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Rusch Arnold F. Observanz und Übung, Erwirkung ... - Arnold Rusch

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Jusletter18.September2006<br />

<strong>Arnold</strong>F.<strong>Rusch</strong>,<strong>Observanz</strong><strong>und</strong><strong>Übung</strong>,<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Rechtsschein<br />

Dr.iur.<strong>Arnold</strong>F.<strong>Rusch</strong><br />

<strong>Observanz</strong><strong>und</strong><strong>Übung</strong>,<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Rechtsschein<br />

EinwährendlängererZeitpraktiziertesVorgehenwecktErwartungen:DerArbeitnehmerwilldieinder<br />

VergangenheitstetserhalteneGratifikationauch,wennesdemUnternehmenschlechtgeht;MitgliedereinesVereins<br />

reagierenempfindlich,wenneinelangjährige<strong>Übung</strong>plötzlichgeändertwird.DernachfolgendeAufsatzrichtetden<br />

FokusaufdieEntstehungeinerverpflichtenden<strong>Übung</strong><strong>und</strong>analysiertderendogmatischeHerleitung.<br />

Inhaltsübersicht<br />

1.Problemstellung<br />

2.Anwendungsfälle<br />

a.Statutenauslegung<strong>und</strong>-ergänzunginKörperschaften<br />

b.Gratifikationsanspruch<br />

3.VoraussetzungenfürdieEntstehungeiner<strong>Übung</strong><br />

a.Inveterataconsuetudo<br />

b.Opinionecessitatis<br />

4.DogmatischeHerleitungen<br />

a.RechtsgeschäftlicherAnsatz<br />

b.<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Verwirkung<br />

c.<strong>Erwirkung</strong>alsTeilderRechtsscheinlehre<br />

5.Sonderfragen<br />

a.Kann<strong>Observanz</strong>Statutenderogieren?<br />

b.Beendigungeiner<strong>Übung</strong><br />

c.Irrtümlichpraktizierte<strong>Übung</strong><br />

6.Schlusswort<br />

Literaturverzeichnis<br />

1.Problemstellung^<br />

[Rz1]Aufgr<strong>und</strong>langjähriger,einheitlicher<strong>und</strong>konstanter<strong>Übung</strong>,dieauflateinischinveterataconsuetudogenannt<br />

wird,kannbeidenbetroffenenPersonendieÜberzeugungentstehen,dasseinerechtlichbindendeOrdnungvorliegt.<br />

1<br />

DieseÜberzeugungwirdopinionecessitatisgenannt. Liegendieinveterataconsuetudo<strong>und</strong>dieopinionecessitatis<br />

vor,entstehteinerechtlichverbindlicheOrdnung.<br />

[Rz2]DiehäufigstenAnwendungsfälleeinersoverstandenen<strong>Übung</strong>dürftenimVereins-<strong>und</strong>Gesellschaftsrecht<br />

auftreten,wojenachTerminologieVereinsübung,<strong>Observanz</strong>oderverbandsinternesGewohnheitsrechtnebendie<br />

2<br />

geschriebenenStatutentrittoderdiesensogarwiderspricht. EinweitererAnwendungsfallder<strong>Übung</strong>ergibtsich<br />

durchdielangjährigeAusrichtungeinerGratifikationszahlunganArbeitnehmer,aufdieeinAnspruchentstehen<br />

3<br />

kann.AuchdasGesetzverweistanvielenStellenexplizitaufdie<strong>Übung</strong><strong>und</strong>speziellaufdenOrtsgebrauch.<br />

[Rz3]DienachfolgendenÜberlegungengehenaufdiereicheKasuistikzur<strong>Übung</strong><strong>und</strong><strong>Observanz</strong>imPrivatrechtein<br />

<strong>und</strong>widmensichdendogmatischenHerleitungen,dieaufderRechtsgeschäftslehre<strong>und</strong>der<strong>Erwirkung</strong>alsTeilder<br />

Rechtsscheinlehrebasieren.ZieldiesesAufsatzesistes,eineabstrakte<strong>und</strong>tragfähigedogmatischeGr<strong>und</strong>lageder<br />

<strong>Übung</strong><strong>und</strong><strong>Observanz</strong>imPrivatrechtzufinden.<br />

2.Anwendungsfälle^<br />

a.Statutenauslegung<strong>und</strong>-ergänzunginKörperschaften^<br />

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Jusletter18.September2006<br />

<strong>Arnold</strong>F.<strong>Rusch</strong>,<strong>Observanz</strong><strong>und</strong><strong>Übung</strong>,<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Rechtsschein<br />

[Rz4]EinVerein,eineGenossenschaftodereineAktiengesellschaftwerdengr<strong>und</strong>sätzlichanhanddesgesetzlichen<br />

Rahmens<strong>und</strong>derStatutengeführt<strong>und</strong>organisiert.DasGesetz<strong>und</strong>dieStatutenkönnenjedochkaumallemöglichen<br />

SituationendesAlltagsregeln.LückendieserArtkönnendurcheinemitderZeitgebildete<strong>Übung</strong>gefülltwerden.<br />

4<br />

Dassdie<strong>Übung</strong>StatutenergänzenoderLückenindenStatutenfüllenkann,istselbstverständlich. Die<br />

nachfolgendenAnwendungsfällezeigenaber,dassdie<strong>Übung</strong>häufigsogardenStatutenwiderspricht.<br />

[Rz5]Die<strong>Übung</strong>kanndarinbestehen,dieStatutenaufeinegewisseWeiseauszulegen,beispielsweisedie<br />

EnthaltungenbeiAbstimmungennichtzubeachtenoderindenStatutenfestgehalteneQuorennichtzu<br />

5<br />

berücksichtigen. SobefasstesichdasBaslerZivilgericht1956miteinemVerein,derbeiderAbstimmungüberden<br />

AusschlusseinesMitgliedsdieStimmenthaltungennichtmitzählte<strong>und</strong>daseinfacheMehranhandderabgegebenen<br />

Stimmenermittelte.DieUntersuchungergab,dassdiesseitNeufassungderStatutenstetssogehandhabtwordenwar.<br />

DieseallerdingslediglichdreimaligeHandhabungindreiJahrenwurdeinersterInstanzals<strong>Übung</strong>bejaht,wasdas<br />

Appellationsgerichtalssehrfragwürdigbezeichnete<strong>und</strong>denerstinstanzlichenEntscheidimErgebniszwarguthiess,<br />

6<br />

aberandersbegründete.<br />

[Rz6]EinenweiterenFalleiner<strong>Übung</strong>hattederdeutscheB<strong>und</strong>esgerichtshofzubeurteilen.Einesogenannte<br />

Waldinteressentenschaft–eineVerwaltungsorganisationvonMiteigentümerneinesWaldes–beschloss<br />

Parzellenverkäufestets<strong>und</strong>übermehralsfünfzigJahrehinwegmiteinfacherMehrheitanStelledes<br />

Einstimmigkeitsquorums.DieStatutenderWaldinteressentenschaftsahenMehrheitsentscheidezwarvor.Ohne<br />

gesetzlicheErmächtigunghättenderartigeStatutenjedochnichterlassenwerdendürfen.KeinMitgliedhatteinder<br />

VergangenheitdiesePraxisangefochtenoderbeanstandet.DerB<strong>und</strong>esgerichtshofschütztedenParzellenverkauf,der<br />

7<br />

sichlediglichaufeineinfachesMehrstützenkonnte.<br />

[Rz7]Möglichwäreauchdielangjährige<strong>Übung</strong>derVereinsversammlung,VorstandsmitgliederdirektineinAmtzu<br />

wählen,anstattdenVorstandselberbestimmenzulassen,werwelcheFunktionübernimmt(WahlinsAmtanstelle<br />

derSelbstkonstituierung).DasB<strong>und</strong>esgerichtbeurteiltedenFalleinerGenossenschaft,derenStatutendie<br />

SelbstkonstituierungdesVorstandsvorsahen.DerKlägermachtegeltend,dieGeneralversammlunghätte<br />

praxisgemässdieVorstandsmitgliederdirektinsAmtgewählt.EshättesichdabeiseitGründungderGenossenschaft<br />

immerhinumeinefastzehnjährige<strong>Übung</strong>gehandelt.VorGerichtliesssichanhandderProtokolleder<br />

8<br />

GeneralversammlungenjedochnurdasGegenteilbeweisen.<br />

[Rz8]Eine<strong>Übung</strong>kannneueKompetenzeneinesVorstandsbegründen:Denkbarist,dassderVorstandübereinen<br />

längerenZeitraumGeschäfteabschliesst,dievondenindenStatutenfestgehaltenenKompetenzennichtgedeckt<br />

9<br />

sind. DasAargauischeObergerichtbeurteiltedenFalldesFreiämterRabattvereins,dessenVorstandden<br />

DruckauftragfürdieRabattmarken,derallevierJahreanfiel,stetsselbervergebenhatte.DieserDruckauftrag<br />

überschrittdiestatutarischeKompetenzgrenzevonFr.100fürVorstandsbeschlüsse.Folglichhättedie<br />

VereinsversammlungüberdenAuftragentscheidenmüssen.DasObergerichthieltjedochfest,dasssichdie<br />

KompetenzendesVorstandsauchgewohnheitsrechtlichergebenkönnen.DienichtnachJahrenbezifferte,aber<br />

mehrjährige,stetsunangefochtenePraxisdesVorstandswurdegeschützt.DieVereinsversammlunghättediese<br />

ungeschriebeneKompetenzzwarstetsaufhebenkönnen.DieVereinsversammlungfassteeinenentsprechenden<br />

10<br />

Beschluss,dermangelsordentlicherTraktandierungjedochausserBetrachtfiel.<br />

[Rz9]InDeutschlandbildetesichineineroffenenHandelsgesellschaft(OHG)durchjahrelangePraxiseinvom<br />

11<br />

GesellschaftsvertragabweichenderGewinnverteilungsschlüssel. Während25JahrenverteiltederSeniorchefden<br />

GewinnnacheinemvondenStatutenabweichendenSchlüssel.DieübrigenbeidenGesellschafter–zweiSöhnedes<br />

Seniorchefs–nahmendiesohneWiderstandhin.DerB<strong>und</strong>esgerichtshofschütztedenvondenStatuten<br />

abweichendenGewinnverteilungsschlüssel<strong>und</strong>hieltfest:«DieAnnahme,inderGesellschaftderParteienkönntedie<br />

VerteilungdesGewinnszwanzigJahrehindurchgewolltermassenunverbindlichgewesensein,widersprichtdaher<br />

einemfeststehendenErfahrungssatzdesGesellschaftsrechts.DieLebenserfahrungsprichtimGegenteilin<br />

entscheidenderWeisedafür,dasseinederartlangetatsächliche<strong>Übung</strong>imLaufederZeitaucheinefestevertragliche<br />

12<br />

Gr<strong>und</strong>lagegef<strong>und</strong>enhat.»<br />

[Rz10]DerBernischeAppellationshofbeurteilte1920denFallderThunerSektionderGewerkschaftSMUV<br />

(SchweizerischerMetall-<strong>und</strong>Uhrenarbeiter-Verband)<strong>und</strong>gingderFragenach,obeinMitgliedaufgr<strong>und</strong>der<br />

BeteiligungdesSMUVamGeneralstreikvon1918mitsofortigerWirkungausderThunerSektiondesSMUV<br />

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<strong>Arnold</strong>F.<strong>Rusch</strong>,<strong>Observanz</strong><strong>und</strong><strong>Übung</strong>,<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Rechtsschein<br />

austretenkonnte.DieBeschlussfassungüberdieBeteiligungderThunerSektiondesSMUVamLandesstreikfand<br />

durchdiesogenannteVertrauensmännerversammlungstatt.DiesesOrgansahendieStatutenderThunerSektion<br />

zwaroffiziellnichtvor.Jedochzeigtesich,dassdiesesOrganingleicherZusammensetzungmehrmals<br />

unangefochtentagte<strong>und</strong>alsOrganderThunerSektionbetrachtetwurde.ImEntscheidwerdendreiderartige<br />

Vertrauensmännerversammlungenaufgezählt,diealleimNovember1918tagten<strong>und</strong>diverseBeschlüssefassten.Die<br />

Beschlüsse<strong>und</strong>HandlungenderVertrauensmännerversammlungwurdenderThunerSektiondesSMUVdeshalb<br />

13<br />

folgerichtigzugerechnet.<br />

[Rz11]DieGenossenschaftSocietàCooperativoItalianainZürich(nachfolgend:Società)bestandausder<br />

italienischensozialdemokratischenSektionZürichsowieallenitalienischenSozialdemokraten,diemindestenseinen<br />

AnteilsscheinvonFr.10erworbenhatten.DieMutterparteideritalienischensozialdemokratischenSektionZürich<br />

berietam10.April1921übereinenÜbertrittzurkommunistischenPartei,lehnteeinensolchenaberab.35<br />

MitgliederderZürcherSektionstimmtenbeidieserVersammlungdesGesamtvereinsfüreinenÜbertritt,19<br />

dagegen.Diese19MitgliederderitalienischensozialdemokratischenSektionZürichhielten,ohnediekommunistisch<br />

stimmendeMehrheiteinzuladen,am15.April1921eineGeneralversammlungab.Siekonstatierten,dassdie35<br />

kommunistischstimmendenMitgliederausderSektionZürich<strong>und</strong>damitauchausderSocietàausgeschiedenseien.<br />

DergesamtebisherigeVorstandderSocietàwurdeersetzt,daersichausschliesslichausMitgliedernder<br />

kommunistischenMehrheitzusammensetzte.DieneuenVorstandsmitgliederwurdenimHandelsregistereingetragen.<br />

GegendieAnfechtungdiesesBeschlussesdurcheinMitgliedderkommunistischenMehrheitwurdevorgebracht,es<br />

seivonjeherBrauchgewesen,lediglichzurMitgliederversammlungderitalienischensozialdemokratischenSektion<br />

Züricheinzuladen<strong>und</strong>nichtspeziellzueinerMitgliederversammlungderSocietà.DasObergerichtZürichwies<br />

diesenEinwandzurück<strong>und</strong>bemerkte,dassdurcheinenderartigenGebrauchdiestatutarischen<strong>und</strong>gesetzlichen<br />

VorschriftenderordnungsgemässenEinberufungnichtaufgehobenwerdenkönnen.DieBestellungdesneuen<br />

14<br />

Vorstandswardeshalbungültig.<br />

[Rz12]WeitereAnwendungsfällesinddenkbar,soz.B.diejahrelange<strong>und</strong>unangefochteneWahldesVorstands<br />

15<br />

anhandvonKopfstimmenanStellederstatutarischvorgesehenenStimmenzuteilung(Konzessionsstimmen).<br />

