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Beschwerden im MRV Text Gerhard Bliersbach

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es treuherzig nannten, weil fortgeschritten, der Umzug <strong>im</strong> Frühjahr 1986<br />

geplant. Es herrschte eine Art Aufbruchsst<strong>im</strong>mung und ein therapeuti-<br />

scher Opt<strong>im</strong>ismus. Ich war natürlich naiv, als ich anfing, und tappte in die<br />

typischen Fallen des Anfängers. Der Patient, von dem ich Ihnen jetzt<br />

erzähle, kam aus einer anderen LVR-Klinik, mit einem bedrohlichen Ruf:<br />

dort hatte er die Abteilung aufgemischt und für die Absetzung des ärztli-<br />

chen Leiters dieser Abteilung gesorgt. Ich habe mich in der anderen Kli-<br />

nik nie umgehört, ob an diesem Gerücht etwas dran war – aber auch<br />

wenn es nicht st<strong>im</strong>mt, st<strong>im</strong>mt es: Es trifft nämlich die Realität, die dieser<br />

Patient auf unseren Stationen ständig erzeugte. Ich nenne ihn heute<br />

Herrn Z. – Herr Z. kam als süchtiger Betrüger; Diagnose: Borderline-<br />

Persönlichkeitsorganisation; vermindert schuldfähig wegen des süchti-<br />

gen Betrügens. Er hatte seine Firma, die er klug Traumschiff der Geträn-<br />

ke genannt hatte, auf Sand gesetzt – miserabel gewirtschaftet und sich<br />

verschuldet. In seiner Geld-Not hatte er Getränke geordert, die Flaschen<br />

geleert und den Pfand irgendwo kassiert, um etwas in der Kasse zu ha-<br />

ben. Er scheiterte mit seiner Firma mächtig. Aber das ernüchterte ihn<br />

nicht. Er war der Mann ständiger neuer Projekte, mit denen er uns be-<br />

schäftigte und buchstäblich auf Trab hielt.<br />

Die Geschichten der Behandlungs-Erfahrungen mit ihm sind zu schön,<br />

um nicht erzählt zu werden. Sie müssen sich einen jungen Mann Mitte<br />

Zwanzig vorstellen, etwas füllig, zwei Meter sechs Zent<strong>im</strong>eter groß,<br />

blond, eloquent, um keine Antwort verlegen, Mönchengladbacher Idiom<br />

und Singsang - hochintelligent. Es war eine Intelligenz, die gängige In-<br />

telligenzverfahren nicht erfassen. Ich hatte ihn mit einem einschlägigen,<br />

bewährten Verfahren getestet. Danach hatte er einen durchschnittlichen<br />

IQ von guten 100 Punkten. Seine Intelligenz würde ich als eine manipu-<br />

lative Intelligenz bezeichnen, deren Fähigkeit darin besteht, auf Grund<br />

einer enormen inneren Alarmiertheit, die aus frühen subtilen, aber mas-

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