Beschwerden im MRV Text Gerhard Bliersbach

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09.10.2013 Aufrufe

dacht, dass Herr Z. ihn manipuliert haben könnte mit einem Bluff. Sie wissen ja, was in solchen Momenten geschieht: Der eine Kollege be- - 4 - schwert sich über den anderen, wie der denn dem das sagen konnte und so weiter und so fort. Mit einem Wort: Herr Z. erzeugte einen gewaltigen Ärger. Er brachte das Team gegen sich auf, das in seiner Hilflosigkeit mit Gegenmaßnahmen reagierte, die Herr Z. sofort durchschaute und kon- terkarierte. Wir erlebten turbulente Zeiten, in denen wir uns über diesen Patienten so zerstritten, dass es unmöglich wurde, einen klaren Gedan- ken zu fassen. Da muss ich Ihnen natürlich die Episode zu Weihnachten 1985 erzählen. Unsere Sozialarbeiterin hatte einen Kochkurs angeboten. Herr Z. war dabei. Er war ein Freund der therapeutischen Angebote und konnte nicht genug bekommen. Was isst man zu Weihnachten? Was kann man ko- chen? Herr Z. hatte einen Vorschlag: einen Rehbraten. Wie dran kom- men? Da wüsste er jemanden. Was kann man gegen einen Rehbraten zu Weihnachten haben? Also stimmten wir dem Projekt zu. Allerdings beantragte Herr Z. Ausgang, um bei seinem Bekannten eine Rehkeule zu besorgen. Lange Diskussionen, ob oder ob nicht. Wir lehnten den Ausgang ab. Unser Seelsorger, der evangelische Pfarrer, kontaktierte den Mann mit der Rehkeule. Die Rehkeule war auf der Station. Einer un- serer Kollegen war Koch; er legte die Rehkeule ein. Seltsamerweise wurde am Tag der Zubereitung die Rehkeule auf dem Kühlschrank, statt in dem Kühlschrank entdeckt. Unser Kollege, der einstige Koch, roch an der Keule – sie stank. Was nun? Die Meinung des Koch-Kollegen: Die Keule kann man nicht braten. Was wird dann aber aus dem Essen der Patienten, die auf ihren Anteil am Braten warteten? Die Keule zog ihre Spur. Der Metzger der Klinik wurde befragt. Dessen Antwort: Kann man braten. Der leitende Arzt der Klinik wurde befragt.

- 5 - Dessen Antwort: Kann man nicht braten. Wegwerfen! Der Verwaltungs- leiter wurde befragt: Der orderte Koteletts für die Patienten. Das Essen verspätete sich. Die Klinik strengte sich mächtig an, den möglichen Be- schwerden der Patienten aus dem Weg zu gehen. Herr Z. hatte sein Vergnügen. Er hatte inzwischen das Geld für die Keule, das er einge- sammelt hatte, irgendwie ausgegeben. Es konnte nicht mehr geklärt werden. Jetzt waren auch die Mitpatienten wütend. So ging es tagein, tagaus. Ein paar Monate später. Ich kann Ihnen leider nur wenig erzählen. Wir waren umgezogen in unser neues forensische Dorf. Wie gesagt: Wir hat- ten ambitionierte therapeutische Pläne. Herr Z. gehörte zu meiner Stati- on, für deren Patienten ich verantwortlich war. Herr Z. hatte, wie das zu seiner Pathologie gehörte, viele Pläne. Er beabsichtigte, eine Schreiner- Lehre in unserem Haus zu machen. Was ist dagegen einzuwenden? Ei- ne Ausbildung war im Sinne des MRVG. Es gab nur ein paar kleine Komplikationen. Die Schreinerei befand sich außerhalb des forensi- schen Dorfes. Die Berufsschule, deren Besuch notwendig werden wür- de, war viel weiter entfernt; zudem würde es eine komplette Woche der Abwesenheit geben. Herr Z. war gerade ein Jahr im MRV. Konnten wir das ihm zutrauen? Angesichts des Ärgers des therapeutischen Teams? Angesichts der Alarmiertheit des Teams? Ich sprach mit ihm ab, dass wir im September das entscheiden wollten. Herr Z. stimmte zu. Allerdings nur kurz. Er bestand auf dem Frühjahr als dem Zeitpunkt der Entschei- dung. Er beschwerte sich. Der Jurist des LVR kam. Er machte sich sein eigenes Bild. Das teilte er uns mit, während er, die Hände in den Hosen- taschen, meinte: Warum sollte man ihm das denn nicht gestatten? Innerlich raufte ich mir die Haare. Dieser Mann verstand meine Not nicht. Er verstand die Not des therapeutisch en Teams nicht. Es war in seiner

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Dessen Antwort: Kann man nicht braten. Wegwerfen! Der Verwaltungs-<br />

leiter wurde befragt: Der orderte Koteletts für die Patienten. Das Essen<br />

verspätete sich. Die Klinik strengte sich mächtig an, den möglichen Be-<br />

schwerden der Patienten aus dem Weg zu gehen. Herr Z. hatte sein<br />

Vergnügen. Er hatte inzwischen das Geld für die Keule, das er einge-<br />

sammelt hatte, irgendwie ausgegeben. Es konnte nicht mehr geklärt<br />

werden. Jetzt waren auch die Mitpatienten wütend.<br />

So ging es tagein, tagaus.<br />

Ein paar Monate später. Ich kann Ihnen leider nur wenig erzählen. Wir<br />

waren umgezogen in unser neues forensische Dorf. Wie gesagt: Wir hat-<br />

ten ambitionierte therapeutische Pläne. Herr Z. gehörte zu meiner Stati-<br />

on, für deren Patienten ich verantwortlich war. Herr Z. hatte, wie das zu<br />

seiner Pathologie gehörte, viele Pläne. Er beabsichtigte, eine Schreiner-<br />

Lehre in unserem Haus zu machen. Was ist dagegen einzuwenden? Ei-<br />

ne Ausbildung war <strong>im</strong> Sinne des <strong>MRV</strong>G. Es gab nur ein paar kleine<br />

Komplikationen. Die Schreinerei befand sich außerhalb des forensi-<br />

schen Dorfes. Die Berufsschule, deren Besuch notwendig werden wür-<br />

de, war viel weiter entfernt; zudem würde es eine komplette Woche der<br />

Abwesenheit geben. Herr Z. war gerade ein Jahr <strong>im</strong> <strong>MRV</strong>. Konnten wir<br />

das ihm zutrauen? Angesichts des Ärgers des therapeutischen Teams?<br />

Angesichts der Alarmiertheit des Teams? Ich sprach mit ihm ab, dass wir<br />

<strong>im</strong> September das entscheiden wollten. Herr Z. st<strong>im</strong>mte zu. Allerdings<br />

nur kurz. Er bestand auf dem Frühjahr als dem Zeitpunkt der Entschei-<br />

dung. Er beschwerte sich. Der Jurist des LVR kam. Er machte sich sein<br />

eigenes Bild. Das teilte er uns mit, während er, die Hände in den Hosen-<br />

taschen, meinte: Warum sollte man ihm das denn nicht gestatten?<br />

Innerlich raufte ich mir die Haare. Dieser Mann verstand meine Not nicht.<br />

Er verstand die Not des therapeutisch en Teams nicht. Es war in seiner

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