Ein großer Strafprozess vor 250 Jahren in Berka - Kurstadt Bad Berka
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<strong>E<strong>in</strong></strong> <strong>großer</strong> <strong>Strafprozess</strong> <strong>vor</strong> <strong>250</strong> <strong>Jahren</strong> <strong>in</strong> <strong>Berka</strong><br />
Große Aufregung herrschte im Mai 1761 im kle<strong>in</strong>en <strong>Berka</strong>. Die Urteile über die<br />
„<strong>Berka</strong>er Räuberbande“ waren verkündet worden. Sie waren hart ausgefallen.<br />
Todesurteile, Zuchthaus, Staupenschlag und Landesverweis hatten die Richter<br />
verkündet. Was war geschehen?<br />
Im Laufe des Jahres 1759 waren immer wieder Diebstähle an Geld, Lebensmitteln<br />
und Bekleidung bei bemittelten Bürgern <strong>in</strong> <strong>Berka</strong> <strong>vor</strong>gekommen. 25 Taler waren es<br />
alle<strong>in</strong> bei Sophie Dornberger, e<strong>in</strong>er Witwe. Es gab Vermutungen und<br />
Verdächtigungen, man sprach von e<strong>in</strong>er ganzen Räuberbande, Spuren fand man<br />
nicht. In der Nacht des 10. November schlugen die Diebe erneut zu. Durch e<strong>in</strong> Loch,<br />
das sie am Hause des Krämers Müller <strong>in</strong> die Wand geschlagen hatten, drangen sie <strong>in</strong><br />
dessen Laden e<strong>in</strong>, entwendeten Zuckersachen und zwei Ballen guten Tuches. In der<br />
gleichen Nacht wurden <strong>in</strong> der Ilm die schweren eisenbeschlagenen, mit Ketten und<br />
Schlössern gesicherten Fischkästen vom Amtsschreiber Cannabich und<br />
Bürgermeister Wochen aufgebrochen und ausgeraubt. Außer Schlammspuren auf<br />
der Pfarrbrücke fand man nichts.<br />
Im <strong>Berka</strong>er Justizamt war man ratlos, auch nach monatelangen Ermittlungen fanden<br />
sich ke<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise. Plötzlich aber stellte man fest, dass mehrere Personen im Ort<br />
Geld ausgaben, die eigentlich ke<strong>in</strong>es besitzen konnten. Man nahm die Spuren auf.<br />
Es folgten Befragungen, Verhöre, Verhaftungen. Beamte aus Weimar wurden h<strong>in</strong>zu<br />
gezogen. Die drei zunächst Verhafteten machten widersprüchliche Aussagen,<br />
beschuldigten sich gegenseitig und weitere Personen. Als mit der pe<strong>in</strong>lichen<br />
Befragung durch den Scharfrichter gedroht wurde, kam nach und nach die Wahrheit<br />
ans Licht. Es wurden Protokolle über die Vorgänge angefertigt, um sie an die<br />
Juristische Fakultät <strong>in</strong> Jena zur Urteilsf<strong>in</strong>dung zu senden. Als die Inhaftierten jedoch<br />
unterschreiben sollten, lehnten sie ab, leugneten erneut. Der Prozess zog sich <strong>in</strong> die<br />
Länge. Um endlich zu e<strong>in</strong>em Ergebnis zu kommen, nahm nun der Scharfrichter mit<br />
se<strong>in</strong>en Instrumenten an den Verhören teil. Das wirkte! Nach und nach unterschrieben<br />
alle.<br />
Die Richter <strong>in</strong> Jena ließen sich sehr viel Zeit, studierten die Akten und kamen zu<br />
folgendem Urteil: Als Haupttäter machten sie Hans Georg Haueisen, Johann Michael<br />
Venus und Johann Michael Seyfarth aus. Sie wurden verurteilt zum Tode durch den<br />
