mittlerer<br />
Struktur und hat eine leichte Holznote von einigen Monaten Lagerung in ungarischen<br />
Eichenfässern. Er erinnert an norditalienischen Wein aus einem mittelmäßigen Jahrgang. Dem<br />
international gefragten üppigen Stil entspricht er nicht.<br />
Aber er widerlegt ein ehernes Gesetz der Weinwelt. Der 52. Breitengrad galt stets als die<br />
Nordgrenze; dort stehen in Neubrandenburg Deutschlands nördlichste Weinberge. Die<br />
Klimaerwärmung aber befördert den Weinbau immer weiter. Der Nordlund ist dem 55.<br />
Breitengrad abgerungen. »In den letzten 100 Jahren ist es hier um zwei Grad wärmer<br />
geworden«, sagt Olesen, »diese Tendenz hält an.« Noch wäre es einfacher, hier Weißwein<br />
anzubauen als rote Rebsorten, die noch mehr Sonne brauchen. »Aber Dänen lieben Rotwein«,<br />
sagt Olesen. Trotz seines stolzen Preises von 40 Euro ist der Nordlund begehrt, er wird auch<br />
38
in den feinen Restaurants Kopenhagens ausgeschenkt. Dänemark wird mehr und mehr ein<br />
Land von Weintrinkern. Ob es auch ein respektiertes Land von Weinerzeugern wird? Olesen<br />
glaubt daran: »Der Wein wird jedes Jahr besser.« Im vergangenen Oktober wurden die<br />
Trauben bei 20 Grad gelesen, sie waren so reif wie noch nie.<br />
Lars Hagerman spricht mit seinen Reben, als wären sie seine Kinder<br />
Von Kopenhagen führt die Küstenstraße nach Helsingør in Nordseeland. Nordseeland gilt als<br />
die Boomregion des dänischen Weines. In die vielen Schlösser der Öresund-Küste, auch<br />
dänische Riviera genannt, zogen sich früher die Könige zurück. In Helsingør erhebt sich die<br />
mächtige Festung Kronborg wie ein Schutzwall, hier ließ Shakespeare seinen Hamlet spielen.<br />
Direkt gegenüber liegt das schwedische Helsingborg, nur durch den schmalen Öresund von<br />
der dänischen Küste getrennt. Die Kanonen von Kronborg sind nicht auf Schweden, sondern<br />
auf die Einfahrt der Meeresenge gerichtet, wo die großen Containerschiffe am Horizont<br />
erscheinen.<br />
Aber morgens ist die See noch unberührt, bis der erste Kutter fährt; wie ein Schneepflug im<br />
Neuschnee hinterlässt er seine Spuren. Der Himmel ist ruhelos, entwirft ein spektakuläres<br />
Wolkenbild nach dem anderen und ist trotzdem nie lange damit zufrieden. Das Morgenlicht<br />
ist so fordernd, dass sogar Langschläfer zu Frühaufstehern werden.<br />
In Ålsgårde geht Lars Hagerman in seinem eingezäunten Weinberg sorgenvoll die Rebreihen<br />
ab. Er war einige Tage mit der Familie in der Toskana, aber es fällt ihm jedes Mal schwer,<br />
sein »kleines Paradies« allein zu lassen. Denn wenn er nicht ständig daran arbeitet, verwildert<br />
das Paradies. In den wenigen Tagen, die er weg war, ist das Unkraut zwischen den Rebzeilen<br />
hochgeschossen, was Hagerman peinlich ist. Keine Fotos, bitte! »Wie geht es euch denn? War<br />
alles in Ordnung hier?« Der Winzer spricht mit seinen Reben, als wären sie seine Kinder,<br />
auch wenn er sich dabei »ein klein wenig idiotisch vorkommt«. Schaden kann es ja nicht.<br />
Das Meer ist keinen Kilometer entfernt, man kann bis Schweden sehen. Hagerman musste mit<br />
seinem Fahrrad weit herumfahren, bis er endlich den idealen Hügel für seine Reben fand. Er<br />
ist nach Süden ausgerichtet und geschützt gegen die rauen Ostwinde. Mit ein wenig<br />
Wohlwollen kann man ihn als Steillage durchgehen lassen. Der Boden setzt sich aus Löß und<br />
