Zaininger Höhle (7523/12)- Eine kleine Entdeckungsgeschichte
Zaininger Höhle (7523/12)- Eine kleine Entdeckungsgeschichte
Zaininger Höhle (7523/12)- Eine kleine Entdeckungsgeschichte
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Seite 8 Jahresheft 1999<br />
<strong>Zaininger</strong> <strong>Höhle</strong> (<strong>7523</strong>/<strong>12</strong>)-<br />
<strong>Eine</strong> <strong>kleine</strong> <strong>Entdeckungsgeschichte</strong><br />
Begonnen hat alles mit schrecklichen<br />
Formeln, einem Wochenende im Römersteinhaus.<br />
Zwei der verschneiten Novembertage<br />
waren voll und ganz der Chemie des<br />
Karstes gewidmet... Etwas gefrustet machte<br />
ich mit Robert Eckardt einen 'Routinespaziergang'<br />
in den nahen Steinbruch Rösch<br />
bei Zainingen. In der Hoffnung, durch ein<br />
neu angesprengtes 5 rn-Loch dem Tag noch<br />
etwas Sinn abzugewinnen. Na gut, ganz so<br />
schlimm war es dann doch nicht. Jedenfalls<br />
standen wir erstaunt vor einem Schacht auf<br />
der 1. Abbausohle. Mit Steinwürfen loteten<br />
wir das Loch auf ungefähr 15 m Tiefe aus<br />
und beschlossen, in der kommenden Nacht<br />
wiederzukommen und die <strong>Höhle</strong> vor der<br />
nächsten Sprengung schnell zu vermessen.<br />
Zu diesem Zeitpunkt wußten wir noch nichts<br />
von den Folgen dieses Spaziergangs ...<br />
Angefangen hat alles aber eigentlich viel<br />
früher, um genau zu sein 1956, mit dem<br />
Anschnitt einer <strong>kleine</strong>n <strong>Höhle</strong>, die eine<br />
schön versinterte Kammer besaß. Die Steinbruchhöhle<br />
(<strong>7523</strong>/06) wurde abgebaut; im<br />
Karst- und <strong>Höhle</strong>nkunde - Band 1963 -<br />
"Vom Wasser und von den <strong>Höhle</strong>n der<br />
mittleren Schwäbischen Alb" wurde ihr eine<br />
kurze Beschreibung mit Foto gewidmet.<br />
1990 bekam ich dieses Buch zum ersten Mal<br />
in die Hände und war besonders von einem<br />
Satz angetan: "Im Juni 1963 wurde eine<br />
Fortsetzung der <strong>Höhle</strong> von beachtlichen<br />
Ausmaßen angeschnitten. <strong>Eine</strong> Bearbeitung<br />
ist aus Sicherheits gründen nicht mehr<br />
möglich." Natürlich mußte ich diese <strong>Höhle</strong><br />
sehen, oder wenigstens eine neue Fortsetzung<br />
davon. Im selben Jahr rief mich ein<br />
Freund aus Tübingen an und meinte: "Matthias,<br />
die <strong>Höhle</strong> ist wieder offen". Damals -<br />
noch einen halben Meter <strong>kleine</strong>r - schwang<br />
Matthias L6pez Correa<br />
Seite 8-24 , 15 Abb.<br />
ich mich in Heidenheim auf meinen Drahtesel<br />
und fuhr nach Tübingen. Gemeinsam<br />
ging es dann zum Steinbruch, dort angekommen<br />
fanden wir nur noch eine Schutthalde<br />
vor - der Steinbruchbesitzer hatte am selben<br />
Tag das Loch zugesprengt.<br />
1992 wurde von C. Harlacher mit dem<br />
100 m langen Glaspalast (<strong>7523</strong>111) ein neuer,<br />
großräumiger Teil entdeckt. In den folgenden<br />
Jahren kam ich immer wieder zurück,<br />
um nach neuen Fortsetzungen zu<br />
schauen, bis wir dann also am 23.11.1998<br />
bei Minusgraden Haken setzten und in den<br />
Schacht abseilten. In 16 m Tiefe kamen wir<br />