DenkbarsindauchdieGewährungeinesfestenSitzesinderVereinsleitungoderdieturnusgemässeÜberlassungdes<br />

PräsidentenamtsanMinderheitenvertreterinnerhalbdesVereinsaufgr<strong>und</strong>langjähriger<strong>Übung</strong>.<br />

b.Gratifikationsanspruch^<br />

[Rz13]GanzähnlichverhältessichmitderGratifikationimArbeitsrecht.SchonderWortstammexgratia(lat.für<br />

16<br />

freiwillig)lieferteinIndiz:DieGratifikationisteinefreiwilligeLeistung. Durchdiemehrmalige,regelmässige<strong>und</strong><br />

vorbehaltloseZahlungeineransichfreiwilligenGratifikationgemässArt.322dORkannjedocheinAnspruchauf<br />

17<br />

derenzukünftigeAusrichtungentstehen.<br />

[Rz14]TrotzFreiwilligkeits-,Einmaligkeits-oderWiderrufsvorbehaltkannnachjahre-oderjahrzehntelangerPraxis<br />

ebenfallseinAnspruchaufAusrichtungderGratifikationentstehen,weilderVorbehaltalsbedeutungsloseFloskel<br />

18<br />

interpretiertwird.<br />

[Rz15]DieEntstehungeinesGratifikationsanspruchsistauchdurchBetriebsübungfüralleMitarbeitereines<br />

19<br />

Betriebsmöglich. UnterBetriebsübungwirdeinregelmässigwiederholtesVerhaltendesArbeitgebersverstanden,<br />

auswelchemdieArbeitnehmerschliessenkönnen,dasssiedieLeistungoderVergünstigungaufDauererhalten<br />

20<br />

werden. AufdieBetriebsübungkannsichaucheinArbeitnehmerberufen,dernochnieeineGratifikationerhalten<br />

21<br />

hat.<br />

3.VoraussetzungenfürdieEntstehungeiner<strong>Übung</strong>^<br />

a.Inveterataconsuetudo^<br />

[Rz16]DieersteVoraussetzungder<strong>Übung</strong>isteinelangjährigePraxis.DiesewirdauchBrauchoderSittegenannt<br />

22<br />

<strong>und</strong>bezeichneteingleichförmiges,sichwiederholendes<strong>und</strong>andauerndesVerhalten. DerlateinischeFachbegriff<br />

lautetinveterataconsuetudo(wörtlichübersetzt:alte,althergebrachteGewohnheit).ZumVerständnisdieserBegriffe<br />

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<strong>Arnold</strong>F.<strong>Rusch</strong>,<strong>Observanz</strong><strong>und</strong><strong>Übung</strong>,<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Rechtsschein<br />

istdasZitateinerJulian-Digestenstellehilfreich:<br />

«Inveterataconsuetudoprolegenonimmeritocustoditur,ethocestiusquoddiciturmoribusconstitutum.Nam<br />

cumipsaelegesnullaaliaexcausanosteneant,quamquodiudiciopopulireceptaesunt,meritoetea,quaesine<br />

ulloscriptopopulusprobavit,tenebuntomnes:Namquidinterestsuffragiopopulusvoluntatemsuamdeclaret<br />

anrebusipsisetfactis?Quarerectissimeetiamilludreceptumest,utlegesnonsolumsuffragiolegislatoris,<br />

23<br />

sedetiamtacitoconsensuomniumperdesuetudinemabrogentur.»<br />

«AlthergebrachteGewohnheitwirdmitgutemGr<strong>und</strong>wieeinGesetzbefolgt,<strong>und</strong>diesistdasRecht,vondem<br />

mansagt,dassesdurchSittebegründetist.DennwennselbstdieGesetzeauskeinemanderenGr<strong>und</strong>füruns<br />

bindendsindalsdeswegen,weilsiedurchdieEntscheidungdesVolkesangenommensind,dannbindetmit<br />

Gr<strong>und</strong>auchdasalleBürger,wasdasVolkohneschriftlicheFixierunggebilligthat.DennwelchenUnterschied<br />

machtes,obdasVolkseinenWillendurchAbstimmung[inderVolksversammlung]k<strong>und</strong>tutoderdurchdie<br />

ausseinemVerhaltenfolgendenTatsachen?DahernimmtmanmitvollemRechtsogaran,dassGesetzenicht<br />

nurdurchAbstimmungdes[Volkesalsdes]Gesetzgebers,sondernauchdurchdieaufstillschweigender<br />

24<br />

ZustimmungallerberuhendeNichtanwendungausserGeltunggesetztwerden.»<br />

[Rz17]DieseDigestenstellezeigtbereitseineGr<strong>und</strong>lagefürdienachfolgendeDiskussionauf.Die<strong>Observanz</strong>erhält<br />

ihreinnereBegründungdurcheinestillschweigendeZustimmung(tacitoconsensu),welchezurlangjährigenPraxis<br />

hinzutritt.DiesestillschweigendeZustimmungersetztvorliegenddieschriftlicheZustimmung,diefürdieGesetze<br />

notwendigwar.DieinnereBegründungder<strong>Observanz</strong>bildetGegenstanddervertieftenÜberlegungenabRz24.<br />

NachfolgendistzuerstaufBeispielederinveterataconsuetudoeinzugehen.<br />

[Rz18]DieRechtsprechungbejahtebeieiner72-jährigenPraxiseinegenügendlange<strong>Übung</strong>,wonachLehrernicht<br />

25<br />

indiestädtischeKrankenkasseaufgenommenwerden. IneinemfrüherenB<strong>und</strong>esgerichtsentscheidstandeineüber<br />

50JahrealtePraxisderSteuererhebungzurBeurteilung,dievon1903biszumBeurteilungszeitpunktimJahre1957<br />

stetsBestandhatte<strong>und</strong>aucheinerAnfechtungimJahre1927standhielt.DerEntscheiderwähntzweiweitere,<br />

unveröffentlichtesteuerrechtlicheEntscheide:EinePraxisvon30Jahrengenügte,währendeinePraxisvonnur<br />

26 27<br />

siebenJahrennichtausreichte. Gefordertwerdensomiteinelangjährige<strong>und</strong>feststehendePraxis. Einegenaue<br />

AngabederDaueristnichtmöglich.EinwesentlicherFaktordürfteauchdieHäufigkeitderAnwendungder<strong>Übung</strong><br />

sein.EinhäufigpraktiziertesVorgehen–zumBeispielbeiVorstandssitzungen,diejedenMonatstattfinden–führt<br />

schnellerzueinerinveterataconsuetudoalseinnurnachlangenZeiträumenwiederkehrendesVerhalten(Beispiel:<br />

28<br />

dienuralljährlichstattfindendeGeneralversammlung).<br />

[Rz19]AuchbeiderEntstehungeinesGratifikationsanspruchsistdieinveterataconsuetudoalsVoraussetzung<br />

erkennbar.DiegeforderteDaueristimUnterschiedzurobenzitiertenRechtsprechungvielkürzer.Lehre<strong>und</strong><br />

Rechtsprechungbejahengrösstenteilsbeieinermindestensdreijährigen,vorbehaltlosenAusrichtungeiner<br />

29<br />

GratifikationdieEntstehungeinesklagbarenGratifikationsanspruchs. DerGratifikationsanspruchkannbei<br />

jahrzehntelangerAusrichtungtrotzFreiwilligkeits-,Abänderungs-oderWiderrufsvorbehaltentstehen,wennder<br />

VorbehaltalsbedeutungsloseFloskelinterpretiertwird<strong>und</strong>derArbeitgeberdurchseinVerhaltenzeigt,dassersich<br />

30<br />

zurAusrichtungeinerGratifikationverpflichtetfühlt. DieskanngemässB<strong>und</strong>esgerichtdadurchgeschehen,dass<br />

dieVorbehaltsklauselnieinAnspruchgenommenwird,obwohlaufgr<strong>und</strong>desschlechtenGeschäftsgangsoder<br />

31<br />

schlechterLeistungdesArbeitgebersGr<strong>und</strong>dazubestandenhätte. DieEntstehungeinesGratifikationsanspruchsist<br />

32<br />

auchdurchBetriebsübungfürdieGesamtheitderArbeiterineinemBetriebmöglich. UnterBetriebsübungwirdein<br />

regelmässigwiederholtesVerhaltendesArbeitgebersverstanden,auswelchemdieArbeitnehmerschliessenkönnen,<br />

33<br />

dasssiedieLeistungoderVergünstigungaufDauererhaltenwerden.<br />

b.Opinionecessitatis^<br />

34<br />

[Rz20]Dielangjährige<strong>Übung</strong>istdasäussereZeichen. ZumäusserenZeichenmussdieinnereÜberzeugungder<br />

betroffenenPersonentreten,dassessichumeinerechtlichbindendeoderzwingendePraxishandelt.Wiebeider<br />

inveterataconsuetudohatsichderlateinischeBegriffdurchgesetzt.Erlautetopinionecessitatis(auchopinioiuris<br />

35<br />

genannt;wörtlichübersetzt:ÜberzeugungderNotwendigkeit,Rechtsüberzeugung).<br />

[Rz21]DieopinionecessitatisfindetindenEntscheidungenmeistnureineuntergeordneteBeachtung.Häufigwird<br />

36<br />

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<strong>Arnold</strong>F.<strong>Rusch</strong>,<strong>Observanz</strong><strong>und</strong><strong>Übung</strong>,<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Rechtsschein<br />

beigegebenerinveterataconsuetudodirektaufdasVorhandenseinderopinionecessitatisgeschlossen.<br />

[Rz22]DieEntstehungeinesGratifikationsanspruchswirdinderLehredurcheineZusicherungdesArbeitgebers<br />

37<br />

begründet,diederArbeitnehmerakzeptiert,alsodurcheinestillschweigendeVereinbarung. Beim<br />

GratifikationsanspruchistdieopinionecessitatissomitdieÜberzeugungdesArbeitgebers<strong>und</strong>desArbeitnehmers,<br />

dassessichumeinezwingende<strong>und</strong>verbindlicheOrdnunghandelt<strong>und</strong>dasseinAnspruchentstandenist.Diese<br />

stillschweigendeÜbereinkunfthinterlässtjedocheinenetwaskonstruiertenEindruck(siehedazumehrunten,Rz25).<br />

DieopinionecessitatismussnichtaufeinerexplizitenoderstillschweigendenVereinbarungberuhen.Siekönnte<br />

auchaufdemalleinigenVertrauendesArbeitnehmersindiekünftigeAusrichtungderGratifikationberuhen.Sie<br />

schweigtsichdarüberaus,wiedieseVerbindlichkeitentsteht,obwohldieJulian-DigestenstellemitdemBegriff<br />

tacitoconsensu(durchstillschweigendeZustimmung)eheraufdierechtsgeschäftlicheBegründungweist. So<br />

gesehenistdieoffenformulierteVoraussetzungderopinionecessitatispassenderalsdierechtsgeschäftliche<br />

ErklärungüberfingierteoderstillschweigendeWillenserklärungen.<br />

[Rz23]Nachfolgendistfürdie<strong>Übung</strong>injuristischenPersonen<strong>und</strong>beiGratifikationszahlungenzuanalysieren,ob<br />

dieRechtsgeschäftslehreoderdieRechtsscheinlehrebzw.deraufderRechtsscheinlehrebasierendeAnspruchaus<br />

<strong>Erwirkung</strong>bessereLösungendarstellen.<br />

4.DogmatischeHerleitungen^<br />

a.RechtsgeschäftlicherAnsatz^<br />

[Rz24]BegründetwirddieEntstehungeinesGratifikationsanspruchsdurcheinevomArbeitnehmerstillschweigend<br />

39<br />

akzeptierteZusicherungdesArbeitgebersoderallgemeindurcheinestillschweigendeVereinbarung. Diefrüher<br />

notwendigeVoraussetzung,wonachdieGratifikationfürdenArbeitnehmereinenwesentlichenBestandteilseiner<br />

40<br />

Entlöhnungausmachen<strong>und</strong>deshalbfürihninsGewichtfallenmüsse,wurdefallengelassen. Staehelinerklärt<br />

41<br />

dieseÄnderungdamit,dasssiesichauseinerstillschweigendenVereinbarungnurschwerableitenlasse. Diese<br />

Formulierungdeutetdaraufhin,dassdasKriteriumansichalssinnvoll,aberkaumalsaufdemBodender<br />

Rechtsgeschäftslehrebegründbarerscheint.HierschimmerndieVoraussetzungendesprivat-oder<br />

öffentlichrechtlichenVertrauensschutzesalstheoretischesGerüstdurch.EssinddieVoraussetzungendesVertrauens<br />

42<br />

<strong>und</strong>einerVertrauensdispositionoder-betätigung. AufdieGratifikationsolltenachdieserAnsichtnurein<br />

Anspruchentstehen,wennsichderArbeitnehmeraufdenvermeintlichenAnsprucheingestellthat,festdamitrechnet<br />

<strong>und</strong>vielleichtsogarirreversibleDispositionengetätigthat.DiesdürftenachmehrerenJahrensicherderFallsein–<br />

derkünftigeLohnwirdimGeisteoderaufgr<strong>und</strong>tatsächlicherVerpflichtungenbereitsausgegeben,allfällige<br />

43<br />

Gratifikationeninklusive.<br />

[Rz25]DierechtsgeschäftlicheBegründungdesGratifikationsanspruchsistnichtinallenBereichenschlüssig.Die<br />

Arbeitgeberwollen–<strong>und</strong>diesdarfaufgr<strong>und</strong>sichererKenntnisgelten–niemalseineZusicherungkünftiger<br />

44<br />

Gratifikationenabgeben,diedieArbeitnehmerstillschweigendakzeptierenkönnten. Dierechtsgeschäftliche<br />

Herleitungkannnichterklären,weshalbausgerechnetnachdreimaligervorbehaltloserZahlungein<br />

45<br />

Gratifikationsanspruchentstehensoll. GibteinArbeitgebereinenFreiwilligkeits-,Einmaligkeits-oder<br />

WiderrufsvorbehaltbeiderAusrichtungderGratifikationab,kanndiesauchnachjahrzehntelanger<strong>Übung</strong>nicht<br />

bedeuten,dassereinestillschweigendeZusicherungabgegebenhat,diederArbeitnehmerebensostillschweigend<br />

46<br />

angenommenhat. NochklarerwirddieserGedankeimumgekehrtenFall,inwelchemderArbeitgebereinen<br />

bereitsentstandenenGratifikationsanspruchdurcheineneue<strong>Übung</strong>wiederkürzenwill.WährenddieAnnahme<br />

durchSchweigenbeieinemvorteilhaftenAngebotseitensdesArbeitgebers–soferndieserüberhaupteinAngebot<br />

gemachthat,wasvorliegendverneintwird–aufgr<strong>und</strong>derbesonderen,nurvorteilhaftenNaturdesGeschäftsim<br />

