LP AvB Tincheva Nele 02 - Andrea von Braun Stiftung

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Andrea von Braun Stiftung voneinander wissen Jeder Bericht ist ein Reisebericht. […] Aber dennoch, die Geschichte der Reisen des Menschen durch seine eigenen Texte bleibt zum größten Teil unbekannt. Michel de Certeau Die Zahlen, im Bund mit der Bilder Verhängnis und Gegen-Verhängnis. Paul Celan 2
Andrea von Braun Stiftung voneinander wissen Einblick I. „Kritische Selbstreflexion der eigenen Wahrnehmung der Wirklichkeit“, konstatiert Gottfried Boehm im Ausklang eines Aufsatzes, „ist immer noch eine unverächtliche Basis: der Kunst und der Argumentation.“ Und zur Frühromantik um Friedrich von Hardenberg merkt Ulrich Stadler an: „Novalis zielt […] mit seinen Überlegungen auf Erkenntnis im Allgemeinen, und zwar auf eine solche, die geisteswissenschaftliche Hervorbringungen (z.B. Kunstwerke) wie auch naturwissenschaftliche Gegenstände (z.B. Fixsterne) gleichermaßen umfaßt.“ Die Titel der beiden Aufsätze lauten: „Eine kopernikanische Wende des Blicks“ (Boehm, 1995) 1 sowie „Hardenbergs ‚poetische Theorie der Fernröhre‘“ (Stadler, 1987) 2 . Zwischen den beiden zitierten Bemerkungen spannt sich eine Thematik auf, die derzeit im Rahmen mehrerer turns (spatial, cultural, ethical) als Desiderat wieder einmal ausgerufen wird: der Dialog zwischen Wissenschaft und Kunst sowie zwischen Geistes- und Naturwissenschaften. 3 Unsere Eingangszitate legen eine Basis nahe, auf der ein solcher Dialog zu Stande kommen könnte: den menschlichen Blick auf die Wirklichkeit. Und zugleich problematisieren sie beide Komponenten dieser Basis: Was den Blick betrifft, so tritt mit besagter kopernikanischer Wende zwischen ihn und das Wahrgenommene der Wahrnehmungsprozess selbst. In der Philosophie ist es Kant, der diese Wende explizit vollzieht: Fluchtpunkt der Wahrnehmung ist nun nicht mehr die wahrzunehmende Welt, sondern die wahrnehmende Vernunft. In diesem Zuge fordert Kant, cartesia- 1 In: Brandes, Uta (Hrsg.), Sehsucht. Über die Veränderung der visuellen Wahrnehmung. Göttingen 1995 [= Schriftenreihe Forum, 4], S. 25–34; hier: S. 34. 2 In: Behler, Ernst/Hörisch, Jochen (Hgg.): Die Aktualität der Frühromantik. Paderborn 1987, S. 51–62; hier: S. 60. Stadlers Überlegungen beziehen sich auf das Fragment Nr. 737 aus Hardenbergs Enzyklopädie-Projekt, dem „Allgemeinen Brouillon“. 3 – so etwa bei Vittoria Borsò: Die Aufgabe der Kulturgeschichte bestehe „in der Beschreibung der diskontinuierlichen Entwicklung jener Konstellationen und Handlungen, durch die das Wissen – auch der Naturwissenschaften – geregelt und sozial organisiert wird. Darin gründet sich auch die Vorstellung einer engen Kooperation von Natur- und Kulturwissenschaft.“ Als zentrale Gemeinsamkeit sieht Borsò mit Foucault die „Technik der topografischen Organisation des Denkens“. Dieser voraus und zu Grunde liegt allerdings der organisierende Blick. – Borsò, Vittoria: Grenzen, Schwellen und andere Orte. In: dies./Görling, Rainer (Hrsg.): Kulturelle Topografien. Stuttgart/Weimar 2004, S. 13–41; hier: S. 20. 3
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