schwarze protokolle - papiertiger archiv & bibliothek der sozialen ...
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1. „DAS LEBEN ÄNDERN. DIE WELT<br />
VERÄNDERN.“<br />
I.<br />
Der radikale Nihilismus, <strong>der</strong> die Dada-Bewegung seit 1915 in ihrem Ekel vor Kultur<br />
und Gesellschaft noch kennzeichnet, wird vom Surrealismus aufgehoben. Fußend<br />
auf dem zerstörerischen Impuls <strong>der</strong> Dadaisten hoffen die Surrealisten auf einen<br />
Punkt zu gelangen, <strong>der</strong> jenseits aller Gegensätze liegt, <strong>der</strong> die Wi<strong>der</strong>sprüche als<br />
zwei Seiten einer Sache zeigt, zur Sur-Realität. Breton: "Ich glaube an die zukünftige<br />
Lösung dieser beiden scheinbar so gegensätzlichen Zustände Traum und Realität,<br />
an eine Art von absoluter Realität.“ 2<br />
„So ist es auch kein Zufall, daß die Surrealisten aus <strong>der</strong> Hegel'schen Dialektik den<br />
Grundpfeiler ihrer Philosophie machen.“ 3 Allerdings schaltet Breton in <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung<br />
nach einer neuen Konstruktivität die Vernunft als bewegendes Moment und Ziel aus.<br />
Er, Péret, Soupault u.a. möchten die Wissenschaftlichkeit und die Logik mit ihrer<br />
Begrifflichkeit zum Teufel jagen.<br />
Nun gehört Hegel „zwar für sie immer noch zu den Vernünftlern, den Logikern, den<br />
Erzeugern von Zwangsjackensystemen. Aber wer weiß, ob es unter den<br />
Vernunftbesessenen nicht doch auch einige gibt, die sich <strong>der</strong> grundlegenden<br />
Entfremdung ... bewußt werden und dann Alarm schlagen.“ 4 Die Erkenntnis kommt<br />
aber ohne die Vernunft aus, denn "das Handeln übersteigt die Vernunft." 5 Die Kunst,<br />
soweit sie noch fixiert ist an Verstand und Logik muß vernichtet werden, aus ihren<br />
Trümmern werden „bildhafte Vorstellungen, (die) gleich zuckenden Blitzen alle<br />
Augenblicke 'die Abgründe des Seins' erhellen.“ 6 Der Dichter wird zum handelnden<br />
Subjekt seiner Träume, er hebt "das Allgemeine ins Beson<strong>der</strong>e " 7 auf. Damit steht er<br />
aber nicht über den Menschen denn „alle sind Auserwählte, es gibt überhaupt nur<br />
noch solche. 'Dichtung ist von allen zu erschaffen, nicht nur von einem Einzelnen'.“ 8<br />
Der Surrealismus ist von Anfang an eine kollektive Bewegung. Es nützt nichts, wenn<br />
man weiß, daß <strong>der</strong> einzige Ausweg aus <strong>der</strong> Verzweiflung ins Freie die Revolution ist,<br />
man kann nur mit Allen hindurchgehen - „Anfangs einsam, dann und endlich<br />
gemeinsam!" 9 - und gerade deshalb legt die Surrealistengruppe soviel Wert auf<br />
gemeinschaftliches Arbeiten. Sie schreiben als erste Gedichte in Teamwork und<br />
erfinden täglich zusammen Gemeinschaftsspiele; sie versuchen, zusammen zu<br />
leben und zu lieben. Sie „entnehmen ihre Einsichten und Auffassungen dem<br />
gelebten Leben“ und erfahren „ihre Lösungsvorschläge am eigenen Leib.“ 10<br />
Ihre Losungen sind: "Das Leben än<strong>der</strong>n!" (Rimbaud), d. h. Bewußtseinsverän<strong>der</strong>ung,<br />
und: „Die Welt verän<strong>der</strong>n!" (Marx), d.h., die materiellen Bedingungen für die<br />
Menschlichkeit schaffen! 11<br />
Schon 1919 greifen die Surrealisten begierig zu den Arbeiten Sigmund Freuds über<br />
Traumdeutung und Neurosentherapie. Breton besucht Freud 1921 in London, aber<br />
dieser ist mehr an <strong>der</strong> Persönlichkeit seines Besuchers interessiert, als an dessen<br />
Arbeiten. Die Entdeckung des "Unbewußten" als eine bestimmende Größe des „lch“