SinnevonArt.6ORhaltbarist,versagtdieserAnsatzbeieinerKürzungodereinemVerzichtaufdieAusrichtung<br />

47<br />

derGratifikation. HiervoneinemstillschweigendenAkzeptdesArbeitnehmersauszugehen,liegtfern.Der<br />

VorbehaltkannauchnachjahrzehntelangerAusübungnochSinnmachen:EskannfürdenArbeitgeberwichtigsein,<br />

48<br />

beischwierigerErtrags-oderWirtschaftslagebezüglicheinesTeilsderZahlungenflexibelzubleiben. Die<br />

AnforderungenfürdieAnnahmeeinerWillenserklärungsindaufArbeitgeber-<strong>und</strong>Arbeitnehmerseiteunrealistisch<br />

49<br />

niedrig.<br />

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<strong>Arnold</strong>F.<strong>Rusch</strong>,<strong>Observanz</strong><strong>und</strong><strong>Übung</strong>,<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Rechtsschein<br />

[Rz26]Die<strong>Übung</strong>inKörperschaftenlässtsichebenfallsmiteinerdemrechtsgeschäftlichenAnsatzähnlichen<br />

Erklärungbegründen.DieDuldungderHandhabungeinesnichtindenStatutengeregeltenProblemsoderdie<br />

DuldungderjahrelangenAbweichungvoneinerstatutarischenRegelungwerdenalsstillschweigende,konkludente<br />

50<br />

ZustimmungoderalsstillschweigenderVereinsbeschlussgewertet. MehrereEntscheidungenweisendeutlichauf<br />

denrechtsgeschäftlichenAnsatzvonZustimmung<strong>und</strong>Billigunghin:<br />

[Rz27]DerdeutscheEntscheidzuroffenenHandelsgesellschaft(OHG,sieheoben,Rz9)argumentiertklarmit<br />

vertragsrechtlichenGr<strong>und</strong>sätzen:<br />

«Eswäreschlechthinungewöhnlich,würdendieGesellschaftereinerOHGmehralszwanzigJahrelangeinen<br />

demVertragwidersprechendenVerteilungsschlüsselvorbehaltlosanwenden,ohnediesemfrüheroderspäter<br />

Verbindlichkeitzumessenzuwollen.(...)Einerruhigen,vonAuseinandersetzungenfreienEntwicklungdes<br />

innergesellschaftlichenLebenswidersprächees,aufdieDauerdenGewinnineinerWeisezuverteilen,die<br />

nichtdenBodeneinervertraglichenGr<strong>und</strong>lagehätte.AuchdenInteressenderMitgliedereiner<br />

FamiliengesellschaftstehtinallerRegelentgegen,fürlängereZeitnachvertraglosen<strong>und</strong>ungewissen<br />

Gr<strong>und</strong>sätzendieGewinnverteilungzuhandhaben.DieAnnahme,inderGesellschaftderParteienkönntedie<br />

VerteilungdesGewinnszwanzigJahrehindurchgewolltermassenunverbindlichgewesensein,widerspricht<br />

dahereinemfeststehendenErfahrungssatzdesGesellschaftsrechts.DieLebenserfahrungsprichtimGegenteil<br />

inentscheidenderWeisedafür,dasseinederartlangetatsächliche<strong>Übung</strong>imLaufederZeitaucheinefeste<br />

51<br />

vertraglicheGr<strong>und</strong>lagegef<strong>und</strong>enhat.»<br />

[Rz28]AuchimEntscheidzurWaldinteressentenschaft(sieheoben,Rz6)sahderB<strong>und</strong>esgerichtshofeine<br />

stillschweigendeBilligungderSatzungsbestimmung,dieParzellenverkäufeaufgr<strong>und</strong>eineseinfachen<br />

Mehrheitsbeschlusseszuliess:<br />

«WiederSenat(...)fürdennichtrechtsfähigenVereinentschiedenhat,wirdeinesatzungsmässigeRegelung,<br />

diezwarnichtwirksamgetroffenwordenist,aberimGegensatzzurZweckänderung(...)keinerformalisierten<br />

Zustimmungbedarf,dadurchwirksam,dasssievondenMitgliedernhingenommen<strong>und</strong>demLebendesVereins<br />

52<br />

zugr<strong>und</strong>egelegtwird.DennhierinliegteinestillschweigendeBilligung.»<br />

b.<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Verwirkung^<br />

[Rz29]BeistatutenderogierenderVerteilungdesGewinnsoderusanzgemässerfesterEinräumungeines<br />

VorstandssitzesoderdesPräsidiumsanMitgliedereinerMinderheit,aberauchbeimGratifikationsanspruchim<br />

53<br />

ArbeitsrechtstehtnachderTerminologievonCanariseinAnspruchaus<strong>Erwirkung</strong>imVordergr<strong>und</strong>.<br />

54<br />

[Rz30]<strong>Erwirkung</strong>istdasGegenstückzurVerwirkung. BeiderVerwirkungergibtsichdurchZeitablaufeineneue<br />

Wirklichkeit:DurchuntätigesZuwarten<strong>und</strong>durcheinelangeZeitdaueristesmöglich,dass«derAnscheineiner<br />

55<br />

neuenRechts-oderSachlage»entsteht. MassgebendistderGr<strong>und</strong>gedanke,derderVerwirkungdurchZuwarten<br />

innewohnt:EsistdieDiskrepanzzwischenNorm<strong>und</strong>Wirklichkeit,aberauchzwischenrechtlicher<strong>und</strong>faktischer<br />

56<br />

Wirklichkeit. DieAnsprüchebestehenzwarnoch,aberdiebetroffenenPersonenhabensichinnerlichdarauf 57<br />

eingestellt,dassderenGeltendmachungnacheinemgewissenZeitablaufnichtmehrangebrachtwäre. Die<br />

VerwirkungdurchZeitablaufsetztvoraus,dasseinlängererZeitraumungenutztverstrichenist,währendbeider<br />

anderenParteieinBesitzstandentstehenkonnte.DieRechtsausübungwährenddesungenutztenZeitraumsmuss<br />

möglich<strong>und</strong>zumutbargewesensein,währenddieandereParteiimgutenGlaubenaufdieUntätigkeitvertrauen<br />

58<br />

durfte. DieseRegelnstützensichaufdasRechtsmissbrauchsverbotgemässArt.2ZGB.DieVerwirkungsfällesind<br />

59<br />

indenRechtsordnungennurteilweisepositiviert. Beider<strong>Erwirkung</strong>–demGegenstückzurVerwirkung–fehlt<br />

einegesetzlichePositivierunggänzlich.<br />

[Rz31]DieinnereRechtfertigungder<strong>Erwirkung</strong>lässtsichüberdiePrivatautonomieerklären.Obenwurdebereits<br />

gezeigt,dassdieserproblematischeAnsatzvoneinerstillschweigendenOfferte<strong>und</strong>einemebensolchenAkzept<br />

60<br />

ausgeht<strong>und</strong>deshalbinvielenFällenkonstruiertwirkt. BeidefingiertenWillenserklärungensindunrealistisch.Der<br />

Arbeitgeberwolltesichkaumverpflichten.DerArbeitgeberwilldieFreiheithaben,dieGratifikationauchinZukunft<br />

beliebigfestzusetzenodersogarzustreichen.DerArbeitnehmerkonntedasVerhaltendesArbeitgebersinguten<br />

Treuenauchnichtsoverstehen.AusfreiwilligenLeistungendarfnichtaufeinenVerpflichtungswillengeschlossen<br />

61<br />

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Jusletter18.September2006<br />

<strong>Arnold</strong>F.<strong>Rusch</strong>,<strong>Observanz</strong><strong>und</strong><strong>Übung</strong>,<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Rechtsschein<br />

werden. IngutenTreuenvertrautderArbeitnehmerlediglichdarauf,dasseinelangjährigePraxisnichtohneGr<strong>und</strong><br />

aufgegebenwird.MiteinemVerpflichtungswillendesArbeitgeberskannernichtrechnen.Damitentstehtabernoch<br />

keinnatürlicheroderrechtlicherKonsensübereinenverbindlichenGratifikationsanspruchimSinnevonArt.322d<br />

62<br />

Abs.1OR. EinKonsensaufgr<strong>und</strong>stillschweigenderWillenserklärungenwürdeüberdiesnurbeiVerbesserungen<br />

derEntlöhnunggreifen,nichtauchbeiVerschlechterungen(sieheoben,Rz25).<br />

63<br />

[Rz32]DieRechtfertigungder<strong>Erwirkung</strong>ergibtsichauchausobjektivengesellschaftlichenWertungen. Diesevon<br />

derrechtsgeschäftlichenTheorielosgelösteRechtfertigungerklärtauch,weshalbeinAnspruchaus<strong>Erwirkung</strong>trotz<br />

Vorbehaltserklärungenentstehenkann:NachjahrzehntelangerPraxisderAuszahlungeinerGratifikationrichtetsich<br />

einArbeitnehmerinseinemLebensstildaraufein.DieVorbehaltserklärungverliertmitjedemJahr,inwelchemdie<br />

64<br />

Gratifikationtrotzdemausbezahltwird,ihrehemmendeWirkung. FürdenArbeitnehmerergibtsicheineneue<br />

Wirklichkeit,aufdieersicheinrichtet.ErhatdieGratifikationmöglicherweisementalschonausgegeben<strong>und</strong>in<br />

65<br />

seinemLebenszuschnittbereitseinkalkuliert,nochbevorersieerhaltenhat. DieGesellschaftwertetdiesals<br />

nachvollziehbareÜberlegung<strong>und</strong>gewährtdeshalbfolgerichtigeinenGratifikationsanspruchaus<strong>Erwirkung</strong>.Ausder<br />

Lehreder<strong>Erwirkung</strong>ergibtsicheigentlichnuralsNebenprodukt,obeinAnspruchentstandenist.Ausihrergibtsich<br />

auchnicht,dasssichderArbeitgeberverpflichtenwollte.Vielmehrlässtsichausihrableiten,obeinoftgeübtes<br />

66<br />

VerhaltennachlangerZeitohneVerletzungschutzwürdigenVertrauensgeändertwerdenkann. Würdesichdas<br />

VertrauenaufeinenVerpflichtungswillendesArbeitgebersrichten,müsstemanesverneinen:DieGratifikationist<br />

vonGesetzeswegenfreiwillig.AuchbeijahrzehntelangerAusrichtungderGratifikationmitentsprechenden<br />

VorbehaltserklärungenkönntemankeinengutenGlaubendesArbeitnehmershinsichtlichdesVerpflichtungswillens<br />

67<br />

desArbeitgebersbejahen. NachfolgendistvertieftaufdieVoraussetzungendes<strong>Erwirkung</strong>sanspruchseinzugehen.<br />

[Rz33]DieersteVoraussetzungistderZeitablauf,einegewisseDauerdesinFragestehendenVerhaltens.Jenach<br />

Häufigkeit<strong>und</strong>ArtdesrelevantenVerhaltensoderDuldensistdernotwendigeZeitablaufkürzeroderlänger<br />

bemessen.DiesistderVertrauenstatbestand.ImGegensatzzurrechtsgeschäftlichenBegründungdes<br />

GratifikationsanspruchsmachtbeiderHerleitungdurch<strong>Erwirkung</strong>dasAbstellenaufdiedreimaligeAusrichtung<br />

Sinn,dennesstellteinegewisseGesetzmässigkeit–eineReihe–dar,diebeiblosszweifacherAusrichtungnoch<br />

68<br />

keineErwartungenzuweckenvermag. DasschützenswerteVertrauenrichtetsichdarauf,dassdiese<strong>Übung</strong>nicht<br />

69<br />

ohnesachlicheGründeabgebrochenwird. DasVertrauenkannsichvernünftigerweiseabernichtdaraufrichten,<br />

dassdie<strong>Übung</strong>weitergeführtwird,auchwenneinVereinoderderArbeitgeberdadurchruiniertwürdeoderder<br />

70<br />

ArbeitnehmerdieTreuepflichtschwerverletzt. WeitereVoraussetzungensinddieKenntnisdieses<br />

Vertrauenstatbestands,dieZurechenbarkeitaufdiemitdemErfüllungsanspruchbelastetePersonsowiedie<br />

71<br />

GutgläubigkeitdervertrauendenPerson. ErforderlichistaucheineVertrauensdispositionoderzumindesteinehohe<br />

72<br />

WahrscheinlichkeitderVertrauensdisposition. DieVertrauensdispositionkanndarinbestehen,dassder<br />

LebenszuschnittaufdenLohnmitGratifikationausgerichtetwirdoderdassderArbeitnehmerimBetriebverbleibt.<br />

DiehoheWahrscheinlichkeitderinnerenEinstellungaufdie<strong>Übung</strong>mussausreichen,dasonstdieunvorsichtigen<br />

74<br />

<strong>und</strong>sorglosenPersonenprivilegiertwerden.<br />

[Rz34]ProblematischbeimGratifikationsanspruchistdasVorliegendesgutenGlaubens.Eswärenichtzu<br />

rechtfertigen,ErfüllungsansprüchebösgläubigenPersonenzuzusprechen.EinerderhäufigerenAnwendungsfälledes<br />

Anspruchsaus<strong>Erwirkung</strong>–derGratifikationsanspruchaufgr<strong>und</strong>jahre-oderjahrzehntelanger<strong>Übung</strong>trotzalljährlich<br />

wiederholtenVorbehaltserklärungen–lässtsichsomitnurausdem<strong>Erwirkung</strong>sanspruchableiten,wennmanden<br />

gutenGlaubendaraufbezieht,dasseinelangjährigePraxisnichtohnevernünftigenGr<strong>und</strong>abgebrochenwird.<br />

HinzukommendieinnereRechtfertigungausderarbeitsrechtlichenFürsorgepflichtoderpolitischenErwägungen.<br />

NachdemMassstabvonArt.3Abs.2ZGBkannbeieinemexpliziten<strong>und</strong>stetsbeigefügtenFreiwilligkeitsvorbehalt<br />

kaumgutgläubigaufeinenverbindlichenGratifikationsanspruchvertrautwerden.DerArbeitnehmerhätteindiesem<br />

77<br />

Fallwissenmüssen,dasssichseinVertrauenaufeinefehlerbehafteteRechtsstellungbezieht. DasB<strong>und</strong>esgericht<br />

bejahteallerdingsdengutenGlaubeneinesArbeitnehmers,derbeieinerlediglichfünfmaligenBonuszahlungtrotz<br />