Strang. Die Mittäter Elias Remde und Christiane Dorothee Dornberger erhielten die<br />
Todesstrafe durch das Schwert. Weiter wurden verurteilt wegen Mitwisserschaft<br />
Dorothee Früchter<strong>in</strong> und Andreas Scharfen. Sie erhielten Staupenschlag und ewigen<br />
Landesverweis. Ihre Strafe konnte umgewandelt werden <strong>in</strong> 6 Jahre Zuchthaus. Dazu<br />
gehörte beim Betreten des Zuchthauses e<strong>in</strong> „Willkommen“, e<strong>in</strong>e Tracht Prügel. Als<br />
Hehler erhielten Ißrael Scharfen, Marie Elisabeth Sänger und Anna Margarethe<br />
Venus e<strong>in</strong> Jahr Landesverweis oder 3 Monate Zuchthaus.<br />
Mit dem Urteil hatte man nun <strong>in</strong> <strong>Berka</strong> e<strong>in</strong> großes Problem. War doch das<br />
Hochgericht (Galgen) seit weit über hundert <strong>Jahren</strong> nicht mehr benutzt worden und<br />
<strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong>gefallen. Um die Kosten für dessen Bau zu sparen, wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Schreiben an die Landesregent<strong>in</strong> Herzog<strong>in</strong> Anna Amalia <strong>vor</strong>geschlagen, die<br />
H<strong>in</strong>richtungen doch <strong>in</strong> Weimar <strong>vor</strong>zunehmen. Wegen Überfüllung der Fronfeste<br />
(Gefängnis), Fluchtgefahr der Inhaftierten, und der Unmöglichkeit, Frauen und<br />
Männer trennen zu können, baten die <strong>Berka</strong>er darum, e<strong>in</strong>ige Häftl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> Weimar<br />
unterzubr<strong>in</strong>gen. Letzterem Wunsch wurde entsprochen.<br />
Die Urteile nahmen die Täter aber nicht an. Sie erklärten, sich zwar schuldig gemacht<br />
zu haben, die Strafen aber wären zu hoch. Nach weiteren langen Verhandlungen
gestattete Anna Amalia e<strong>in</strong> Wiederaufnahmeverfahren. Soweit die Inhaftierten dazu<br />
<strong>in</strong> der Lage waren, durften sie schriftliche Aussagen zu ihrer Verteidigung machen.<br />
So erklärte Seyfarth, er habe sich zwar mit der Dornberger abgesprochen, beim<br />
Krämer Müller Stoff zu stehlen, habe aber gar nicht wirklich mitgemacht, sondern nur<br />
gegenüber Müllers Haus, am Marktbrunnen Wache gehalten. Haueisen und Venus<br />
hätten das Loch <strong>in</strong> die Wand geschlagen. Dafür habe er auch nur e<strong>in</strong>en Taler als<br />
Anteil erhalten. Auch zum Fischdiebstahl habe ihn die Dornberger verleitet. Hier war<br />
er ebenfalls nur Wächter, habe als Anteil 16 Groschen erhalten und von den Fischen<br />
mitgegessen.<br />
Auch die Dornberger versuchte ihre Schuld herabzum<strong>in</strong>dern. Sie behauptete wie<br />
Seyfarth, sie habe ebenfalls nur <strong>in</strong> der Tore<strong>in</strong>fahrt des Bürgermeisters Wochen,<br />
gegenüber dem Laden von Müller, Wache gestanden. Als der Nachtwächter plötzlich<br />
über den Markt gelaufen sei, habe sie die beiden gewarnt. Haueisen hatte mit<br />
se<strong>in</strong>em Leben schon abgeschlossen, wollte aber wenigstens als Todesstrafe das<br />
Schwert erhalten und belastete daher die Dornberger schwer. Er erklärte, sie habe<br />
alles ausgedacht und angestiftet. Auch habe sie die Stoffballen von ihnen <strong>in</strong><br />