etwas Lehm zusammen, weiter unten befindet sich Kalkstein. Von Jahr zu Jahr dringen die<br />
Wurzeln der Rebstöcke weiter in die Tiefe, in den Kalkstein, vor. »Dadurch werden die<br />
Weine komplexer und mineralischer«, erklärt Hagerman. Im nahen Wald stehen Buchen und<br />
Birken, Fischreiher zetern um die Wette. Sie nisten dort, hin und wieder kommen sie<br />
39
Hagerman besuchen. »Wir verstehen uns, sie wissen, dass ich hinter dem Zaun bin.« Es riecht<br />
nach Schafgarbe und Flieder und vermutlich auch nach nordischer Weite.<br />
Hagerman ist Schwede, hat aber die meisten seiner Jahre in Dänemark verbracht, vierzig<br />
davon als Meeresbiologe. Diese Erfahrung kommt ihm als Winzer zugute: Er weiß, was in der<br />
Natur und im Keller vorgeht. Jetzt ist er pensioniert und 66, »leider«, sagt er etwas wehmütig.<br />
Wenn er noch einmal wählen könnte, wäre er gleich Winzer geworden. Wie die meisten<br />
Winzer in Dänemark wird Hagerman von einem deutschen Mentor beraten, bei ihm ist es<br />
Gerhard Roth aus Franken. Roth war in den siebziger Jahren einer der Ersten, die sich zum<br />
ökologischen Weinbau bekannten. Aus Franken bezieht Hagerman auch seine Reben. Anders<br />
als in der Vorstadt Kopenhagens stehen sie hier, als gehörten sie von jeher in diese<br />
Landschaft.<br />
Das maritime Klima Nordseelands ist relativ mild, es eignet sich für die Erzeugung von<br />
Weißwein. Zumindest aus Sorten wie Ortega, Kerner und Siegerrebe, die in Deutschland als<br />
früh reifend gelten. Hier brauchen sie meist bis Oktober. Es ist verblüffend, was Hagerman in<br />
seiner Domain Aalsgaard erzeugt, jenseits von 56 Grad Nord. Ihm gelingen die besten<br />
Weißweine Dänemarks, trocken, leicht im Alkohol, mit strahlender nördlicher Frische. So<br />
können nur Cool-Climate-Weine vom Öresund schmecken. Hagerman empfiehlt sie zu<br />
Garnelen und Krebsen, am besten mit einer fruchtigen Soße aus Mango oder Holunderblüten.<br />
Hagerman könnte zufrieden sein, aber das Weinland Dänemark ist noch in der<br />
Findungsphase. »Dänische Weine sind zu teuer«, sagt er. Er selbst nimmt 20 Euro für eine<br />
Halbliterflasche von dem, was er mühsam der Natur abringt. Langsam spricht sich herum,<br />
dass es lohnt, die Domain Aalsgaard zu besuchen, die sich mit drei anderen Weingütern<br />
Nordseelands zusammengetan hat zur vermutlich kleinsten Weinstraße Europas. Umso größer<br />
schreibt man dort die Gastfreundschaft. An allen vier Stationen werden neben der Verkostung<br />
Führungen durch das Weingut und die Weinberge angeboten. Im Herbst sind Erntehelfer<br />
willkommen.<br />
An der Weinstraße liegt auch Frederiksborg Vin, eine Kooperative mit 320 Mitgliedern. Eines<br />
davon ist Prinz Henrik von Dänemark, der Ehemann von Königin Margrethe II. Der Prinz<br />
füllt auch etwas Wein aus eigenem Anbau ab, die Reben stehen direkt neben dem berühmten<br />
Schloss Frederiksborg in Hillerød. Die Königin lässt es sich nicht nehmen, die Etiketten<br />
persönlich zu gestalten. Unweit des Schlosses liegt der Arresø, mit 41 Quadratkilometern der<br />
größte See Dänemarks. Er soll entstanden sein, als ein böser Troll die Stadt Farum begraben<br />
40
wollte und dafür einen riesigen Sack mit Erde volllud. Das entstandene Loch füllte sich mit<br />
Wasser.<br />
Über dem Fjord hängen Wolken wie Sofakissen<br />
Es gibt keinen Grund, an der Sage zu zweifeln. Schließlich wachsen hier auch Weinreben –<br />
