MiriamFischer Publikation Philosophie des Tanzes - Andrea von ...
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ereit ist, den nächsten Schritt entsprechend seiner Führung zu setzen. Beide signalisieren<br />
dies über das Aussetzen der Bewegung, indem sie sich also nicht weiterbewegen.<br />
Die gelingende Verständigung, die in erster Linie und vor allem bei den grundlegenden<br />
Schrittbewegungen über den Oberkörper, zuweilen und vor allem bei hinzukommenden<br />
Figuren jedoch auch über die Beine stattfindet, ermöglicht also die Bewegungskoordination<br />
der beiden Tanzpartner und damit den in dem <strong>von</strong> Irene und Knut praktizierten Stil<br />
angestrebten kontinuierlichen Bewegungsfluss. Dabei bedeutet die Dissoziation <strong>von</strong> Ober-<br />
und Unterkörper, dass die Tänzer ihren Körper nicht als starren Block bewegen, sondern<br />
Oberkörper und Unterkörper gegeneinander beweglich sind und in unterschiedliche<br />
Richtungen bewegt werden. So setzt sich eine Bewegung sowohl innerhalb <strong>des</strong> Körpers<br />
eines Tänzers als auch in den Bewegungen <strong>des</strong> Partners fort.<br />
Leibphänomenologie<br />
Die erwähnte Fluss-Metapher nutzen auch Irene und Knut in den Interviews, um zu<br />
beschreiben, was eine gelungene Bewegungskoordination ausmacht: Wenn die Bewegungs-<br />
dynamik im Fluss ist, die Schrittfolgen „fließend“ sind, dann war es ein gelungener Tanz.<br />
Gemeinsam in einen Bewegungsfluss zu kommen und ihn aufrechtzuerhalten, ist ihren<br />
Ausführungen zufolge das grundlegende Ziel ihres Tanzens. Dieser Bewegungsfluss ist <strong>von</strong><br />
außen sichtbar, für die beiden selbst primär spürbar. Aus leibphänomenologischer<br />
Perspektive heißt das, dass es den beiden Tänzer darum geht, einen überindividuellen,<br />
gemeinsamen Leib herzustellen, den sie jeweils für sich als kontinuierlichen und<br />
harmonischen leiblichen Dialog <strong>von</strong> Engung und Weitung erfahren. Eine fließende<br />
Bewegungsdynamik ist augenscheinlich spürbar als konstantes Gleichgewicht <strong>von</strong> engender<br />
Spannung und schwellender Weitung.<br />
Das negative Korrelat zum spürbaren Bewegungsfluss ist eine leibliche Irritation, die <strong>von</strong><br />
Irene und Knut als „Stockung“ oder „Ruck“ bezeichnet wird. Wenn der Bewegungsfluss<br />
aufgrund einer misslungenen Schrittekoordination stockt oder ruckt, gerät die innerleibliche<br />
Dynamik aus Engung und Weitung aus dem Gleichgewicht und hakt sozusagen Richtung<br />
Engepol aus. In dem Tanz <strong>von</strong> Irene und Knut scheint das einmal zu Beginn der Fall<br />
gewesen zu sein, als Irene ihrer Beschreibung nach über ihr eigenes Bein stolperte, sowie<br />
am Schluss <strong>des</strong> <strong>Tanzes</strong>. Knut zufolge war hier Folgen<strong>des</strong> passiert:<br />
„[...] da wollte ich sie in ne andere Richtung, glaub ich, führen und sie drehen und sie<br />
war auf dem falschen Fuß dann, weil ich sie da, weil ich das nicht richtig rüber<br />
kriegte. Aber das war dann schon eher ein großer Stoppfehler.“<br />
Als der Führende gibt Knut die Raumrichtung vor, in die sich Irene als Folgende bewegen<br />
soll. Das bedeutet, dass Knut die Rolle der dominanten Engung übernimmt und Irene<br />
dadurch leiblich an sich bindet. Im geglückten Fall eröffnet der Führende damit einen<br />
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