FS EuropaR (6).indd - Alpmann Schmidt
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30<br />
1. Teil<br />
Primäres Unionsrecht<br />
hat, so ungewiss und indirekt sein, dass sie nicht als geeignet angesehen<br />
werden können, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu beeinträchtigen. 8<br />
(a) So verhält es sich vorliegend mit der umstrittenen Abfindungsregelung,<br />
die ihrerseits nicht geeignet ist, den Arbeitnehmer daran zu hindern<br />
oder davon abzuhalten, sein Arbeitsverhältnis zu beenden, um eine unselbstständige<br />
Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben. Denn<br />
der Abfindungsanspruch hängt nicht allein von der Entscheidung des Arbeitnehmers<br />
ab, ob er bei seinem derzeitigen Arbeitgeber bleibt, sondern<br />
vor allem auch von einem zukünftigen hypothetischen Ereignis, nämlich<br />
einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die der Arbeitnehmer selbst<br />
weder herbeigeführt noch zu vertreten haben darf.<br />
Damit verstößt die Abfindungsregelung des Amateurvertrags nicht gegen<br />
Art. 45 AEU, sodass L insoweit auch keine Verletzung seines Rechts auf Freizügigkeit<br />
geltend machen kann.<br />
(b) Anders verhält es sich dagegen mit der im Streit stehenden Entschädigungsregelung,<br />
da hinsichtlich dieser Zahlungsverpflichtung keine vergleichbare<br />
Ungewissheit besteht.<br />
Folglich stellt (nur) die Entschädigungsregelung eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit<br />
dar und verstößt damit gegen Art. 45 AEU.<br />
III. Eingriff ausnahmsweise zulässig<br />
Insoweit bleibt allerdings zu prüfen, ob der festgestellte Verstoß nicht ausnahmsweise<br />
zulässig sein könnte.<br />
Zwar kommt eine Rechtfertigung nach Art. 45 Abs. 3 AEU mangels thematisch<br />
einschlägiger Rechtfertigungsgründe nicht in Betracht. Die Zulässigkeit<br />
des Eingriffs könnte sich vorliegend jedoch anderweitig ergeben.<br />
Denn parallel zur „Cassis-Rechtsprechung“ hat der EuGH auch für den Bereich<br />
der Arbeitnehmerfreizügigkeit anerkannt, dass außerhalb der geschriebenen<br />
Schranken Maßnahmen ferner zulässig sein können, soweit<br />
sie unterschiedslos gelten und darüber hinaus erforderlich sind, um zwingenden<br />
Allgemeininteressen gerecht zu werden.<br />
1. Unterschiedslos geltende Maßnahme<br />
Die Verpflichtung, unter den in § 28 des Arbeitsvertrags genannten Umständen<br />
eine Ausbildungsentschädigung leisten zu müssen, knüpft formal<br />
nicht an die Herkunft des betroffenen Arbeitnehmers an und gilt damit unterschiedslos.<br />
2. Zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses<br />
Weiterhin müsste diese Maßnahme einem zwingenden Allgemeininteresse<br />
dienen, wobei vorliegend an den nicht wirtschaftlichen Grund der Förderung<br />
junger Fußballspieler zu denken ist.<br />
Angesichts der beträchtlichen sozialen Bedeutung, die dem Sport und<br />
hierbei insbesondere dem Fußball in der Union zukommt, ist der Zweck,<br />
die Anwerbung und die Ausbildung junger Spieler zu fördern, als legitim<br />
anzuerkennen.<br />
8 EuGH Rs. C-190/98 – Graf.