Sucht - Entstehung und Behandlung- Bay
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<strong>Sucht</strong>- <strong>Entstehung</strong> <strong>und</strong> <strong>Behandlung</strong> unter<br />
tiefenpsychologisch- psychodynamischen<br />
Gesichtspunkten<br />
Vortrag Solingen 20.April 2009
Psychodynamik von <strong>Sucht</strong>- oder der Unterschied<br />
zwischen Abhängigkeit <strong>und</strong> <strong>Sucht</strong><br />
Man kann bei der Abhängigkeitserklärung<br />
vorgehen wie bei einem Kochbuch, das heißt,<br />
man zeigt die Symptome auf <strong>und</strong> bestimmt die<br />
Krankheit, weil das Symptom die Krankheit ist.
Symptome der Abhängigkeit<br />
Nach ICD 10<br />
1. Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, Alkohol zu konsumieren.<br />
2. Verminderte Kontrollfähigkeit bzgl. Beginn, Beendigung <strong>und</strong> Menge<br />
des Konsums.<br />
3. Konsum mit dem Ziel, Entzugssymptome zu mildern, verb<strong>und</strong>en mit der<br />
Erfahrung, daß dieser Konsum Wirkung zeigt, also einer positiven<br />
Erfahrung.<br />
4. Ein körperliches Entzugssyndrom<br />
5. Der Nachweis einer Toleranz
Abhängigkeit nach ICD 10<br />
6. Ein eingeengtes Verhaltensmuster im Umgang mit Alkohol oder der<br />
Substanz.<br />
7. Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder<br />
Interessen zugunsten von Alkohol oder einer anderen Droge.<br />
8. Anhaltender Alkoholkonsum trotz Nachweises eindeutiger<br />
schädlicher Folgen körperlicher, sozialer oder psychischer Art.<br />
Die Diagnose Abhängigkeit sollte nur gestellt werden, wenn<br />
irgendwann während des letzten Jahres drei oder mehr Kriterien<br />
vorhanden waren.
Abhängigkeit nach DSM III-R<br />
(A) Wenigstens drei der folgenden Kriterien sind erforderlich für die<br />
Diagnose:<br />
1. Alkohol wird häufiger in größeren Mengen oder länger als<br />
beabsichtigt eingenommen.<br />
2. Anhaltender Wunsch oder ein oder mehrere erfolglose Versuche,<br />
den Konsum zu verringern oder zu kontrollieren.<br />
3. Häufige Einnahme von Alkohol, um Entzugssymptome zu<br />
vermeiden oder zu bekämpfen.<br />
4. Charakteristische Entzugssymptome<br />
5. Ausgeprägte Toleranzentwicklung
Abhängigkeit nach DSM III-R<br />
6. Viel Zeit für Aktivitäten, um Alkohol zu beschaffen, zu sich zu<br />
nehmen, oder sich von ihren Folgen zu erholen.<br />
7. Wichtige soziale, berufliche oder Freizeitaktivitäten werden<br />
aufgr<strong>und</strong> des Alkoholkonsums aufgegeben oder eingeschränkt.<br />
8. Fortgesetzter Konsum trotz Kenntnis eines anhaltenden oder<br />
wiederkehrenden sozialen, körperlichen oder psychischen Problems,<br />
das durch den Konsum verursacht oder verstärkt wurde.<br />
9. Häufiges Auftreten von Intoxikations- oder Entzugssymptomen,<br />
wenn eigentlich die Erfüllung wichtiger Verpflichtungen erwartet wird.<br />
(B) Einige Symptome bestehen seit mindestens einem Monat oder<br />
sind über eine längere Zeit hinweg wiederholt aufgetreten.
Abhängigkeit aus psychodynamischer Sicht<br />
Der Begriff <strong>Sucht</strong> entfällt sowohl in der ICD 10 als auch in der DSM<br />
III-R oder der neueren Fassung DSM IV-TR <strong>und</strong> wird dort zu<br />
„Psychische <strong>und</strong> Verhaltensstörungen durch psychotrope<br />
Substanzen“ (ICD 10) oder zu<br />
„Störungen im Zusammenhang mit psychotropen Substanzen“ DSM-<br />
IV-TR.<br />
Der Vorteil ist dabei sicherlich eine ➣ höhere Interrater Objektivität.<br />
Der entscheidende Nachteil: Die Aufsummierung von<br />
Krankheitssymptomen beinhaltet ➣ keine Aussage über den<br />
pathogenetischen Zusammenhang zwischen den Symptomen <strong>und</strong><br />
deren Ursachen.<br />
Es werden also rein deskriptive-statistische Krankheitsmodelle<br />
verwendet, die im Gegensatz zu den pathogenetischen,<br />
psychodynamischen Modellen nicht diagnostizieren, aufgr<strong>und</strong> welcher<br />
seelischen Probleme ein Mensch suchtkrank wurde!
Abhängigkeit aus psychodynamischer Sicht<br />
Es wird in den statistischen Modellen nur darauf geachtet, daß <strong>und</strong><br />
wie jemand eine Droge zu sich nimmt<br />
Und welche Störungen dadurch auftreten.<br />
Beide Manuale legen voneinander unterscheidbare Störungen als<br />
nosologische Einheiten fest:<br />
1. Störungen (als Folgen) durch schädlichen Substanzgebrauch<br />
beziehungsweise durch Substanzmißbrauch<br />
2. Abhängigkeit im eigentlichen Sinne <strong>und</strong><br />
3. Substanzinduzierte, mehr oder weniger reversible Störungen.<br />
Die Einheiten werden im Einzelnen nach dem <strong>Sucht</strong>mittel <strong>und</strong> nach<br />
Kategorisierung der Symptome gekennzeichnet.
