VI. Lösungs- und Verbesserungsvorschläge - Aufschwung alt
VI. Lösungs- und Verbesserungsvorschläge - Aufschwung alt VI. Lösungs- und Verbesserungsvorschläge - Aufschwung alt
Böhm.doc Anzahl der Seiten: 25 Fachtagung „FreiMut“ Donnerstag, 22.3.2007, München, Eching Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen Horst Böhm Direktor des Amtsgerichts Straubing
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Böhm.doc<br />
Anzahl der Seiten: 25<br />
Fachtagung „FreiMut“<br />
Donnerstag, 22.3.2007, München, Eching<br />
Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender<br />
Maßnahmen<br />
Horst Böhm<br />
Direktor des Amtsgerichts Straubing
Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
__________________________________________________________<br />
Inh<strong>alt</strong>sverzeichnis<br />
I. Gesellschaftliche Bedeutung des Themas.......................................................... 4<br />
II. Humanere Alternativen fordern nicht nur der Anstand, sondern auch das<br />
Gesetz .................................................................................................................... 7<br />
III. Welche Probleme gibt es zu besprechen? ....................................................... 8<br />
IV. Gr<strong>und</strong>legende rechtliche Fragen bei freiheitsentziehenden Maßnahmen..... 10<br />
A. Wann liegen freiheitsentziehende Maßnahmen vor?.................................. 10<br />
a. Ist der Betroffene einwilligungsfähig? ..................................................... 10<br />
b. Exkurs: Reichweite einer „Patientenverfügung“ für freiheitsentziehende<br />
Maßnahmen? ................................................................................................ 11<br />
c. Freiheitsentziehung bei bewegungsunfähigen Menschen? ...................... 13<br />
d. Nachh<strong>alt</strong>igkeit der freiheitsentziehenden Maßnahme.............................. 13<br />
B. Die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen der Genehmigung<br />
freiheitsentziehender Maßnahmen nach § 1906 BGB..................................... 14<br />
a. Die Maßnahme muss dem Wohl des Betreuten dienen............................ 14<br />
b. Psychische Krankheit, geistige oder seelische Behinderung ................... 15<br />
V. Gr<strong>und</strong>züge des vorm<strong>und</strong>schaftsgerichtlichen Verfahrens bei<br />
freiheitsentziehenden Maßnahmen...................................................................... 16<br />
A. Eil- <strong>und</strong> Notmaßnahmen............................................................................. 16<br />
B. Bedürfnis für freiheitsentziehende Maßnahmen ist absehbar..................... 16<br />
a. Es ist noch kein Betreuer bestellt ............................................................. 16<br />
b. Betreuer wurde bereits bestellt................................................................. 17<br />
c. Eine Vorsorgevollmacht liegt vor ............................................................ 17<br />
d. Verfahrensablauf ...................................................................................... 17<br />
V. Rechtliche Rahmenbedingungen für die Prüfung von Alternativen .............. 18<br />
A. Einheitliche Rechtsprechung fehlt .............................................................. 18<br />
B. Beispiel: Videoüberwachung ...................................................................... 18<br />
C. Maßnahmen ohne Eingriffscharakter.......................................................... 19<br />
D. Maßnahmen gegen den Willen des Betroffenen, aber ohne<br />
freiheitsentziehenden Charakter ...................................................................... 19<br />
E. Maßnahmen, die freiheitsentziehenden Charakter haben, aber eine milderes<br />
oder menschenwürdigeres Vorgehen ermöglichen.......................................... 20<br />
F. Reichweite des Gr<strong>und</strong>satzes der Verhältnismäßigkeit ................................ 20<br />
G. Grenzen des Gr<strong>und</strong>satzes der Verhältnismäßigkeit.................................... 21<br />
H. Das mildere Mittel muss möglich, insbesondere finanzierbar sein............ 22<br />
<strong>VI</strong>. <strong>Lösungs</strong>- <strong>und</strong> <strong>Verbesserungsvorschläge</strong>....................................................... 23<br />
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Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
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Einleitung<br />
Wer acht Jahre als Richter ein betreuungsrechtliches Referat bearbeitet hat, ist<br />
etwas verdächtig. Der Betreuungsrichter an sich wird ja schon von den eigenen<br />
Kollegen gelegentlich etwas herablassend behandelt. Sein Ansehen gegenüber<br />
den klassischen Zivil- <strong>und</strong> Strafreferaten lässt zu wünschen übrig. In der<br />
Öffentlichkeit wiederum begegnet man diesen Richtern, die sich, nur mit einem<br />
Diktiergerät <strong>und</strong> einem grünen Akt ausgestattet, in Alten- <strong>und</strong> Pflegeheimen,<br />
Krankenhäusern <strong>und</strong> psychiatrischen Abteilungen herumtreiben, manchmal auch<br />
mit Skepsis, weil sie ohne Robe ihre Arbeit verrichten. Trotzdem schätze ich<br />
diese verantwortungsvolle Tätigkeit, bei der man ja nicht nur über<br />
Vermögensverw<strong>alt</strong>ung <strong>und</strong> Heimkosten, sondern auch über massive<br />
Zwangsmaßnahmen, Amputationen, Sterilisation <strong>und</strong> ähnliches zu entscheiden<br />
hat, im Extremfall sogar über lebenserh<strong>alt</strong>ende Maßnahmen.<br />
Gestatten Sie mir, dass ich vorab rechtspolitische Werbung in eigener Sache<br />
betreibe mit folgender Forderung:<br />
Wir müssen in erster Linie Betreuungen verhindern!<br />
Warum stellt ein Betreuungsrichter die Forderung auf, Betreuungen zu<br />
verhindern? Bringt er damit das Rechtsinstitut nicht ohne Not in Misskredit?<br />
Müsste er nicht, wenn er „pro domo“ spricht, eigentlich für Betreuungen<br />
werben. In der Tat wurde mit dem Betreuungsgesetz 1992 ein wirksames<br />
gesetzliches Instrumentarium eingeführt, um die Vertretung einer Person zu<br />
gewährleisten, die aufgr<strong>und</strong> einer psychischen Krankheit oder einer<br />
körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz<br />
oder teilweise nicht mehr besorgen kann. Darauf können sowohl der<br />
Gesetzgeber, aber auch diejenigen, die das Gesetz umgesetzt haben –<br />
Betreuungsbehörden, Betreuer, Betreuungsvereine, Pflegekräfte, Ärzte <strong>und</strong> auch<br />
die Betreuungsrichter - stolz sein.<br />
Zwischenzeitlich hat sich aber die Zahl der Betreuungen nahezu verdoppelt <strong>und</strong><br />
ist auf 1.198.373 1 angewachsen. Die Zahl der unterbringungsähnlichen<br />
Maßnahmen ist in den letzten fünf Jahren um sage <strong>und</strong> schreibe 60% gestiegen<br />