78<br />

desimmerbeigefügtenFreiwilligkeitsvorbehaltserfolgreicheinenAnspruchaufdenBonusgeltendmachte. Dies<br />

lässtsichnurdadurchrechtfertigen,wennsichderguteGlaubenichtaufdenVerpflichtungswillenbezog,sondern<br />

aufdasVertrauen,dasseinelangjährigePraxisnichtohnevernünftigenGr<strong>und</strong>abgebrochenwird.<br />

[Rz35]DieeinzelnenVoraussetzungenkönneninihrerIntensitätvariieren,daessichumeinbeweglichesSystem<br />

handelt.DemGr<strong>und</strong>satznachgilt,dassjehäufigereinVerhaltenpraktiziertwird,destoschnellerwirdeszur<strong>Übung</strong>.<br />

Jelängerdie<strong>Übung</strong>praktiziertwird,destogeringermussdieVertrauensdispositionausfallen.Nachjahrzehntelanger<br />

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75<br />

76<br />

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Jusletter18.September2006<br />

<strong>Arnold</strong>F.<strong>Rusch</strong>,<strong>Observanz</strong><strong>und</strong><strong>Übung</strong>,<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Rechtsschein<br />

<strong>Übung</strong>kannauchhinsichtlichgeringerBeträgeeineverbindlichePraxisentstehen,währendbeihohenBeträgen<br />

schonnachkurzerZeiteineVeränderungdesLebenszuschnittsmitgrosserWahrscheinlichkeitzuerwartenist.<br />

c.<strong>Erwirkung</strong>alsTeilderRechtsscheinlehre^<br />

[Rz36]DievonCanarisbezeichneteVertrauenshaftungkraft<strong>Erwirkung</strong>gewährtalsRechtsscheinhaftungim<br />

UnterschiedzurinderSchweizbekanntenVertrauenshaftungnichtblosseinenAnspruchaufErsatzdes<br />

80<br />

Vertrauensschadens,sonderneinenErfüllungsanspruch–exakterdefinierteineRechtsscheinentsprechung. Beider<br />

RechtsscheinentsprechungwirdderRechtsscheinzurRechtswirklichkeit,weildemVertrauenaufeinenrechtlich<br />

81<br />

relevantenSachverhaltentsprochenwird. DasrelevanteVertrauenrichtetsichaufeinenrechtlichenSachverhalt.<br />

DerrechtlicheSachverhaltbestehtdarin,dassaufgr<strong>und</strong>desinlangjährigerPraxisgeübtenVorgangseinAnspruch<br />

entstandenist<strong>und</strong>dassessichdabeiumeineverbindlicheOrdnunghandelt.Esstelltsichdeshalbvorliegenddie<br />

Frage,weshalbinnerhalbderRechtsscheinlehreeinespezielleAnspruchskategoriebenötigtwird.<br />

[Rz37]DasAuseinanderfallenvonrechtlicher<strong>und</strong>faktischerWirklichkeit,welchessichbeijahrelanger<strong>Übung</strong><br />

82<br />

manifestiert,schaffteinenRechtsschein. DieZurechnungdesRechtsscheintatbestands–diesubjektiveBeziehung<br />

83<br />

dervomRechtsscheinbelastetenPersonzumScheintatbestand –dürfteindenerwähntenFällenkeinProblem<br />

darstellen.DieZurechnungzumArbeitgeberberuhtaufdemGedanken,dassdieserdurchdievorbehaltloseZahlung<br />

derGratifikationdasRisikoeinesMissverständnisses<strong>und</strong>,gestütztdarauf,einerVertrauensinvestitiongeschaffen<br />

hat.DiesesRisikokontrolliertderArbeitgeberimUnterschiedzumArbeitnehmerbesser,denndieEntlöhnung<br />

bedeutetfürdenLebenszuschnittdesArbeitnehmersmehralsfürdenArbeitgeber.ÜberdieskannderArbeitgeber<br />

dieGefahreinerfalschenInterpretationderGratifikationszahlungendurchVorbehaltserklärungenodereinedem<br />

GeschäftsergebnisangepassteGratifikationshöhebessersteuern.DiesistinderTerminologieCanaris’die<br />

84<br />

Zurechnungaufgr<strong>und</strong>desRisikoprinzips. DerRechtsscheinbewirktsodann,dassdiebeteiligtenPersonenein<br />

Vertrauenentwickeln,wonachsieeinenAnspruchaufdieRechteerhalten,inderenGenusssiejahrelanggekommen<br />

sind.DieDiskrepanzzwischenrechtlicher<strong>und</strong>faktischerWirklichkeitliegtfolglichsowohldemAnspruchaus<br />

85<br />

<strong>Erwirkung</strong>,derVerwirkungalsauchderRechtsscheinentsprechungzugr<strong>und</strong>e.<br />

[Rz38]EsstelltsichdieFrage,obauchdieübrigenVoraussetzungenderallgemeinenRechtsscheinentsprechung<br />

gegebensind.EshandeltsichdabeiumdieVertrauensdisposition,derenKausalitätzumVertrauensowiedie<br />

Gutgläubigkeit.EinetatsächlicheVertrauensdispositionistinderRechtsscheinlehrenichtimmervonnöten.Es<br />

genügtbereits,dassdievertrauendePersonsichinnerlichdaraufeingestellthat<strong>und</strong>mitderGewährungderRechte<br />

86<br />

festrechnet. DiesdürftebeidenGratifikationszahlungensowieder<strong>Übung</strong>inVereinen<strong>und</strong>Körperschaftenstets<br />

derFallsein.DieRechtsscheinlehrekannbeidervorbehaltlosen,mehrjährigenZahlungeinerGratifikationebenfalls<br />

zueinempositivenAnspruch,d.h.zueinerRechtsscheinentsprechungführen.BeijahrelangerAusrichtungeiner<br />

GratifikationunterFreiwilligkeits-,Einmaligkeits-oderWiderrufsvorbehalthingegenwürdedieweitere<br />

VoraussetzungderGutgläubigkeitimrechtlichenSinnebezüglicheinesVerpflichtungswillensdesArbeitgebers<br />

87<br />

fehlen. Aufgr<strong>und</strong>desVorbehaltsweissderArbeitnehmer–oderermüssteeszumindestwissen–dassessichum<br />

einefreiwilligeLeistunghandelt.DerguteGlauberichtetsichvorliegendrichtigerweisedarauf,dassdielangjährige<br />

88<br />

GratifikationszahlungnichtohnevernünftigenGr<strong>und</strong>abgebrochenwird. DerArbeitnehmervertraut–oderbesser<br />

gesagt,erhofftdarauf–nachjahrzehntelangerAusrichtungderGratifikationtrotzVorbehaltserklärungen,die<br />

GratifikationwiejedesJahrauchinZukunftzuerhalten.DiesesVertrauenistberechtigt<strong>und</strong>deshalbschützenswert.<br />

EinAbbruchdieser<strong>Übung</strong>istausvernünftigenGründenstetsmöglich.Esistnichtmissbräuchlich,sichals<br />

ArbeitgebernachmehrerenJahrenaufeinenstetserklärtenVorbehaltzuberufen,dassdieGratifikationfreiwillig<br />

erfolge<strong>und</strong>deshalbkeinAnspruchbestehe,wennbeispielsweisedieGeschäfteschlechtlaufenoderderArbeitgeber<br />

durchdieGratifikationszahlungenindenRuingetriebenwürde.<br />

[Rz39]ÄhnlichistdieLagebeistatutenderogierender<strong>Observanz</strong>injuristischenPersonen.Hiererfolgenkeine<br />

Vorbehaltserklärungen,dieaufstatutenderogierende<strong>Observanz</strong>hinweisen<strong>und</strong>dasssichderVorstanddasRecht<br />

vorbehalte,jederzeitdiegeschriebenenStatutenwiederanzuwenden.Durchjahrelange<strong>Übung</strong>kannsomitdie<br />

berechtigteÜberzeugungentstehen,dassessichumeineverbindlicheOrdnunghandelt,dieebenfallsnichtohne<br />

vernünftigenGr<strong>und</strong>abgebrochenwird.DieBegründungderGeltungderstatutenderogierenden<strong>Observanz</strong>durch<br />

stillschweigendeZustimmung(analogzurrechtsgeschäftlichenBegründungderGratifikationszahlung)zur<br />

schleichendenÄnderungbirgteinenzweifachenWiderspruch:StatutensehendieformellkorrekteBeschlussfassung<br />

vor.Darinwirdmeistdavonausgegangen,dassdieStatuteninihrergeschriebenenFormgültigsind.Aufdiesen<br />

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<strong>Arnold</strong>F.<strong>Rusch</strong>,<strong>Observanz</strong><strong>und</strong><strong>Übung</strong>,<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Rechtsschein<br />

WiderspruchgehendieuntenstehendenErwägungeninRz42ein.<br />

[Rz40]Interessantist,dasssichauchdieallgemeinenVoraussetzungender<strong>Übung</strong>mitderRechtsscheinlehre<br />

erklärenlassen.DasAuseinanderfallenvonrechtlicher<strong>und</strong>faktischerWirklichkeit,welchessichindenFällen<br />

jahrelanger<strong>Übung</strong>manifestiert(inveterataconsuetudo),schaffteinenRechtsschein,demvertrautwird.Diesistder<br />

Rechtsscheinstatbestand.DieÜberzeugung,esliegeeinerechtlichbindendeOrdnungvor(opinionecessitatis),istin<br />

derVoraussetzungdesVertrauens<strong>und</strong>derVertrauensdispositionenthalten.Wervertraut,gehtdavonaus,dassbisher<br />

gewährteRechteauchweiterhingewährtwerden.<br />

[Rz41]FolglichergebendieLehreder<strong>Erwirkung</strong>sowiedesallgemeinenRechtsscheinsüberzeugende<br />

BegründungenzurEntstehung<strong>und</strong>Geltungder<strong>Übung</strong>imPrivatrechtab.AnhanddernachfolgendenSonderfragen<br />

istzuermitteln,obsieinallenBelangenschlüssigsind.<br />

5.Sonderfragen^<br />

a.Kann<strong>Observanz</strong>Statutenderogieren?^<br />

89<br />

[Rz42]EinigkeitherrschtinderLehre,dasszwingendesRechtnichtdurch<strong>Observanz</strong>derogiertwerdenkann.<br />

FolglichkönnenStatutenbestimmungen,diezwingendesRechtwiedergeben,durch<strong>Observanz</strong>ebenfallsnicht<br />

derogiertwerden.Umstrittenistjedoch,obeine<strong>Übung</strong>auchimGegensatzzunichtzwingendesRechtverkörpernden<br />

90<br />

Statutenbestimmungenstehen<strong>und</strong>trotzdemGeltungbeanspruchenkann. Derterminustechnicuslautet<br />

statutenderogierende<strong>Observanz</strong>.DiezahlreichenGerichtsentscheidedeutenaufdieZulässigkeit<br />

statutenderogierender<strong>Observanz</strong>.AuchdieEntstehungeinesAnspruchsaufAusrichtungeinerGratifikation<br />

derogierteinenschriftlichenArbeitsvertrag,derdieGratifikationgleichwiedasGesetzinArt.322dAbs.1ORnur<br />

auffreiwilligerBasisgewährt.<br />

[Rz43]DaswohlwichtigsteKriteriumbeiderBeurteilungderZulässigkeitstatutenderogierender<strong>Observanz</strong>dürfte<br />

dieRechtssicherheitsein.DieRechtssicherheitgebietet,dassNeumitgliedersichaufgeschriebeneStatutenverlassen<br />

können.Ausihrableitbaristjedochauch,dasseinestatutenwidrige,aberjahrelanggeübtePraxisGeltung<br />

beansprucht,sofernsichdiebetroffenenPersonendaraufeingestellthaben.DieRechtsscheinentsprechungkannhier<br />

inzweiRichtungenerfolgen:EinerseitskanndemRechtsscheingegenüberNeumitgliedernoderGläubigern<br />

dahingehendentsprochenwerden,dasssieinihremVertrauenaufdiegeschriebenenStatutengeschütztwerden.<br />

AnderseitsberufensichbisherigeMitgliederinihremVertrauendarauf,dassdie<strong>Übung</strong>weiterhingilt.Diese<br />

zweifacheRechtsscheinentsprechungkannunterUmständenzuZielkonfliktenführen,wennsichbeideGruppen<br />

gleichzeitigaufdenRechtsscheinberufen.DieKonfliktelassensichdadurchlösen,dassderweniger<br />

schützenswertenParteiblosseineVertrauenshaftungaufdasnegativeInteresse(Vertrauensschaden)anstelleeiner<br />

Rechtsscheinentsprechung(positiveVertrauensentsprechung)gewährtwird.<br />

[Rz44]EinBeispielausderGerichtspraxiskanndiesenStandpunktuntermauern:DieWahldesaufgr<strong>und</strong><br />

statutenwidriger,abermöglicherweiseübungsgemässerWahlnachKopf-stattnachKonzessionsstimmenernannten<br />

VorstandswirdvoneinigenVereinsmitgliedernangefochten.VorsorglicheMassnahmensollenverhindern,dassder<br />

sogewählteVorstandGeschäftetätigendarf.FallsgutgläubigeDritteindiesemSchwebezustandbiszur<br />

UrteilsfällunginderHauptsacheGeschäftemitdemVorstandabschliessen,müsstensieinihremVertrauenauf<br />

dessenVertretungsbefugnisgeschütztwerden.DieRechtsscheinentsprechungkommtsomitdenVertragspartnerndes<br />

Vereinszu.DieklagendenVereinsmitgliederselbst–eskönntenauchNeumitgliedersein,diedieVereinsübung<br />

nichtkennen–diesichaufdieStatutenwidrigkeitderWahlberufen,hättenbeiGutheissungihrerKlagehöchstens<br />

SchadenersatzansprüchegegenüberdemstatutenwidriggewähltenVereinsvorstand,währenddiegutgläubigen<br />

91<br />

DrittenindenGenusseinerRechtsscheinentsprechungkommen. Wenigerschützenswertwärensomitdiesichauf<br />

dieStatutenwidrigkeitberufenden<strong>und</strong>klagendenMitglieder.AlsMitgliederstehensieineinerNähezumVerein,in<br />

welchersiegewisseNachteileehertragenmüssenalsgutgläubigeDritte.<br />

b.Beendigungeiner<strong>Übung</strong>^<br />

[Rz45]Isteine<strong>Übung</strong>entstanden,somusseineÄnderungderselbengr<strong>und</strong>sätzlichaufdemgleichemWegwieeine<br />

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Jusletter18.September2006<br />

<strong>Arnold</strong>F.<strong>Rusch</strong>,<strong>Observanz</strong><strong>und</strong><strong>Übung</strong>,<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Rechtsschein<br />

