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Fall 6: Eigentor Tatbestand des Art. 45 AEU Bindung Privater an die Grundfreiheiten (in Anlehnung an EuGH Rs. C-415/93 – Bosman; EuGH verb. Rs. C-51/96 u. C-191/97 – Deliège; EuGH Rs. C-281/98 – Angonese; sowie EuGH Rs. C-190/98 – Graf; EuGH Rs. C-325/08 – Bernard) Immer auf der Suche nach neuen Talenten hatte Fortuna Düsseldorf auf einem internationalen Jugendturnier den Österreicher Lumpi Libero entdeckt, der als hoffnungsvoller Nachwuchsspieler neuen Schwung in die Mannschaft bringen sollte. Im Gegenzug würde er eine exzellente Ausbildung erhalten, die den Grundstein für eine erfolgreiche Karriere legen könnte. Zwar hätte L zunächst nur den sog. Amateurstatus, von den Erträgen des Fußballspielens könnte er aber dennoch ganz gut leben, nicht zuletzt aufgrund von Werbe- und Sponsoringeinnahmen. Für L schien damit ein Traum in Erfüllung zu gehen. So schloss er mit Fortuna einen auf fünf Jahre befristeten Amateurvertrag, der neben einem beiderseitigen Kündigungsrecht u. a. folgende Klauseln enthielt: § 25 (Abfindung) (1) Hat das Dienstverhältnis ununterbrochen drei Jahre gedauert, so gebührt dem Arbeitnehmer bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von zwei Monatsgehältern. (7) Der Anspruch auf Abfindung besteht nicht, wenn der Arbeitnehmer kündigt oder ihn ein Verschulden an der vorzeitigen Entlassung trifft. § 27 (Abschluss eines Folgevertrags) (1) Bei regulärem Ablauf des Vertrags als Nachwuchsspieler ist der Verein berechtigt, von dem Arbeitnehmer den Abschluss eines Vertrags als Berufsspieler zu verlangen. § 28 (Ausbildungsentschädigung) (1) Für den Fall, dass der Arbeitnehmer vorzeitig kündigt oder den Abschluss eines Vertrags nach § 27 verweigert, ist der Verein berechtigt, von dem Arbeitnehmer eine Ausbildungsentschädigung zu fordern. Nachdem L trotz aller Hoffnung schließlich vier Jahre lang vergebens auf seinen großen Durchbruch bei Fortuna gewartet hatte, zog es ihn wieder in den Süden zurück, wo ihm sein Heimatverein einen Vertrag als Profispieler angeboten hatte. Daraufhin kündigte er bei Fortuna und verlangt nun die im Vertrag vorgesehene Abfindung. Unter Berufung auf § 25 Abs. 7 des Arbeitsvertrags lehnt der Verein eine derartige Zahlung jedoch vehement ab, vielmehr habe L seinerseits eine angemessene Ausbildungsentschädigung i.S.d. § 28 zu leisten. Dem tritt L entschieden entgegen, schließlich seien die genannten Klauseln nicht mit europarechtlichen Bestimmungen vereinbar. Schon aus dem Fall Bosman habe er gelernt, dass Arbeitnehmern bei der Wahrnehmung ihrer Freizügigkeit keine Steine in den Weg gelegt werden dürften, die die Ausübung ihrer Grundfreiheit erschweren könnten. Fall 6: Eigentor 1. Teil 25
26 1. Teil Um die volle Wirkung des Art. 45 AEU sicherzustellen, können sich neben Arbeitnehmern auch Arbeitgeber auf Art. 45 AEU berufen. Arbeitnehmer i.S.v. Art. 45 AEU ist eine Person, die während einer bestimmten Zeit für einen anderen weisungsgebundene Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Primäres Unionsrecht Demgegenüber wendet Fortuna ein, die Regelung des § 25 schränke die grenzüberschreitende Mobilität nicht stärker ein als die Freizügigkeit innerhalb Deutschlands. Auch bewirke der Verlust einer Abfindung in Höhe von zwei Monatsgehältern keine spürbare Beschränkung der Freizügigkeit im Sinne des Bosman-Urteils. Was die Ausbildungsentschädigung anbelangt, so sei diese im vorliegenden Fall mehr als gerechtfertigt bei aller Energie, die in L investiert wurde. Dies will L jedoch nicht auf sich sitzen lassen und erhebt Klage beim zuständigen Arbeitsgericht, wobei er sich insbesondere auf die Verletzung von Art. 45 AEU stützt. Fertigen Sie ein Gutachten bezüglich der Frage an, ob sich L sowohl hinsichtlich des Abfindungsanspruchs als auch hinsichtlich der Entschädigungsverpflichtung zu Recht auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit beruft. Gehen Sie bei der Falllösung davon aus, dass die Höhe der Ausbildungsentschädigung i.S.v. § 28 des Arbeitsvertrags unter Berücksichtigung der Kosten ermittelt wird, die dem Verein für die Ausbildung des Arbeitnehmers entstanden sind. Durch die Regelungen des Amateurvertrags, bei vorzeitiger Kündigung seitens des Arbeitnehmers den Anspruch auf Abfindung zu versagen und darüber hinaus eine Ausbildungsentschädigung zu fordern, könnte L in seinem durch Art. 45 AEU garantierten Recht auf Freizügigkeit verletzt sein. A. Unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 45 AEU Seit Ablauf der ursprünglich im EWG-Vertrag vorgesehenen Übergangszeit (Ende 1969) zählen alle Grundfreiheiten zum unmittelbar anwendbaren Primärrecht, sodass sie auch Einzelpersonen subjektive Rechte verleihen, die sie bei den Gerichten eines Mitgliedstaates geltend machen können. Somit kann sich auch L auf das durch Art. 45 AEU garantierte Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit berufen. B. Verletzung des Art. 45 AEU I. Anwendbarkeit des Art. 45 AEU Mangels vorrangiger unionsrechtlicher Harmonisierungsmaßnahmen ist Art. 45 AEU unmittelbar anwendbar. II. Eingriff in den Schutzbereich des Art. 45 AEU In den Schutzbereich des Art. 45 AEU wird eingegriffen, wenn Arbeitnehmer der Union durch das Aufstellen von Arbeitsbedingungen in ihrer Freizügigkeit eingeschränkt werden. 1. Anwendungsbereich des Art. 45 AEU a) Zunächst müsste L EU-Arbeitnehmer i.S.v. Art. 45 AEU sein. aa) Wer zum Kreis der Arbeitnehmer zu zählen ist, wird hierbei nicht nach nationalem Recht, sondern ausschließlich nach unionsrechtlichen Grundsätzen bestimmt, um einen einheitlichen Schutz der Arbeitnehmerfreizügigkeit in der Union zu gewährleisten. In weiter Auslegung definiert der EuGH den Arbeitnehmer als eine Person, die „während einer bestimmten Zeit für einen anderen weisungsgebundene Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält“.
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