von 52.536 auf 83.781genehmigte Fälle. Die dadurch entstehenden Kosten sind<br />
enorm. Im Jahr 2005 wurden allein für Betreuervergütungen <strong>und</strong><br />
Aufwendungsersatz aus der Staatskasse 437.304.586 € bezahlt 2 . Trotzdem kann<br />
man mit Fug <strong>und</strong> Recht feststellen, dass die Einführung der Betreuung eine der<br />
letzten großen Reformen war, die der Staat ernsthaft, d.h. auch mit<br />
1 B<strong>und</strong>esministerium der Justiz, Justizstatistik; Deinert, Betreuungszahlen 2005, BtPrax 2007 Heft 1<br />
2 Deinert a.a.O.<br />
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Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
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entsprechendem finanziellen Aufwand umgesetzt hat. Je mehr aber die<br />
öffentlichen Haush<strong>alt</strong>e belastet werden, umso größer wird die Gefahr, dass<br />
Einsparungen vorgenommen werden, die an die rechtsstaatliche Substanz gehen.<br />
Deshalb sollten wir uns alle bemühen, rechtzeitig sinnvolle Alternativen zu<br />
nutzen, wenn dadurch gespart werden kann oder gesetzliche Betreuungen<br />
verhindert bzw. auf das notwendige Maß reduziert werden können.<br />
Die Forderung muss daher vollständig lauten, Betreuungen verhindern, damit<br />
Gerichte <strong>und</strong> Betreuungsbehörden mehr Zeit haben für eine umfassendere <strong>und</strong><br />
intensivere Prüfung der freiheitsentziehenden Maßnahmen.<br />
Neben der Werbung für ehrenamtliche Betreuung sollte die sog.<br />
Vorsorgevollmacht an erster Stelle stehen. Generell muss sich jeder über eine<br />
derartige Vorsorge Gedanken machen. Ärzte, Richter <strong>und</strong> Mitarbeiter in den<br />
Heimen können dabei als Multiplikatoren dienen. Wenn wir anstelle der<br />
überwiegend nutzlosen neun Millionen Patientenverfügungen ebenso viele<br />
Vorsorgevollmachten hätten, würde dies allen zu Gute kommen. Der große<br />
Vorteil der Vorsorgevollmacht besteht darin, dass man sich ein sehr<br />
bürokratisch anmutendes Verfahren erspart, seinen Willen durchsetzt <strong>und</strong> die<br />
eigenen Wertvorstellungen langfristig realisieren kann. Wie kann ich mich<br />
informieren <strong>und</strong> welche Formulare gibt es?<br />
Der Markt ist unübersichtlich. Am verbreitesten ist wohl die Broschüre<br />
„Vorsorge für Unfall, Krankheit <strong>und</strong> Alter“.<br />
Zu finden auf der Homepage des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz<br />
unter www.justiz.bayern.de/buergerservice/broschüren oder im Buchhandel,<br />
Beck-Verlag, für 3,90 € zu erwerben.<br />
I. Gesellschaftliche Bedeutung des Themas<br />
Bevor man sich Gedanken über ein Problem macht, sollte man sich über seinen<br />
Stellenwert in der Gesellschaft klar werden. In den Medien wird das<br />
Betreuungsrecht natürlich nur wahrgenommen, wenn Probleme oder Skandale<br />
ruchbar werden. Dazu willkürlich ein paar aktuelle Presseberichte:<br />
a. Ein reißerischer Artikel im Spiegel 3 über eine Frau, die durch Bauchgurt <strong>und</strong><br />
Bettgitter vor einem großen körperlichen Schaden bewahrt worden wäre. „Seit<br />
Jahren kämpft ein inzwischen 92-jähriger Mann um die Würde seiner Frau <strong>und</strong><br />
gegen die Zustände in Pflegeheimen. Sie stürzte so oft, bis sie ins Koma fiel.<br />
Der Fall beleuchtet die Lage der 650.000 Heimbewohner <strong>und</strong> zeigt die<br />
Hilflosigkeit einer älter werdenden Gesellschaft.“ In Wahrheit war Folgendes<br />
3 Heft 52, 2006 S. 72 „Der freie Wille“<br />
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Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
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vorgefallen: Eine manisch-depressive ältere Frau stürzte mehrmals <strong>und</strong> liegt<br />
jetzt tragischerweise im Koma. Die Genehmigung geplanter<br />
Fixierungsmaßnahmen wurde vom Vorm<strong>und</strong>schaftsgericht abgelehnt, da die<br />
Betroffene angeblich einwilligungsfähig war. Ein völlig untypischer Fall, der<br />
aber <strong>alt</strong>bekannte Ängste <strong>und</strong> Vorurteile schürt.<br />
b. Einer Pressemitteilung des MDK (Medizinischer Dienst der<br />
Krankenversicherung in Bayern) vom 9.3.2007 entnehme ich die die prägnante<br />
Schlagzeile „Tödliche Fesseln“, Pflegekritiker Claus Fussek wirft Richtern <strong>und</strong><br />
Politikern vor, sich zu wenig für Patienten einzusetzen, die ans Bett gefesselt<br />
werden. Zitat: „Ich vermisse einen Aufschrei, wenn immer wieder Menschen<br />
sterben, weil sie fixiert wurden“.<br />
c. Immer wieder hören wir Reportagen über tödliche Unfälle bei der<br />
Anwendung von unterbringungsähnlichen Maßnahmen. Auf die interessanten<br />
<strong>und</strong> aufrüttelnden Ausführungen meiner Vorrednerin darf ich verweisen 4 .<br />
d. Die „Welt.de“ titelt am 31.1.2007 „Neue Regeln für den Persilschein ins<br />
Jenseits“. Es geht dabei um das leidige Thema der Patientenverfügung, die einer<br />
gesetzlichen Regelung zugeführt werden soll. Patientenverfügungen können sich<br />
übrigens auch mit freiheitsentziehenden Maßnahmen beschäftigen. Allerdings<br />
ergehen sich die meisten Autoren lieber in sinnlosen Allgemeinplätzen wie „ich<br />
will in Würde <strong>und</strong> ohne Qualen sterben“, als dass sie sich mit unserer<br />
interessanten Materie beschäftigen.<br />
In diesen gesellschaftspolitisch brisanten Problemfeldern tragen Ärzte, Richter,<br />
Betreuer, Betreuungsbehörden, Heimaufsicht oder Pflegekräfte eine enorme<br />
Verantwortung, da sie die Notwendigkeit <strong>und</strong> die Probleme<br />
freiheitsentziehender Maßnahmen im Rahmen ihrer Tätigkeit am ehesten<br />
verspüren. Aber auch weil sie gefragt werden, ob die eine oder andere<br />
Maßnahme aus ihrer Sicht geboten <strong>und</strong> was zu tun ist, damit etwa<br />
freiheitsentziehende Maßnahmen rechtmäßig abgewickelt werden.<br />
Strafrechtlich <strong>und</strong> zivilrechtlich müssen sich unter Umständen alle Beteiligten<br />
fragen lassen, ob sie alles getan haben, um Selbstgefährdungen der Patienten,<br />
Verwahrlosung, Verletzungen, wie z.B. massive Dekubitusschäden in den<br />
Heimen, Sturzereignisse, Austrocknung oder tödliche Unfälle zu vermeiden.<br />
Absolutes Sicherheitsdenken ist dabei ebenso wenig angesagt wie „laissez<br />
faire“. Ein verschnürtes menschliches Pflegepaket mit Bauchgurt, Bettgitter,<br />
4<br />
Univ.-Prof. Dr. Berzlanovich Andrea, Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München<br />
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Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
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PEG-Sonde <strong>und</strong> Windel ist zwar kaum mehr sturzgefährdet, aber ein derart<br />
erbärmlicher Zustand ohne jede Lebensqualität kann nur ultima ratio sein,<br />
ebenso wie ein unkontrolliertes Gewähren lassen.<br />