bis vor Kurzem völlig undenkbar –, da wird es für einen Troll ein Leichtes gewesen sein, den<br />
Arresø zu gestalten. In Helsinge am Arresø macht auch die Weinstraße beim Annisse Vingård<br />
halt, bevor sie am Roskilde Fjord endet. Es lohnt sich, ihr bis zum Endpunkt zu folgen, zum<br />
Weingut Degnemosegaard im Fjordland. Das Ehepaar Poulsen ist hier ansässig geworden,<br />
beide haben gut bezahlte Berufe aufgegeben, um vom Weinbau zu leben. Gorm Poulsen, 62,<br />
arbeitete als Steuerberater in Kopenhagen, die Zahnärztin Kirsten, 61, betrieb eine eigene<br />
Praxis.<br />
Sie wirken etwas bedrückt, als sie ihre Weinberge zeigen. Einzelne Rebreihen sind<br />
verkümmert und werden dieses Jahr keine Trauben liefern, ein Frost hat die Austriebe<br />
vernichtet. »Manchmal«, sagt Gorm Poulsen, »zweifelt man schon daran, ob es nicht zu<br />
mühsam ist, hier Wein anzubauen.« Er zögert lange, bis er sagt: »Es ist ein Experiment, aber<br />
ein gutes.« So einig scheinen sich die Poulsens da nicht mehr zu sein; sie würde gerne<br />
zurückkehren in die Stadt, um die halbe Woche als Zahnärztin zu arbeiten. Vom Weinbau<br />
allein könnten sie nicht leben, aber Gorm Poulsen will auf keinen Fall aufgeben. Im<br />
vergangenen Jahr wurden sie für den besten dänischen Rosé ausgezeichnet, aus Rondo und<br />
Regent. Auch die Weißweine zeigen von Jahr zu Jahr mehr Format.<br />
In Deutschland würde man solche Betriebe wohl rationalisieren oder gleich schließen. Aber<br />
das ist Dänemark: Winzer wie Gorm Poulsen haben sich ganz dem Weinbau verschrieben,<br />
ohne dabei wie Unternehmer zu rechnen. Sie glauben daran, dass man mit Spaß hohe und<br />
bezahlbare Qualität erzeugen kann, auch wenn es im Moment nicht danach aussieht, dass all<br />
das zugleich möglich ist. Aber anscheinend sind Rückschläge leichter zu ertragen im<br />
Fjordland, wo sich alles ballt, was man von einer schönen Landschaft erhofft: Wasser, grüne<br />
Hügel, flach gepresste Anwesen einer charmanten Bonsaiarchitektur. Über dem Fjord hängen<br />
Wolken wie Sofakissen, darunter warten gemütliche Gasthäuser. Vor manchem steht ein<br />
Holzpflock im Wasser, an dem eine Dose hängt. Mit kleinen Steinen werfen die Dänen<br />
darauf, danach trinken sie ein Glas Bier oder Wein. Vor allem Wein.<br />
41
: Dänischer Wein<br />
Die Weingüter der Weinstraße Nordseeland:<br />
Domain Aalsgaard, Lars Hagerman, Ålsgårde Stationsvej 13, DK-3140 Ålsgårde, Tel.<br />
0045/49708010, www.domainaalsgaard.dk<br />
Frederiksborg Vin, Präsident Poul Korsholm, Harløsevej 164, DK-3400 Hillerød, Tel.<br />
0045/70236939, www.frederiksborg-vin.dk<br />
Annisse Vingård, Niels Frees, Præstevej 89, Annisse, DK-3200 Helsinge, Tel.<br />
0045/48285804, www.annisse-vingaard.dk<br />
Degnemosegaard, Kirsten und Gorm Poulsen, Degnemosevej 6, Ferslev, DK-4050 Skibby,<br />
Tel. 0045/47512600, www.degnemosegaard.dk<br />
http://www.zeit.de/2008/31/Daenemark-Wein?page=4<br />
42
Dienstag, 07. August 2007<br />
Dänischer Wein: Exot im Glas<br />
Einer der prominentesten dänischen Weinliebhaber war König Christian IV. (1577–<br />
1648). Für seine prunkvollen Feste ließ er fassweise Riesling- Weine vom Mittelrhein<br />
importieren. Heute könnte der lebensfrohe Herrscher seinen Gästen genussreiche<br />
Tropfen aus seinem eigenen Königsreich kredenzen.<br />
Dänemark ist als Weinanbaugebiet bislang wenig bekannt.<br />
Quelle: vdk / Niclas Jessen<br />
