MiriamFischer Publikation Philosophie des Tanzes - Andrea von ...
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edeutet dies, dass der Führende die Schritte der Folgenden auf verschiedene Arten und<br />
Weisen begleiten kann. Die Schrittbewegungen der beiden Tanzpartner sind daher nicht<br />
zwingend spiegelverkehrt, was dem Tanz eine hohe Komplexität verleiht. Tango verlangt<br />
dem Führenden eine doppelte Entscheidung ab: welchen Schritt er selbst ausführen will und<br />
zugleich, welchen Schritt die Folgende setzen soll. Die Koordination dieser beiden Aktionen<br />
läuft über die Oberkörper der beiden Tanzpartner. Genau betrachtet gibt es daher im Tango<br />
nicht nur zwei, sondern sogar drei miteinander gekoppelte Aktionsbereiche: die Schritte <strong>des</strong><br />
Führenden, die Bewegungen der Oberkörper und die Schritte der Folgenden.<br />
Wir werden nun einen vertiefenden Blick auf diese beiden Sphären <strong>des</strong> Tango, Ver-<br />
ständigung und Schrittkoordination, werfen; und zwar jeweils aus bewegungsanalytischer<br />
sowie leibphänomenologischer Perspektive. Dabei wenden wir uns zuerst der Verständigung<br />
zu, die sich in erster Linie im Oberkörper lokalisieren lässt, und widmen uns anschließend<br />
der Koordination der Schritte, also dem Unterkörper.<br />
Verständigung der Oberkörper: Umarmung<br />
Bewegungsanalyse<br />
Die im Folgenden beschriebene Körperhaltung <strong>des</strong> Paares ist eine der Grundlagen <strong>des</strong><br />
Tango Argentino, die ihn <strong>von</strong> anderen Paartänzen unterscheidet und seinen spezifischen<br />
Bewegungshabitus mit bestimmt: Knut und Irene stehen aufrecht voreinander. Knut legt<br />
seinen rechten Arm um ihren Rücken, seine linke Hand hält seitlich vom Körper ihre rechte<br />
Hand. Irenes linker Arm umfasst seinen Oberarm, seine linke Hand und entsprechend ihre<br />
rechte Hand befinden sich seitlich in den Raum weisend in der Mitte zwischen den beiden<br />
Partnern auf Schulterhöhe <strong>von</strong> Knut. Seinen rechten Arm legt er in der Höhe zwischen Taille<br />
und Schulterblättern um ihren Rücken. Dabei umfasst er ihren Rücken so weit, wie es für ihn<br />
aufgrund der – im Laufe <strong>des</strong> <strong>Tanzes</strong> variierenden – Entfernung der beiden Tanzpartner<br />
bequem ist. Wenn sie nah tanzen, liegt ihr Rücken vollständig in seinem Unterarm. Ihre<br />
Umarmung ist flexibel, wird jedoch während <strong>des</strong> <strong>Tanzes</strong> nicht gelöst.<br />
Beide Partner bewegen Torso und Arme möglichst als Einheit, so dass die Relation <strong>von</strong><br />
Armen und Torso gleich bleibt. Auf diese Weise können sich die Bewegungsimpulse, die aus<br />
Knuts Körpermitte kommen, über seine Arme und die Arme <strong>von</strong> Irene auf ihren Oberkörper<br />
übertragen. Er bewegt also durch die Umarmung ihren Torso mit, wenn er seinerseits seinen<br />
Torso dreht. Diese Oberkörperführung wird dadurch erleichtert, dass die Oberkörper sich in<br />
der Tango-Umarmung einander nähern: Da beide Tänzer das Gewicht nach vorne auf die<br />
Fußballen verlagern, sind die Oberkörper leicht einander zugeneigt und so näher<br />
beieinander als ihre Beine.<br />
Knut vermittelt Irene die Bewegungsrichtung mit Hilfe seines Oberkörpers, indem er bei<br />
Schritten nach vorne, zur Seite oder nach hinten durch seine beginnende Gewichts-<br />
verlagerung, die seinen Oberkörper geringfügig in die entsprechende Richtung verschiebt,<br />
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