Empfang genommen und ebenso wie später die Fische nach Hause getragen.<br />
Geme<strong>in</strong>sam hätten sie dann am anderen Tag die Stoffe und die Fische <strong>in</strong> Erfurt<br />
verkauft. Anschließend hätten sie das Geld <strong>in</strong> der Wohnung der Dornberger an alle<br />
verteilt. Für sie wirkte sich verschärfend aus, dass sie schon 1753 und 1756 wegen<br />
Diebereien <strong>in</strong>haftiert war und sich und ihre K<strong>in</strong>der von Holzdiebstahl ernährt hatte.<br />
Schwer hatten es die Beamten mit Venus. Er jammerte, schrie und tobte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
Zelle. Was er heute zugegeben hatte, widerrief er am anderen Tage. Meist aber<br />
beschuldigte er se<strong>in</strong>e Diebesgenossen. Besonders die Mitwirkung am Raub der<br />
25 Taler bei der Witwe Dornberger wies er zurück.<br />
In Jena berieten die Richter erneut über die <strong>Berka</strong>er Vorgänge. Tatsächlich kamen<br />
sie zu dem Ergebnis, das Strafmaß zu hoch angesetzt zu haben. Ihr Urteil lautete<br />
nun, statt der H<strong>in</strong>richtung von Haueisen, Remde und Venus zum Tode durch den<br />
Strang, Begnadigung zur Todesstrafe durch das Schwert. Alle anderen Urteile<br />
blieben bestehen. Um ganz sicher zu gehen, wurden auf ausdrücklichen Wunsch von<br />
Herzog<strong>in</strong> Anna Amalia auch noch die Richter der Juristischen Fakultät <strong>in</strong> Erfurt<br />
gehört. Auch sie kamen zum gleichen Urteil wie ihre Jenaer Kollegen.<br />
Der <strong>in</strong>haftierte Venus gab nicht auf. Er erreichte, dass er sich e<strong>in</strong>en Privatverteidiger<br />
nehmen durfte. Wie der Rat und Hof-Advokat Lamm <strong>in</strong> Weimar schrieb, „habe er<br />
zwar ke<strong>in</strong>e Lust, da er wisse, dass er ke<strong>in</strong>en Lohn von Venus erhalte, der<br />
Gerechtigkeit willen aber wolle er sich mit dem Prozess befassen“. In e<strong>in</strong>em<br />
Schreiben vom 22. September 1761 sparte er nicht mit Kritik an der Prozessführung.<br />
So erklärte er, der Prozess enthalte viele Fehler und sei unmenschlich geführt<br />
worden. „Die Inquisiten wurden gequält, ständig bedroht, erpresst und bei den<br />
Verhören mit Carbatschen, Maulschellen und anderen Prügeln traktieret“. Auch<br />
behauptete er, die Berichte an die Juristischen Fakultäten wären gefälscht, dadurch<br />
seien die Urteile verfehlt. Anfang November saß man <strong>in</strong> <strong>Berka</strong> erneut zu Gericht. Der<br />
Justizamtmann mit se<strong>in</strong>en Beamten, Gerichtsschöppen, der Pfarrer und Beamte aus<br />
Weimar befassten sich u.a. mit Lamms Vorwürfen und taten sie als „e<strong>in</strong> pures<br />
Gewäsch des durch aus bösen Diebs Venus“ ab. Sie schlugen der Herzog<strong>in</strong> <strong>vor</strong>, um<br />
Kosten zu sparen, ke<strong>in</strong>e Anwälte und Zeugen mehr zuzulassen und den Prozess zu<br />
beenden. Sie möge das Strafmaß bestätigen.<br />
Der „böse Dieb“ Venus hatte es wenige Tage später aufgegeben, um se<strong>in</strong> Leben zu<br />
bitten. Am 16. November nutzte er e<strong>in</strong>e günstige Gelegenheit und floh aus der<br />
Fronfeste.