Die Angst vor einer Haftung oder gar einer strafrechtlichen Verfolgung ist<br />
häufig unbegründet <strong>und</strong> sollte uns nicht abschrecken. Die Gerichte akzeptieren,<br />
dass die Abwägung zwischen der Menschenwürde <strong>und</strong> dem Freiheitsrecht des<br />
<strong>alt</strong>en <strong>und</strong> hilflosen Menschen <strong>und</strong> der Pflicht, sein Leben <strong>und</strong> seine Ges<strong>und</strong>heit<br />
zu schützen, sehr schwierig ist <strong>und</strong> einer sorgfältigen Abwägung bedarf, wobei<br />
keine generelle Aussage getroffen werden kann, sondern immer die Umstände<br />
des Einzelfalles entscheidend sind. Bei diesen schwierigen Entscheidungen<br />
verbleibt immer ein erheblicher Beurteilungsspielraum. Solange die<br />
Entscheidung so abwägend getroffen wurde, hält sie sich im Rahmen des<br />
Vertretbaren <strong>und</strong> kann nicht nachträglich, wegen eines von niemandem<br />
gewollten Unfalls, „mit dem Stempel der Pflichtwidrigkeit versehen werden“. 5<br />
Maßstab unseres Handelns muss dabei immer die Menschenwürde gem. Art. 1<br />
GG bzw. Art. 100 BayVerf 6 <strong>und</strong> das Wohl der Betreuten gem. § 1901 Abs. 2 S.<br />
1 BGB sein. Deshalb sind Qualitätsmanagement, Aus- <strong>und</strong> Fortbildung, die<br />
Suche nach <strong>alt</strong>ernativen Lösungen <strong>und</strong> die Kommunikation zwischen den<br />
Beteiligten erforderlich.<br />
Als ersten <strong>und</strong> wichtigsten <strong>Lösungs</strong>ansatz möchte ich Ihnen Folgendes<br />
voranstellen: Es geht um ein Miteinander, aber auch um die klare Verteilung der<br />
Aufgaben <strong>und</strong> Kompetenzen. Betroffener, Betreuer, Bevollmächtigter,<br />
Betreuungsbehörden, Heimaufsicht, Pflegepersonal müssen bewusst ihren Part<br />
übernehmen <strong>und</strong> Verantwortung tragen, aber auch die rollenspezifische<br />
Fachkompetenz einbringen.<br />
Lassen Sie mich als Beispiel für die Verteilung der Kompetenzen die<br />
Anwendung eines Bettgitters benutzen:<br />
Nicht das Heim ordnet an, nicht das Vorm<strong>und</strong>schaftsgericht <strong>und</strong> nicht der<br />
behandelnde Arzt. Der Satz die „Einweisung erfolgte auf Anordnung des<br />
Hausarztes“ war <strong>und</strong> ist für mich alltägliches nicht auszurottendes Ärgernis.<br />
Der Betroffene oder im Falle der Einwilligungsunfähigkeit der Bevollmächtigte<br />
oder Betreuer ist die entscheidende Person. Er ist zu informieren, er muss<br />
beraten <strong>und</strong> aufgeklärt werden <strong>und</strong> seine Entscheidung muss eingeholt werden.<br />
Selbstverständlich ist dann auch das Gericht einzubinden <strong>und</strong> zu informieren.<br />
5<br />
OLG Koblenz NJW-RR 2002, 867; LG Kiel VersR 2004, 619<br />
6<br />
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten <strong>und</strong> zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen<br />
Gew<strong>alt</strong>.“<br />
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Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
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Der Arzt legt die Gefahren <strong>und</strong> Risiken aus seiner Sicht dar, das Pflegepersonal<br />
informiert über relevante Sachverh<strong>alt</strong>e, der Betreuer entscheidet <strong>und</strong> das<br />
Gericht prüft <strong>und</strong> genehmigt.<br />
II. Humanere Alternativen fordern nicht nur der Anstand,<br />
sondern auch das Gesetz<br />
Achtung der Menschenwürde, körperliche Unversehrtheit <strong>und</strong> Freiheit schützen<br />
natürlich in erster Linie die Verfassungen, also das Gr<strong>und</strong>gesetz <strong>und</strong> die<br />
Bayerische Verfassung.<br />
Dazu Origin<strong>alt</strong>on B<strong>und</strong>esverfassungsgericht 7 :<br />
„Die Freiheit der Person ist unverletzlich (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG). In<br />
diese Freiheit darf gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG nur aufgr<strong>und</strong> eines<br />
förmlichen Gesetzes eingegriffen werden. Diese Freiheitsgarantie des<br />
Art. 2 Abs. 2 GG hat besonderes Gewicht. Die Freiheit des Einzelnen<br />
darf nur in einem mit wesentlichen formellen Garantien ausgestatteten<br />
Verfahren entzogen werden. ….<br />
Die Freiheit der Person ist ein so hohes Rechtsgut, daß sie nur aus<br />
besonders gewichtigem Gr<strong>und</strong> angetastet werden darf. … Die<br />
Einschränkung dieser Freiheit ist daher stets der strengen Prüfung am<br />
Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen.“<br />
In zahlreichen einfachgesetzlichen Regelungen werden diese<br />
verfassungsrechtlichen Vorgaben konkretisiert <strong>und</strong> damit letztlich auch zum<br />
Maßstab für die rechtlichen Beziehungen z.B. zwischen Heim <strong>und</strong> Bewohner.<br />
§ 11 SGB XI regelt z.B. die Rechte <strong>und</strong> Pflichten der Pflegeeinrichtungen. Dort<br />
heißt es „die Pflegeeinrichtungen pflegen, versorgen <strong>und</strong> betreuen die<br />
Pflegebedürftigen, die ihre Leistungen in Anspruch nehmen, entsprechend dem<br />
allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse. Inh<strong>alt</strong> <strong>und</strong><br />
Organisation der Leistungen haben eine humane <strong>und</strong> aktivierende Pflege unter<br />
Achtung der Menschenwürde zu gewährleisten.<br />
Die Pflegekassen wiederum sind nach § 12 für die Sicherstellung der<br />
pflegerischen Versorgung ihrer Versicherten verantwortlich. Sie arbeiten dabei<br />
7 B. v. 23.3.1982, BvR 2270/96<br />
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Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
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mit allen an der pflegerischen, ges<strong>und</strong>heitlichen <strong>und</strong> sozialen Versorgung<br />
Beteiligten eng zusammen <strong>und</strong> wirken darauf hin, dass Mängel der<br />
pflegerischen Versorgungsstruktur beseitigt werden.<br />
Ferner sei verwiesen auf die Forderung des § 11 HeimG, wonach ein Heim nur<br />
betrieben werden darf, wenn der Träger <strong>und</strong> die Leitung die Würde sowie die<br />
Interessen <strong>und</strong> Bedürfnisse der Bewohnerinnen <strong>und</strong> Bewohner vor<br />
Beeinträchtigungen schützen, die Selbständigkeit, die Selbstbestimmung <strong>und</strong> die<br />
Selbstverantwortung der Bewohnerinnen <strong>und</strong> Bewohner wahren <strong>und</strong> fördern,<br />
insbesondere bei behinderten Menschen die sozialpädagogische Betreuung <strong>und</strong><br />
heilpädagogische Förderung sowie bei Pflegebedürftigen eine humane <strong>und</strong><br />
aktivierende Pflege unter Achtung der Menschenwürde gewährleisten.<br />
Dann § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Heimgesetzes, der bestimmt, dass es Zweck des<br />
Gesetzes ist, die Würde sowie die Interessen <strong>und</strong> Bedürfnisse der<br />