ÄnderungdesArbeitsvertragsoderderStatutenerfolgen.BeimArbeitsverhältnisgeschiehtdiesdurchexplizite(d.h.<br />

nichtkonkludente),konsensualeÄnderungdesVertrages,dievomArbeitgeberauchdurcheine<br />

Änderungskündigungbewirktwerdenkann.DiesisteineKündigungfürdenFall,dassderArbeitnehmerdieneuen<br />

92 93<br />

Vertragsbedingungennichtakzeptiert. InVereinengeschiehtdiesmittelsStatuten-oderReglementsänderung.<br />

[Rz46]Die<strong>Übung</strong>kannauchspiegelbildlichbeendetwerden,indemwiederumübereinelängereZeit<br />

unangefochteneinvonder<strong>Übung</strong>abweichendesVerhaltengepflegt<strong>und</strong>dadurcheineneue<strong>Übung</strong>geschaffenwird.<br />

EinderartigesVerhaltenschaffteinenneuenRechtsschein–oderinderTerminologieder<strong>Erwirkung</strong>–«erwirkt»<br />

einenneuenAnspruch,bzw.lässtdenaltenAnspruchdurchVerwirkunguntergehen.<br />

[Rz47]DasdeutscheB<strong>und</strong>esarbeitsgerichtbeurteilteindiesemZusammenhangdenFalleiner<br />

Weihnachtsgratifikation,diegemässTarifvertrag70%einesMonatsgehaltsentsprach.EsgingumeineSchreinerei,<br />

welchevon1961bis1992stetseinvollesMonatsgehaltalsWeihnachtsgratifikationausbezahlte,von1961bis1977<br />

vorbehaltlos,ab1978bis1992mitdemVorbehalt,dassdiesfreiwilligerfolge<strong>und</strong>keinenRechtsanspruchbegründe.<br />

DasB<strong>und</strong>esarbeitsgerichtbejahtedieEntstehungeinesGratifikationsanspruchsaufeinvollesMonatsgehalt,welcher<br />

abernachdreimaligemAnbringendesFreiwilligkeitsvorbehaltswiedererloschensei.DieSchreinereidurftefolglich<br />

dieGratifikationimJahre1993–siehätteesauchfrüher,ab1981t<strong>und</strong>ürfen–lediglichimtarifvertraglich<br />

vereinbartenUmfangausrichten.Durchdiedreimalige,widerspruchsloseHinnahmederGratifikationszahlungmit<br />

FreiwilligkeitsvorbehalthatderArbeitnehmereinenVertrauenstatbestandgesetzt–spiegelbildlichzum<br />

95<br />

Vertrauenstatbestand,dervomArbeitgeberbeiBegründungder<strong>Übung</strong>gesetztwordenwar. Unklarbleibt,weshalb<br />

vorliegenddiefünfzehnmaligeAnbringungdesFreiwilligkeitsvorbehaltesvon1978bis1992nichtdieWirkung<br />

96<br />

verlorenhat<strong>und</strong>zueinerunbeachtlichenFloskelgewordenist. MöglicherweisewurdedieDaueralszukurz<br />

erachtetodereswurdevondenParteienimProzessnichtvorgebracht.EinspätererEntscheidbestätigtediese<br />

Rechtsprechung,fordertejedochzusätzlichdieexpliziteErklärung,wonachdieArbeitgeberinden<br />

97<br />

GratifikationsanspruchinZukunftausschliessenwolle.<br />

[Rz48]AndiesemBeispielzeigtsich,dassderrechtsgeschäftlicheAnsatz,dervoneinerstillschweigendenOfferte<br />

<strong>und</strong>einemebensolchenAkzeptausgeht,unrealistischist<strong>und</strong>vonArt.6ORnichtgedecktwäre.EinArbeitnehmer<br />

würdeeinederartigeOffertekaumannehmen,dasiefürihnnachteiligist.EineAnnahmedurchSchweigenist<br />

deshalbauszuschliessen.DieArbeitnehmerhättenimobenerwähntenFallderSchreinereivon1978bis1992<br />

mindestensjedesdritteJahrdemFreiwilligkeitsvorbehaltwidersprechenmüssen,umihnnichtstillschweigend<br />

98<br />

anzunehmen.<br />

[Rz49]DieRechtsscheinlehreführtbeidiesemBeispielzueinerkonsistentenErklärung,dieaberauchaufdem<br />

fehlendenWiderspruchbasiert.DieSchreinereialsArbeitgeberindurftesichaufdieneueSituationverlassen,<br />

wonachdiehöherenGratifikationszahlungennurnochfreiwilligenCharakterhaben.BeieinemWiderspruchgegen<br />

dieAuszahlungderGratifikationunterVorbehaltkönntediegegenläufige<strong>Übung</strong>nichtentstehen.DieArbeitgeberin<br />

hättedannallerdingsdieMöglichkeit,eineÄnderungskündigungauszusprechen,womitderRechtssicherheitgedient<br />

99<br />

wäre. DasAbstellenaufdenfehlendenWidersprucherscheintdennochalsunbefriedigend.Esistfürden<br />

Arbeitnehmerunangenehm<strong>und</strong>vielleichtmitnegativenFolgenverb<strong>und</strong>en,gegeneineAnkündigungder<br />

Arbeitgeberinprotestierenzumüssen,solangeerdieursprünglicheGratifikationerhält.<br />

[Rz50]BeiderkonsequentenAnwendungderRechtsscheinlehrewäreesfürdieArbeitgeberinnurnochinwenigen<br />

Fällennötig,einegegenläufige<strong>Übung</strong>zubeginnen,umeineausreichendeFlexibilitätinderGratifikationsgestaltung<br />

fürdieZukunftbeizubehalten.DasVertrauenderArbeitnehmerrichtetsichgemässderRechtsscheinlehreaufgr<strong>und</strong><br />

derVorbehaltserklärungennurdarauf,dassdie<strong>Übung</strong>derGratifikationnichtohnevernünftigenGr<strong>und</strong>aufgegeben<br />

100<br />

wird. Diesführtzueinempraktikablen<strong>und</strong>vertretbarenErgebnisfürbeideSeiten.DieArbeitnehmerinmüsste<br />

dannfürihrAbweichenvonderbisherigenGratifikationsgewährungeinenvernünftigenGr<strong>und</strong>angeben.<br />

c.Irrtümlichpraktizierte<strong>Übung</strong>^<br />

[Rz51]Weraufgr<strong>und</strong>einesRechtsscheinsverpflichtetwird,warsichmeistnichtbewusst,dassseinVerhalteneinen<br />

101<br />

AnspruchbegründetoderbefandsichdiesbezüglichsogarineinemIrrtum. Damitistschongesagt,dassauch<br />

durcheineirrtümlichentstandenePraxiseineverbindliche<strong>Übung</strong>entstehenkann.Zuprüfenistineinemersten<br />

Schritt,obeineAnfechtungaufgr<strong>und</strong>vonWillensmängelnmöglichist,welcheArtenvonWillensmängelninFrage<br />

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<strong>Arnold</strong>F.<strong>Rusch</strong>,<strong>Observanz</strong><strong>und</strong><strong>Übung</strong>,<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Rechtsschein<br />

kommen<strong>und</strong>wieLeistungenrückforderbarsind.Zudemistzuanalysieren,obeine<strong>Übung</strong>auchentsteht,wennder<br />

ArbeitnehmerdenIrrtumerkannteoderhätteerkennenkönnen.MehrereFallkonstellationen<strong>und</strong>Lösungsansätze<br />

sinddenkbar.DienachfolgendenÜberlegungenwidmensichauchdenFragen,obderartigeLeistungenrückforderbar<br />

102<br />

sindoderobsienurfürdieZukunftodergarniereduziertodergestrichenwerdenkönnen.<br />

[Rz52]DassmansichbeirechtsgeschäftlichenWillenserklärungenaufWillensmängelberufenkann,ist<br />

unbestritten.UmsomehrsolltendeshalbstillschweigendeWillenserklärungenanfechtbarsein,dieaufgr<strong>und</strong>des<br />

103<br />

Verhaltensfingiertwerden. SchwierigeristdieseVorstellungbeieinemVerhalten,desseneinePersonsichnicht<br />

104<br />

einmalbewusstgewordenist,weilmaneineWillenserklärungdarinnurschwererkennenkann. Diedreimalige,<br />

vorbehaltloseAuszahlungeinerGratifikationlässtgemässRechtsprechung<strong>und</strong>herrschenderLehreeinen<br />

Gratifikationsanspruchentstehen.DieinnereBegründungdiesesAnspruchs,wonacheineOffertevorliege,dievom<br />

Arbeitnehmerstillschweigendakzeptiertwordensei,führtunweigerlichzurAnnahme,dassdieAnfechtungwegen<br />

Willensmängelnmöglichseinmuss–dieArbeitgeberkönneneinederartigeVerpflichtungunmöglichgewollthaben.<br />

DiessprichtjedochehergegendieseArtderinnerenBegründungdesAnspruchsalsfürdieMöglichkeitder<br />

AnfechtungwegenWillensmängeln.<br />

[Rz53]EinRechtsscheinkannauchdurchirrtümlichesVerhaltenbegründetwerden.DerRechtsscheinfokussiert<br />

sichaufdasäusserlichwahrnehmbareVerhalten.DieinnerenMotivederPerson,diedenRechtsscheinsetzt,bleiben<br />

beiderWahrnehmungdesRechtsscheinsunbeachtlich.EsstelltsichindiesemZusammenhangdieFrage,obauch<br />

einRechtsscheintatbestandanfechtbarist.DieVorstellung,dasseinRechtsschein,demausVerkehrs-<strong>und</strong><br />

Vertrauensschutzüberlegungenentsprochenwird,rückwirkendzerstörbarseinkönnte,istnichtaufAnhieb<br />

105<br />

einleuchtend. EinRechtsscheintatbestandistgemässKindljedochgr<strong>und</strong>sätzlichwieeinaufeiner<br />

106<br />

WillenserklärungbasierenderVertraganfechtbar. DieWillenserklärungisteinvielstärkererVertrauenstatbestand<br />

alseinVerhalten,auswelchemSchlüssegezogenwerden.DennochistderVertraganfechtbar,deraufeiner<br />

107<br />

Willenserklärungberuht. FolgerichtigistaucheinnormativerKonsensanfechtbar,deraufgr<strong>und</strong>des<br />

108<br />

Vertrauensprinzipsgilt. Diessprichttatsächlichdafür,dassaucheinRechtsscheintatbestandperanalogiam<br />

anfechtbarseinmuss.Ausnahmenbestehendort,wodurcheineAnfechtungSinn<strong>und</strong>Zweckdeserwirkten<br />

AnspruchsoderdeserwecktenRechtsscheinsadabsurdumgeführtwerden.Tatsächlichwäreessinnlos,dassLehre<br />

<strong>und</strong>RechtsprechungdieEntstehungeinesGratifikationsanspruchesaufgr<strong>und</strong>derVerkehrsauffassung<strong>und</strong>des<br />

Vertrauensschutzesbejahen,dessenmansichüberdieAnfechtungaufgr<strong>und</strong>vonWillensmängelnwiederum<br />

entledigenkönnte.<br />

[Rz54]Denkbarsindgr<strong>und</strong>sätzlichalleArtendesIrrtumsimSinnevonArt.24OR.DerArbeitgeberkönntesich<br />

überdiePerson,derereineGratifikationausgerichtethat,irren.Erkönntesichaufgr<strong>und</strong>falscherUnterlagenüber<br />

wesentlicheGr<strong>und</strong>lagenderGratifikationsgewährungsowiederenHöheirren.Erkönntesichauchdarüberim<br />

Unklarensein,dasseinedreijährige<strong>und</strong>vorbehaltloseAuszahlungeinenAnspruchbegründet(siehedazuRz56).<br />

[Rz55]EinenerstenLösungsansatzfindetmandirektimRechtderWillensmängel.DasArbeitsverhältnisisteinauf<br />

DauerausgelegtesSchuldverhältnis,d.h.dasAusmassderLeistungenhängtmassgeblichvonderDauerdes<br />

109<br />

Vertragsverhältnissesab.DiesisteinWesensmerkmalderDauerschuldverhältnisse. GemässherrschenderLehre<br />

kanneinDauerschuldverhältnisdurchAnfechtungaufgr<strong>und</strong>vonWillensmängelnnurmitWirkungexnunc<br />

110<br />

wegfallen,alsonurfürdieZukunft,nichtauchfürdieVergangenheit. DieseBegründungwohntauchder<br />

arbeitsrechtlichenNormdesArt.320Abs.3ORinne:DasArbeitsverhältniswirdbiszurerfolgreichenAnfechtung<br />

111<br />

vertragsrechtlichabgewickelt. EinerückwirkendeAbwicklungnachbereicherungsrechtlichenGr<strong>und</strong>sätzenfindet<br />

nichtstatt.Denkbarist,dassdieRückabwicklungexnunc<strong>und</strong>damitdieRegeldesArt.320Abs.3ORbeieiner 112<br />

TeilanfechtungdesArbeitsverhältnissesnichtanwendbarsind,dielediglichdieGratifikationbetrifft. Die<br />

RückzahlungeinerirrtümlichausgerichtetenGratifikationwürdekeinenennenswertenProblemebereiten,wiesie<br />

113<br />

sonstbeiRückabwicklungenvonDauerschuldverhältnissenauftreten. BeiBejahungeiner<br />

bereicherungsrechtlichenRückforderungderirrtümlichbezahltenGratifikationdürftejedocheineallfällige<br />

RückerstattungindenmeistenFällenimErgebnisanderEinrededernichtmehrvorhandenenBereicherunggemäss<br />

Art.64ORscheitern.Lohn<strong>und</strong>GratifikationbildendiewesentlichenFaktorendesLebenszuschnitts<strong>und</strong>der<br />

Lebensgestaltung<strong>und</strong>werdenmeistvollumfänglichbenötigt.EineErsparnisbereicherungistmeistauszuschliessen,<br />

114<br />

dadieArbeitnehmerohneGratifikationvieleAusgabengarnichtgetätigthätten.<br />

[Rz56]DelbrückbejahtbeiderGratifikationdieMöglichkeitderAnfechtbarkeitnachArt.23ff.OR,siehtabernur<br />

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Jusletter18.September2006<br />

<strong>Arnold</strong>F.<strong>Rusch</strong>,<strong>Observanz</strong><strong>und</strong><strong>Übung</strong>,<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Rechtsschein<br />

eintheoretischesAnwendungsfeld.DieVerkehrsauffassungbeurteiltdasVerhaltendesArbeitgebersals<br />

stillschweigendeOfferte.WersichalsArbeitgebersoverhält,abernichtweiss,dassseinemVerhaltendiese<br />