Als die Herzog<strong>in</strong> von der Flucht erfuhr, war sie empört. Sie ordnete an, Venus im<br />
ganzen Lande zu suchen und den für die Bewachung verantwortlichen Amtsknecht<br />
Walther schwer zu bestrafen. Haueisen und Remde sollten unverzüglich h<strong>in</strong>gerichtet<br />
werden. Generalmajor von Burgsdorf erhielt Befehl, sofort die Bewachung der<br />
Gefangenen zu übernehmen und am H<strong>in</strong>richtungstag mit se<strong>in</strong>en Soldaten für<br />
Sicherheit und Ordnung <strong>in</strong> <strong>Berka</strong> zu sorgen. Der Pfarrer sollte mit den Geistlichen der<br />
Umgebung bis zur H<strong>in</strong>richtung der „Del<strong>in</strong>quenten“ deren geistlichen Beistand<br />
übernehmen.<br />
Das Datum der H<strong>in</strong>richtung ist nicht genau bekannt. Die <strong>vor</strong>handenen Akten<br />
enthalten ke<strong>in</strong>e Aussage, e<strong>in</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>trag <strong>in</strong> der Kirchenchronik ist falsch. Sicher aber ist,<br />
dass Hans Georg Haueisen und Elias Remde <strong>in</strong> den letzten Novembertagen 1761<br />
auf dem Richtplatz am Hungerbach (Zeughausplatz) im Beise<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er riesigen<br />
Menschenmenge enthauptet und ihre toten Körper auf dem Galgenberg begraben<br />
wurden. Anna Amalia ließ Gnade <strong>vor</strong> Recht ergehen. Seyfarth und die Dornberger<br />
wurden zu e<strong>in</strong>er 10-jährigen Zuchthausstrafe begnadigt. Den weiteren Mittätern<br />
wurden die Strafen erlassen.<br />
Amtsknecht Walther, auch als Fronvogt bezeichnet, wusste sich geschickt aus der<br />
Verantwortung zu ziehen. Als er erfahren hatte, dass der Wächter Johann Michael<br />
Hecker bei se<strong>in</strong>em Dienst dem Venus e<strong>in</strong>e „alte Barbier- Messer Kl<strong>in</strong>ge“ (Stahl) zum<br />
Anzünden se<strong>in</strong>er Tabakpfeife geliehen hatte, behauptete Walther, Venus habe mit<br />
dieser Kl<strong>in</strong>ge se<strong>in</strong>e Ketten „durchgeraspelt“. Er <strong>in</strong>haftierte Hecker <strong>in</strong> der Fronfeste<br />
und meldete dem Amtmann, er habe den Fluchthelfer gefasst. Nun musste Hecker<br />
um se<strong>in</strong>e Freiheit kämpfen. In e<strong>in</strong>em Schreiben se<strong>in</strong>es Anwaltes vom 21.12.1761 an<br />
die Herzog<strong>in</strong> beteuert er se<strong>in</strong>e Unschuld. Zu se<strong>in</strong>er Verteidigung führte er an, er<br />
habe <strong>in</strong> der Fluchtwoche gar ke<strong>in</strong>en Wachdienst gehabt. Die Stahlkl<strong>in</strong>ge habe er<br />
dem Venus zum Anzünden se<strong>in</strong>er Pfeife zwar öfter geliehen, aber immer wieder<br />
gleich weggenommen. Auch sei es unmöglich, mit dieser Kl<strong>in</strong>ge die Hand- und<br />
Fußfesseln zu durchtrennen. Er beklagte sich, dass er nun fünf Wochen <strong>in</strong>haftiert sei<br />
und <strong>in</strong> <strong>Berka</strong> als der „ärgste Missetäter“ angesehen werde. Gleichzeitig belastete er<br />
nun Walther. Dieser habe <strong>in</strong> den Tagen der Flucht gar ke<strong>in</strong>en Wächter gehabt, er<br />
habe sich von ihnen bezahlen lassen und die Wache selbst übernommen. Außerdem<br />
habe Walther dem Venus viele Freiheiten gelassen. Hecker konnte die Beamten <strong>in</strong><br />
Weimar überzeugen, er kam nach weiteren Wochen Haft frei, hatte aber erhebliche<br />
Gerichtskosten zu zahlen. Was mit Walther geschah, ist nicht überliefert. Venus<br />
wurde nie mehr gesehen. Man erzählte sich, er habe sich anwerben lassen und sei<br />
als Soldat nach Amerika.<br />
