Ein großer Strafprozess vor 250 Jahren in Berka - Kurstadt Bad Berka

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09.10.2013 Aufrufe

gestattete Anna Amalia ein Wiederaufnahmeverfahren. Soweit die Inhaftierten dazu in der Lage waren, durften sie schriftliche Aussagen zu ihrer Verteidigung machen. So erklärte Seyfarth, er habe sich zwar mit der Dornberger abgesprochen, beim Krämer Müller Stoff zu stehlen, habe aber gar nicht wirklich mitgemacht, sondern nur gegenüber Müllers Haus, am Marktbrunnen Wache gehalten. Haueisen und Venus hätten das Loch in die Wand geschlagen. Dafür habe er auch nur einen Taler als Anteil erhalten. Auch zum Fischdiebstahl habe ihn die Dornberger verleitet. Hier war er ebenfalls nur Wächter, habe als Anteil 16 Groschen erhalten und von den Fischen mitgegessen. Auch die Dornberger versuchte ihre Schuld herabzumindern. Sie behauptete wie Seyfarth, sie habe ebenfalls nur in der Toreinfahrt des Bürgermeisters Wochen, gegenüber dem Laden von Müller, Wache gestanden. Als der Nachtwächter plötzlich über den Markt gelaufen sei, habe sie die beiden gewarnt. Haueisen hatte mit seinem Leben schon abgeschlossen, wollte aber wenigstens als Todesstrafe das Schwert erhalten und belastete daher die Dornberger schwer. Er erklärte, sie habe alles ausgedacht und angestiftet. Auch habe sie die Stoffballen von ihnen in Empfang genommen und ebenso wie später die Fische nach Hause getragen. Gemeinsam hätten sie dann am anderen Tag die Stoffe und die Fische in Erfurt verkauft. Anschließend hätten sie das Geld in der Wohnung der Dornberger an alle verteilt. Für sie wirkte sich verschärfend aus, dass sie schon 1753 und 1756 wegen Diebereien inhaftiert war und sich und ihre Kinder von Holzdiebstahl ernährt hatte. Schwer hatten es die Beamten mit Venus. Er jammerte, schrie und tobte in seiner Zelle. Was er heute zugegeben hatte, widerrief er am anderen Tage. Meist aber beschuldigte er seine Diebesgenossen. Besonders die Mitwirkung am Raub der 25 Taler bei der Witwe Dornberger wies er zurück. In Jena berieten die Richter erneut über die Berkaer Vorgänge. Tatsächlich kamen sie zu dem Ergebnis, das Strafmaß zu hoch angesetzt zu haben. Ihr Urteil lautete nun, statt der Hinrichtung von Haueisen, Remde und Venus zum Tode durch den Strang, Begnadigung zur Todesstrafe durch das Schwert. Alle anderen Urteile blieben bestehen. Um ganz sicher zu gehen, wurden auf ausdrücklichen Wunsch von Herzogin Anna Amalia auch noch die Richter der Juristischen Fakultät in Erfurt gehört. Auch sie kamen zum gleichen Urteil wie ihre Jenaer Kollegen. Der inhaftierte Venus gab nicht auf. Er erreichte, dass er sich einen Privatverteidiger nehmen durfte. Wie der Rat und Hof-Advokat Lamm in Weimar schrieb, „habe er zwar keine Lust, da er wisse, dass er keinen Lohn von Venus erhalte, der Gerechtigkeit willen aber wolle er sich mit dem Prozess befassen“. In einem Schreiben vom 22. September 1761 sparte er nicht mit Kritik an der Prozessführung. So erklärte er, der Prozess enthalte viele Fehler und sei unmenschlich geführt worden. „Die Inquisiten wurden gequält, ständig bedroht, erpresst und bei den Verhören mit Carbatschen, Maulschellen und anderen Prügeln traktieret“. Auch behauptete er, die Berichte an die Juristischen Fakultäten wären gefälscht, dadurch seien die Urteile verfehlt. Anfang November saß man in Berka erneut zu Gericht. Der Justizamtmann mit seinen Beamten, Gerichtsschöppen, der Pfarrer und Beamte aus Weimar befassten sich u.a. mit Lamms Vorwürfen und taten sie als „ein pures Gewäsch des durch aus bösen Diebs Venus“ ab. Sie schlugen der Herzogin vor, um Kosten zu sparen, keine Anwälte und Zeugen mehr zuzulassen und den Prozess zu beenden. Sie möge das Strafmaß bestätigen. Der „böse Dieb“ Venus hatte es wenige Tage später aufgegeben, um sein Leben zu bitten. Am 16. November nutzte er eine günstige Gelegenheit und floh aus der Fronfeste.