Abhängigkeit aus psychodynamischer Sicht<br />
Bei Frage nach der <strong>Entstehung</strong> der <strong>Sucht</strong> galt eine Zeit lang das<br />
psychotrope Potential einer Substanz (<strong>Sucht</strong>potenz) als der<br />
wesentliche Auslöser einer Abhängigkeit.<br />
Heute scheint das biopsychosoziale Modell nach Feuerlein in den<br />
jeweiligen Disziplinen allgemein anerkannt zu sein. Wobei natürlich<br />
jede Disziplin ihren Schwerpunkt auf einen anderen Aspekt dieses<br />
Modells legt.
Abhängigkeit aus psychodynamischer Sicht<br />
Innerhalb der Psychoanalyse haben<br />
die triebpsychologischen Ansätze<br />
die ichpsychologischen Ansätze<br />
die selbstpsychologischen Ansätze<br />
die objektbeziehungspsychologischen Ansätze<br />
die psychodynamische Seite des <strong>Sucht</strong>geschehens zum Gegenstand<br />
des Forschens.
Abhängigkeit aus psychodynamischer Sicht<br />
Was ist mit Psychodynamik denn nun gemeint?<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich gilt, daß die Psychodynamik der <strong>Sucht</strong> sowohl den<br />
Prozeß als auch die Struktur der <strong>Sucht</strong> beschreibt.<br />
Es werden demnach sowohl die dynamischen Prozesse der<br />
<strong>Sucht</strong>entstehung als auch die darüber hinaus entstandenen<br />
psychischen Strukturen suchtkranker Menschen beschrieben.<br />
Dazu kann man sich im Vorgehen der Diagnostik wie der <strong>Behandlung</strong><br />
nach folgender Formel richten:
Abhängigkeit aus psychodynamischer Sicht<br />
(1) Die Biographie, die Lebensgeschichte <strong>und</strong> die gegebenen psychischen<br />
Lebensbedingungen bewirken ⇒<br />
(2) das daraus resultierende psychische Strukturniveau, das nach dem<br />
Entwicklungsstand von Trieb, Ich, Selbst <strong>und</strong> Über -Ich bestimmt wird <strong>und</strong><br />
welches wiederum aufgr<strong>und</strong> von ⇒<br />
(3) Mißlingen der Anpassung an eine Lebenssituation <strong>und</strong> an<br />
Lebensleistungen oder-aufgaben (Ausbildung, Beruf, Partnerwahl,<br />
Familienbildung) somit einem Versagen an der Realität zur ⇒<br />
(4) Manifestation einer psychischen oder psychosomatischen Erkrankung<br />
als Fehlanpassung führt, die sich ⇒<br />
(5) im Falle einer Fehlanpassung
Abhängigkeit aus psychodynamischer Sicht<br />
Definition süchtigen Handelns<br />
„Unter süchtigem Verhalten im Allgemeinen verstehen wir<br />
☞ die tiefe, versklavende Hörigkeit,<br />
☞ die Abhängigkeit von einer Autorität,<br />
☞ einer zwingenden einengenden Kraft, die gewöhnlich als von Außen kommend erlebt un<br />
betrachtet wird: einer Droge,..., gewissen perversen Ritualen, Essen, ..., Geld, Macht, ...<br />
kurzum<br />
☞jedem System oder Objekt, das totale Unterwerfung fordert oder erhält.<br />
Es handelt sich um eine anscheinend willentliche Unterwerfung unter einen Zwang. Freilic<br />
wissen wir aus unserer...Erfahrung, das diese Unterwerfung weder so willentlich ist noch d<br />
die Macht wirklich von Außen her kommt.“<br />
Wurmser
Abhängigkeit aus psychodynamischer Sicht<br />
Unsere Patienten müssen in der <strong>Behandlung</strong> doch lernen, dass diese<br />
ihnen dazu dient, zu lernen,<br />
• - ihre Existenzängste,<br />
• - ihre mangelhafte Selbstverantwortung<br />
• - ihre geringe Selbstachtung,<br />
• - ihre fragile Selbstidentität,<br />
• - ihre Beziehungs- <strong>und</strong> Liebesunfähigkeit <strong>und</strong><br />
- ihre destruktive Aggressionen nicht mehr in anderen Menschen zu<br />
bekämpfen<br />
- oder andere Menschen für diesen Kampf zu benutzen.
Schließlich ist es ein wichtiges Ziel von Psychotherapie im<br />
Maßregelvollzug<br />
„... es dem Patienten zu ermöglichen, sich mit seinen früher<br />
inakzeptablen Seiten anzufre<strong>und</strong>en, mit bisher bedrohlichen<br />
Wünschen <strong>und</strong> Phantasien gut umgehen zu können. Um das zu<br />
erreichen, muß der Analytiker... eine Atmosphäre der Toleranz für das<br />
Infantile, Perverse <strong>und</strong> Lächerliche herstellen, die sich der Patient als<br />
Haltung sich selbst gegenüber aneignen, ... internalisieren kann“<br />
(Sandler & Sandler)
Jeder Patient muß erkennen, wie wichtig es ist, diese äußeren Feinde<br />
als seine eigene, innere Realität zu akzeptieren.<br />
Er muß ebenfalls anerkennen, dass dieses ein langer, weil nur<br />
schwer aushaltbarer Prozeß ist, weil in diesem Prozeß die<br />
abgespaltenen Anteile wieder integriert werden müssen.