Bedeutungzugemessenwird,verhältsichfahrlässigimSinnevonArt.26OR.DerSchadenersatzimSinnedes<br />

VertrauensschadensdürftejedochinallenFällengleichhochwiederGratifikationsanspruchsein,sodasseine<br />

115<br />

AnfechtungregelmässigfürdenArbeitgeberkeinewesentlichenVorteilemitsichbringendürfte. ImErgebnis<br />

116<br />

bleibtalsokeineRechtsscheinentsprechung,sonderneineVertrauenshaftungnachArt.26OR. Bejahtmaneine<br />

entsprechendeVerkehrsauffassungoder-sitte,soisteinderartigerSchlüssigkeitsirrtum,d.h.einIrrtumoderdas<br />

Nichtwissen,dassdiedreimaligeZahlungderGratifikationeinenGratifikationsanspruchentstehenlässt,jedoch<br />

117<br />

ohnehinunbeachtlich.<br />

[Rz57]ErkanntederArbeitnehmerdenIrrtumdesArbeitgebers<strong>und</strong>weissersomit,dassderArbeitgeberkeinen<br />

Gratifikationsanspruchgewährenwollte,stelltsichdieFrage,obderAnspruchtrotzdementsteht.Aufgr<strong>und</strong>deroben<br />

geschildertenWertungenmussdiesbejahtwerden.Schonaufgr<strong>und</strong>allgemeinerLebenserfahrungdrängtsich<br />

eigentlichderSchlussauf,dassderArbeitgebereineVerpflichtungzueinemderartigenAnspruchkaumgewollt<br />

habenkann.DieGratifikationistvonGesetzeswegeneinefreiwilligeLeistung,aufwelchenurbeientsprechender<br />

VereinbarungeinAnspruchbesteht(Art.322dAbs.1OR).TrotzdembejahtdieherrschendeLehreeinenAnspruch<br />

nachdreimaligervorbehaltloserAusrichtungderGratifikation.BeiderjahrzehntelangenAusrichtungder<br />

GratifikationmitVorbehaltsklauselndürfteauchklarsein,dassjedemArbeitnehmerauffallenmüsste,dasssichder<br />

118<br />

Arbeitgeberganzsichernichtverpflichtenwollte. DerSchrittzurtatsächlichenErkenntnis,dasssichder<br />

Arbeitgebergeirrthabenkönnte,istjedochzuklein,alsdasseineunterschiedlicheFolgezurechtfertigenwäre.Auch<br />

anhandderRechtsscheinlehreergibtsichkeineandereLösung.HierergibtsichdasVertrauendarauf,dasseine<br />

langjährigePraxisnichtohnevernünftigenGr<strong>und</strong>aufgegebenwird.DiesesVertrauenistimGegensatzzum<br />

VertrauenaufeinenBindungswillendesArbeitgebersschützenswert.<br />

[Rz58]EsstelltsichdieFrage,obeineirrtümlichpraktizierte<strong>Übung</strong>sofortbeendetwerdenkann.Hiezukannauf<br />

dieAusführungenbeiRz45verwiesenwerden.BejahtmandieEntstehungeiner<strong>Übung</strong>auchaufgr<strong>und</strong>einesIrrtums<br />

–washierderFallist–kanndiese<strong>Übung</strong>gleichwiedienormalbegründete<strong>Übung</strong>beendetwerden.Vorliegend<br />

bestehendieMöglichkeitenderÄnderungsvereinbarung,derÄnderungskündigungoderdergegenläufigen<strong>Übung</strong>.<br />

6.Schlusswort^<br />

[Rz59]Eszeigtsich,dassdierechtsgeschäftlicheBegründungder<strong>Übung</strong>einigeSchwächenhat<strong>und</strong>viele<br />

Phänomenenichtschlüssigerklärenkann.Die<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>dieRechtsscheinlehrebieteneinenbesserenAnsatz<br />

zurErklärungder<strong>Übung</strong>,kommenabernichtimmerzudeckungsgleichenResultatenwiediegängige<br />

Rechtsprechung<strong>und</strong>Lehre.<br />

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<strong>und</strong>Personenrecht,3.Abteilung,DiejuristischenPersonen,ZweiterTeilband,DieVereine,Systematischer<br />

Teil<strong>und</strong>KommentarzuArt.60-79ZGB,Bern1990(zitiert:BK-Riemer)<br />

RothGünter ,MünchenerKommentarzumBGB,Kommentarzu§242BGB,4.A.München2003(zitiert:<br />

MK-Roth)<br />

SchmidlinBruno ,BernerKommentarzumSchweizerischenPrivatrecht,BandVI,DasObligationenrecht,1.<br />

Abteilung,AllgemeineBestimmungen,2.Teilband,Unterteilband1b,MängeldesVertragsabschlusses,<br />

KommentarzuArt.23-31OR,Bern1995(zitiert:BK-Schmidlin)<br />

SchmidtJürgen ,in:JuliusvonStaudingersKommentarzumBürgerlichenGesetzbuchmitEinführungsgesetz<br />

<strong>und</strong>Nebengesetzen,ZweitesBuch.RechtderSchuldverhältnisse,Einleitungzu§§241ff;§§241-243,<br />

Kommentarzu§242BGB,München1995(zitiert:Staudinger-Schmidt)<br />

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Peter/WiegandWolfgang(Hrsg.),BaslerKommentarzumSchweizerischenPrivatrecht,ObligationenrechtI,3.<br />

Seite13von20


Jusletter18.September2006<br />

<strong>Arnold</strong>F.<strong>Rusch</strong>,<strong>Observanz</strong><strong>und</strong><strong>Übung</strong>,<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Rechtsschein<br />

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SingerReinhard ,NeueEntwicklungenimRechtderBetriebsübung,ZeitschriftfürArbeitsrecht1993,S.487<br />

ff.<br />

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VögeliGalliNicole ,BemerkungenzumUrteildesArbeitsgerichtes,1.Abteilung,28.April2000,AJP2000,S.<br />

1293ff.<br />

vonCraushaarGötz ,DerEinflussdesVertrauensaufdiePrivatrechtsbildung,SchriftendesInstitutsfür<br />

WirtschaftsrechtanderUniversitätKöln,Band24,München1969<br />

vonSteigerFritz ,Kann<strong>Observanz</strong>denStatutenderogieren?DieSchweizerischeAktiengesellschaft1953,S.<br />

179ff.<br />

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WindscheidBernhard ,LehrbuchdesPandektenrechts,BandI,9.A.,FrankfurtamMain1906,Nachdruck<br />

Aalen1963<br />

ZeunerAlbrecht ,ZumProblemderbetrieblichen<strong>Übung</strong>,DerBetriebs-Berater,1957,S.647ff. .<br />

RechtsanwaltDr.iur.<strong>Arnold</strong>F.<strong>Rusch</strong>,LL.M.,istOberassistentimPrivatrechtanderUniversitätZürich.<br />

1<br />

BK-Riemer,Syst.Teil,N353; ZK-Marti,ZGB5N229; ZK-Egger,ZGB1N26ff.;<br />

Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel,§12N8.<br />

2<br />

ZurBedeutungder<strong>Observanz</strong>imVereinsrechtsiehe Portmann,N76.ZumBegriffsieheauch Puchta,Drittes<br />

3<br />

Buch,S.105ff.<strong>und</strong> Windscheid,S.95f.<br />

Art.5ZGBverweistaufdie<strong>Übung</strong><strong>und</strong>denOrtsgebrauch<strong>und</strong>bestimmt,dassdasbisherigekantonaleRechtals<br />

derenAusdruckgilt.VerweiseaufdenOrtsgebrauchfindensichinArt.338Abs.3ZGB,Art.611Abs.2ZGB,<br />

Art.613Abs.3ZGB,Art.684Abs.2ZGB<strong>und</strong>Art.740ZGB.<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

König,S.73<strong>und</strong>82;vgl. vonSteiger ,S.179; BK-Riemer,Syst.Teil,N354.<br />

BJM1957S.140ff.,142;vgl. König,S.81.<br />

BJM1957S.140ff.,142<strong>und</strong>146.<br />

BGHZ25,311inNJW1957,S.1800f.,besprochenbei Canaris,Vertrauenshaftung,S.379.<br />

Vgl.BGE72II91ff.,110.<br />

VierteljahresschriftfürAargauischeRechtsprechungVAR1943S.1ff.;vgl.auchdieBeispielebei König,S.86<br />

10<br />

11<br />

f.;vgl.auch Hanau,S.262zurBilligungvonSatzungsänderungen.<br />

VierteljahresschriftfürAargauischeRechtsprechungVAR1943S.1ff.,5.<br />

UrteildesB<strong>und</strong>esgerichtshofsvom17.Januar1966(Nr.IIZR8/64),abgedrucktinWertpapier-Mitteilungen<br />

WM1966,159ff.<strong>und</strong>NJW1966S.826ff.;vgl.auchdieBeschreibungdesFallesbei<br />

Vertrauenshaftung,S.383f.<br />

Canaris,<br />

12<br />

13<br />

NJW1966S.826ff.,827.<br />

Urteilvom5.Mai1920desBernischenAppellationshofesinCivilsachen,abgedrucktinZBJV57(1921),S.82<br />

14<br />

ff.,86.<br />

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Jusletter18.September2006<br />

<strong>Arnold</strong>F.<strong>Rusch</strong>,<strong>Observanz</strong><strong>und</strong><strong>Übung</strong>,<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Rechtsschein<br />

ZR22(1923)Nr.70S.129ff.,133.<br />

15 ZR74(1975)Nr.34S.65ff.,67.<br />

16<br />

17<br />

VögeliGalli ,S.1294.<br />

ZK-Staehelin,OR322dN9; Rehbinder,N181;ZR100(2001),Nr.72,S.232f.,233;BGE129III276ff.,<br />

278.<br />

18<br />

ZK-Staehelin,OR322dN10mitweiterenHinweisen; Delbrück,S.83ff.;vgl.auch Staudinger-Schmidt,§242<br />

N550.<br />

19 ZK-Staehelin,OR322dN12; Rehbinder,N181;vgl.BGE129III276ff.,281ff.;zurBetriebsübung<strong>und</strong>deren<br />

BeendigungimdeutschenRechtausführlich Zeuner,S.647ff.; Hromadka,S.241ff.<strong>und</strong> Eberle,S.1326ff.<br />

20 Vgl.dieDefinitionbei Singer,S.488.<br />

21<br />

22<br />

23<br />

Siehe ZK-Staehelin,OR322dN12;vgl.ZR50(1951)Nr.194S.293ff.,295ff.<br />

Vgl. ZK-Egger,ZGB1N26;vgl. BK-Riemer,Syst.Teil,N353; ZK-Marti,ZGB5N229; König,S.75f.<br />

SiehedieJulian-DigestenstelleD.1.3.32.1.,abgedrucktmitÜbersetzungbei Kaser/Knütel,§3N2.Vgl.auch<br />

Puchta,ErstesBuch,S.84<strong>und</strong>einweiteresZitataufS.81: «Consuetudoprojureetlegecustoditur,<br />

24<br />

25<br />

26<br />

27<br />

observatur»; Windscheid,S.85mitweiterenHinweisen;vgl.auch Bucher,Gesetzeslücke,Rz.16.<br />

Übersetzungbei Kaser/Knütel,§3N2.<br />

BGE96V49ff.,51f.<br />

BGE84I89ff.,95f.<br />

BGE59II264ff.,297;BGE72II91ff.,110.IneinemEntscheiddesSt.GallerRegierungsratswurdeauch<br />

schondiedreimaligeVornahmeeinerKollektivzeichnungdurchVorstandsmitgliedereinesVereinsinnerteines<br />

Monatsals<strong>Übung</strong>bezeichnet(SGGVP1981Nr.66S.127ff.,129).KeineZeitangabeenthältderEntscheidin<br />

BJM1957,S.140ff.,142,dochistvoneinerAuslegungspraxisdieRede,dieseitNeufassungderStatuten<br />

bestand<strong>und</strong>vondernochnieabgewichenwurde;vgl.auchdenAargauischenObergerichtsentscheidinVAR<br />

(VierteljahresschriftfürAargauischeRechtsprechung)1943S.1ff.,5.SiehedieÜbersichtüberdieEntscheide<br />

beiBK-Riemer ,Syst.Teil,N353.ZumdeutschenRechtvgl.dasUrteildesB<strong>und</strong>esgerichtshofsvom17.Januar<br />

1966(Nr.IIZR8/64),abgedrucktinWM(Wertpapier-Mitteilungen)1966,159ff.<strong>und</strong>NJW1966S.826ff.<br />

Hiergingesumeine25Jahrealte<strong>Übung</strong>,denGewinnabweichendvomGesellschaftsvertragzuverteilen;vgl.<br />

auchNJW-RR2005S.1195f.;NJW1996,S.1678ff.,1680;NJW-RR1994,S.1057f.,1058.Imrömischen<br />

RechtwarendieAdjektive«longa,inveterata,diuturnaconsuetudo,longaevususus»<strong>und</strong>«ea,quaeperplurimos<br />

annosobservatasunt»(Zitate<strong>und</strong>Hinweisebei<br />

einschlägig.<br />

Puchta,ErstesBuch,S.93<strong>und</strong>drittesBuch,S.105)<br />

28<br />

29<br />

König,S.76.<br />

ZK-Staehelin,OR322dN9; Streiff/vonKaenel ,OR322dN4; Senti,S.676;vgl. Delbrück,S.58f.;BGE129<br />

III276ff.,278;vgl.auchdieallgemeineDefinitionvon Thüsing,S.718:«DieregelmässigeWiederholung<br />

bestimmterVerhaltensweisendesArbeitgebers,ausdenenderArbeitnehmerschliessenkann,ihmsolleeine<br />

LeistungoderVergünstigungaufDauereingeräumtwerden,bindetdenArbeitgeberauchfürdieZukunft.»<br />

30<br />

ZK-Staehelin,OR322dN10mitweiterenHinweisen;BGE129III276ff.,280f;vgl.auch Staudinger-Schmidt<br />

,§242N550.<br />

31<br />

BGE129III276ff.,281; Streiff/vonKaenel ,OR322dN5.ImEntscheid4C.244/2004vom25.Oktober2004,<br />

