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schwarze protokolle - papiertiger archiv & bibliothek der sozialen ...

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estätigt die Gruppe in ihrer Suche nach den eigenen unbekannten Tiefen.<br />

„Surrealismus ist in je<strong>der</strong>manns Unterbewußtsein!“ 12 Sie beginnen, unbeeinflußt von<br />

allen ästhetischen o<strong>der</strong> moralischen Rücksichten den inneren Gedankenablauf<br />

spontan zu fixieren; kein Wun<strong>der</strong> also, daß sie in Freuds Theorien, nach denen <strong>der</strong><br />

Mensch kein reines Vernunftwesen, vielmehr ein Träumer, ein Schläfer, ein<br />

Gefangener seiner selbst ist, eine vorläufige Lösung finden. Das Automatische<br />

Schreiben ist <strong>der</strong> erste Versuch <strong>der</strong> Befreiung <strong>der</strong> gefesselten Psyche. Später bricht<br />

in <strong>der</strong> Gruppe eine wahre Epidemie <strong>der</strong> Traum- und Schlafzustände aus. Breton<br />

schreibt 1924: „Der Surrealismus (ist) <strong>der</strong> Glaube, daß bestimmte, vor dem<br />

Surrealismus nie beachtete Assoziationsformen eine höhere Wirklichkeit hätten; daß<br />

<strong>der</strong> Traum allmächtig sei und das Denken frei ablaufe, ohne für ichhafte Zwecke<br />

eingespannt zit sein.“ 13<br />

Ein Jahr später beginnt Frankreich seinen Kolonialkrieg in Marokko. Dies ist für die<br />

Surrealisten <strong>der</strong> Anlaß, sich dem Marxismus zuzuwenden, was auf ihre Aktionen<br />

abfärbt. Sie halten aber weiter an <strong>der</strong> Libidotheorie Freuds fest und suchen nach <strong>der</strong><br />

Einheit von Psychoanalyse und historischem Materialismus.<br />

„Die Liebe“ wird von den Surrealisten verherrlicht, weil sie eine „wirkliche Übermacht“<br />

darstellt. Die Sexualität ist eine so starke Kraft, daß ihre Unterdrückung zu<br />

Verdrängung und damit zur Krankheit des Einzelnen und <strong>der</strong> Gesellschaft führt. Das<br />

Verlangen muß gestillt werden, alle hemmenden Fesseln: Familie, Moral, Religion<br />

müssen zerstört werden. „Man sollte einfach zerbrechen, was brüchig ist!“ 14 (Macht<br />

kaputt, was Euch kaputt macht!)<br />

Der Humor, den schon Lautréamont und Alfred Jarry als weltbewegendes Prinzip<br />

for<strong>der</strong>ten, gelangt mühelos in die Überwirklichkeit, er ist ihre Erscheinungsform. "Mit<br />

ihm reagieren und protestieren Intelligenzen gegen die Welt, in <strong>der</strong> sie sich zwar<br />

fremd fühlen, von <strong>der</strong> sie sich aber nicht unterkriegen lassen." 15 Durch diesen<br />

Humor und die Liebe suchen die Surrealisten eine neue Existenzweise. Dazu<br />

benutzen sie die Erkenntnisse von Marx, die Ergebnisse <strong>der</strong> Freud'schen Forschung,<br />

die Entdeckungen Einsteins, Heisenbergs, de Broglies. All diese Theorien stellen<br />

den Relativismus aller Erkenntnis fest. Alte Begriffe werden unhaltbar in <strong>der</strong> Zeit<br />

(Geschichte). Das, was man sieht, verän<strong>der</strong>t sich mit dem Standpunkt des<br />

Betrachters. Alles, was man entdeckt, ist schon verän<strong>der</strong>t durch die Methoden, mit<br />

denen wir es zu fassen suchen. Jedes Ding in <strong>der</strong> Welt verän<strong>der</strong>t sein<br />

Erscheinungsbild auch nach dem Interesse des Beobachters. Logik, Statik und<br />

Determinismus haben ausgespielt, wir - als „erkennende“ Subjekte – müssen uns<br />

damit abfinden, mittendrin zu stecken in den Problemen, die wir so gern sauber auf<br />

dem Tisch sezieren möchten. Wir werden niemals objektiv „die Welt" erfassen, wir<br />

werten, indem wir handeln. In diesem Sinn <strong>der</strong> ständigen Revolutionierung des<br />

Lebens gilt es Kunst und Wissenschaft zu verän<strong>der</strong>n. Monnerot schreibt in „Le<br />

Surréalisme au Service de la Révolution“ 16 (Der Surrealismus im Dienst <strong>der</strong><br />

Revolution): „Der Übergang bedeutet, daß Poesie aufhört, Form zu sein, Inhalt<br />

wird ... Eine Gruppe von Menschen sagte die fruchtbare Rückkehr <strong>der</strong> Poesie zu<br />

ihren Quellen voraus, vom Ausdruck <strong>der</strong> Welt zur Teilnahme an <strong>der</strong> Welt, ... in <strong>der</strong><br />

das Lustprinzip identifiziert wird mit dem Wirklichkeitsprinzip ...“ 17<br />

„Das Vergnügen ist <strong>der</strong> Motor <strong>der</strong> Revolution!“ 18

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