09.10.2013 Aufrufe

schwarze protokolle - papiertiger archiv & bibliothek der sozialen ...

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Zuvor hatte ich noch versucht, die beiden Biermann-Bändchen verschwinden zu<br />

lassen, sie auf die Schnelle in den Wagen zu schmeißen, ohne halt zu bemerken,<br />

daß ein zweiter VOPO von weiter hinten aufpaßte. Was ist denn das? (Betonung auf<br />

'denn', langgezogenes 'das'. Gesicht gequält; es ist halt anstrengend, als Beruf<br />

Schützer einer sozialistischen Staatsgrenze zu sein.) Er greift in den Wagen, holt die<br />

beiden Bücher raus, ich hinter ihm her zur Baracke. Dort hat HD schon seinen<br />

Tascheninhalt (seine Kaki-Klamotten haben eine Menge Taschen, also eine Menge<br />

Kaugummi, Papierschnitzel u.ä.) auf dem Tisch ausgebreitet, wobei <strong>der</strong> VOPO jeden<br />

einzelnen Kaugummi auf den vermuteten Zentner Haschisch abtastete. Der zweite<br />

VOPO, <strong>der</strong> die 100 Schritte die beiden Bücher leicht vorgestreckt vor sich hielt,<br />

schmiß sie angewi<strong>der</strong>t (aber irgendwie satt) auf den Tisch und sagte: "Das da!"<br />

VOPO 1 warf einen kurzen Blick drauf, hat er also wie<strong>der</strong> mal ins Volle getroffen,<br />

recht gehabt; zwar kein Zentner Haschisch, dafür was an<strong>der</strong>es, was unter die zollund<br />

devisenrechtliche Bestimmung <strong>der</strong> DDR für Bürger nichtsozialistischer Staaten<br />

fällt. Er hat zwar von Biermann (wie er später zugibt) keine Zeile gelesen, will's auch<br />

gar nicht; ihm genügt das bloße Wissen um die Existenz einer Verfügung, daß<br />

"Biermann verboten" ist o<strong>der</strong>, weltweit ausgedrückt: Literatur und sonstige<br />

Druckerzeugnisse, <strong>der</strong>en Inhalt gegen die Erhaltung des Friedens gerichtet ist o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong>en Einfuhr in an<strong>der</strong>er Weise den Interessen des sozialistischen Staats und seiner<br />

Bürger wi<strong>der</strong>spricht, darf nicht mitgebracht werden. Das weitere regelt <strong>der</strong> jeweils<br />

höhere Vorgesetzte und irgendwann stößt man dann auch auf einen, <strong>der</strong> zumindest<br />

bereit ist, verbindlich zu erklären, Biermanns Schriften gehören zu den Zur Einfuhr<br />

nicht zulässigen Gegenständen, weil <strong>der</strong>en Inhalt den Interessen des sozialistischen<br />

Staates wi<strong>der</strong>spricht und im übrigen er nicht bereit wäre, darüber noch zu<br />

diskutieren.<br />

Inzwischen hocken wir im Auto und warten auf den Dienstweg. Dann werde ich zum<br />

'Verhör' geholt. Bevor irgendwas beginnt, muß man erst mal ne Welle warten.<br />

Dadurch soll man darauf eingestimmt werden, wie wenig man von nun an selbst<br />

noch zu sagen hat, daß über einen verfügt wird. Nach einer halben Stunde kommt<br />

eine Frau rein, VOPO, spannt einen Bogen in die Maschine und beginnt zu fragen.<br />

Nach dem üblichen Alter, Name, Wohnung und so frag ich mal an, was das ganze<br />

denn soll und was das mit den beiden weggenommenen Biermännern zu tun hat.<br />

Wir befinden uns in einem rechtlichen Abwickelungsprozeß o<strong>der</strong> so ähnlich. Was<br />

denn, so weit waren wir inzwischen, <strong>der</strong> Name meiner Frau damit zu tun habe? Bitte<br />

den Geburtsnamen. Ich:Ab jetzt mache ich keine Angaben mehr, die nicht<br />

unmittelbar mit den beiden Büchern was zu tun haben.- Vielleicht ist ihre Frau<br />

republikflüchtig und sie sagen deshalb nichts. (Daneben gewittert!) Dann beginnt ein<br />

endloses Hickhdek. Sie will rauskriegen, an wen ich die beiden Bücher 'einführen'<br />

will, ich behaupte immer, sie gehören mir , ich habe sie versteckt, damit sie mir bei<br />

<strong>der</strong> Grenze nicht abgenommen werden, und im übrigen finde ich Biermann sehr gut,<br />

halte ihn für einen guten Genossen, weil er die Wahrheit sagt, nicht dogmatisch ist,<br />

selbständig denkt. Und daß sie das auch ins Protokoll schreiben soll. Und weil sich<br />

Bürokraten unter an<strong>der</strong>m auch dadurch auszeichnen, daß sie nichts wegwerfen,<br />

kann man diese Farce, so traurig sie auch tatsächlich ist, mal als Fußnote erwähnen,<br />

wenn in einigen Jahrzehnten einer eine Arbeit über "Formal-bürokratisches-Denkenhüben<br />

-und-drüben" schreibt.<br />

Zwei Seiten Protokoll sind getippt.- Unterschreiben Sie mal hier bitte. - Nein, ich<br />

unterschreibe überhaupt nichts. - Und warum nicht? - Ich erkläre ihr,daß wir im<br />

Westen ebenso verfahren, wenn wir von <strong>der</strong> Polizei dazu gebracht werden sollen,<br />

irgendetwas zu unterschreiben; hier bei uns hätte es sich herausgestellt, daß man<br />

generell nur Ärger bekäme, wenn man bei den Bullen (rutschte mir raus) was

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