Erw.2.1.<strong>und</strong>2.2.wurdeallerdingsnachdemVertrauensprinzipaufgr<strong>und</strong>derstetssteigendenBonuszahlungen<br />

daraufgeschlossen,dassderKlägertrotzVorbehaltsklauselgutgläubigdaraufvertrauenkönnte,einenAnspruch<br />

aufdenBonuszuerhalten:«ladéfenderesseavaitpayéuntelbonusen1994puissuccessivement,annéeaprès<br />

annéede1996à1999,lemontantdecedernierconnaissantuneprogressionrégulièreetassezforte,puisquela<br />

sommecréditéeaudemandeurs'élevaità160'000fr.en1999.Auvudecetteattitude,ledemandeurpouvaitde<br />

bonnefoidéduirequeladéfenderesses'étaitengagéeàluiverserchaqueannéeunbonuscommecomplémentde<br />

salaire,etquelaréserveneportaitquesurlaquotitédecelui-ci,quiétaitfonctiondelarentabilitédel'employé<br />

auseindel'entreprise.Unetelleconclusiondécouleaussidelaprogressiondumontantdesbonus,passantde<br />

65'000fr.à160'000fr.de1996à1999,ladéfenderesseallantmêmejusqu'àproposerpourl'exercice2000le<br />

paiementd'unesommede250'000fr.àtitredebonus,montantéquivalantausalairedebase,cequiconstitueun<br />

indicesupplémentairequelebonusenquestionestdevenusignificatifpourindemniserlaprestationdetravail<br />

fournie,l'assimilantainsiausalaire»(Erw.2.2.).Esistunklar,wiedieseBegründungzudenErwägungenbei<br />

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Jusletter18.September2006<br />

<strong>Arnold</strong>F.<strong>Rusch</strong>,<strong>Observanz</strong><strong>und</strong><strong>Übung</strong>,<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Rechtsschein<br />

BGE129III276ff.,280f.<strong>und</strong>allgemeinzurbisherigenRechtsprechungpasst.Insbesondereistunklar,<br />

weshalbdieVorbehaltsklauselnachblossfünfmaligerAnwendungzueinerbedeutungslosenFloskelgeworden<br />

seinsoll.ImEntscheidistbeispielsweisenirgendsdargetan,dassdieArbeitgeberineinmalAnlassdazuhatte,<br />

denBonuszukürzen,diesabernichtgetanhabe.DarüberhinausdauertedasArbeitsverhältnisblosssechsJahre<br />

(1994-2000),wobeiderBonusfürdasJahr1995imEntscheidkonsequentverschwiegenwird<strong>und</strong>derAnspruch<br />

aufdenBonusfürdasJahr2000strittigwar.DasVerhältniszwischenGratifikation<strong>und</strong>Lohnverschobsichmit<br />

derZeit,startetejedochmoderatbei1:7,wasnochnichtdaraufschliessenlässt,dieGratifikationseidas<br />

eigentlicheEntgeltfürdieArbeit(vgl.diediesbezüglichenÜberlegungenbeiUrteil4C.6/2003vom24.April<br />

2004,Erw.2.2<strong>und</strong>3.2.,woeinVerhältnisvon1:5beihohenSalärennochnichtgegendieQualifikationals<br />

Gratifikationsprach).DerJahreslohnbeliefsichimJahr1994aufFr.175'000<strong>und</strong>stiegimJahr2000aufFr.<br />

250'000.DasVerhältnisverschobsichallerdingsimLaufederJahreauffast1:1(LohnvonFr.175'000im<br />

VergleichzurGratifikationvonFr.160'000imJahre1999).<br />

32 ZK-Staehelin,OR322dN12f.;vgl.auch Streiff/vonKaenel ,OR322dN4<strong>und</strong>5; Delbrück,S.67f.;<br />

Rehbinder,N181;zurBetriebsübung<strong>und</strong>derenBeendigunginDeutschlandausführlich Zeuner,S.647ff.<strong>und</strong><br />

Eberle,S.1326ff.<br />

33 Vgl.dieDefinitionbei Singer,S.488.<br />

34 Vgl. Puchta,ErstesBuch,S.81<strong>und</strong>drittesBuch,S.4,wo Puchtadie consuetudoalsäussereErscheinungdes<br />

Gewohnheitsrechtsbeschreibt.<br />

35 BK-Riemer,Syst.Teil,N353; König,S.79; ZK-Marti,ZGB5N229; vonSteiger ,S.184f.;vgl. Puchta,<br />

DrittesBuch,S.32ff.<br />

36 Siehe BK-Riemer,Syst.Teil,N353;BGE96V49ff.,52;vgl.auchBGE56I37ff.,42;BGE81I26ff.,34;<br />

BGE83I242ff.,248;BGE96I219ff.,228;BGE105Ia80ff.,84.<br />

37 ZK-Staehelin,OR322dN9;ZR59(1960)Nr.32,S.83ff.,86<strong>und</strong>Nr.33S.87f.;zumdeutschenRechtvgl.<br />

Hromadka,S.243<strong>und</strong>dieÜbersichtbei Singer,S.490ff.<br />

38 Vgl.dieJulian-Digestenstelle(sieheoben,Rz16)sowiederenÜbersetzung.<br />

39 ZK-Staehelin,OR322dN9;ZR59(1960)Nr.32,S.83ff.,86<strong>und</strong>Nr.33S.87f.;zumdeutschenRechtvgl.<br />

Hromadka,S.243<strong>und</strong>dieÜbersichtbei Singer,S.490ff.<br />

40 Vgl. ZK-Staehelin,OR322dN11; Delbrück,S.65;alsVoraussetzungnochgenanntinZR50(1951)Nr.194S.<br />

293ff.,295;ZR59(1960)Nr.32,S.83ff.,86<strong>und</strong>Nr.33S.87f.;sieheauch BK-Oser/Schönenberger,OR330<br />

N19.<br />

41 ZK-Staehelin,OR322dN11.<br />

42<br />

Vgl.zumVertrauensschutzimöffentlichenRecht Häfelin/Müller,Rz.631ff.<strong>und</strong>zurVertrauensbetätigung<br />

insbesondereRz.660ff.<br />

43<br />

44<br />

45<br />

46<br />

47<br />

Vgl.zumEinflussdesLohnesaufdenLebenszuschnitt Canaris ,Vertrauenshaftung,S.386<strong>und</strong> Singer,S.511.<br />

Vgl. Hromadka,S.243.<br />

Singer,S.493;vgl. Delbrück,S.59; Hanau ,S.261; Bepler,S.237.<br />

Ebenfallskritischdazu Delbrück,S.83f.<br />

Vgl.dazu Gauch/Schluep/Schmid/Rey,N456;vgl.Urteil4C.244/2004vom25.Oktober2004Erw.3.1.;vgl.<br />

zumdeutschenRechtdenEntscheiddesB<strong>und</strong>esarbeitsgerichts,Urteilvom24.November2004–Nr.10AZR<br />

202/04,abgedrucktinNZA2005,S.349ff.,351.<br />

48<br />

49<br />

Singer,S.492.<br />

Vgl. Staudinger-Schmidt,§242N581,vgl. Delbrück,S.58; Singer,S.492<strong>und</strong> Hanau,S.260f.;vgl.<br />

diesbezüglichaberauchdenumgekehrtenFallderVerwirkungvonProvisionszahlungenfüreinenKaderarbeiter,<br />

derauchVerwaltungsratwar(SGGVP1985,Nr.35,S.75ff.,erwähntin ZK-Baumann,ZGB2N394).Seiner<br />

GeltendmachungvonProvisionsansprüchenwurdeentgegengesetzt,dasserinderZwischenzeitLohnausweise<br />

akzeptierthabe,diediesenichtauswiesen<strong>und</strong>sogardenVermerktrugen«Umsatzprovisioninbegriffen».Auch<br />

alsVerwaltungsratbemühteersichnieumdiekorrekteVerbuchungderseinerAnsichtnachbestehenden<br />

Provisionsguthaben.ErwartetemitderGeltendmachungseinerAnsprücheviereinhalbJahrezu.Aufgr<strong>und</strong>der<br />

verzögertenGeltendmachung<strong>und</strong>derweiterenUmständenahmdasGerichteinenstillschweigenden<strong>und</strong><br />

rechtsverbindlichenVerzichtan.DieGeltendmachungdieserAnsprücheerachtetedasGerichtdeshalbals<br />

rechtsmissbräuchlich.<br />

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Jusletter18.September2006<br />

<strong>Arnold</strong>F.<strong>Rusch</strong>,<strong>Observanz</strong><strong>und</strong><strong>Übung</strong>,<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Rechtsschein<br />

50<br />

Vgl.auchdenEntscheidBJM1957,S.140ff.,146,wovoneinem VerzichtderAnwendungdesstatutarischen<br />

51<br />

Abstimmungsweisedurcheineanderslautende<strong>Übung</strong>dieRedewar;inZR22(1923)Nr.70S.129ff.,133<br />

(sieheoben,Rz11)wurdeverneint,dassdieStatutendurcheinGebrauch aufgehobenwerdenkönnen.<br />

UrteildesB<strong>und</strong>esgerichtshofsvom17.Januar1966(Nr.IIZR8/64),abgedrucktinWertpapier-Mitteilungen<br />

WM1966,159ff.<strong>und</strong>NJW1966S.826ff.,827.<br />

52<br />

53<br />

BGHZ25,311inNJW1957,S.1800.<br />

Canaris,Vertrauenshaftung,S.381ff.<strong>und</strong>384;zur<strong>Erwirkung</strong>ausführlich Staudinger-Schmidt,§242N516ff. ;<br />

Staudinger-Looschelders/Olzen,§242N192ff.<strong>und</strong>N824f.<br />

54<br />

Vgl. Hanau,S.261,262: «Esistnichteinzusehen,warumderZeitablaufnichtdieumgekehrteWirkunghaben<br />

<strong>und</strong>Ansprüchebegründenkann»<br />

Thüsing,S.719.<br />

;vgl. Canaris,Vertrauenshaftung,S.372ff.; Singer,S.494; Hromadka,S.244;<br />

55<br />

56<br />

57<br />

ZK-Baumann,ZGB2N385.<br />

Siehedazu Staudinger-Schmidt,§242N517<strong>und</strong>580.<br />

Vgl. Hromadka,S.244,derdie<strong>Erwirkung</strong>alsUnterfalldesVerbotsdes venirecontrafactumproprium sieht.<br />

58 ZK-Baumann,ZGB2N401<strong>und</strong>dieÜbersichtbeiN426ff.;vgl.indiesemZusammenhangdieEntscheide<br />

BGE104II86ff.,92<strong>und</strong>BGE102II211ff.,225.<br />

59<br />

SiehedieBeispielebei Spiro,S.932,Fn.5;vgl.dieBeispielebei Gauch/Schluep/Schmid/Rey,N3577;vgl.<br />

60<br />

61<br />

62<br />

63<br />

64<br />

65<br />

auchzurvergleichbarenSituationimdeutschenRecht Staudinger-Schmidt,§242N518.<br />

Vgl.auch Staudinger-Schmidt,§242N208<strong>und</strong>533;vgl.oben,Rz25.<br />

Vgl. BSK-Rehbinder/Portmann,OR322dN3.<br />

Vgl.zudenVoraussetzungendesnormativenKonsenses Huguenin,N196f.<br />

Vgl. Staudinger-Schmidt,§242N525.<br />

Vgl. Delbrück,S.84.<br />

Vgl.diediesbezüglichenÜberlegungenimdeutschenRenten-Fall:EinRentnererhieltaufgr<strong>und</strong>eines<br />

Berechnungsfehlers,dersichimJahre1947ereignete,DM100imMonatzuviel.Deneigentlichexistierenden<br />

BerichtigungsanspruchfürdiezukünftigenAuszahlungendurftedieBehördejedochaufgr<strong>und</strong>Verwirkungnicht<br />

ausüben.DerRentnerhabeseinenLebensstandardwährendüberzwölfJahrenaufdieumeinenDrittelhöhere<br />

Renteeingestellt.DieBehördemusstedeshalbdiezuhoheRenteauchinZukunftweiterhinbezahlen(NJW<br />

1966S.125f.);vgl.auch<br />

verplant...»<br />

Singer,S.511: «Geradebeikleinen<strong>und</strong>mittlerenEinkommenisthäufig«jedeMark»<br />

66<br />

67<br />

Vgl. Hromadka,S.244.<br />

Vgl.aberUrteil4C.244/2004vom25.Oktober2004,Erw.2.2.TrotzVorbehaltserklärungenhieltdas<br />

B<strong>und</strong>esgerichtindiesemEntscheidfest,dassderArbeitnehmeraufgr<strong>und</strong>desVerhaltensderArbeitgeberin<br />

gutgläubigaufdieBonuszahlungvertrauenkonnte.<br />

68<br />

69<br />

Vgl. Singer,S.494.<br />

Hromadka,S.246;vgl. Delbrück,S.84: «Sowird(...)derVorbehalt«jederzeitigenWiderrufs»sicherlichim<br />

LaufederZeitineinenWiderrufsvorbehaltnachbilligemErmessenumzuinterpretierensein.»<br />

70<br />

71<br />

72<br />

73<br />

74<br />

75<br />

Vgl.dazu Thüsing,S.722;vgl. Hromadka,S.246.<br />

Canaris,Vertrauenshaftung,S.372f.<br />

Canaris,Vertrauenshaftung,S.373.<br />

Hromadka,S.245.<br />

Hromadka,S.245.<br />

Vgl. Thüsing,S.722: «ManwirddieErwartungdesArbeitnehmersnichtdahinauslegendürfen,denbislang<br />

regelmässigeingeräumtenVorteilewigzuerhalten,kommewasdawolle,biszumjüngstenTag<strong>und</strong>überalle<br />

KrisendesUnternehmenshinweg–sondernnurbisaufweiteres,bisihmeineÄnderungausplausiblemGr<strong>und</strong><br />

rechtzeitigvorherbekanntgemachtwurde.»<br />

76<br />

DerartigeÜberlegungenspielensicheraucheineRolle,vgl.diesbezüglich Canaris,Vertrauenshaftung,S.386<br />

<strong>und</strong> vonCraushaar ,S.93ff.;vgl.zumUmstandderbesonderenSchutzwürdigkeitdesArbeitnehmers MK-Roth,<br />

§242N354<strong>und</strong> Hanau,S.261.<br />

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Jusletter18.September2006<br />

<strong>Arnold</strong>F.<strong>Rusch</strong>,<strong>Observanz</strong><strong>und</strong><strong>Übung</strong>,<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Rechtsschein<br />