Abhängigkeit aus psychodynamischer Sicht<br />
Den Wunsch nach jemandem Allmächtigen, der mich<br />
umfassend beschützt, dieser Wunsch ist völlig normal.<br />
Das wissen wir als Psychotherapeuten/innen.<br />
Schließlich ist es ein wichtiges Ziel von Psychotherapie<br />
im Maßregelvollzug<br />
„... es dem Patienten zu ermöglichen, sich mit seinen<br />
früher inakzeptablen Seiten anzufre<strong>und</strong>en, mit bisher<br />
bedrohlichen Wünschen <strong>und</strong> Phantasien gut umgehen zu<br />
können. Um das zu erreichen, muß der Analytiker... eine<br />
Atmosphäre der Toleranz für das Infantile, Perverse <strong>und</strong><br />
Lächerliche herstellen, die sich der Patient als Haltung<br />
sich selbst gegenüber aneignen, ... internalisieren kann“<br />
(Sandler & Sandler)
Entwicklungspsychologische Gr<strong>und</strong>lagen der strukturellen<br />
Entwicklung<br />
Hartmann etwa betont, dass eine frühe seelische Störung, d.h. eine<br />
Störung vor dem Erreichen der Objektkonstanz, das Resultat<br />
gestörter Objektbeziehungen ist.<br />
Das heißt also, dass sich die seelische Entwicklung eines Menschen<br />
hin zum autonomen Selbst, aber auch die Störung dieser<br />
Entwicklung, immer im einer psychosozialen Matrix vollzieht, die<br />
förderlichen oder schädigenden Charakter haben kann.<br />
Dieses reife, autonome Selbst hat eine eigene Identität, auch eine<br />
Geschlechtsidentität ausgebildet.<br />
Es kann seinen Selbstwert, sein Selbstbild <strong>und</strong> die Steuerungs- <strong>und</strong><br />
Handlungsfähigkeit seines Ich in Beziehungen zu anderen Menschen<br />
immer wieder regulieren.
Dazu gehören<br />
1.) die Fähigkeit zur Selbst- <strong>und</strong> Fremdwahrnehmung etwa hinsichtlich der<br />
Anpassungsfunktionen der Realitätsprüfung <strong>und</strong> Urteilsbildung,<br />
aber auch<br />
2.) die Fähigkeit zur Selbststeuerung<br />
zum einen im Rahmen der Anpassungsfunktion der narzisstischen<br />
Gleichgewichtsregulation (in welchem Maß wurde Individualität erlangt, wie<br />
stabil sind Körperschema, Selbstwertregulation <strong>und</strong> Selbstbewusstsein?)<br />
zum anderen im Zusammenhang mit der Regulierung <strong>und</strong> der Kontrolle von<br />
Impulsen <strong>und</strong> Affekten.
3.) die Fähigkeit zur Objektwahrnehmung <strong>und</strong> zur Bindung,<br />
also die Merkmale der Objektbeziehungen<br />
Die Art der Objektbeziehungen<br />
Die Wahrnehmung <strong>und</strong> das Erleben von Objekten<br />
Die Reife von Objektbeziehungen<br />
Objektkonstanz<br />
4.) die Fähigkeit zur Kommunikation <strong>und</strong> zum Denken<br />
•Die Struktur des ☞Selbst <strong>und</strong> die Struktur der ☞Objektbeziehungen reifen, wie<br />
das ☞Ich <strong>und</strong> das ☞Über-Ich ebenfalls in enger Verflechtung.
Mit Heine können wir die bei unseren Patienten sichtbare strukturelle<br />
Störung entweder als<br />
Defizitäre Entwicklung<br />
• oder als<br />
Regressive Entdifferenzierung<br />
• Verstehen.
Entwicklung<br />
„Im Falle der Defizitären Entwicklung waren die Bedingungen für das<br />
heranreifende Selbst so ungünstig, insbesondere die Passung zwischen<br />
den Bedürfnissen des Kindes <strong>und</strong> den Angeboten der wichtigen<br />
Bezugspersonen so gering, bzw. die Einwirkungen von traumatischen<br />
Beziehungen so massiv,<br />
dass einzelne oder mehrere der oben beschriebenen Strukturen sich<br />
nicht ausreichend entfalten konnten.<br />
Es entwickelte sich eine unreife, unvollständig ausgebildete bzw. gestört<br />
Selbststruktur, die weder autonom sein noch sich selbst ausreichend<br />
organisieren kann, noch genügend selbstreflexionsfähig ist.<br />
Eine verlässliche Bindung an haltgebende Objekte konnte nicht<br />
entwickelt werden, nicht einmal deren verlässliche Wahrnehmung ist<br />
gesichert.“
Entwicklungspsychologische Gr<strong>und</strong>lagen der strukturellen<br />
Entwicklung<br />
„Im Falle der regressiven Entdifferenzierung geht die Vorstellung<br />
dahin, dass die Struktur sich zwar entwickeln konnte, aber nicht stabil<br />
genug ausgebildet ist,<br />
so dass in Situationen innerer <strong>und</strong> äußerer Belastung regressive<br />
Prozesse einsetzen,<br />
welche die Struktur auf ein unreifes Funktionsniveau bzw. auf die dort<br />
verankerten Spannungs- <strong>und</strong> Desintegrationszustände zurückgleiten<br />
lässt <strong>und</strong> an traumatische frühkindliche Beziehungserfahrungen<br />
anknüpft.“
Mertens (1990) merkte ironisch an: „Zunächst schien alles so einfach:<br />
Man nehme einen Patienten mit<br />
ausreichendem Leidensdruck,<br />
verläßlich gutem Charakter,<br />
guter Intelligenz, der<br />
nicht psychotisch ist <strong>und</strong><br />
nicht zu alt <strong>und</strong> an<br />
keiner gefährlichen Erkrankung leidet, die ein rasches Eingreifen<br />
erforderlich macht...“
Eigenschaften von Patienten im Maßregelvollzug gemäß §§ 63,64<br />
StGB:<br />
Neben<br />
erstens der Abhängigkeitsproblematik ist bei diesen Menschen<br />
zweitens eine starke Neigung zu beobachten, ihre innere konfliktäre<br />
Welt in Handlungen in der Außenwelt umzusetzen (Agieren);wobei<br />
diese Handlungen sowohl selbst- als auch fremdaggressiv sein<br />
können.<br />
Drittens finden sich sehr oft eine hohe Angst, - Depressions- <strong>und</strong><br />
Frustrationsintoleranz.<br />
Diese haben ihre Gr<strong>und</strong>lage in einer geschwächten bis<br />
ungenügenden Ich Funktion der Integration <strong>und</strong> Synthese<br />
differentieller, vielfältiger <strong>und</strong> möglicherweise auch widersprüchlicher<br />
Selbst- <strong>und</strong> Umweltaspekte.
