Verdacht als Mangel - Arnold Rusch
Verdacht als Mangel - Arnold Rusch
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terverkauf <strong>als</strong> <strong>Mangel</strong> anerkannt 4 . Entsteht der <strong>Verdacht</strong><br />
erst nach Gefahrenübergang, genügt es, wenn die zum<br />
<strong>Verdacht</strong> führenden Umstände bereits im Zeitpunkt des<br />
Gefahrenübergangs vorhanden waren. So war es auch<br />
im berühmten deutschen Fall der argentinischen Hasen.<br />
Der <strong>Verdacht</strong> der Salmonellenverseuchung kam in den<br />
Medien zwar erst nach Gefahrenübergang auf. Die verdachtsbegründende<br />
argentinische Herkunft des Hasenfleisches<br />
lag aber dam<strong>als</strong> schon vor 5 . Dass das aufgrund<br />
des <strong>Verdacht</strong>s unverkäufliche Fleisch möglicherweise<br />
einwandfrei war, spielt keine Rolle. Auch die sofortige<br />
Beseitigung des <strong>Verdacht</strong>s durch den Verkäufer ist nur<br />
dann relevant, wenn sie die Verkäuflichkeit der Ware wiederherstellt<br />
6 . Später erfolgt die Beseitigung des <strong>Verdacht</strong>s<br />
bereits im Rahmen der Sachgewährleistung <strong>als</strong> Nachbesserung<br />
oder durch Ersatzlieferung unverdächtiger Ware.<br />
2. Nutzung oder Verbrauch <strong>als</strong><br />
voraus gesetzter Gebrauch<br />
Liegt der vorausgesetzte Gebrauch in der Nutzung oder<br />
dem Verbrauch der Ware, ist die Erfassung des <strong>Verdacht</strong>s<br />
<strong>als</strong> <strong>Mangel</strong> bedeutend schwieriger. Es ist deshalb angezeigt,<br />
eine Annäherung an das Thema anhand bereits existierender<br />
Fälle zu suchen. Nach herrschender Lehre und<br />
konstanter Rechtsprechung liegt kein Zweifel vor, dass<br />
ein Fahrzeug bei verheimlichtem Unfall von gewisser<br />
Heftigkeit einen <strong>Mangel</strong> aufweist, auch wenn der Verkäu-<br />
4 Vgl. BK-giger, Berner Kommentar zum schweizerischen Privatrecht,<br />
Band VI: Das Obligationenrecht, 2. Abteilung: Die einzelnen<br />
Vertragsverhältnisse, 1. Teilband: Kauf und Tausch – Die Schenkung,<br />
1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen – Der Fahrniskauf,<br />
Kommentar zu Art. 184–215, Bern 1979, OR 197 N 73; BSK-Honsell<br />
(FN 1), OR 197 N 6; HeinriCH Honsell, Schweizerisches<br />
Obligationenrecht, Besonderer Teil, 9. A., Bern 2010, 84; rolF<br />
Furrer, Beitrag zur Lehre der Gewährleistung im Vertragsrecht,<br />
Diss. Zürich 1973, 42.<br />
5 Vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 1972 – VIII ZR 75/71 in NJW 1972,<br />
1462 f.; vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 2. März 2005 – VIII ZR<br />
67/04 in NJW-RR 2005, 1218 ff., 1220 (zum UN-Kaufrecht); vgl.<br />
OLG Karlsruhe, Urteil vom 25. Juni 2008–7 U 37/07 in NJW-RR<br />
2009, 134 ff., 135; vgl. bArbArA grunewAld, Der <strong>Verdacht</strong> <strong>als</strong><br />
<strong>Mangel</strong>, in: Barbara Dauner-Lieb/Peter Hommelhoff/Matthias<br />
Jacobs/Dagmar Kaiser/Christoph Weber (Hrsg.), Festschrift für<br />
Horst Konzen zum siebzigsten Geburtstag, Tübingen 2006, 131 ff.,<br />
138; vgl. FloriAn FAust, Argentinische Hasen, belgische Schweine<br />
und österreichischer Wein – Der <strong>Verdacht</strong> <strong>als</strong> <strong>Mangel</strong>, in: Thomas<br />
Lobinger (Hrsg.), Festschrift für Eduard Picker zum 70. Geburtstag,<br />
Tübingen 2010, 185 ff., 186 und 195.<br />
6 Vgl. FAust (FN 5), 196 und 199; vgl. BGE 116 II 480 ff., 487 f. –<br />
übertriebene Reaktionen auf zurückhaltende Warnungen zum<br />
Reaktorunfall in Tschernobyl führten zur Unverkäuflichkeit des<br />
eigentlich einwandfreien Salats.<br />
<strong>Verdacht</strong> <strong>als</strong> <strong>Mangel</strong><br />
AJP/PJA 1/2012<br />
fer den Schaden vollumfänglich beseitigen lässt. Die Begründung<br />
liegt darin, dass unfallbezogene Mängel möglicherweise<br />