Seit 1. August 2000 ist Dänemark von der EU als Weinbaugebiet anerkannt – und darf damit<br />
dänischen Wein zu kommerziellen Zwecken anbauen und verkaufen. Die von der EU genehmigte<br />
Höchstanbaufläche beträgt bislang 99 Hektar; beliebteste Rebsorte ist die rote Rondo-Traube, die<br />
1964 in der damaligen CSSR aus Kreuzungen klimarobuster Sorten mit kurzen Vegetationszeiten<br />
entstand. Im Geschmack dem Blauburgunder ähnlich, ist sie äußerst wettertolerant und nimmt<br />
auch einen verregneten Sommer zwischendurch nicht übel. Kaum eine andere Rebsorte bildet so<br />
rasch nach dem Blütenaustrieb ihre Trauben und ist in den Erträgen so konstant wie die Rondo. So<br />
bildet sie die Basis fast aller dänischen Rotweine, die dann als Cuvée mit Léon Millot, Bianca,<br />
Schuyler, Don Muscat, Bolero oder Vanessa verschnitten werden. Zu den beliebtesten weißen<br />
Reben gehören die Sorten Reform, Bianca, Zalas Perle, Kerner und Himrod.<br />
In Dons bei Kolding fing alles an<br />
Als erster staatlich anerkannter Weinproduzent des Königreichs gilt das zwei Hektar große Weingut<br />
Skærsøgaard Vin, das der Winzer Sven Moesgaard vor sieben Jahren in Dons bei Kolding in<br />
Südost-Jütland gegründet hat. Der Erfolg seiner Rot-, Rosé-, Weiß- und Schaumweine rief rasch<br />
Nachahmer auf den Plan. Auf der Sonneninsel Bornholm keltern und verkaufen Torsten Cilleborg<br />
und Thor Kristoffersen auf ihrem Weingut Lille Gadegaard in Aakirkeby jährlich mehr als tausend<br />
Liter Rotwein. Ist draußen eine dänische Flagge – anstelle des traditionellen Straußes –<br />
aufgesteckt, kann der schmackhafte Rote zu einem deftigen Wurstteller im Café genossen werden.<br />
Und auch auf Møn produziert Jørgen Teik Hansen vom Hjelm Vingård bei Stege Tropfen, die<br />
aufhorchen lassen.<br />
44
In der Nähe von Kolding hat alles angefangen...<br />
Quelle: vdk / John Sommer<br />
Seeland, bald das dänische Rheinland?<br />
Doch die Boomregion der dänischen Winzer heißt Seeland. Boden und Klima liefern hier so gute<br />
Bedingungen, dass bei Blindverkostungen von dort stammende dänische Weine von renommierten<br />
Sommeliers als edle Tropfen aus Norditalien eingestuft wurden. Zu den ältesten Weingütern der<br />
Region gehört die kleine, aber feine Domain Aalsgaard von Lars Hagerman in Nordseeland. 1975<br />
pflanzte der vollbärtige Winzer hier auf 0,7 Hektar die ersten der insgesamt 2.000 Weinstöcke an.<br />
Ihre Tropfen lassen heute Kenner schwärmen. Ein anerkannter Ökowinzer ist Bjarne Thougaard<br />
Kristensen. Auf seinem Weingut Vinperlen stellt er den Rotwein „Bjarnanett Rouge“ aus Trauben<br />
her, ferner einen leichten Weißwein aus Holunderblüten, einen süßen Erdbeerwein sowie Met, den<br />
Honig-Wein der Wikinger. Verkostungen und Weingutführungen bietet auch Frederiksborg Vin an,<br />
das in der Nähe des weltberühmten gleichnamigen Schlosses seit dem Jahr 2000 Rot- und<br />
Weißweine von 1.000 Rebstöcken keltert. Als jüngstes Weingut im guten Dutzend der dänischen<br />
Winzer kam im Jahr 2006 das Weingut Skovgård in der Nähe von Slagelse hinzu.<br />
Sie alle profitieren von den Erfahrungen und dem Erfolg eines Pioniers, dessen Name bis heute den<br />
hohen Anspruch verrät: vom Dansk VinCenter. Keine zehn Kilometer vom Rathausplatz von<br />
Kopenhagen entfernt, bindet Jørgen Hinsch (53) junge Weintriebe am längst gespannten<br />