- Viertens treten Auffälligkeiten in den Realitätsbezügen oft in Form<br />
<strong>und</strong>ifferenzierter Realitätsprüfung <strong>und</strong> Urteilsbildung zu Tage.<br />
- Fünftens fallen Maßregelvollzugspatienten immer wieder durch ihre<br />
beeindruckende Kontaktstörungen als Ausdruck pathologischer<br />
Objektbeziehungen (Kernberg) auf.<br />
- Sechstens ist die Entwicklung des narzißtischen Bereiches ebenso<br />
fehlgelaufen oder verzerrt wie die Entwicklung des Ich-Ideals <strong>und</strong> des<br />
Über-Ichs.<br />
- Siebtens sind die Persönlichkeitsbereiche der Sexualität <strong>und</strong> der<br />
Aggression in ihren Entwicklungsformen <strong>und</strong> -verläufen oft deformiert<br />
<strong>und</strong> in Besorgnis erregender Art <strong>und</strong> Weise miteinander legiert.<br />
- Achtens liegt außerdem noch eine schwergradige depressive<br />
Symptomatik vor.
- Neuntens kann die Chronifizierung der Problematik neben -<br />
Zehntens einer zentralen Desintegration, einer zentralen Ich<br />
Strukturdeformation als ein weiteres gr<strong>und</strong>legendes Merkmal genannt<br />
werden.<br />
- Elftens findet die präödipale Störung natürlicherweise auch ihren<br />
Ausdruck im<br />
- zwölften Merkmal, dem Einsatz archaischer Abwehrmechanismen,<br />
(die konsequenterweise bei frühen Störungen Schutzmechanismen<br />
genannt werden sollten) wie<br />
Projektion, projektiver Identifikation, Verleugnung <strong>und</strong> vor allem dem<br />
allseits so bekannten wie beliebten <strong>und</strong> nützlichen<br />
Schutz/Erhaltungsmechanismus der Spaltung .
Dadurch gelingt es ihnen immer wieder, bei ihren Mitmenschen<br />
besondere <strong>und</strong> mitunter<br />
heftige Gegenübertragungsgefühle hervorzurufen.- Das wäre dann<br />
Merkmal Nummer dreizehn.<br />
- An soziographischen Daten sei dann vierzehntens noch bemerkt,<br />
daß Maßregelvollzugspatienten zumeist der Unterschicht<br />
entstammen <strong>und</strong> deren Sozialisationsformen mehr oder minder gut<br />
überlebt haben; manche können auf einen beeindruckenden Verlauf<br />
ihrer dissozialen Entwicklung <strong>und</strong> der Abhängigkeitsproblematik<br />
verweisen oder auch zurückblicken.<br />
Fünfzehntens, <strong>und</strong> damit sei vorerst einmal willkürlich ein<br />
Schlußpunkt hinsichtlich dieser Fragestellung gesetzt, sind die<br />
aktuellen sozialen Beziehungen oft in einem katastrophalen,<br />
regressiven, funktional - narzißtischen Zustand, wobei beide Partner<br />
oft hoch verschuldet sind <strong>und</strong> von der Sozialhilfe leben.