auf einem Versturzkegel an, der in eine<br />
beachtliche Halle von 20 x 30 m mündete.<br />
Der Raum wies einen großen weißen Sinterberg<br />
auf, den wir im trüben Licht der<br />
Karbidlampe zunächst für Eis hielten. Wohl<br />
kein Raum auf der Alb ist mit so schönem<br />
Sinter ausgefüllt, schlanke Deckentropfsteine,<br />
teilweise glasklar, filigrane Sinterfahnen,<br />
die an Schmetterlingsflügel erinnern.<br />
Mächtige Bodentropfsteine, Kristalle, .<br />
. .. Wir waren begeistert.<br />
Ungewöhnlich war auch die geräumige<br />
Fortsetzung am Grund der Halle. Der<br />
anschließende Gang war gut 8 m hoch und<br />
ebenso breit. Man konnte einfach laufen,<br />
untypisch für schwäbische <strong>Höhle</strong>n. Nach<br />
50 m macht der Gang einen Knick und wird<br />
flacher, erste Versturzblöcke - aha, das<br />
Ende. Von wegen, dahinter ging es wie<br />
zuvor weiter. Große Gänge mit Stillwasserformen,<br />
Schlüssellochprofilen, Wandkarren,<br />
Canyonprofilen - eigentlich mit allem, was<br />
zu einer typischen Flußhöhle gehört. Nach<br />
150 m kommt ein Versturz, den man<br />
überklettern muß. An den Wänden sind<br />
zahlreiche Fossilien freikorrodiert, vor allem<br />
Arbeitsaemeinschaft <strong>Höhle</strong> und Karst Grabenstetten e.V.
Jahresheft 1999 Seite 9<br />
Abb. 1: Max Wisshak am Eingangsschacht; Aufnahme: Manfred Schäffler<br />
Seeigel und Schwämme. Auch die folgenden<br />
Meter muß man sich selten bücken,<br />
trotzdem ist der Weiterweg anstrengend, da<br />
man oft über Versturzblöcke klettern muß.<br />
Das Gangformat schwankt, je nachdem wie<br />
weit die ehemalige Lehmverfüllung ausgeräumt<br />
ist. Zuweilen gibt es hohe Spaltschlote.<br />
Der Gang ist in diesem Abschnitt<br />
insgesamt eher schmal (1 m) und hoch (6-<br />
8 m). Nach 400 m erreichten wir einen<br />
großen Versturz, an dem man 10m hinauf<br />
klettern mußte. Die Fortsetzung war ein<br />
flacher breiter Schluf unter der Decke.<br />
Dahinter war unser Umkehrpunkt an einem<br />
gut 10m tiefen Schacht mit offener<br />
Fortsetzung.<br />
Arbeitszemeinschaft <strong>Höhle</strong> und Karst Grabenstetten e.V.<br />
Es war nun klar, daß wir mit dem Steinbruchbesitzer<br />
Kontakt aufnehmen mußten,<br />
um die <strong>Höhle</strong> bearbeiten zu können. Das<br />
erste Telefonat war sehr zäh, aber amüsant:<br />
"In moim Stoibruch gibt's koine Heahla!"<br />
Klar, wenn ein Verfahren für die Abbaugenehmigung<br />
der nächsten 30 Jahre im<br />
Gange ist kann man alles brauchen, nur bloß<br />
keine <strong>Höhle</strong> oder gar <strong>Höhle</strong>nschützer. Zum<br />
Jahreswechsel 98/99 ging der Betrieb an den<br />
Sohn über, ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt.<br />
Nach einer halben Stunde Überzeugungsarbeit<br />
ließ er dann immerhin zu,<br />
daß wir ihm in einem Gespräch vor Ort unser<br />
Anliegen erläutern konnten. Er gestand<br />
uns darauf eine Frist von drei Wochen zur
Seite 10 Jahresheft 1999<br />
Abb. 2: Mark Morgan in der Eingangshalle; Aufnahme: Thilo Müller<br />
Bearbeitung zu, mit der Betonung, daß er<br />
keine Schauhöhle wolle und vor allem nur<br />