erst später auftreten 7 . Dasselbe gilt bei langer<br />
Standzeit oder atypischer Vorbenutzung eines Fahrzeugs 8 .<br />
Dies passt zum <strong>Verdacht</strong> <strong>als</strong> <strong>Mangel</strong>. Damit ist das Fundament<br />
zur Erfassung des <strong>Verdacht</strong>s <strong>als</strong> <strong>Mangel</strong> indes noch<br />
nicht vollständig gelegt. Es stellt sich nämlich erstens die<br />
Frage, ob ein <strong>Mangel</strong> der Sache körperlich anhaften muss.<br />
Mit anderen Worten ist zu prüfen, ob negative Umweltbeziehungen<br />
tatsächlich körperliche Mängel i.S.v. Art. 197<br />
Abs. 1 OR darstellen. Zweitens – bei Bejahung der ersten<br />
Frage – ist unklar, ab wann ein genügender <strong>Verdacht</strong> vorliegt.<br />
Ein tieferer Wert einer Sache stellt noch keinen <strong>Mangel</strong><br />
dar. Erst das Fehlen wertbildender Eigenschaften<br />
kann die Gewährleistung auslösen 9 . Daraus könnte man<br />
7 Vgl. luis MAissen, Sachgewährleistungsprobleme beim Kauf von<br />
Auto-Occasionen, Diss. Zürich 1999, 54: «Der merkantile Minderwert<br />
betrifft anderseits nicht bereits erkannte Mängel, (…), sondern<br />
er bezieht sich auf den <strong>Verdacht</strong> verborgener Mängel, die sich erst<br />
in der Folgezeit bemerkbar machen (…).»; vgl. BSK-Honsell<br />
(FN 1), OR 197 N 7 und BK-Giger (FN 4), OR 197 N 44; vgl. BGE<br />
96 IV 145 ff., 147: «Selbst Laien im Autohandel wissen, dass nach<br />
derartigen Reparaturen mit der Möglichkeit erst später auftretender<br />
Mängel gerechnet werden muss, weshalb solche Wagen im Handel<br />
niedriger bewertet werden.»; vgl. Obergericht Zürich, Urteil vom<br />
22. November 1966 in SJZ 1967, 243 f., 244: «Als Automobilverkäufer<br />
musste er wissen, dass nach derart umfassenden Reparaturen<br />
mit der Möglichkeit später auftretender Mängel zu rechnen war. In<br />
diesem Umstand liegt gerade der Grund dafür, dass ein Auto, welches<br />
einen nennenswerten Unfall erlitten hat, ohne Rücksicht auf<br />
die Qualität der Reparatur allein wegen der Tatsache dieses Unfalles<br />
im Handel weniger gilt.»; vgl. auch BGE 91 II 344 ff., 353 zum<br />
Einwand der nicht gerechtfertigten Wandlung des Fahrzeugs angesichts<br />
der vollumfänglichen Mängelbeseitigung durch Austausch<br />
der f<strong>als</strong>chen Nockenwelle: «Nach der Sachlage kommt eine solche<br />
jedoch nicht in Betracht. Denn es liesse sich schwerlich ermitteln,<br />
ob und inwieweit die Zurücklegung von ca. 2500 km mit einer nicht<br />
passenden Nockenwelle dem Motor geschadet hat.».<br />
8 Vgl. MAissen (FN 7), 61 ff., zum Beispiel der Anzahl Vorbesitzer<br />
und der Vorbenutzung <strong>als</strong> Taxi, Mietwagen oder Fahrschulfahrzeug,<br />
weil man (gefühlsmässig) annimmt, die Abnützung des<br />
Fahrzeugs sei stärker, was das OLG Stuttgart bei Mietwagen bejaht<br />
(OLG Stuttgart, Urteil vom 31. Juli 2008–19 U 54/08 in NJW-RR<br />
2009, 551 f., bei einem Kauf «aus erster Hand» allerdings), während<br />
das LG Kaiserslautern es verneint (LG Kaiserslautern, Beschluss<br />
vom 25. März 2009–2 O 498/08 in NJW-RR 2010, 634 f.);<br />
vgl. BGE 116 II 431 ff., 434: «Das Obergericht ging (…) davon<br />
aus, dass ein ungebrauchtes Fahrzeug mit einer Standzeit von mehr<br />
<strong>als</strong> einem Jahr wegen möglicher Standschäden nicht mehr <strong>als</strong> fabrikneu<br />
verkauft werden dürfe, ohne das Herstellungs- bzw. Modelljahr<br />
und/oder das Verzollungsdatum anzugeben.»; vgl. Herbert<br />
rotH, Standzeit von Kraftfahrzeugen <strong>als</strong> Sachmangel, NJW 2004,<br />
330 ff. zur Standzeit bei Fahrzeugen.<br />
9 Vgl. BSK-Honsell (FN 1), OR 197 N 2; vgl. ClAire Huguenin,<br />
Obligationenrecht Besonderer Teil, 3. A., Zürich 2008, N 277; vgl.<br />
BGE 107 II 419 ff., 422.<br />
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