09.10.2013 Aufrufe

schwarze protokolle - papiertiger archiv & bibliothek der sozialen ...

schwarze protokolle - papiertiger archiv & bibliothek der sozialen ...

schwarze protokolle - papiertiger archiv & bibliothek der sozialen ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

einhaltet. Die Kulturrevolution <strong>der</strong> Linken, in ihrer radikalen Absage an jegliche<br />

Kultur - so Marcuse - zerstört nun mit ihrer Liquidierung dieser Differenz zwischen<br />

materieller und höherer Kultur die „kritischen, negierenden, transzendierenden<br />

Qualitäten" <strong>der</strong> bürgerlichen Kunst; das mag - überdeutlich - für die ganze China-<br />

Rußland-Apologetik zutreffen, wo Kunst (auch mit dem Attribut revolutionär o<strong>der</strong><br />

proletarisch) lediglich Illustrierung, Propagierung von ZK-Beschlüssen darstellt.<br />

Richtig ist auch, wie Marcuse sagt, daß diese "Spannung zwischen Affirmation und<br />

Negation ... jede Gleichsetzung <strong>der</strong>-Kunst mit <strong>der</strong> revolutionären Praxis“ ausschließt.<br />

"Die Kunst kann nicht die Revolution darstellen; sie kann sie nur in einem an<strong>der</strong>en<br />

Medium signalisieren, in einer ästhetischen Form ...“ viii Marcuse bekennt sich voll zur<br />

ästhetischen Differenz als Prinzip von Kunst: "Kunst kann, gleichgültig, in welcher<br />

Form sie auftritt, die Spannung zwischen Kunst und Wirklichkeit niemals beseitigen."<br />

ix Seine Position läuft jedoch Gefahr, sich für das Falsche zu engagieren.<br />

Vollkommen zu Recht richtet Marcuse seine Bedenken gegen eine Zerstörung <strong>der</strong><br />

Kunst (begriffen als eine Aufhebung <strong>der</strong> ästhetischen und sinnlichen Formen aus <strong>der</strong><br />

menschlichen Lebenspraxis) zugunsten einer "revolutionären Politik“, die jene<br />

verbiesterten Rituäle <strong>der</strong> 20er und 30er Jahre reproduziert, jegliches Gefühl, Freude,<br />

Lachen <strong>der</strong> Realisierung <strong>der</strong> neuesten ZK-Beschlüsse opfert. (Wenn mal ein<br />

Spontigrüppchen bei einer ihrer Demonstrationen dennoch den Rasen betritt, dann<br />

fassen sich die in geordneten 10er Reihen marschierenden Parteigenossen unter<br />

und skandieren mit ernsten Gesichtern: Disziplin, Disziplin ... ) Deren Zerstörung <strong>der</strong><br />

Kunst ist in <strong>der</strong> Tat zutiefst reaktionär und konterrevolutionär, fällt weit hinter die<br />

(gegen sie zu Recht hoch gehaltenen) emanzipatorischen Inhalte <strong>der</strong> bürgerlichen<br />

Kunst zurück. In seinem 'Versuch über die Befreiung' (1969) sprich Marcuse vor<strong>der</strong> -<br />

damals realen - Einheit von "Barrikade und Tanzboden, Liebesspiele und<br />

Heroismus“ im Pariser Mai 68 und von dem Insistieren <strong>der</strong> Anitautoritären, „daß eine<br />

sozialistische Gesellschaft LEICHTFÜSSIG und SPIELERISCH ,ein kann und sein<br />

sollte, daß diese Qualitäten wesentliche Elemente <strong>der</strong> Freiheit sind." x<br />

1972 - inzwischen wurde ja <strong>der</strong> antiautoritäre Sumpf ausgetrocknet - bewahrt<br />

Marcuse gegen die neuen Dogmatiker und Proletkult-Fans zurecht Inhalt und Form<br />

einer von <strong>der</strong> 'marxistisch-leninistischen revolutionären Praxis' abgetrennten Sphäre<br />

<strong>der</strong> Kunst; gleichzeitig verallgemeinert Marcuse jedoch diese Aussage (resignativ??)<br />

und nimmt so die emanzipatorischen Momente und Elemente seiner 'antiautoritären'<br />

Phase wie<strong>der</strong> zurück. Für ihn wird Kunst wie<strong>der</strong> relevant unter dem Aspekt <strong>der</strong><br />

Ästhetik, Kunst auf Produkte von Kunstproduzenten fixiert. Eine solche 'Kunst' muß<br />

sich dann auch gegenüber <strong>der</strong> Praxis, <strong>der</strong> Politik, dem Marxismus-Leninismus und<br />

sonstwem definieren, kommt folgerichtig zu einer Hierarchisierung von Praxis<br />

gegenüber Kunst. Kunst wird wie<strong>der</strong> funktional zur Praxis gesehen, die ästhetische<br />

Form wird nicht als Bestandteil des autonomen aktiven Menschen begriffen, Kunst<br />

wie<strong>der</strong> in eine „Richtung“, in einen „Stil“ gedrängt. Die Abschaffung <strong>der</strong> Kunst durch<br />

die Kunst ist genauso illusionär und letztlich herrschaftsstabilisierend wie die<br />

Abschaffung des Staates durch den Staat (Attribute beliebig!) o<strong>der</strong> die Austreibung<br />

des Teufels durch Belzebub: möglich, aber unrentabel! Der alte Dreck bleibt.<br />

'Kunst ist Privatsache, <strong>der</strong> Künstler betreibt sie für sieht, sagt Tristan Tzara 1918 im<br />

Dada-Manifest; "Kunst" ist jedoch nicht mehr die Kunst <strong>der</strong> bürgerlichen Kultur, sie<br />

bedeutet auch keinen Rückzug ins „private Idyll“ (wobei dem Marxisten noch<br />

kleinbürgerlich einfällt), in die „Innerlichkeit“; Kunst soll keine esoterische<br />

Selbstbeschäftigung lautstarker Egozentriker sein. Was Tzara, was DADA und<br />

SURREALISMUS ausdrücken, ist die aktivistische Haltung, die in <strong>der</strong> radikalen

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!