Im letzten Schreiben dieses Falles fragte der <strong>Berka</strong>er Amtmann <strong>in</strong> Weimar an, wer<br />
nun die Gerichts- und H<strong>in</strong>richtungskosten für Haueisen und Remde zahlen solle.<br />
Beide würden e<strong>in</strong> Haus <strong>in</strong> „miserablem Zustand“ mit e<strong>in</strong>em Wert von 20 Talern<br />
besitzen. Vor ihrem Tod hätten sie darum gebeten, ihren Frauen und K<strong>in</strong>dern, die<br />
unschuldig waren, die Hütten zu belassen. Nun fragte er, ob die Familien <strong>in</strong> den<br />
Häusern bleiben dürften oder ob sie beschlagnahmt werden sollten. Anna Amalia<br />
antwortete: „Sie sollen verbleiben, das Amt <strong>Berka</strong> möge die Mittel anderweitig<br />
hernehmen“.<br />
Verbrechen dieser Art waren damals nicht selten. Mit Raubüberfällen, Diebstählen,<br />
Betrügereien und besonders mit Wilddiebereien <strong>in</strong> den waldreichen Gegenden hatten<br />
sich die Richter der Juristischen Fakultäten <strong>in</strong> Jena, Erfurt und Halle vielfach zu<br />
beschäftigen. Eigens war dazu 1758 e<strong>in</strong> Gesetz „Wieder die Gauner und Räuber im<br />
Fürstlichen Lande“ erlassen worden. Nach Angaben der Amtsleute über den<br />
Tathergang verhängten die Richter auf dieser Grundlage Todesurteile,<br />
Landesverweise und Zuchthausstrafen. Letztere kam e<strong>in</strong>er langsamen Todesstrafe
gleich. Die körperlich schwere Arbeit bei ungenügender Nahrung und Unterbr<strong>in</strong>gung<br />
<strong>in</strong> stickigen muffigen Verliesen überstanden nur wenige. Nur die Landesfürsten<br />
konnten höhere Strafen fordern oder Begnadigungen aussprechen.<br />
Was brachte die Menschen trotz dieser schweren Strafen zu diesen Taten? War es<br />
die Gier nach Reichtum und Wohlstand? Wollte man sich statt Arbeit mit Diebstahl<br />
ernähren oder war es e<strong>in</strong> Abenteuer? Weder noch. So wie viele andere zählten auch<br />
die <strong>Berka</strong>er Täter zu den „Ortsarmen“. Ohne Beruf und feste Beschäftigung mussten<br />
sie sich seit ihrer frühesten Jugend mit Gelegenheitsarbeit durchschlagen, um sich<br />
und ihre zahlreichen Familienmitglieder zu ernähren. Konnten sich die Männer im<br />
Sommer als Schnitter und Drescher verd<strong>in</strong>gen, auch zeitweilig zur Waldarbeit, gab<br />
es im W<strong>in</strong>ter, außer wenigen Tagen Eis schneiden, kaum Verdienstmöglichkeiten.<br />
Schwerer noch war es für die Witwen mit mehreren K<strong>in</strong>dern. Neben zeitweiligen<br />
Gelegenheitsarbeiten konnten sie von ke<strong>in</strong>er Seite Hilfe erwarten. Da blieben<br />
Diebstähle nicht aus. Meist versorgte man sich mit Feldfrüchten oder es wurde Holz<br />
<strong>in</strong> den Wäldern gestohlen, um es auf dem Markt <strong>in</strong> Weimar zu verkaufen. Venus und<br />
die Dornberger waren deshalb schon mehrfach bestraft worden. Für sie war es e<strong>in</strong><br />
Makel, der ihnen für immer anhaftete. Diebereien wie im geschilderten Falle waren<br />
dann schon Verzweiflungstaten <strong>in</strong> höchster Not.<br />
Natürlich s<strong>in</strong>d Verbrechen dieser Art heute wie damals zu verurteilen. Nachdenken<br />
aber muss man über solch e<strong>in</strong> Strafmaß. Würde man das Diebesgut und die<br />
Zerstörungen nach unseren heutigen Preisen berechnen, läge die Schadensumme<br />
kaum über 6000 Euro.<br />
Dafür mussten <strong>vor</strong> <strong>250</strong> <strong>Jahren</strong> zwei Bürger die Todesstrafe erleiden, e<strong>in</strong>er außer<br />
Landes gehen und zwei erhielten langjährige Zuchthausstrafen. Ob sie diese<br />
überstanden haben, wissen wir nicht.<br />
Ludwig Häfner