Stahldraht fest. „Wir experimentieren hier mit Rondo am Hochspalier“, erzählt der Winzer, der seit<br />
einem Jahr für das größte und professionellste Weingut Dänemarks arbeitet. Bereits 1999 hatte<br />
Jens Michael Gundersen, Dänemarks aktivster Wein-Lobbyist, hier in Avedøre sein Dansk VinCenter<br />
gegründet. Mittlerweile führt sein Mitbegründer und einstiger Partner Torben Andreasen allein den<br />
Betrieb – Gundersen baut inzwischen seit knapp drei Jahren ein neues Weingut auf der Ostsee-<br />
Insel Fejø auf.<br />
45
Ob es in der Region Seeland in einigen Jahren durch Wein"berge" statt durch Rapsfelder geht?<br />
Quelle: vdk / Cees van Roeden<br />
"Rondo" dominiert das Geschehen<br />
Auch das drei Hektar große Weingut des Dansk VinCenter in Avedøre ist Experimentieracker und<br />
kommerzielles Weingut in einem. Auf 3,5 Hektar Land, auf dem noch vor acht Jahren eine<br />
Gärtnerei Geranien und anderen Balkonblumen züchtete, wachsen heute 10.000 Weinstöcke. 66<br />
Prozent des Areals dienen dem kommerziellen Trauben-Anbau, 33 Prozent der Fläche ist ein<br />
Versuchsfeld: Sorten wie Ortega, Solaris, Castel und Regent werden hier auf Ertrag und Güte an<br />
unterschiedlichen Spaliertypen getestet.<br />
Am erfolgversprechendsten hat sich auch hier die Rebe „Rondo“ erwiesen – aus ihr kreiert<br />
Kellermeisterin Anne Juel Christensen (31) die „Nordlund“-Weine. Als sie 2002 in 7.100<br />
handsignierten Flaschen erstmals auf den Markt kamen, waren sie in wenigen Wochen<br />
„ausgetrunken“, sprich vergriffen. Mittlerweile wurde der Cuvée aus vier Traubensorten mit hohem<br />
Rondo-Anteil bei der alljährlichen Weinmesse im Kopenhagener Tivoli bereits zwei Mal mit Silber<br />
und einmal mit Bronze ausgezeichnet. Bevor er auf Flaschen gezogen wird, ruht der rote Rebensaft<br />
jedoch für längere Zeit im Barrique und nimmt das Aroma der 28 Eichenfässer auf.<br />
Wuchtige Eichenfässer dominieren auch den Wintergarten, einen großen, langgestreckten Raum<br />
mit rustikalen Biertisch-Garnituren, nostalgischen Kerzenleuchtern aus Messing und einigen dicken<br />
Holzplanken als Büffet. Das lichte, offene Ambiente ist gefragt – denn längst hat das für dänische<br />
Verhältnisse exotische Ambiente des Dansk Vincenter das Weingut zur beliebten Event-Location für<br />
Firmenfeiern oder Familienfesten gemacht.<br />
Quelle: vdk / Hilke Maunder<br />
http://www.kwick.de/magazin/daenischer_wein_exot_im_glas.7072.html<br />
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Dänischer Wein: Exot im Glas<br />
Einer der prominentesten dänischen Weinliebhaber war König Christian IV. (1577–<br />
1648). Für seine prunkvollen Feste ließ er fassweise Riesling-Weine vom Mittelrhein<br />
importieren. Heute könnte der lebensfrohe Herrscher seinen Gästen genussreiche<br />
Tropfen aus seinem eigenen Königsreich kredenzen.<br />
Seit 1. August 2000 ist Dänemark von der EU als Weinbaugebiet anerkannt – und darf damit<br />
dänischen Wein zu kommerziellen Zwecken anbauen und verkaufen. Die von der EU genehmigte<br />
Höchstanbaufläche beträgt bislang 99 Hektar; beliebteste Rebsorte ist die rote Rondo-Traube, die<br />
1964 in der damaligen CSSR aus Kreuzungen klimarobuster Sorten mit kurzen Vegetationszeiten<br />
entstand. Im Geschmack dem Blauburgunder ähnlich, ist sie äußerst wettertolerant und nimmt<br />
auch einen verregneten Sommer zwischendurch nicht übel. Kaum eine andere Rebsorte bildet so<br />