einen eng begrenzten Personenkreis, damit<br />
nicht so ein "Rummel wie beim Glaspalast"<br />
entstünde.<br />
In den Wochen entdeckten wir hinter<br />
dem Schacht weitere große Tunnelgänge<br />
von gut 150 m Länge und konnten noch eine<br />
Reihe <strong>kleine</strong>r Seitenteile finden. Die<br />
Gesamtlänge wuchs auf rund 600 m. Das<br />
Ende der <strong>Höhle</strong> versinkt im Lehm, mit<br />
etwas Grabungsaufwand könnte eine Fortsetzung<br />
gefunden werden. Als der erste Plan<br />
fertig war, eine grobe Fotodokumentation<br />
und Beschreibung angefertigt, sahen wir,<br />
daß viel mehr Zeit nötig war, um die <strong>Höhle</strong><br />
befriedigend auch mit wissenschaftlicher<br />
Arbeit würdigen zu können. In einem<br />
Treffen mit dem Steinbruchbesitzer übergaben<br />
wir den Plan und einige Bilder. Er<br />
war erstaunt über den Sinter und wollte<br />
wissen ob das in seinem Steinbruch sei; mit<br />
einer Hand verdeckte er die Halle auf dem<br />
Plan und meinte dann: "Wieviel isch des?<br />
Sen' des fünf Meter?" - "Nein, das sind<br />
fünfzig." - "A wa, des ischt ja greaßer wia'd<br />
Bäraheahle!"<br />
In der Tat. Im darauffolgenden Jahr<br />
begannen wir, die <strong>Höhle</strong> detaillierter zu<br />
untersuchen. Chris Fischer stellte an 5<br />
verschiedenen Stellen Fallen auf, mit denen<br />
er die Lebewelt der <strong>Höhle</strong> erkundete. Wir<br />
Arbeitszemeinschaft <strong>Höhle</strong> und Karst Grabenstetten e.V.
Jahresheft 1999 Seite 11<br />
Abb. 3: Lehmpyramiden; Aufnahme: Max Wisshak<br />
versuchten, so viele Themenbereiche wie<br />
möglich abzudecken. <strong>Eine</strong> genaue geologische<br />
Beschreibung, Lehmproben für Pollenuntersuchungen,<br />
Sinterproben für Datierungen,<br />
Dokumentation der Verfüllungsabfolge,<br />
kristallographische Untersuchungen<br />
an den Sintern, mikrobiologische Untersuchungen.<br />
Mit zahlreichen Fototouren<br />
versuchten wir, einen Eindruck von der<br />
Schönheit der <strong>Höhle</strong> und ihrer Tropfsteine<br />
festzuhalten. Die Veröffentlichung der Ergebnisse<br />
ist in Vorbereitung. Im Anhang an<br />
diesen <strong>kleine</strong>n Bericht steht der vollständige<br />
Plan.<br />
Während dem Jahr der Bearbeitung<br />
wurde die <strong>Höhle</strong> gemäß dem Wunsch des<br />
Arbeitszemeinschaft <strong>Höhle</strong> und Karst Grabenstetten e.V.<br />
Steinbruchbesitzers geheimgehalten. Auf<br />
diesem Wege war beiden Seiten gedient.<br />
Heute ist die <strong>Höhle</strong> nicht mehr zugänglich.<br />
Nun wird mancher fragen "Und, was wird<br />
aus der <strong>Höhle</strong>?" Ich nehme an, Kies für<br />
Waldwege... Ganz so sehe ich es natürlich<br />
nicht; die traurige Wahrheit ist allerdings,<br />
daß der größte Teil der <strong>Höhle</strong> abgebaut<br />
werden wird. Die <strong>Höhle</strong> zieht bis an die<br />
südliche Grenze des Abbaugebietes und<br />
knickt dann nach Westen ab, nur die letzten<br />
knapp hundert Meter werden wohl nicht den<br />
Sprengungen zum Opfer fallen. Andererseits<br />
ist nur die Eingangshalle derart schön<br />
versintert, die weiteren Gänge sind von oft<br />