Als die Herzogin von der Flucht erfuhr, war sie empört. Sie ordnete an, Venus im ganzen Lande zu suchen und den für die Bewachung verantwortlichen Amtsknecht Walther schwer zu bestrafen. Haueisen und Remde sollten unverzüglich hingerichtet werden. Generalmajor von Burgsdorf erhielt Befehl, sofort die Bewachung der Gefangenen zu übernehmen und am Hinrichtungstag mit seinen Soldaten für Sicherheit und Ordnung in Berka zu sorgen. Der Pfarrer sollte mit den Geistlichen der Umgebung bis zur Hinrichtung der „Delinquenten“ deren geistlichen Beistand übernehmen. Das Datum der Hinrichtung ist nicht genau bekannt. Die vorhandenen Akten enthalten keine Aussage, ein Eintrag in der Kirchenchronik ist falsch. Sicher aber ist, dass Hans Georg Haueisen und Elias Remde in den letzten Novembertagen 1761 auf dem Richtplatz am Hungerbach (Zeughausplatz) im Beisein einer riesigen Menschenmenge enthauptet und ihre toten Körper auf dem Galgenberg begraben wurden. Anna Amalia ließ Gnade vor Recht ergehen. Seyfarth und die Dornberger wurden zu einer 10-jährigen Zuchthausstrafe begnadigt. Den weiteren Mittätern wurden die Strafen erlassen. Amtsknecht Walther, auch als Fronvogt bezeichnet, wusste sich geschickt aus der Verantwortung zu ziehen. Als er erfahren hatte, dass der Wächter Johann Michael Hecker bei seinem Dienst dem Venus eine „alte Barbier- Messer Klinge“ (Stahl) zum Anzünden seiner Tabakpfeife geliehen hatte, behauptete Walther, Venus habe mit dieser Klinge seine Ketten „durchgeraspelt“. Er inhaftierte Hecker in der Fronfeste und meldete dem Amtmann, er habe den Fluchthelfer gefasst. Nun musste Hecker um seine Freiheit kämpfen. In einem Schreiben seines Anwaltes vom 21.12.1761 an die Herzogin beteuert er seine Unschuld. Zu seiner Verteidigung führte er an, er habe in der Fluchtwoche gar keinen Wachdienst gehabt. Die Stahlklinge habe er dem Venus zum Anzünden seiner Pfeife zwar öfter geliehen, aber immer wieder gleich weggenommen. Auch sei es unmöglich, mit dieser Klinge die Hand- und Fußfesseln zu durchtrennen. Er beklagte sich, dass er nun fünf Wochen inhaftiert sei und in Berka als der „ärgste Missetäter“ angesehen werde. Gleichzeitig belastete er nun Walther. Dieser habe in den Tagen der Flucht gar keinen Wächter gehabt, er habe sich von ihnen bezahlen lassen und die Wache selbst übernommen. Außerdem habe Walther dem Venus viele Freiheiten gelassen. Hecker konnte die Beamten in Weimar überzeugen, er kam nach weiteren Wochen Haft frei, hatte aber erhebliche Gerichtskosten zu zahlen. Was mit Walther geschah, ist nicht überliefert. Venus wurde nie mehr gesehen. Man erzählte sich, er habe sich anwerben lassen und sei als Soldat nach Amerika. Im letzten Schreiben dieses Falles fragte der Berkaer Amtmann in Weimar an, wer nun die Gerichts- und Hinrichtungskosten für Haueisen und Remde zahlen solle. Beide würden ein Haus in „miserablem Zustand“ mit einem Wert von 20 Talern besitzen. Vor ihrem Tod hätten sie darum gebeten, ihren Frauen und Kindern, die unschuldig waren, die Hütten zu belassen. Nun fragte er, ob die Familien in den Häusern bleiben dürften oder ob sie beschlagnahmt werden sollten. Anna Amalia antwortete: „Sie sollen verbleiben, das Amt Berka möge die Mittel anderweitig hernehmen“. Verbrechen dieser Art waren damals nicht selten. Mit Raubüberfällen, Diebstählen, Betrügereien und besonders mit Wilddiebereien in den waldreichen Gegenden hatten sich die Richter der Juristischen Fakultäten in Jena, Erfurt und Halle vielfach zu beschäftigen. Eigens war dazu 1758 ein Gesetz „Wieder die Gauner und Räuber im Fürstlichen Lande“ erlassen worden. Nach Angaben der Amtsleute über den Tathergang verhängten die Richter auf dieser Grundlage Todesurteile, Landesverweise und Zuchthausstrafen. Letztere kam einer langsamen Todesstrafe

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<strong>in</strong> der Lage waren, durften sie schriftliche Aussagen zu ihrer Verteidigung machen.<br />