Bewohnerinnen <strong>und</strong> Bewohner von Heimen vor Beeinträchtigungen zu<br />
schützen.<br />
Schlussendlich verpflichtet § 2 Abs. 1 Nr. 5 HeimG die Einrichtungen auch<br />
„ihre Leistungen nach dem jeweils allgemein anerkannten Stand fachlicher<br />
Erkenntnisse zu erbringen“. Dazu gehört z.B. die Reaktion auf eine<br />
hervorgetretene Sturzgefährdung 8 <strong>und</strong> dann natürlich auch die ausreichende<br />
Prüfung gangbarer humanerer Alternativen.<br />
Es fehlt also nicht an hehren, in Gesetzesform gegossenen Programmsätzen.<br />
Allein mir fehlt der Glaube, dass dies in unserer Gesellschaft genügt.<br />
Auch bleibt zu hoffen, dass das neue Bayerische Heimgesetz, dessen Eckpunkte<br />
das Kabinett am 13.3.2007 verabschiedet hat, diesen Ansprüchen weiterhin<br />
gerecht wird.<br />
III. Welche Probleme gibt es zu besprechen?<br />
1) Gr<strong>und</strong>legende rechtliche Fragen bei freiheitsentziehenden Maßnahmen<br />
2) Gr<strong>und</strong>züge des vorm<strong>und</strong>schaftsgerichtlichen Verfahrens bei<br />
freiheitsentziehenden Maßnahmen<br />
3) Rechtliche Rahmenbedingungen für die Prüfung von Alternativen<br />
4) <strong>Lösungs</strong>- <strong>und</strong> <strong>Verbesserungsvorschläge</strong><br />
8 vgl. BGH, Urt. v. 14.7.2005 – III ZR 391/04<br />
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Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
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Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
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IV. Gr<strong>und</strong>legende rechtliche Fragen bei freiheitsentziehenden<br />
Maßnahmen<br />
A. Wann liegen freiheitsentziehende Maßnahmen vor?<br />
Entziehen kann man die Freiheit schon begrifflich nur gegen den Willen eines<br />
Menschen. Bei einer Einwilligung liegt daher keine Freiheitsentziehung vor. Der<br />
Rechtsgr<strong>und</strong>satz „volenti non fit iniuria“ besagt, dass bei Vorliegen einer<br />
wirksamen Einwilligung keine rechtliche Beeinträchtigung vorliegt. Die erste<br />
Frage muss dann aber lauten:<br />
a. Ist der Betroffene einwilligungsfähig?<br />
Die Frage, ob Handlungen eines von der üblichen Norm des ges<strong>und</strong>en<br />
Erwachsenen abweichenden Menschen rechtsverbindlich sind, ist juristisches<br />
Alltagsgeschäft. Die Einwilligungsfähigkeit ist in ähnlicher Weise <strong>und</strong> doch mit<br />
Unterschieden zu definieren wie Geschäftsfähigkeit, Testierfähigkeit,<br />
Deliktsfähigkeit, Rechtsfähigkeit, Handlungsfähigkeit, Parteifähigkeit. Sie<br />
bezieht sich auf die Fähigkeit des Menschen, eigenverantwortlich über seine<br />
höchstpersönlichen Rechtsgüter entscheiden zu können. Zu diesen Rechtsgütern<br />
zählen vor allem die körperliche Unversehrtheit <strong>und</strong> die Bewegungsfreiheit.<br />
Der Mensch kann zunächst nur selbst über freiheitsentziehende Maßnahmen<br />
entscheiden. Eine gesetzliche Definition, ab wann dies nicht mehr der Fall ist,<br />
gibt es nicht. Nach der Rechtsprechung ist ein Mensch einwilligungsfähig,<br />
solange er in der Lage ist Art, Bedeutung, Tragweite <strong>und</strong> Folgen einer<br />
Maßnahme zu verstehen <strong>und</strong> fähig ist, seinen Willen frei zu bestimmen. Die<br />
Prüfung muss sich daher zunächst auf die Erkenntnisfähigkeit beziehen <strong>und</strong> falls<br />
diese bejaht werden kann, auf die Fähigkeit seinen Willen noch selbst zu bilden.<br />
Bei den freiheitsentziehenden Maßnahmen geht es konkret darum, ob die<br />
drohenden Sturzgefahren oder die Folgen der vorhandenen<br />
Orientierungslosigkeit noch richtig erfasst werden <strong>und</strong> mit den Folgen der<br />
Einschränkung der Bewegungsfreiheit abgewogen werden können. Bei <strong>alt</strong>en<br />
Menschen ist dabei der<br />
Übergang oft fließend <strong>und</strong> zum Teil stündlich schwankend.<br />
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Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
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Zu akzeptieren sind dabei auch unsinnige Entscheidungen, die etwa durch eine<br />
radikale Ideologie oder religiöse Einstellung geprägt sind. Beispiel: Weigerung,<br />
sich Blut übertragen zu lassen oder bestimmte Medikamente einzunehmen.<br />
Dabei ist immer eines zu berücksichtigen: Die Einwilligung ist stets widerruflich<br />
<strong>und</strong> zwar formfrei <strong>und</strong> auch durch schlüssiges Handeln. Ein schlichtes Nein oder<br />
eine Abwehrh<strong>alt</strong>ung beenden die Einwilligung <strong>und</strong> die Rechtmäßigkeit der<br />
freiheitsbeschränkenden Maßnahme. Für diesen Widerruf kommt es nur auf den<br />
natürlichen Willen an <strong>und</strong> nicht mehr auf die Einwilligungsfähigkeit.<br />
Fazit: Auch der einwilligungsunfähige Mensch kann eine früher wirksam erteilte<br />
Genehmigung für einen Bauchgurt etc. widerrufen.<br />
b. Exkurs: Reichweite einer „Patientenverfügung“ für<br />
freiheitsentziehende Maßnahmen?<br />
Konsequenterweise stellt sich dann natürlich die Frage, ob ich mit meiner<br />
Entscheidung überhaupt verbindliche Festlegungen für die Zukunft treffen kann.<br />
Kann ich heute erklären, dass ich für den Fall der Einwilligungsunfähigkeit<br />
keine freiheitsentziehenden Maßnahmen wünsche oder dass ich in bestimmte<br />
Maßnahmen, wie etwa Bettgitter <strong>und</strong> Bauchgurt evtl. sogar unwiderruflich<br />
einwillige?<br />
Jeder wird mir wohl zustimmen, dass ich einer Fixierung der Extremitäten z.B.<br />
für den Fall postoperativer Unruhezustände nach entsprechender Aufklärung vor<br />
der Operation zustimmen kann. Das Gesetz sieht zudem in den §§ 1906 Abs. 4<br />
<strong>und</strong> 1906 Abs. 5 BGB vor, dass ich einem anderen eine Vollmacht für<br />
höchstpersönliche Entscheidungen erteilen kann, wobei aber der<br />
Bevollmächtigte zusätzlich eine vorm<strong>und</strong>schaftsgerichtliche Genehmigung<br />
benötigt. Allerdings entscheidet er über die Maßnahmen <strong>und</strong> ich kann bindend<br />
festlegen, dass genau diese Person für mich entscheidet, wenn ich selbst nicht –<br />
mehr – einwilligen kann.<br />
Muss es dann nicht konsequenterweise doch möglich sein, selbst bindend für die<br />
Zukunft zu entscheiden?<br />
Kann man also etwa – vielleicht sogar unwiderruflich – im Heimvertrag sein<br />
Einverständnis mit einem Bettgitter erklären <strong>und</strong> zwar auch für den Fall, dass<br />
Einwilligungsunfähigkeit eintreten sollte?<br />
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Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
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Eine – negative - Antwort ergibt sich aus der Definition der Freiheitsentziehung.<br />
Die Freiheitsentziehung setzt begrifflich voraus, dass sie gegen oder ohne den<br />
Willen erfolgt. Erfolgt die freiheitsentziehende Maßnahme (FeM) gegen den<br />