<strong>Sucht</strong>theorien<br />
Klassische Psychoanalyse mit Triebtheorie, Lehre vom Unbewußten<br />
<strong>und</strong> der Instanzenlehre (Es, Ich, Über-Ich):<br />
Der klassischen Triebtheorie nach strebt der süchtige Mensch nach<br />
Lustgewinn, folgt dem Lustprinzip.<br />
Sein schwaches Ich <strong>und</strong> das nicht ausreichend entwickelte Über - Ich<br />
unterliegen dem Lustprinzip <strong>und</strong> versagen damit in Hinblick auf das<br />
Realitätsprinzip.<br />
Süchtige Menschen können den Anforderungen der Realität nicht<br />
gerecht werden <strong>und</strong> ziehen sich im Konfliktfall auf die Stellen in ihrer<br />
Entwicklung zurück, die sie gerade noch haben bewältigen können.<br />
(Fixierungsstelle der Libidoentwicklung)
Phasen der Libidoentwicklung<br />
(Freud 1905)<br />
Die Triebentwicklung beginnt mit der oralen Phase <strong>und</strong> setzt sich fort<br />
über die<br />
anale <strong>und</strong> die phallisch-narzißtische Phase sowie die Latenzphase<br />
hin zur<br />
reifen genitalen Phase.<br />
In den jeweiligen Phasen herrscht eine erogene, libidinöse<br />
überbesetzte Körperzone im Erleben vor. Die Triebentwicklung<br />
verläuft dabei zeitlich parallel zur<br />
Individuellen Entwicklung des Ichs<br />
Der Ver-Innerlichung der Beziehungen zu anderen Menschen<br />
Des Über- Ich <strong>und</strong> Ideal- Ich sowie<br />
Des narzisstischen Selbstwertes <strong>und</strong> dessen Regulationssystems.
Die Lehre von der Ich - Organisation, den Ich - Funktionen <strong>und</strong> den strukturelle<br />
Ich - Störungen<br />
Dieser Ansatz besagt, daß der Süchtige, besser dessen Ich zu schwach ist, um<br />
Spannungen zu ertragen, oder Unlust zu vermeiden,<br />
die entweder von Innen kommen in Form von (Trieb) Wünschen <strong>und</strong> Impulsen<br />
oder<br />
von Außen kommen in Form von Anforderungen der Außenwelt.<br />
Es fehlen dem Süchtigen wichtige Ich Funktionen wie etwa eine<br />
ausreichende Affektdifferenzierung,<br />
Schutz vor (auch sehr starken) Reizen von Außen <strong>und</strong> Innen,<br />
Frustrationstoleranz <strong>und</strong> Bedürfnisaufschub,<br />
wirksame Realitätsprüfung, angemessene Urteilsbildung,<br />
angemessene Regulation des narzisstischen Gleichgewichts,<br />
Angemessene Formen des Denkens, des Gedächtnisses <strong>und</strong> der Aufmerksam
Diese Ich - Funktionen werden beim Süchtigen durch suchttypische<br />
Verarbeitungsformen ersetzt.<br />
Diese Verarbeitungsformen sind unter dem Einfluß der<br />
<strong>Sucht</strong>entwicklung entstanden.<br />
Die beim süchtigen Menschen in mangelhafter Form auftretenden Ich<br />
Funktionen entspringen einer mangelhaften Organisation des Ichs.<br />
Um sich selbst zu heilen, ersetzt der süchtige Mensch die nicht<br />
ausreichend wirksamen Ich - Funktionen, über die er<br />
„natürlicherweise“ verfügt, überdauernd durch Drogen als kurzfristig<br />
wirksame Ich - Funktionen.<br />
(Kleiner Hinweis: Was machen wir mit Alkohol, Kiff etc...?)
(Welcome to the cruel world)<br />
In der <strong>Behandlung</strong> geht es denn auch nicht mehr, wie bei der<br />
klassischen Analyse, um die Auflösung neurotischer Konfliktlagen,<br />
sondern das Ziel der Therapieformen, die aus dem Ich<br />
Psychologischen Ansatz entspringen, ist es, Nachreifungen beim<br />
Patienten herbeizuführen.<br />
Nachreifungen, die nötig sind, weil sich die Ich Funktionen nicht<br />
ausreichend haben entwickeln können, weil die<br />
Entwicklungsbedingungen nicht gut waren.
Ansätze<br />
In dieser Theorie ist <strong>Sucht</strong> das Ergebnis (erheblicher <strong>und</strong> schon ganz<br />
früher) Störungen in der Entwicklung<br />
des Selbst (das System, mit dem wir fühlen, wie <strong>und</strong> wer wir sind)<br />
<strong>und</strong> der Objektbeziehungen, also den Beziehungen zu anderen<br />
Menschen.<br />
Betroffen sind also die (inneren) Bilder, die wir von uns selbst, von<br />
anderen Menschen in der äußeren Realität <strong>und</strong> von den Beziehungen<br />
zwischen diesen <strong>und</strong> uns.<br />
<strong>Sucht</strong> ist also nichts mystisches, sondern der Niederschlag der<br />
Erfahrungen, die wir seit unserer Geburt gemacht haben.<br />
Die Reifung unserer seelischen Strukturen ist ganz eng verb<strong>und</strong>en<br />
mit der Art <strong>und</strong> Weise, wie wir die äußeren Erfahrungen in immer<br />
reiferer Form zu unserer inneren Welt machen.<br />
Der Reifegrad der Verinnerlichungsformen (Außen nach Innen)<br />
bestimmt also auch das Niveau der Beziehung, die wir zu anderen<br />
Menschen haben.