So erklärte Seyfarth, er habe sich zwar mit der Dornberger abgesprochen, beim<br />

Krämer Müller Stoff zu stehlen, habe aber gar nicht wirklich mitgemacht, sondern nur<br />

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Auch die Dornberger versuchte ihre Schuld herabzum<strong>in</strong>dern. Sie behauptete wie<br />

Seyfarth, sie habe ebenfalls nur <strong>in</strong> der Tore<strong>in</strong>fahrt des Bürgermeisters Wochen,<br />

gegenüber dem Laden von Müller, Wache gestanden. Als der Nachtwächter plötzlich<br />

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Schwert erhalten und belastete daher die Dornberger schwer. Er erklärte, sie habe<br />

alles ausgedacht und angestiftet. Auch habe sie die Stoffballen von ihnen <strong>in</strong><br />

Empfang genommen und ebenso wie später die Fische nach Hause getragen.<br />

Geme<strong>in</strong>sam hätten sie dann am anderen Tag die Stoffe und die Fische <strong>in</strong> Erfurt<br />

verkauft. Anschließend hätten sie das Geld <strong>in</strong> der Wohnung der Dornberger an alle<br />

verteilt. Für sie wirkte sich verschärfend aus, dass sie schon 1753 und 1756 wegen<br />

Diebereien <strong>in</strong>haftiert war und sich und ihre K<strong>in</strong>der von Holzdiebstahl ernährt hatte.<br />

Schwer hatten es die Beamten mit Venus. Er jammerte, schrie und tobte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Zelle. Was er heute zugegeben hatte, widerrief er am anderen Tage. Meist aber<br />

beschuldigte er se<strong>in</strong>e Diebesgenossen. Besonders die Mitwirkung am Raub der<br />

25 Taler bei der Witwe Dornberger wies er zurück.<br />

In Jena berieten die Richter erneut über die <strong>Berka</strong>er Vorgänge. Tatsächlich kamen<br />

sie zu dem Ergebnis, das Strafmaß zu hoch angesetzt zu haben. Ihr Urteil lautete<br />

nun, statt der H<strong>in</strong>richtung von Haueisen, Remde und Venus zum Tode durch den<br />

Strang, Begnadigung zur Todesstrafe durch das Schwert. Alle anderen Urteile<br />

blieben bestehen. Um ganz sicher zu gehen, wurden auf ausdrücklichen Wunsch von<br />

Herzog<strong>in</strong> Anna Amalia auch noch die Richter der Juristischen Fakultät <strong>in</strong> Erfurt<br />

gehört. Auch sie kamen zum gleichen Urteil wie ihre Jenaer Kollegen.<br />

Der <strong>in</strong>haftierte Venus gab nicht auf. Er erreichte, dass er sich e<strong>in</strong>en Privatverteidiger<br />

nehmen durfte. Wie der Rat und Hof-Advokat Lamm <strong>in</strong> Weimar schrieb, „habe er<br />

zwar ke<strong>in</strong>e Lust, da er wisse, dass er ke<strong>in</strong>en Lohn von Venus erhalte, der<br />

Gerechtigkeit willen aber wolle er sich mit dem Prozess befassen“. In e<strong>in</strong>em<br />

Schreiben vom 22. September 1761 sparte er nicht mit Kritik an der Prozessführung.<br />

So erklärte er, der Prozess enthalte viele Fehler und sei unmenschlich geführt<br />

worden. „Die Inquisiten wurden gequält, ständig bedroht, erpresst und bei den<br />

Verhören mit Carbatschen, Maulschellen und anderen Prügeln traktieret“. Auch<br />

behauptete er, die Berichte an die Juristischen Fakultäten wären gefälscht, dadurch<br />

seien die Urteile verfehlt. Anfang November saß man <strong>in</strong> <strong>Berka</strong> erneut zu Gericht. Der<br />

Justizamtmann mit se<strong>in</strong>en Beamten, Gerichtsschöppen, der Pfarrer und Beamte aus<br />

Weimar befassten sich u.a. mit Lamms Vorwürfen und taten sie als „e<strong>in</strong> pures<br />

Gewäsch des durch aus bösen Diebs Venus“ ab. Sie schlugen der Herzog<strong>in</strong> <strong>vor</strong>, um<br />

Kosten zu sparen, ke<strong>in</strong>e Anwälte und Zeugen mehr zuzulassen und den Prozess zu<br />

beenden. Sie möge das Strafmaß bestätigen.<br />

Der „böse Dieb“ Venus hatte es wenige Tage später aufgegeben, um se<strong>in</strong> Leben zu<br />

bitten. Am 16. November nutzte er e<strong>in</strong>e günstige Gelegenheit und floh aus der<br />

Fronfeste.

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