rasch nach dem Blütenaustrieb ihre Trauben und ist in den Erträgen so konstant wie die Rondo. So<br />
bildet sie die Basis fast aller dänischen Rotweine, die dann als Cuvée mit Léon Millot, Bianca,<br />
Schuyler, Don Muscat, Bolero oder Vanessa verschnitten werden. Zu den beliebtesten weißen<br />
Reben gehören die Sorten Reform, Bianca, Zalas Perle, Kerner und Himrod.<br />
Als erster staatlich anerkannter Weinproduzent des Königreichs gilt das zwei Hektar große Weingut<br />
Skærsøgaard Vin, das der Winzer Sven Moesgaard vor sieben Jahren in Dons bei Kolding in Südost-<br />
Jütland gegründet hat. Der Erfolg seiner Rot-, Rosé-, Weiß- und Schaumweine rief rasch<br />
Nachahmer auf den Plan. Auf der Sonneninsel Bornholm keltern und verkaufen Torsten Cilleborg<br />
und Thor Kristoffersen auf ihrem Weingut Lille Gadegaard in Aakirkeby jährlich mehr als tausend<br />
Liter Rotwein. Ist draußen eine dänische Flagge – anstelle des traditionellen Straußes –<br />
aufgesteckt, kann der schmackhafte Rote zu einem deftigen Wurstteller im Café genossen werden.<br />
Und auch auf Møn produziert Jørgen Teik Hansen vom Hjelm Vingård bei Stege Tropfen, die<br />
aufhorchen lassen.<br />
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Wer bisher Bornholm und Weinanbau in Verbindung bringen wollte, musste gewaltige Gedankensprünge durch die<br />
Geschichte machen: Die Namen Borungia und Borgundarholmr, wie die dänische Ostseeinsel in Schriften aus dem 13.<br />
Jahrhundert genannt wird, nähren die These, dass von dort jene Menschen stammen, die es zur<br />
Völkerwanderungszeit ins heutige Burgund verschlug und die in ihrer neuen Heimat großartige Weinbauern wurden.<br />
Bornholm und Weinanbau lassen sich seit dem 1. August 2003 jedoch einfacher verbinden: An diesem Tag verkauften<br />
Jesper und Yvonne Poulsen im Hofladen ihres Lille Gadegård die ersten 1.000 Flaschen eines auf Bornholm<br />
angebauten und verarbeiteten Rotweins. Drei Stunden später war der ›Rondo 2002‹ ausverkauft.<br />
Doch die Boomregion der dänischen Winzer heißt Seeland. Boden und Klima liefern hier so gute<br />
Bedingungen, dass bei Blindverkostungen von dort stammende dänische Weine von renommierten<br />
Sommeliers als edle Tropfen aus Norditalien eingestuft wurden. Zu den ältesten Weingütern der<br />
Region gehört die kleine, aber feine Domain Aalsgaard von Lars Hagerman in Nordseeland. 1975<br />
pflanzte der vollbärtige Winzer hier auf 0,7 Hektar die ersten der insgesamt 2.000 Weinstöcke an.<br />
Ihre Tropfen lassen heute Kenner schwärmen. Ein anerkannter Ökowinzer ist Bjarne Thougaard<br />
Kristensen. Auf seinem Weingut Vinperlen stellt er den Rotwein „Bjarnanett Rouge“ aus Trauben<br />
her, ferner einen leichten Weißwein aus Holunderblüten, einen süßen Erdbeerwein sowie Met, den<br />
Honig-Wein der Wikinger. Verkostungen und Weingutführungen bietet auch Frederiksborg Vin an,<br />
das in der Nähe des weltberühmten gleichnamigen Schlosses seit dem Jahr 2000 Rot- und<br />
Weißweine von 1.000 Rebstöcken keltert. Als jüngstes Weingut im guten Dutzend der dänischen<br />
Winzer kam im Jahr 2006 das Weingut Skovgård in der Nähe von Slagelse hinzu.<br />
Sie alle profitieren von den Erfahrungen und dem Erfolg eines Pioniers, dessen Name bis heute den<br />
hohen Anspruch verrät: vom Dansk VinCenter. Keine zehn Kilometer vom Rathausplatz von<br />
Kopenhagen entfernt, bindet Jørgen Hinsch (53) junge Weintriebe am längst gespannten<br />