77 Vgl. ZK-Baumann,ZGB3N4.<br />

78 DasB<strong>und</strong>esgerichtbezogdengutenGlaubenjedochaufdenVerpflichtungswillen,sieheUrteil4C.244/2004<br />

vom25.Oktober2004,Erw.2.2.:«Auvudecetteattitude,ledemandeurpouvaitdebonnefoidéduirequela<br />

défenderesses'étaitengagéeàluiverserchaqueannéeunbonuscommecomplémentdesalaire,etquelaréserve<br />

neportaitquesurlaquotitédecelui-ci,quiétaitfonctiondelarentabilitédel'employéauseindel'entreprise»;<br />

sieheauchoben,Fn.31<strong>und</strong>unten,Rz38.<br />

79 Vgl. Hromadka,S.245.<br />

80 Canaris,Vertrauenshaftung,S.271,381ff.DasB<strong>und</strong>esgerichtgewährtejedochimEntscheid4C.299/1998vom<br />

7.Januar1999auchbeiderVertrauenshaftungeinenAnspruchaufdaspositiveInteresse.DerEntscheidist<br />

auszugsweisewiedergegebeninderBesprechungvon Bucher,MonteRosa,S.65ff.;vgl.dazuauch Widmer,S.<br />

113f.<strong>und</strong>122.<br />

81 Vgl.dieallgemeinen,kurzenDefinitionendesRechtsscheins<strong>und</strong>derRechtsscheinhaftung(diesistderüblichere<br />

BegriffalsderjenigederRechtsscheinentsprechung)bei Canaris,Vertrauenshaftung,S.526ff.; Rieder,S.91ff.,<br />

insbesondereS.359; Wick,Vertrauenshaftung,S.1271; Fehlmann,S.112f.; Berger,S.207f.; Frotz,S.146f.;<br />

Wellspacher,S.267f.definierteimJahre1906dasallgemeineRechtsscheinprinzipso: «WerimVertrauenauf<br />

einenäusserenTatbestandrechtsgeschäftlichhandelt,derzufolgeGesetzesoderVerkehrsauffassungdie<br />

ErscheinungsformeinesbestimmtenRechtes,RechtsverhältnissesodereinesrechtlichrelevantenMomentes<br />

bildet,istinseinemVertrauengeschützt,wennjenerTatbestandmitZut<strong>und</strong>esjenigenzuStandegekommenist,<br />

demderVertrauensschutzzumNachteilegereicht.»<br />

82 Vgl. ZK-Baumann,ZGB2N385:DurchdasZuwartenentstehtder «AnscheineinerneuenRechts-oder<br />

Sachlage».<br />

83 SiehediekurzeErklärungderZurechnungbei Rieder,S.96<strong>und</strong>dielängereErklärungbei Canaris,<br />

Vertrauenshaftung,S.468ff.<br />

84 Siehe Canaris,Vertrauenshaftung,S.386<strong>und</strong>479ff.;vgl.auch Singer,S.495.<br />

85 SiehezumBegriffspaarder<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Verwirkung Staudinger-Schmidt,§242N516ff.<strong>und</strong>578ff.;<br />

Thüsing,S.719; Canaris,Vertrauenshaftung,S.271.<br />

86 Vgl. Canaris,Vertrauenshaftung,S.511<strong>und</strong> Rieder,S.95.<br />

87 AndersentschieddasB<strong>und</strong>esgerichtinUrteil4C.244/2004vom25.Oktober2004,Erw.2.2.Esbejahteden<br />

gutenGlaubenbezüglichdesVerpflichtungswillens:«Auvudecetteattitude,ledemandeurpouvaitdebonnefoi<br />

déduirequeladéfenderesses'étaitengagéeàluiverserchaqueannéeunbonuscommecomplémentdesalaire,et<br />

quelaréserveneportaitquesurlaquotitédecelui-ci,quiétaitfonctiondelarentabilitédel'employéauseinde<br />

l'entreprise»;sieheoben,Rz34<strong>und</strong>Fn.31.<br />

88 Vgl. Thüsing,S.722.<br />

89 vonSteiger ,S.180f.;vgl.dieBeispielebei König,S.92f.,insb.103ff..<br />

90 SiehedieÜbersichtüberdieRechtsprechungbei BK-Riemer,Syst.Teil,N354,derdieBildung<br />

statutenderogierender<strong>Observanz</strong>ausRechtssicherheitsüberlegungenablehnt;ebensoablehnendäussernsich<br />

ZK-Siegwart,OR626N7<strong>und</strong> Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel,§12N10;fürdieZulässigkeitsprechensich<br />

ZK-Egger,ZGB65N4, König,S.85ff.<strong>und</strong>S.103ff.<strong>und</strong>von Steiger,S.181ff.aus;vgl.auchBGE72II91<br />

ff.,110,wodieMöglichkeiteinerstatutenwidrigen<strong>Observanz</strong>angesprochenwird,aberausanderen<br />

Überlegungennichtgeschütztwird;VAR1943S.1ff.,5(statutenwidrigeKompetenzdesVorstandesdurch<br />

<strong>Observanz</strong>bejaht);statutenwidrige<strong>Observanz</strong>wurdeauchgeschütztinZBJV57(1921)S.82ff.,86;vgl.aber<br />

auchZR22(1923)Nr.70S.129ff.,133(<strong>Observanz</strong>kannstatutarischePflichtzurordnungsgemässen<br />

EinberufungderGenossenschafterversammlungnichtaufheben);vgl.auchdenEntscheiddesKantonsgerichts<br />

St.GalleninSJZ2,S.143f.(NichthandhabungeinerStatutenbestimmungmachtdiesenichtobsolet);BGE<br />

4C.386/2002vom12.Oktober2004,Erw.3.1.(StatutenbestimmungeinerAG,diedieGewährungvon<br />

Tantiemenermöglicht,wirddurchmehrjährigeNichtanwendungoder«inneremWillen»zuderenAbschaffung<br />

nichtobsolet)<strong>und</strong>ZR74Nr.34S.65ff.,67(siehedazunachfolgendFn.91);zumdeutschenRechtvgl.den<br />

GewinnverteilungsfalldesB<strong>und</strong>esgerichtshofsvom17.Januar1966(Nr.IIZR8/64),abgedrucktin<br />

Wertpapier-MitteilungenWM1966,159ff.<strong>und</strong>NJW1966S.826ff.;vgl.auchdieBeschreibungdesFallesbei<br />

Canaris,Vertrauenshaftung,S.383f.<br />

91 DieserSachverhaltergabsichinZR74Nr.34S.65ff.<br />

92<br />

Seite18von20


Jusletter18.September2006<br />

<strong>Arnold</strong>F.<strong>Rusch</strong>,<strong>Observanz</strong><strong>und</strong><strong>Übung</strong>,<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Rechtsschein<br />

93<br />

94<br />

95<br />

ZurÄnderungskündigungsiehe Rehbinder,N313<strong>und</strong> ZK-Staehelin,OR335N6.<br />

Vgl.VAR1943S.1ff.,5.<br />

Vgl. Thüsing,S.719.Dervon Thüsingbenützte terminustechnicus lautet «gegenläufigebetriebliche<strong>Übung</strong>» .<br />

DeutschesB<strong>und</strong>esarbeitsgericht,Urteilvom26.März1997,abgedrucktinNJW1998,S.475f.;sieheauchdie<br />

96<br />

97<br />

Kritikdazubei Kettler ,NJW1998,S.435ff.<strong>und</strong>dieBemerkungen Beplers,S.238f.<br />

Siehedazuvorne,Rz19.<br />

UrteildesB<strong>und</strong>esarbeitsgerichtsvom4.Mai1999–Nr.10AZR290/98,abgedrucktinNZA1999,S.1162ff.,<br />

1164: «HateinArbeitgeberinderVergangenheitvorbehaltloseinefreiwilligeLeistungerbracht<strong>und</strong>ist<br />

dadurchbereitseineBindungfürdieZukunftentstanden,musserinbesondererWeiseklar<strong>und</strong><br />

unmissverständlichzumAusdruckbringen,dassersichvondieserbetrieblichen<strong>Übung</strong>lösen<strong>und</strong>einen<br />

RechtsanspruchfürdieZukunftnunmehrausschliessenwolle.OhneeineentsprechendeeindeutigeErklärung,<br />

dieinsbesonderedaraufgerichtetist,AnsprüchefürdieZukunftauszuschliessen,kannernichtdarauf<br />

vertrauen,dassderArbeitnehmerdurchdiewiderspruchsloseHinnahmederZahlungmiteinerÄnderungder<br />

98<br />

betrieblichen<strong>Übung</strong>einverstandensei» ;vgl.auchdieBemerkungenzudiesemUrteilvon Bepler,S.239.<br />

Vgl.dieÜberlegungenbei Thüsing,S.719ff.;vgl.aberauch Bepler,S.238,dervoneinerstillschweigenden<br />

Zustimmungausgeht.<br />

99<br />

Vgl.dasUrteildesB<strong>und</strong>esarbeitsgerichtsvom4.Mai1999–Nr.10AZR290/98,abgedrucktinNZA1999,<br />

S.1162ff.,1163: «DurchdiedreimaligewiderspruchsloseAnnahmederausdrücklichunterVorbehalt<br />

ausbezahltenGratifikationschafftderArbeitnehmerbeimArbeitgebereinenschutzwürdigen<br />

Vertrauenstatbestand,weileraufgr<strong>und</strong>desVerhaltensdesArbeitnehmerskeineVeranlassunghat,eine<br />

ausdrücklicheÄnderungderarbeitsvertraglichenVereinbarungenherbeizuführen.»<br />

100<br />

Vgl.dazu Thüsing,S.722.<br />

101<br />

Vgl. Singer,S.492.<br />

102<br />

ZudendiversenLösungsansätzensiehe Eberle,S.1328mitweiterenHinweisen.<br />

103<br />

Vgl.dieÜberlegungenzurAnfechtungbei Delbrück,S.65; BK-Schmidlin,OR23/24N178bejahtdie<br />

gr<strong>und</strong>sätzlicheAnfechtbarkeit ausdrücklicher<strong>und</strong>stillschweigender Willenserklärungen;vgl.<br />

Vertrauenshaftung,S.454f.<br />

Canaris,<br />

104<br />

Vgl.hiezudenEntscheiddesdeutschenB<strong>und</strong>esgerichtshofs,Urteilvom7.Juni1984–IXZR66/83,abgedruckt<br />

inNJW1984,S.2279ff.<br />

105<br />

Vgl. Lutter/Gehling,S.155: «BegreiftmandasProblemalsHaftungausveranlasstemRechtsschein,dürfteeine<br />

Anfechtungvonvornhereinausscheiden» ;vgl.auch Leptien,BGB167Rz.22: «DerRechtsscheinkannnurfür<br />

dieZukunftzerstörtwerden» ;vgl. BK-Schmidlin,OR23/24N181: «EineAnwendungderArt.23ff.ORaufdie<br />

FällederRechtsscheintatbestände(Anscheinsvollmacht,RechtsscheinhaftunginScheck-<strong>und</strong>Wechselrecht,<br />

u.ä.)istebensoabzulehnenwieeineAnwendungindenFällenderDuldungsvollmacht.Hierwidersprichteine<br />

IrrtumsanfechtungdirektdemSinndermitdemRechtsscheinverb<strong>und</strong>enenWirkungen»<br />

Vertrauenshaftung,S.454.<br />

;vgl.auch Canaris,<br />

106<br />

Vgl.hiezudieArbeitvon Kindl,S.1;vgl.auch Berger,S.213f.<br />

107<br />

Vgl. Canaris,Vertrauenshaftung,S.454.<br />

108<br />

BK-Schmidlin,VorbemerkungenzuOR23-27N215ff.<br />

109<br />

Vgl. Huguenin,N86<strong>und</strong>BGE128III428ff.,430.<br />

110<br />

Vgl.stattvieler Huguenin,N86<strong>und</strong> BSK-Schwenzer,Vorbem.zuOR23-31N7.<br />

111<br />

Vgl. BSK-Schwenzer,Vorbem.zuOR23-31N7<strong>und</strong> ZK-Staehelin,OR320N31<strong>und</strong>36;vgl.auch<br />

S.70,derdieAnwendbarkeitvonArt.320Abs.3aufAnfechtungsfälleverneint.<br />

Pellegrini,<br />

112<br />

Vgl.hiezudieähnlichenBeispielebeiBGE129III320ff.,329f.Erw.7.1.4.<strong>und</strong>ZK- Staehelin,OR320N36<br />

(WirkungextunctrotzAnfechtungeinesDauerschuldverhältnisses,weilderWillensmangelnureinenTeildes<br />

Vertragsbetrifft,dermiteinerVertragsmodifikationbehobenwerdenkann)<strong>und</strong>Pellegrini,S.90f.,derauchvon<br />

möglichenLohnrückzahlungenausgeht.<br />

113<br />

SiehezudiesenProblemen,diedieWirkungexnuncrechtfertigenBGE129III320ff.,329Erw.7.1.3;vgl.<br />

auchvon Craushaar,S.91ff.,derbeiarbeitsrechtlichenVergütungenvondergrösstenVerlassempfindlichkeit<br />

ausgeht,wasgegeneineAnfechtungswirkungextuncspricht.<br />

114<br />

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Jusletter18.September2006<br />

<strong>Arnold</strong>F.<strong>Rusch</strong>,<strong>Observanz</strong><strong>und</strong><strong>Übung</strong>,<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Rechtsschein<br />

SiehedieHinweiseoben,Rz32<strong>und</strong>Fn.65;vgl. Honsell,S.31f.<strong>und</strong>zurnichtmehrvorhandenenBereicherung<br />

gemäss§818Abs.3BGBimdeutschenRecht Eberle,S.1329.<br />

115<br />

Siehe Delbrück,S.65.<br />

116<br />

Vgl.dazu Berger,S.214.<br />

117<br />

Vgl. BK-Schmidlin,OR23/24N179;vgl.auchdieähnlichenÜberlegungendesdeutschenB<strong>und</strong>esgerichtshofs<br />

zumSchweigenaufeinBestätigungsschreibeninNJW1954,S.105f.;dazuauch<br />

250<strong>und</strong> MK-Kramer,BGB119N73.<br />

Kindl,S.165ff., Hanau,S.<br />

118<br />

DasB<strong>und</strong>esgerichtbejahtejedochdengutenGlaubenhinsichtlicheinesGratifikationsanspruchstrotzalljährlich<br />

erneuerterVorbehaltsklausel,sieheUrteil4C.244/2004vom25.Oktober2004,Erw.2.2.;dazuoben,Rz34<strong>und</strong><br />

Fn.31.<br />

Rechtsgebiet: Obligationenrecht<br />

Erschienenin: Jusletter18.September2006<br />

Zitiervorschlag: <strong>Arnold</strong>F.<strong>Rusch</strong>,<strong>Observanz</strong><strong>und</strong><strong>Übung</strong>,<strong>Erwirkung</strong><strong>und</strong>Rechtsschein,in:Jusletter18.September2006<br />

Internetadresse: http://www.weblaw.ch/jusletter/Artikel.asp?ArticleNr=4964<br />

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