imposanter Größe, sind jedoch frei von
Seite <strong>12</strong> Jahresheft 1999<br />
Tropfsteinen. Ihre Schönheit liegt in Kleinformen<br />
wie Fossilien, filigranen Lehmpyramiden<br />
und abwechslungsreichen Profilen.<br />
Die Halle liegt vollständig in der ersten<br />
Abbaustufe und war zum Zeitpunkt der Entdeckung<br />
nur wenige Meter von der aktuellen<br />
Abbauwand entfernt, die anschließenden<br />
Gangabschnitte liegen oft unterhalb der<br />
tiefsten Abbausohle - aber eben nicht tief<br />
genug um verschont zu bleiben. Aufgrund<br />
der geschilderten "Lage" entschieden wir<br />
uns schweren Herzens gegen den Schutz der<br />
<strong>Höhle</strong>. Bei einer umfangreichen Dokumentation<br />
und Plandarstellung erscheint uns<br />
dieses Vorgehen gerechtfertigt. Durch spätere<br />
Sprengungen ist überdies der Originalzustand<br />
der Halle in Mitleidenschaft gezogen<br />
worden, eine der schönsten Tropfsteingruppen<br />
steht nicht mehr (siehe Foto). Man<br />
sollte bei alledem nicht vergessen, daß die<br />
<strong>Höhle</strong> erst durch den Steinbruchbetrieb auf<br />
diese Länge bekannt und zugänglich<br />
geworden ist. Schade ist, daß gerade die<br />
älteren <strong>Höhle</strong>nanschnitte nur wenig bearbeitet<br />
und dokumentiert worden sind. Einige<br />
Gangabschnitte sind nur dem Steinbruch-<br />
besitzer bekannt und wurden niemals für<br />
Forschungen zugänglich. Ich denke aber,<br />
daß es ein sinnvolles Nebeneinander von<br />
Steinbruchbetrieb und <strong>Höhle</strong>nforschung<br />
geben kann. Dies ist sehr wohl möglich, wie<br />
Beispiele der jüngsten Vergangenheit gezeigt<br />
haben: Im Allmendinger Steinbruch<br />
wurde auf der untersten Sohle die Kühberghöhle<br />
angeschnitten, das Objekt wurde an<br />
das Geologische Landesamt weitergemeldet<br />
und die Arge Grabenstetten konnte als<br />
dessen Vertreter die <strong>Höhle</strong> erkunden.<br />
Unmittelbar nach der Vermessung und<br />
Dokumentation wurde die <strong>Höhle</strong> verfüllt.<br />
Dank der Aufgeschlossenheit der <strong>Zaininger</strong><br />
Steinbruchbetreiber war ein Arbeiten auch<br />
in unserem Fall gut möglich. Jedoch bleibt<br />
auch hier der Wunsch offen, daß die<br />
Steinbruchbetreiber von ihrer gesetzlichen<br />
Meldepflicht Gebrauch machen und die<br />
neuen <strong>Höhle</strong>n melden.<br />
Autor: Matthias L6pez Correa<br />
Jesinger Hauptstr. 53, 72070 Tübingen<br />
Arbeitszemeinschaft <strong>Höhle</strong> und Karst Grabenstetten e.V.
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Seite 14 Jahresheft 1999<br />
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<strong>7523</strong>/<strong>12</strong> <strong>Zaininger</strong> <strong>Höhle</strong>
Jahresheft 1999 Seite 19<br />
<strong>7523</strong>/<strong>12</strong> <strong>Zaininger</strong> <strong>Höhle</strong><br />
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Arbeitszemeinschaft <strong>Höhle</strong> und Karst Grabenstetten e.V.
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Seite 24 Jahresheft 1999<br />
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