Willen des Betroffenen, dann muss von einem Widerruf der Einwilligung<br />
ausgegangen werden. Da es sich um höchstpersönliche Rechtsgüter handelt,<br />
geht man allgemein davon aus, dass man auf sie nicht unwiderruflich verzichten<br />
kann, so dass, wie geschildert, jede Form des Protests gegen die FeM einen<br />
Widerruf darstellt. Die Einwilligung reicht daher nur solange bis mit<br />
„natürlichem Willen“ der Wunsch nach Beendigung der FeM zum Ausdruck<br />
gebracht wird.<br />
Ist der Betroffene nicht mehr in der Lage, einen natürlichen Willen zum<br />
Ausdruck zu bringen, d.h. es sind ihm keine gewillkürten Bewegungen mehr<br />
möglich, dann handelt es sich nicht mehr um freiheitsentziehende Maßnahmen,<br />
sondern nur noch um therapeutische Sicherungsmittel.<br />
Bei einer Operation mit postoperativen Unruhezuständen geht es dagegen um<br />
eine konkret vorhersehbare Situation, die sich zeitnah realisiert <strong>und</strong> vom<br />
Einwilligenden vorhergesehen werden kann. Dann wird man nicht mehr von<br />
einem Verzicht auf höchstpersönliche Rechtsgüter sprechen können, sondern um<br />
eine zulässige Gest<strong>alt</strong>ung.<br />
Kann man vielleicht umgekehrt die Unterbringung oder unterbringungsähnliche<br />
Maßnahmen ausschließen? Wäre es denkbar, dass man verbindlich auch für den<br />
Fall der Einwilligungsunfähigkeit erklärt, dass ein Bauchgurt im Bett nicht<br />
angebracht werden darf <strong>und</strong> man das Sturzrisiko auf sich nehme?<br />
Bei der Patientenverfügung wird dies bejaht <strong>und</strong> man kann jede Form der<br />
ärztlichen Behandlung verbieten, auch wenn man sich dadurch in erhebliche, ja<br />
sogar tödliche Gefahr begibt. Allerdings muss in dem Fall, dass<br />
Einwilligungsunfähigkeit eintritt, immer ein Betreuer bestellt werden. Sobald er<br />
bestellt ist, kommt es nur auf seine Entscheidung an. Im Gegensatz zur Freiheit<br />
des Einzelnen, auch unvernünftige Entscheidungen zu treffen, ist aber der<br />
Betreuer geb<strong>und</strong>en. Zum einen durch § 1901 Abs.1 BGB, wonach der Betreuer<br />
den Wünschen des Betreuten zu entsprechen hat, aber nur soweit dies dessen<br />
Wohl nicht zuwiderläuft <strong>und</strong> dem Betreuer zuzumuten ist. Aufgr<strong>und</strong> seiner<br />
Garantenstellung ist der Betreuer auch noch verpflichtet, Schaden von dem<br />
Betreuten abzuwenden. Im Ergebnis kann man daher davon ausgehen, dass man<br />
nur sehr eingeschränkt Entscheidungen für die Zukunft treffen kann.<br />
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Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
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Bei einer einwilligungsunfähigen Person muss daher die Legitimation der<br />
Beschränkung der Freiheit aus einer gesetzlichen Norm hergeleitet werden.<br />
Neben strafrechtlichen <strong>und</strong> öffentlichrechtlichen Eingriffsbefugnissen ist vor<br />
allem<br />
§ 1906 BGB zu prüfen.<br />
c. Freiheitsentziehung bei bewegungsunfähigen Menschen?<br />
Eine Freiheitsentziehung liegt also dann nicht vor, wenn der Betroffene wirksam<br />
einwilligt. Dies gilt aber auch bei dem anderen Extrem, dass der Betroffene<br />
nicht nur einwilligungsunfähig ist, sondern auch keine gewillkürten<br />
Bewegungen mehr ausführen kann. Die früher häufig verwendete Formulierung,<br />
eine freiheitsentziehende Maßnahme liege nicht vor, wenn der Betroffene nicht<br />
mehr „geh- <strong>und</strong> stehfähig“ sei, ist nicht aussagekräftig, um nicht zu sagen falsch.<br />
Schließlich könnte man dann jeden gelähmten Rollstuhlfahrer einsperren <strong>und</strong> in<br />
seiner Freiheit beschränken. Ferner ist wohl auch derjenige schutzwürdig, der<br />
sein Bett oder den Rollstuhl verlassen <strong>und</strong> auf allen Vieren davon kriechen will.<br />
Es wird daher zu prüfen sein, ob jemand noch gewillkürte Bewegungen<br />
durchführen kann. Dabei muss wiederum auf den natürlichen Willen abgestellt<br />
werden, so dass jede Abwehr- oder Fluchthandlung erfasst wird 9 . Keine<br />
freiheitsentziehende Maßnahme liegt etwa dann vor, wenn der Gurt am Stuhl<br />
nur dazu dient, ein schwerkraftbedingtes Abrutschen zu verhindern oder wenn<br />
der Bewohner völlig bewegungsunfähig ist. Jeder noch so schwache Versuch<br />
aufzustehen, der durch einen Gurt verhindert wird, ist eine Freiheitsentziehung.<br />
d. Nachh<strong>alt</strong>igkeit der freiheitsentziehenden Maßnahme<br />
Bei den unterbringungsähnlichen Maßnahmen gilt zusätzlich gem. § 1906 Abs.<br />
4 BGB die vom Gesetz vorgegebene Einschränkung, dass es sich um eine<br />
Maßnahme handeln muss, die über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig<br />
durchgeführt werden soll <strong>und</strong> zwar in einem Heim, einer Anst<strong>alt</strong> oder sonstigen<br />
Einrichtung. Das heißt zum einen, dass FeM im häuslichen Bereich weiterhin in<br />
einem Graubereich ablaufen <strong>und</strong> nicht über § 1906 zu behandeln sind.<br />
Ein längerer Zeitraum wird wohl bei Überschreiten der 24 St<strong>und</strong>en anzunehmen<br />
sein. § 128 StPO fordert z.B. eine richterliche Entscheidung mit Ablauf des auf<br />
die Festnahme folgenden Tages. Dies dürfte ein Grenzwert auch für unseren<br />
9 OLG Hamm BtPrax 93, 172<br />
- 13 -
Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
__________________________________________________________<br />
Bereich darstellen. Regelmäßigkeit wird schließlich zu bejahen sein, wenn in<br />
absehbarer Zeit mit dem erneuten Eintritt der Krisensituation zu rechnen ist.<br />
Vorher ist aber nur die vorm<strong>und</strong>schaftsgerichtliche Genehmigung entbehrlich,<br />
nicht aber die Rechtsgr<strong>und</strong>lage, die zum einen in § 1906 Abs. 4 BGB („wenn<br />
mit dem Aufschub Gefahr verb<strong>und</strong>en ist; die Genehmigung ist unverzüglich<br />
nachzuholen“) für den Betreuer gesehen werden kann <strong>und</strong> im Übrigen muss auf<br />
die Regeln des Notstands bzw. der Nothilfe abgestellt werden.<br />
B. Die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen der Genehmigung<br />
freiheitsentziehender Maßnahmen nach § 1906 BGB<br />
Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit<br />
Freiheitsentziehung verb<strong>und</strong>en ist, ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des<br />
Betreuten erforderlich ist, weil<br />
1. auf Gr<strong>und</strong> einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen<br />
Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder<br />
erheblichen ges<strong>und</strong>heitlichen Schaden zufügt, oder weil<br />
2. eine Untersuchung des Ges<strong>und</strong>heitszustands, eine Heilbehandlung oder ein<br />
ärztlicher Eingriff notwendig ist, ohne die Unterbringung des Betreuten nicht<br />
durchgeführt werden kann <strong>und</strong> der Betreute auf Gr<strong>und</strong> einer psychischen<br />
Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der<br />
Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.<br />
a. Die Maßnahme muss dem Wohl des Betreuten dienen<br />
Sturzgefahr oder Verhindern des orientierungslosen Umherirrens in<br />
gefahrengeneigter Umgebung sind Paradebeispiele. FeM zum Wohl oder Schutz<br />
anderer sind dagegen nicht möglich. Allein die Verunsicherung oder die<br />
Gefährdung anderer Heimbewohner genügt nicht. Auf keinen Fall darf sie dazu<br />
dienen, den Betroffenen pflegeleicht zu machen, die Heimordnung zu sichern<br />
<strong>und</strong> so den Personalbedarf zu reduzieren. Dies zu erkennen, ist Aufgabe der<br />
Gerichte, Betreuer, Betreuungsbehörden, Verfahrenspfleger <strong>und</strong> der<br />
Heimaufsicht.<br />
Bei einer Gefährdung anderer Personen muss auf öffentlichrechtliche<br />
Unterbringungsmaßnahmen abgestellt werden. Äußerst bedenklich erscheint es<br />
mir, wenn ein aggressiver, abgebauter Alkoholiker in einer Station mit<br />
überwiegend senil dementen Personen untergebracht wird <strong>und</strong> diese<br />
- 14 -
Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
__________________________________________________________<br />
rücksichtslos behandelt, schlägt, bedrängt oder bestiehlt. Fehler in der<br />
Heimbelegung können nicht durch Unterbringungen, unterbringungsähnliche<br />
Maßnahmen oder sogar mit der Androhung oder Durchführung einer<br />
Unterbringung in der Psychiatrie ausgeglichen werden. Wer dies sehenden<br />
Auges toleriert, macht sich m.E. schadensersatzpflichtig <strong>und</strong> kann im Einzelfall<br />
auch strafrechtlich belangt werden. Soviel zum Wohl des Betreuten.<br />
b. Psychische Krankheit, geistige oder seelische Behinderung<br />
Diese Beeinträchtigungen genügen allerdings nur, wenn sie kausal sind für eine<br />
Gefahr der Selbsttötung oder einer erheblichen ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
Selbstschädigung oder eine erforderliche Untersuchung, Heilbehandlung oder<br />
ärztlicher Eingriff ohne Unterbringung nicht möglich ist <strong>und</strong> der Betreute dies<br />
krankheitsbedingt nicht erkennen oder danach handeln kann.<br />
Suizidgefahr allein genügt also nicht. Vielmehr muss sie krankheitsbedingt sein.<br />
Das Gleiche gilt für die Zufügung eines erheblichen ges<strong>und</strong>heitlichen Schadens.<br />
Besonders problematisch ist die Voraussetzung der zweiten Alternative, also die<br />
erforderliche Heilbehandlung. Das OLG Celle 10 hat vor kurzem geäußert, dass<br />
man einen Untergebrachten nicht gegen seinen Willen medikamentieren dürfe.<br />
§1906 enth<strong>alt</strong>e diesbezüglich keine Eingriffsnorm. Daraus hätte man den<br />
Schluss ziehen müssen, dass man in der Unterbringung zwangsweise keine<br />
Medikamente verabreichen darf. Somit wäre auch die Unterbringung nicht mehr<br />
länger möglich, wenn der Betreute die Einnahme der Medikamente verweigern<br />
würde. Davon hat sich jedoch der BGH 11 distanziert. Es wurden aber strenge<br />
Prüfungsvoraussetzungen festgelegt <strong>und</strong> aus dem<br />
Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz hergeleitet. Demnach muss der drohende<br />
Ges<strong>und</strong>heitsschaden stets gewichtig sein. Bei weniger schädlichen Folgen muss<br />
man das Recht des psychisch Kranken auf seine Krankheit respektieren. Für die<br />
Behandlung mit Medikamenten muss eine therapeutische Indikation bestehen<br />
<strong>und</strong> der mögliche therapeutische Nutzen der Behandlung muss mit den<br />
drohenden Ges<strong>und</strong>heitsschäden abgewogen werden unter Berücksichtigung der<br />
negativen psychischen Auswirkung der Unterbringung. In dem richterlichen<br />
Beschluss muss die Behandlung so präzis wie möglich angegeben werden. Bei<br />
der zwangsweisen Zuführung von Medikamenten muss deren Wirkstoff, die<br />
Dosierung <strong>und</strong> Häufigkeit der Abgabe angegeben werden.<br />
10 OLG Celle BtPrax 2005, 235<br />
11 BGHZ 166, 141; BtPrax 2006, 145<br />
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Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
__________________________________________________________<br />
V. Gr<strong>und</strong>züge des vorm<strong>und</strong>schaftsgerichtlichen Verfahrens bei<br />
freiheitsentziehenden Maßnahmen<br />
A. Eil- <strong>und</strong> Notmaßnahmen<br />
Bei einer unmittelbaren konkreten Gefahr, die anders nicht abwendbar ist,<br />
können <strong>und</strong> müssen die notwendigen Schutzmaßnahmen getroffen werden.<br />
Beispiele:<br />
Alkoholiker im Vollrausch, der dringend ärztlicher Behandlung bedarf <strong>und</strong><br />
alkoholbedingt einwilligungsunfähig ist, randaliert in der Klinik, schlägt um sich<br />
<strong>und</strong> will bei Minusgraden die Klinik barfüßig verlassen. Heimbewohner<br />
bekommt überraschend nachts Anfälle oder versucht im verwirrten Zustand<br />
aufzustehen <strong>und</strong> das Heim zu verlassen.<br />
Es handelt sich dabei immer um Fälle des dringenden Notstands, wobei die<br />
Gefahr eines erheblichen Ges<strong>und</strong>heitsschadens oder gar des tödlichen Ausgangs<br />
droht. Ist absehbar, dass sich derartige Zustände wiederholen, muss natürlich<br />
eine richterliche Entscheidung für zukünftige Fälle erholt werden.<br />
Auch die im Notfall zulässigen, aber länger andauernden Zwangsmaßnahmen<br />
müssen umgehend einer richterlichen Entscheidung zugeführt werden. Der<br />
Alkoholiker muss z.B. von der Polizei nach dem Unterbringungsgesetz in ein<br />
geschlossenes psychiatrisches Krankenhaus verbracht werden <strong>und</strong> die<br />
Heimleitung muss innerhalb von 24 St<strong>und</strong>en einen Antrag auf einstweilige<br />
Anordnung beim zuständigen Vorm<strong>und</strong>schaftsgericht stellen. Ist bereits ein<br />
Betreuer oder Bevollmächtigter vorhanden, muss dessen Entscheidung erholt<br />
werden.<br />
B. Bedürfnis für freiheitsentziehende Maßnahmen ist absehbar<br />
a. Es ist noch kein Betreuer bestellt<br />
Dem Vorm<strong>und</strong>schaftsgericht ist mitzuteilen, dass die Bestellung eines Betreuers<br />
<strong>und</strong> die eilige Anordnung unterbringungsähnlicher Maßnahmen erforderlich<br />
sind. Es sollte ein ärztliches Attest vorgelegt werden, aus dem sich die<br />
psychische Krankheit, geistige oder seelische Behinderung bzw. die körperliche<br />
Behinderung ergeben <strong>und</strong> die Notwendigkeit der konkreten Zwangsmaßnahme<br />
(Bettgitter, Bauchgurt etc.).<br />
Das Vorm<strong>und</strong>schaftsgericht kann dann im Wege der einstweiligen Anordnung<br />
gem. den §§ 69f, 70h FGG einen vorläufigen Betreuer für maximal sechs<br />
Monate bestellen <strong>und</strong> die unterbringungsähnliche Maßnahme für sechs Wochen<br />
- 16 -
Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
