FS EuropaR (6).indd - Alpmann Schmidt
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52<br />
1. Teil<br />
Achtung!<br />
Hier ist auf das die Dienstleistungsfreiheit<br />
für Anwälte<br />
konkretisierende<br />
Sekundärrecht zurückzugreifen.<br />
Primäres Unionsrecht<br />
Aufgrund der engen Auslegung der in Art. 62, 52 AEU genannten Rechtfertigungsgründe<br />
(öffentliche Ordnung, Sicherheit und Gesundheit) kommt<br />
vorliegend eine Rechtfertigung der staatlichen Maßnahmen zwar nicht in<br />
Betracht. Deren Zulässigkeit könnte sich jedoch ausnahmsweise aus legitimen<br />
Gründen des Allgemeinwohls ergeben. Angelehnt an die „Cassis-<br />
Rechtsprechung“ wäre hierfür Voraussetzung, dass die Maßnahmen unterschiedslos<br />
gelten und darüber hinaus erforderlich sind, um zwingenden<br />
Allgemeininteressen gerecht zu werden.<br />
1. Unterschiedslos geltende Maßnahme<br />
Bei isolierter Betrachtung der Bedingungen, unter denen ausländische Anwälte<br />
vor deutschen Gerichten auftreten dürfen, könnte man meinen, das<br />
infrage stehende Gesetz sei diskriminierender Natur, da es nur deren Tätigkeit<br />
zu erschweren scheint. Genau betrachtet liegt es tatsächlich anders.<br />
Ganz im Gegenteil erweitert die Regelung sogar die Rechte der betroffenen<br />
Rechtsanwälte, indem sie diese in die Lage versetzt, vor deutschen Gerichten<br />
auftreten zu können, ohne die zwingenden Voraussetzungen erfüllen<br />
zu müssen, die sonst in Deutschland für die Wahrnehmung der Anwaltstätigkeit<br />
gelten (insbesondere zwei Staatsexamina sowie die Anwaltszulassung).<br />
Insoweit werden die in der Heimat erfüllten Zulassungsvoraussetzungen<br />
als ausreichend anerkannt.<br />
Damit entpuppt sich die vorliegende Ungleichbehandlung ausländischer<br />
Anwälte sogar als ein über die formelle Gleichbehandlung hinausgehender<br />
Gleichstellungsversuch und erfüllt die Bedingung „unterschiedslos geltende<br />
Maßnahme“ somit erst recht.<br />
Eine andere Frage ist, ob die Rechtserweiterung ausreicht, da aufgrund der<br />
im Gesetz bestimmten Bedingungen hinsichtlich des Auftretens eines ausländischen<br />
Anwalts noch immer Einschränkungen vorhanden sind.<br />
2. Zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses<br />
Diese könnten jedoch einem zwingenden Allgemeininteresse dienen,<br />
nämlich die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege aufrecht zu erhalten.<br />
Aus diesem Grunde erlaubt Art. 5 der RL 77/249 bereits grundsätzlich, den<br />
Rechtsanwälten die Bedingung aufzuerlegen, nur im Einvernehmen mit einem<br />
bei dem angerufenen Gericht zugelassen Anwalt handeln zu dürfen.<br />
3. Verhältnismäßigkeit<br />
Fraglich ist jedoch, ob die getroffenen Regelungen im Hinblick auf dieses<br />
Ziel auch verhältnismäßig, d.h. geeignet, erforderlich und angemessen<br />
sind.<br />
a) Zweifel bestehen schon an der Geeignetheit der Maßnahme, soweit das<br />
deutsche Gesetz aufgrund seiner allgemeinen Fassung ein Einvernehmen<br />
auch dann verlangt, wenn für die betreffende Streitigkeit überhaupt kein<br />
Anwaltszwang besteht. Zwar widerspricht diese Umsetzung nicht dem<br />
Wortlaut des Art. 5 der RL 77/249. Aber auch die Richtlinie muss im Lichte<br />
der Dienstleistungsfreiheit ausgelegt werden und kann daher nicht die Bedingung<br />
ersetzen, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Funktionsfähigkeit<br />
der Rechtspflege aufrecht zu erhalten. Soweit die deutsche<br />
Rechtsordnung aber keinen Anwaltszwang vorsieht und damit auf jede