Ansätze<br />
<strong>Sucht</strong> in dieser Theorie entsteht demnach, wenn die Eltern des<br />
Kindes, oder andere frühe Bezugspersonen nicht gut genug waren,<br />
um die selbstbewusste Entwicklung des Kindes zu unterstützen.<br />
Entweder waren sie gar nicht da oder sie waren zu übermächtig <strong>und</strong><br />
bedrohlich für das Kind oder haben das Kind in ihrem Sinne, als<br />
Ausgleich ihrer seelischen Fehlentwicklung mißbraucht.<br />
Das Kind ist also gezwungen, zu versuchen, „Selbst-Strukturen“<br />
gemäß den Aufgaben zu entwickeln, die ihm seelische <strong>und</strong><br />
biologische Entwicklungsprozesse vorgeben.<br />
Das <strong>Sucht</strong>mittel <strong>und</strong> die Beziehung zu diesem Mittel spiegeln also die<br />
(gescheiterten) Beziehungsversuche zu anderen Menschen wieder.<br />
Das <strong>Sucht</strong>mittel wird zum krankmachenden Ersatz für einen<br />
Menschen, der gut ist, weil er Halt gibt <strong>und</strong> Liebe spendet <strong>und</strong><br />
dadurch den Aufbau innerer seelischer Strukturen erst ermöglicht.<br />
Weil es diesen menschen nicht oder nur unzureichend gibt, scheitert<br />
die Suche <strong>und</strong> wird zur <strong>Sucht</strong>.
Ansätze<br />
Die Selbstpsychologie <strong>und</strong> die Beziehungspsychologie gehen also<br />
davon aus, daß sich der Mensch immer nur in Beziehungen zu seinen<br />
Mitmenschen, in einem Netz sozialer Beziehungen entwickeln kann.<br />
Unser inneres Bild von uns Selbst <strong>und</strong> der Welt <strong>und</strong> der Beziehung zu<br />
ihr entsteht damit dadurch, wie wir die Erfahrungen, die wir im Laufe<br />
unseres Lebens mit anderen Menschen machen.<br />
Störungen <strong>Sucht</strong> sind somit zu verstehen als nicht abgeschlossene<br />
oder erreichte Stufen in der Beziehungen zu anderen.<br />
Wir finden also wieder Störungen der Trieborganisation, Störungen in<br />
der Struktur der Ich Funktionen <strong>und</strong> Störungen in der Über - Ich oder<br />
Gewissensentwicklung.
1.) Die Fähigkeit zu engagierter, aktiver Kontaktaufnahme <strong>und</strong><br />
Kontaktaufrechterhaltung mit befremdlichen, eigenartigen <strong>und</strong><br />
schwierigen Menschen<br />
2.) Die Fähigkeit zur Einschätzung des aktuellen Lebensbildes des<br />
(potentiellen) Patienten, seines Beziehungsnetzes im Sinne einer<br />
Systemdiagnostik, sowie die Fähigkeit zu den daraus resultierenden<br />
angemessenen <strong>Behandlung</strong>sentscheidungen.<br />
3.) Die Fähigkeit zur (psychoanalytischen) Einschätzung der<br />
optimalen Zugänglichkeit des Patienten hinsichtlich des Settings <strong>und</strong><br />
des Verfahrens. (System)<br />
4.) Die Fähigkeit zu elastischer Handhabung des Settings <strong>und</strong> der<br />
Rahmenbedingungen je nach Therapiestand <strong>und</strong> erreichtem<br />
Verständnis
8 Forderungen an die Behandelnden<br />
5. Die Fähigkeit zu konzeptionsbezogener Steuerung des gesamten<br />
<strong>Behandlung</strong>sprozesses im Sinne einer geordneten, zielgerichteten<br />
(psychoanalytischen) <strong>Behandlung</strong>sführung. (Strategische Steuerung)<br />
6. Die Fähigkeit zur operativen Steuerung im Sinne einer Ausrichtung<br />
jeder einzelnen therapeutischen Maßnahme <strong>und</strong> Intervention auf das<br />
Ziel der <strong>Behandlung</strong>.<br />
7. Die Fähigkeit, die ges<strong>und</strong>en Ich Anteile des Patienten/des<br />
Patientensystems, die auf die aktuelle Lebensplanung <strong>und</strong><br />
Lebensmeisterung gerichtet sind, zu klären <strong>und</strong> im weiteren in ihrer<br />
Entfaltung zu unterstützen.<br />
8. Die Fähigkeit, pathologische Ich Formationen, die eine ges<strong>und</strong>e<br />
Weiterentwicklung behindern, nach operativen <strong>und</strong> strategischen<br />
Kriterien auf den verschiedenen Entwicklungsniveaus methodisch <strong>und</strong><br />
unterschiedlich zu bearbeiten
Fürstenau beschreibt die analytische <strong>Behandlung</strong>smethode<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich wie folgt:<br />
„ Die psychoanalytische Therapie... bietet dem Patienten eine<br />
Fortentwicklung in Form der Nacherziehung (Freud) innerhalb einer<br />
artifiziellen, professionellen d.h. nach fachlichen Gesichtspunkten<br />
strukturierten persönlichen Beziehung an, die nach dem Muster der<br />
Eltern- Kinder- Beziehung gestaltet ist.<br />
Der Psychoanalytiker fungiert in der Rolle einer professionellen<br />
Elternersatzperson.<br />
Ziel ... ist ... die Fähigkeit des Patienten...zur Fortentwicklung... zu<br />
fördern bzw. zu ermöglichen.