__________________________________________________________<br />
anordnen. Bei Gefahr im Verzug kann die notwendige Anhörung des<br />
Betroffenen bzw. die Bestellung <strong>und</strong> Anhörung eines Pflegers für das Verfahren<br />
unterbleiben. Viele Vorm<strong>und</strong>schaftsgerichte haben dafür Formblätter vorrätig,<br />
zumindest ein formularmäßiges ärztliches Attest kann dort angefordert werden.<br />
b. Betreuer wurde bereits bestellt<br />
Maßgeblich ist die Entscheidung des Betreuers, wenn er den entsprechenden<br />
Aufgabenkreis hat. Sind die klassischen Aufgaben der Ges<strong>und</strong>heitsfürsorge <strong>und</strong><br />
Aufenth<strong>alt</strong>sbestimmung angeordnet, genügt dies. Aber auch er bedarf der<br />
vorm<strong>und</strong>schaftsgerichtlichen Genehmigung. Ohne sie ist die Unterbringung nur<br />
zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verb<strong>und</strong>en ist gem. § 1906 Abs. 2 S. 2<br />
BGB. Die Genehmigung muss aber auch dann unverzüglich nachgeholt werden.<br />
c. Eine Vorsorgevollmacht liegt vor<br />
Die Frage, ob eine sog. Vorsorgevollmacht ausreicht, beantwortet das Gesetz in<br />
1906 Abs. 5 BGB. Eine FeM durch einen Bevollmächtigten <strong>und</strong> die<br />
Einwilligung eines Bevollmächtigten setzen voraus, dass die Vollmacht<br />
schriftlich erteilt ist <strong>und</strong> die unterbringungsähnlichen Maßnahmen ausdrücklich<br />
umfasst. Die FeM muss also schriftlich niedergelegt sein <strong>und</strong> ausdrücklich in der<br />
Vorsorgevollmacht erwähnt werden. Eine Generalvollmacht oder die<br />
Übertragung aller Entscheidungen im persönlichen Bereich genügen nicht.<br />
d. Verfahrensablauf<br />
Vor einer endgültigen Entscheidung müssen folgende Verfahrensvorschriften<br />
beachtet werden:<br />
• Bestellung eines Verfahrenspflegers gem. § 70b FGG<br />
• Anhörung des Betroffenen gem. § 70c FGG <strong>und</strong> zwar regelmäßig in<br />
seiner üblichen Umgebung<br />
• Gutachten bei einer Unterbringung, ärztliches Zeugnis bei<br />
unterbringungsähnlichen Maßnahmen<br />
• Gelegenheit zur Äußerung erh<strong>alt</strong>en weitere Personen gem. § 70d FGG<br />
(Ehegatte, Lebenspartner, Kinder oder Eltern bei gemeinsamer Wohnung,<br />
Leiter der Einrichtung, Betreuungsbehörde)<br />
• Beschluss, sofern der Richter das Vorliegen der Voraussetzungen<br />
feststellen kann. Anfechtbar durch sofortige Beschwerde<br />
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Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
__________________________________________________________<br />
• Genehmigung wird maximal für ein Jahr <strong>und</strong> bei offensichtlicher<br />
Unterbringungsbedürftigkeit für zwei Jahre erteilt. Danach muss das<br />
Verfahren wiederholt werden.<br />
Die erteilte Genehmigung macht die Maßnahme zulässig. Dies ändert nichts<br />
daran, dass nur der Betreuer oder Bevollmächtigte entscheidet. Fallen die<br />
Voraussetzungen weg, muss der Betreuer sie beenden <strong>und</strong> die Beendigung dem<br />
Vorm<strong>und</strong>schaftsgericht anzeigen. Abschließend sei noch der Hinweis erlaubt,<br />
dass es sich hier nicht um eine überflüssige, bürokratische Vorgehensweise<br />
handelt. Die Missachtung der Vorschriften, insbesondere eine<br />
Freiheitsentziehung ohne Genehmigung, bleibt bei einer Anzeige nicht<br />
folgenlos.<br />
Kommt es zu Unfällen im Zusammenhang mit unterbringungsähnlichen<br />
Maßnahmen, können auch die strafrechtlichen Folgen sehr gravierend werden.<br />
Schließlich handelt es sich hier um eine Freiheitsberaubung gem. § 239 StGB.<br />
Kommt es während der nicht genehmigten Freiheitsentziehung zum Tod des der<br />
Freiheit Beraubten sieht § 239 Abs. 3 StGB eine Mindestfreiheitsstrafe von drei<br />
Jahren vor, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Nur in<br />
minder schweren Fällen kann man diesen Strafrahmen unterschreiten.<br />
V. Rechtliche Rahmenbedingungen für die Prüfung von<br />
Alternativen<br />
A. Einheitliche Rechtsprechung fehlt<br />
Die Darstellung der einschlägigen Gesetze <strong>und</strong> vor allem der Rechtsprechung,<br />
die diesen relevanten Bereich betreffen, ist schwierig, weil die Judikatur die<br />
gleiche Materie aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Die Zivilgerichte<br />
behandeln haftungsrechtliche Fragen. Häufig klagt etwa die Krankenkasse aus<br />
übergegangenem Recht nach einem Unfall des Betreuten. Staatsanw<strong>alt</strong> <strong>und</strong><br />
Strafrichter prüfen die Tatbestände der fahrlässigen oder sogar vorsätzlichen<br />
Körperverletzung oder der unterlassenen Hilfeleistung. Die<br />
Vorm<strong>und</strong>schaftsgerichte behandeln die Zulässigkeit der Zwangsmaßnahmen <strong>und</strong><br />
die Verw<strong>alt</strong>ungsgerichte etwa die Anordnungen der Heimaufsicht.<br />
Unterschiedliche Sichtweisen <strong>und</strong> Widersprüche sind daher systemimmanent.<br />
B. Beispiel: Videoüberwachung<br />
Dafür als kleines Beispiel die Problematik der Videoüberwachung in einem<br />
Heim. Das Verw<strong>alt</strong>ungsgericht Minden musste sich mit einer von der<br />
zuständigen Heimaufsicht nach § 17 HeimG getroffenen Anordnung befassen.<br />
- 18 -
Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
__________________________________________________________<br />
Mit dieser Anordnung sollte die Beseitigung einer Videoanlage erreicht werden,<br />
weil durch sie die individuelle Persönlichkeit der Bewohner, das<br />
Selbstbestimmungsrecht, die Würde sowie die subjektiven Interessen <strong>und</strong><br />
Bedürfnisse verletzt würden 12 . Das VG hat seine Bedenken geäußert <strong>und</strong> die<br />
Parteien haben sich dann entsprechend den Vorgaben geeinigt. Das VG Minden<br />
ist dabei auch auf die datenschutzrechtliche Problematik eingegangen, hat eine<br />
kürzere Speicherfrist von 72 St<strong>und</strong>en angeregt <strong>und</strong> eine Beschränkung auf<br />
bestimmte Hausbereiche. Dient die Videoüberwachung dazu, das Personal<br />
darauf aufmerksam zu machen, dass ein Heimbewohner das Heim verlässt, der<br />
dann zurückgeholt wird, wäre aber auch noch eine vorm<strong>und</strong>schaftsgerichtliche<br />
Genehmigung erforderlich. Das Pflegepersonal könnte sich beeinträchtigt fühlen<br />
<strong>und</strong> vor das Arbeitsgericht ziehen. Ein Heimbewohner oder Besucher, der sich<br />
in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt fühlt, könnte<br />
schließlich vor dem Zivilgericht auf Unterlassung klagen.<br />
Sie sehen, es sind sehr viele Stolperfallen eingebaut. Man sollte sich daher<br />
rechtzeitig mit den Bediensteten, den Heimbewohnern <strong>und</strong> deren Betreuern<br />
zusammensetzen, die Heimverträge anpassen <strong>und</strong> vielleicht auch den<br />
Datenschutzbeauftragten befragen. Eine detaillierte, Rechtsklarheit schaffende<br />