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Stahldraht fest. „Wir experimentieren hier mit Rondo am Hochspalier“, erzählt der Winzer, der seit<br />
einem Jahr für das größte und professionellste Weingut Dänemarks arbeitet. Bereits 1999 hatte<br />
Jens Michael Gundersen, Dänemarks aktivster Wein-Lobbyist, hier in Avedøre sein Dansk VinCenter<br />
gegründet. Mittlerweile führt sein Mitbegründer und einstiger Partner Torben Andreasen allein den<br />
Betrieb – Gundersen baut inzwischen seit knapp drei Jahren ein neues Weingut auf der Ostsee-<br />
Insel Fejø auf.<br />
Auch das drei Hektar große Weingut des Dansk VinCenter in Avedøre ist Experimentieracker und<br />
kommerzielles Weingut in einem. Auf 3,5 Hektar Land, auf dem noch vor acht Jahren eine<br />
Gärtnerei Geranien und anderen Balkonblumen züchtete, wachsen heute 10.000 Weinstöcke. 66<br />
Prozent des Areals dienen dem kommerziellen Trauben-Anbau, 33 Prozent der Fläche ist ein<br />
Versuchsfeld: Sorten wie Ortega, Solaris, Castel und Regent werden hier auf Ertrag und Güte an<br />
unterschiedlichen Spaliertypen getestet.<br />
Am erfolgversprechendsten hat sich auch hier die Rebe „Rondo“ erwiesen – aus ihr kreiert<br />
Kellermeisterin Anne Juel Christensen (31) die „Nordlund“-Weine. Als sie 2002 in 7.100<br />
handsignierten Flaschen erstmals auf den Markt kamen, waren sie in wenigen Wochen<br />
„ausgetrunken“, sprich vergriffen. Mittlerweile wurde der Cuvée aus vier Traubensorten mit hohem<br />
Rondo-Anteil bei der alljährlichen Weinmesse im Kopenhagener Tivoli bereits zwei Mal mit Silber<br />
und einmal mit Bronze ausgezeichnet. Bevor er auf Flaschen gezogen wird, ruht der rote Rebensaft<br />
jedoch für längere Zeit im Barrique und nimmt das Aroma der 28 Eichenfässer auf.<br />
Wuchtige Eichenfässer dominieren auch den Wintergarten, einen großen, langgestreckten Raum<br />
mit rustikalen Biertisch-Garnituren, nostalgischen Kerzenleuchtern aus Messing und einigen dicken<br />
Holzplanken als Büffet. Das lichte, offene Ambiente ist gefragt – denn längst hat das für dänische<br />
Verhältnisse exotische Ambiente des Dansk Vincenter das Weingut zur beliebten Event-Location für<br />
Firmenfeiern oder Familienfesten gemacht.<br />
Hilke Maunder<br />
Degustationen, Kellertür-Verkauf und Führungen bieten u. a.:<br />
Skærsøgaard Vin<br />
Nørresøvej 12, Dons<br />
A – 6051 Almind<br />
Tel. +45 75 55 44 73<br />
E-Mail: info@dansk-vin.dk<br />
www.dansk-vin.dk<br />
Lille Gadegård<br />
Jesper Paulsen<br />
Søndre Landevej 63<br />
DK – 3720 Aakirkeby<br />
Tel. +45 56 97 80 63<br />
E-Mail: a7@a7.dk<br />
49
www.a7.dk<br />
Hjelm Vingård<br />
Baunehøjvej 32<br />
DK – 4780 Stege<br />
Dansk VinCenter<br />
Byvej 55<br />
Avedøre Landsby<br />
DK – 2650 Hvidovre<br />
Tel. +45 36 86 40 00<br />
E-Mail: info@vincenter.dk<br />
www.vincenter.dk<br />
Vinperlen<br />
Lundemarken 19<br />
DK – 4532 Gislinge<br />
Tel. +45 59 41 10 00<br />
E-Mail: bjarne@vinperlen.dk<br />
www.vinperlen.dk<br />
Frederiksborg Vin<br />
Harløsevej 164<br />
DK – 3400 Hillerød<br />
Tel. +45 70 23 69 39<br />
E-Mail: kontakt@frederiksborg-vin.dk<br />
www.frederiksborg-vin.dk<br />
Domain Aalsgaard<br />
Ålsgårde Stationsvej 13<br />
DK – 3140 Ålsgårde<br />
Tel. +45 49 70 80 10<br />
E-Mail: hagerman@adr.dk<br />
www.domainaalsgaard.dk<br />
http://www.herrenzimmer.de/216.html<br />
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