Was ist denn nun <strong>Behandlung</strong>?<br />
Er (der Analytiker) ist primär auf die inneren (seelischen)<br />
Bedingungen <strong>und</strong> Möglichkeiten des Patienten (...) zu aktueller <strong>und</strong><br />
künftiger Lebensmeisterung ausgerichtet <strong>und</strong> konzentriert.<br />
Sein methodisches Repertoire ist demgemäß so umfassend wie das<br />
Einflussrepertoire von Eltern gegenüber ihren Kindern.<br />
... der Unterschied liegt nur in der Nachträglichkeit der Beziehung (...)<br />
<strong>und</strong> der Professionalität, der Orientierung an den wissenschaftlichen<br />
Erkenntnissen...<br />
Der Patient hat die Chance,... seine „verbliebene Kindheit“ zu<br />
überwinden.“
Ein oder zwei Beispiele aus der Praxis<br />
Zu Beginn der Therapie kommt der realen Beziehung zwischen<br />
Therapeut <strong>und</strong> Patient, den realen Anteilen der Persönlichkeit des<br />
Therapeuten dabei eine wesentliche Bedeutung zu.<br />
Rauchfleisch (1986) sieht als zentrales therapeutisches Agens, daß<br />
es dem Patienten möglich (gemacht) wird, Aspekte der realen Person<br />
des Therapeuten <strong>und</strong> seiner Beziehung zu ihm internalisiert,<br />
verinnerlicht.<br />
Damit sind reale Beziehung, Arbeitsbündnis <strong>und</strong> Übertragung zu<br />
Beginn des <strong>Behandlung</strong>sprozesses im Gr<strong>und</strong>e genommen, nicht<br />
voneinander zu unterscheiden oder voneinander zu trennen.
Der Therapeut sollte daher nicht passiv, abstinent <strong>und</strong> neutral<br />
bleiben, sondern ist aufgefordert, sich dem Patienten als<br />
Identifikationsobjekt, als narzißtisches Selbstobjekt im Sinne Kohuts<br />
anzubieten.<br />
Daraus folgt, daß er zumindest anfänglich keine starre<br />
<strong>Behandlung</strong>sstrategie verfolgen sollte, sondern die Bereitschaft<br />
zeigen können muss, dem Weg zu folgen, den der Patient zunächst<br />
einschlägt.<br />
Daraus erwächst aber auch, daß der Therapeut mitunter auch aktiv in<br />
die alltäglichen Lebensbezüge des Patienten eingreift.<br />
Der neutrale <strong>und</strong> abstinente Therapeut würde, gerade im Fall der<br />
Borderlineerkrankung, aber auch bei anderen<br />
Persönlichkeitsstörungen, wie etwa der dissozialen oder auch der<br />
narzißtischen, zur Destrukturierung <strong>und</strong> Destabilisierung des<br />
Patienten beitragen.
(Rauchfleisch)<br />
Rauchfleisch (1981) schlägt folgerichtig ein sogenanntes bifokales<br />
Vorgehen vor:<br />
Die Interventionen des Therapeuten sind zu Beginn der Therapie so<br />
zu gestalten, daß sie die Ich Funktionen des Patienten stützen, <strong>und</strong><br />
auf Nachreifung <strong>und</strong> Realitätsbezug ausgerichtet sind.<br />
Erst dann, wenn sich eine positiv getönte Beziehung zwischen<br />
Therapeuten <strong>und</strong> Patienten herausgebildet hat, etwa über die Lösung<br />
alltäglicher Konflikte, (sogenannte Hilfs-Ich Funktion des<br />
Therapeuten) sollte der Therapeut durch seine Interventionen die<br />
dynamischen Hintergründe der Konflikte aufdecken, um den<br />
Patienten zur Selbstexploration anzuregen.<br />
Die genetischen Aspekte sollten allerdings in dieser Phase noch nicht<br />
angesprochen werden.
Auch die aggressiven Konflikte müssen angesprochen <strong>und</strong> dürfen<br />
nicht tabuisiert werden.<br />
„Pathogene Konflikte müssen in der Regression erneut erlebt werden,<br />
weil nur auf diese Weise Einsicht in die Konfliktdynamik möglich ist.“<br />
(Heigl)<br />
Es geht also gerade nicht darum, den Patienten durch einen „Laisserfaire-Stil“<br />
zu verwöhnen, um dann im entscheidenden Moment als der<br />
Allmächtige, der „general problemsolver" oder um es klassischer<br />
auszudrücken, als der „Deus ex machina" dazustehen.<br />
Diese Allmachtsposition würde die defizitären Ich Funktionen nur<br />
noch weiter schwächen, die pathologischen Objektbeziehungen in<br />
diesem pathologischen Zustand nur noch weiter festhalten.<br />
Im Gegenteil sollten, wie Kernberg es empfiehlt, die latenten<br />
negativen, feindseligen Übertragungsaspekte im Auge behalten <strong>und</strong><br />
so schnell wie möglich bearbeitet werden.<br />
„Pathogene Konflikte müssen in der Regression erneut erlebt werden,<br />
weil nur auf diese Weise Einsicht in die Konfliktdynamik möglich ist.“<br />
(Heigl)
(Heigl - Evers)<br />
Ziel dieses Ansatzes ist zum einen die Beseitigung der Ich -<br />
Funktionsdefizite, wobei diese Mängel <strong>und</strong> ihre Kompensationen<br />
verstehend erfasst werden sollen.<br />
Wichtiger aber ist es, dominierende Teilobjektbeziehungen durch<br />
personale oder Ganzobjektbeziehungen zu ersetzen <strong>und</strong> damit die<br />
Voraussetzung für eine trianguläre Ordnung zu schaffen.<br />
Der Therapeut bedient sich der emotionalen Beziehung zwischen<br />
Patienten <strong>und</strong> Therapeuten, verhindert dabei aber eine unerwünschte<br />
Regression.<br />
Das Prinzip „Antwort“ als Technik ist als Kontrapunkt zur Klärung<br />
(Deutung) der Psychoanalyse gedacht.<br />
Der Therapeut fungiert im Hier <strong>und</strong> Jetzt als mütterliches<br />
Schutzschild. (Winnicott, 1949)
Ein oder zwei Beispiele aus der Praxis<br />
(Heigl - Evers)<br />
Er gibt Entwicklungsanreize, die von der Mutter nicht gegeben<br />
wurden.<br />
Er diagnostiziert Bedürfnisse <strong>und</strong> nicht voll oder gar nicht erlebte<br />
Affekte , geht auf sie ein, benennt <strong>und</strong> lenkt sie im Hier <strong>und</strong> Jetzt auf<br />
die gerade stattfindenden Interaktionsprozesse, je nach Möglichkeit<br />
des Patienten.<br />
Er fungiert als Hilfs – Ich <strong>und</strong> als Hilfs – Über Ich.
