schwarze protokolle - papiertiger archiv & bibliothek der sozialen ...
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Der Hamburger Aufstand und und die<br />
Thälmann-Legende<br />
von Erich Wollenberg<br />
Über die Auslösung des Hamburger Aufstandes Oktober 1923 schreibt <strong>der</strong> "Spiegel"<br />
(Nr. 19/1964):<br />
„Die deutsche KP-Führung (beschloß) auf einen Wink von Moskau zum<br />
Generalstreik und zum bewaffneten Aufstand aufzurufen. Die<br />
Proklamation sollte eine Betriebsrätekonferenz (in Chemnitz)<br />
verkünden ... Doch die sozialdemokratischen Delegierten<br />
verweigerten ... ihre Zustimmung. Allein wollten die Kommunisten den<br />
Aufstand nun nicht wagen. Sie beschlossen, die Revolution zu<br />
vertagen. Nur in Hamburg gingen die Gewehre los. Noch während in<br />
Chemnitz verhandelt wurde, war <strong>der</strong> Delegierte Ernst Thälmann aus<br />
dem Beratungszimmer gestürzt und hatte die Kuriere, die auf dem<br />
Korridor mit den Aufstandsbefehlen warteten, angeschrien: 'Haut ab!<br />
Fahrt los! Geht in Ordnung!' Dem damaligen KP-Chef Brandler gelang<br />
es, die Kuriere am Chemnitzer Bahnhof abzufangen - bis auf einen, <strong>der</strong><br />
bereits nach Hamburg unterwegs war."<br />
Diese Darstellung <strong>der</strong> Auslösung des Hamburger Aufstandes als Tragikomödie <strong>der</strong><br />
Irrungen basiert auf einer Legende, die wohl als Latrinenparole kleiner Apparatschiki<br />
entstanden ist und im Verlauf von Jahrzehnten nicht nur von den Historoiden<br />
subjektiv frisierter Memoiren-Romane kolportiert wurde, son<strong>der</strong>n auch ihren Weg in<br />
die Werke seriöser Historiker gefunden hat.<br />
Neben dieser nicht-kommunistischen Version gibt es noch die offiziellkommunistische<br />
„heroische Legende“. Danach war Ernst Thälmann überhaupt nicht<br />
in Chemnitz, son<strong>der</strong>n hat in Hamburg entgegen <strong>der</strong> „Sabotage des Verräters<br />
Brandler“ den Befehl zum Aufstand gegeben und persönlich die Kämpfe geführt, bis<br />
sie „von den Verrätern im ZK abgewürgt wurden.“<br />
Wenn ich im folgenden den Hamburger Aufstand darstelle, wie er wirklich<br />
stattgefunden hat, muß ich über meine Person für den Normalleser von 1964<br />
vorausschicken: 1923 gehörte ich zum Führergremium <strong>der</strong> militär-politischen<br />
Hierarchie <strong>der</strong> KPD. Ich war einer <strong>der</strong> sechs „Oberleiter“, die den bewaffneten<br />
Aufstand in Deutschland vorbereiten und durchführen sollten. 1924, in Moskau, war<br />
ich Mitglied einer unter Leitung des Generals Unschlicht, stellvertreten<strong>der</strong><br />
Volkskommissar für Heer und Marine (Kriegsminister) gebildeten Kommission, <strong>der</strong>en<br />
Aufgabe es war, die Militärarbeit <strong>der</strong> KPD im Jahre 1923 zu untersuchen und die<br />
Lehren für spätere Revolutionskämpfe zu ziehen. Der Hamburger Aufstand war<br />
begreiflicherweise ein Kernstück unseres Aufgabengebietes. Die Arbeit unserer<br />
Kommission stützte sich nicht nur auf kommunistische Dokumente und die<br />
Aussagen kommunistischer Beteiligter (Deutsche und hohe Offiziere <strong>der</strong> Roten<br />
Armee), son<strong>der</strong>n auch auf „Feindmaterial“. Uns standen Geheimberichte <strong>der</strong><br />
Reichswehr, <strong>der</strong> Polizei und an<strong>der</strong>er staatlichen Institutionen, die zu jener Zeit bis in<br />
die höchsten Spitzen kommunistisch infiltriert waren, fast lückenlos zur Verfügung.