(Heigl - Evers)<br />
Förderung der Fähigkeit des Patienten, den Therapeuten als<br />
Ganzobjekt wahrzunehmen. (durch expressiv - selektives Antworten<br />
in der Interaktion)<br />
Das Ansprechen der mit den Teilobjektbeziehungen verb<strong>und</strong>enen<br />
Abwehrmechanismen wie:<br />
primitive Leugnung<br />
primitive Idealisierung <strong>und</strong> Entwertung,<br />
Spaltung <strong>und</strong> projektive Identifikation
Ein oder zwei Beispiele aus der Praxis<br />
(Heigl - Evers)<br />
Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf Sozialverhalten, in dem sich<br />
Mängel <strong>und</strong> deren Kompensation darstellen.<br />
Die Förderung der Motivation zur Nachentwicklung; durch<br />
verbessertes Erleben gelingt die Gestaltung sozialer Beziehungen<br />
besser.<br />
Die Auseinandersetzung mit beschämenden, peinlichen oder<br />
demütigenden Erleben eigener Unzulänglichkeit.<br />
Die Entwicklung notwendiger Geduld <strong>und</strong> der Fähigkeit, Rückschläge<br />
ertragen zu können.
Die Technik, die <strong>Behandlung</strong> <strong>und</strong> deren<br />
Voraussetzungen<br />
„Die außerordentliche Verschiedenheit der in<br />
Betracht kommenden psychischen<br />
Konstellationen, die Plastizität aller seelischen<br />
Vorgänge <strong>und</strong> der Reichtum der<br />
determinierenden Faktoren widersetzten sich<br />
auch einer Mechanisierung der Technik...“<br />
Sigm<strong>und</strong> Freud
Ziele der <strong>Behandlung</strong><br />
“Man wird sich nicht zum Ziel setzen, alle menschlichen Eigenarten<br />
zugunsten einer schematischen Normalität abzuschleifen oder gar zu<br />
fordern, daß der >gründlich Analysierte< keine Leidenschaft<br />
verspüren <strong>und</strong> keine inneren Konflikte verspüren dürfe. Die Analyse<br />
soll die für die Ichfunktionen günstigsten Bedingungen herstellen;<br />
damit wäre ihre Aufgabe erledigt.“ (Freud 1937)<br />
Annie Reich schlug statt dessen vor, sich zu bescheiden <strong>und</strong> damit<br />
zufrieden zu sein, „wenn wir einen Patienten von seinen Symptomen<br />
<strong>und</strong> Ängsten befreien können, wenn wir erreichen, daß er<br />
erwachsene Objektbeziehungen leben kann, <strong>und</strong> wenn wir ihn dazu<br />
befähigen, gut arbeiten zu können <strong>und</strong> sich mit der Realität<br />
auseinanderzusetzen... Wir betrachten es als ein Zeichen der<br />
Ges<strong>und</strong>heit, wenn der Patient seine eigenen Begrenzungen<br />
akzeptieren kann.“
„Die enge Verquickung sozialer <strong>und</strong> psychischer Probleme ist ein<br />
charakteristisches Merkmal straffälliger Menschen <strong>und</strong> erfordert ein<br />
spezifisches Vorgehen in Psychotherapie <strong>und</strong> Betreuung.<br />
Anders als bei vielen Klienten, mit denen wir es sonst zu tun haben, kann<br />
man sich bei der Arbeit mit ihnen nicht in erster Linie auf einen<br />
bestimmten Störungsbereich konzentrieren, weil hier die Hauptkonflikte<br />
lägen. Es ist bei ihnen vielmehr notwendig, die psychischen ebenso wie<br />
die sozialen Probleme im Auge zu behalten <strong>und</strong> an ihnen simultan zu<br />
arbeiten. ...Über die genannten Teilziele hinweg stellt meines Erachtens<br />
die Förderung der Autonomie des Klienten den Kern aller unserer<br />
Bemühungen dar.<br />
Ein solches Ziel scheint mir gerade bei diesen Menschen vordringlich zu<br />
sein, die von Kindheit an hilflos <strong>und</strong> ohnmächtig einer Welt<br />
gegenüberstanden, die sie als fremd <strong>und</strong> feindlich erlebten <strong>und</strong> die ihnen<br />
nicht gerecht zu werden vermochte. ...Entwicklung von Autonomie ist...<br />
ein zentrales Ziel, als diese Klienten durch ihre Straffälligkeit... die<br />
Abhängigkeit, in der sie sich befinden, noch vergrößern.<br />
In tragischer Weise inszenieren sie so das Drama ihrer frühen<br />
Beziehungserfahrungen immer wieder von neuem bis in die Gegenwart.“