Aussage, möchte ich daher tunlichst unterlassen, zumal es ja die verschiedensten<br />
Ausgest<strong>alt</strong>ungen geben könnte. Bei Beachtung der geschilderten<br />
Voraussetzungen, der Beschränkung auf das Nötigste <strong>und</strong> bei Anbringung<br />
deutlicher Hinweise, auch für Besucher, dürfte die Maßnahme zulässig sein.<br />
C. Maßnahmen ohne Eingriffscharakter<br />
Unproblematisch sind alle Alternativen, die selbst zu keiner Beeinträchtigung<br />
der Rechte des Betroffenen führen, wie bauliche Maßnahmen, Änderung der<br />
Beleuchtung oder ein nicht durchgehendes Bettgitter, das den Betroffenen nur<br />
davor schützt, ungewollt herauszufallen, aber ein kontrolliertes Aufstehen nicht<br />
verhindert, therapeutische Maßnahmen, nächtliches Unterh<strong>alt</strong>ungsangebot etc.<br />
D. Maßnahmen gegen den Willen des Betroffenen, aber ohne<br />
freiheitsentziehenden Charakter<br />
Das Anziehen einer Protektorhose ohne oder gegen den Willen des<br />
einwilligungsunfähigen Betreuten ist möglich, wenn der Betreuer oder<br />
Bevollmächtigte als gesetzlicher Vertreter eingeb<strong>und</strong>en ist <strong>und</strong> die Einwilligung<br />
erteilt. Wichtig ist nur, dass bei Würdigung der Gesamtumstände keine<br />
freiheitsentziehende Maßnahme vorliegt.<br />
12 VG Minden 6 K 552/06, vgl. die Darstellung durch Jürgen Blatzheim, bpa magazin, 5, 2006<br />
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Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
__________________________________________________________<br />
E. Maßnahmen, die freiheitsentziehenden Charakter haben, aber eine<br />
milderes oder menschenwürdigeres Vorgehen ermöglichen<br />
Diese Maßnahmen sind nur dann zulässig, wenn auch für sie eine Genehmigung<br />
vorliegt. Soll z.B. die ständige Überwachung mittels eines Senders, Chips etc.<br />
erfolgen, der bei Verlassen des Heims Alarm schlägt <strong>und</strong> das Pflegepersonal<br />
befugt sein, den Betreuten am weiteren Verlassen zu hindern, dann handelt es<br />
sich immer noch um eine genehmigungspflichtige Unterbringung. Dies folgt aus<br />
der Tatsache, dass die persönliche Bewegungsfreiheit nicht nur kurzfristig auf<br />
einen bestimmten Lebensraum beschränkt wird. Der Grad der Beschränkung<br />
<strong>und</strong> die Art <strong>und</strong> Weise der Durchsetzung spielen dabei keine Rolle 13 . Auf der<br />
anderen Seite muss natürlich dieser Methode der Freiheitsentziehung dem<br />
Abschließen einer Station oder des Zimmers der Vorzug gegeben werden.<br />
Genehmigungspflichtig ist dabei nicht das Anlegen des Senders, sondern die<br />
Befugnis, den Betreuten am Verlassen durch Zwang hindern zu dürfen. Das<br />
Anlegen des Senders allein ist gedeckt durch das Einverständnis des Betreuers,<br />
das keiner Genehmigung bedarf. Bsp.: Schutz vor Kälte<br />
Gerade diese Fallkonstellation zeigt, dass es der Gr<strong>und</strong>satz der<br />
Verhältnismäßigkeit an sich gebieten würde, humanere Alternativen<br />
anzuwenden. Der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit gilt aber nicht<br />
uneingeschränkt <strong>und</strong> gibt vor allem kein eigenständiges Eingriffsrecht.<br />
F. Reichweite des Gr<strong>und</strong>satzes der Verhältnismäßigkeit<br />
Allerdings ist allgemein anerkannt, dass die Träger öffentlicher Gew<strong>alt</strong> im<br />
Rahmen ihrer hoheitlichen Tätigkeit <strong>und</strong> der ihnen zugestandenen<br />
Eingriffsbefugnisse den Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit zu beachten haben.<br />
Nach Art. 2 GG ist die Freiheit der Person unverletzlich <strong>und</strong> durch die formellen<br />
Garantien des Art. 104 GG geschützt. Jeder Eingriff muss durch ein Gesetz „in<br />
berechenbarer, messbarer <strong>und</strong> kontrollierbarer Weise“ geregelt werden 14 . Dies<br />
gilt auch dann, wenn der Staat sich darauf beschränkt, freiheitsentziehende<br />
Maßnahmen, die eine Privatperson anordnet, zu genehmigen. Letztlich ergibt<br />
sich der Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit auch aus der Forderung des<br />
Gesetzes, dass die Maßnahme nur zulässig ist, „solange sie zum Wohl des<br />
Betreuten erforderlich ist“ 15 . Eine unverhältnismäßige Maßnahme kann niemals<br />
dem Wohl des Betroffenen entsprechen.<br />
Ausfluss des Gr<strong>und</strong>satzes der Verhältnismäßigkeit ist ferner die Rechtsprechung<br />
des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts, dass auch der psychisch kranke Mensch in<br />
13 vgl. BGHZ 145, 297<br />
14 BGH a.a.O.<br />
15 § 1906 Abs. 1 S. 1 BGB<br />
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Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
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bestimmten Grenzen eine „Freiheit zur Krankheit“ hat. Das<br />
B<strong>und</strong>esverfassungsgericht 16 überlässt nämlich auch dem psychisch Kranken in<br />
weniger gewichtigen Fällen die „Freiheit zur Krankheit“. Er darf selbst<br />
entscheiden, ob er das Durchleben seiner Krankheit einer aus seiner Sicht<br />
unzumutbaren Behandlung in einer psychiatrischen Klinik vorziehen will. Diese<br />
Frage muss nach dem B<strong>und</strong>esverfassungsgericht im Rahmen der<br />
Verhältnismäßigkeit geprüft werden.<br />
G. Grenzen des Gr<strong>und</strong>satzes der Verhältnismäßigkeit<br />
Das mildere Mittel muss seinerseits genehmigungsfähig sein. Das Amtsgericht<br />
Schweinfurt widerspricht dem mit folgendem Satz: „Bei immobilen Patienten<br />
bedürfen Fixierungsmaßnahmen, die dazu dienen, den Betroffenen einen<br />
größeren Erlebnisradius zu verschaffen <strong>und</strong> somit zu mehr Freiheit verhelfen,<br />
nicht der gerichtlichen Genehmigung“ 17 . Diese Aussage ist missverständlich, um<br />
nicht zu sagen falsch. Jede freiheitsentziehende Maßnahme ist<br />
genehmigungspflichtig, da es einen Ausnahmetatbestand der Vermeidung<br />
schlimmerer Maßnahmen nicht gibt.<br />
Deshalb gilt der Gr<strong>und</strong>satz, dass immer das mildere Mittel gewählt werden muss<br />
soweit es um die Genehmigung freiheitsentziehender Maßnahmen geht, nicht<br />
uneingeschränkt. Ich kann mich hier auf den BGH berufen. Dieser hat mit Urteil<br />
vom 11.10.2000 anschaulich erklärt, dass die humanere Alternative auch einen<br />
genehmigungsfähigen Tatbestand darstellen muss <strong>und</strong> Widersprüche vom<br />
Gesetzgeber geregelt werden müssen.<br />
Es ging dabei um die zwangsweise Zuführung zu einer ambulanten,<br />
kurzfristigen Behandlung in einem Krankenhaus, die weder als Unterbringung<br />
noch als unterbringungsähnliche Maßnahme gewertet werden konnte. Zu Recht<br />
hat der BGH dabei darauf verwiesen, dass die Verabreichung einer Spritze im<br />
Krankenhaus an sich keine freiheitsentziehende Maßnahme darstellt <strong>und</strong> deshalb<br />
der Weg in das Krankenhaus nicht durch Zwangsmaßnahmen durchgesetzt<br />
werden kann. Die zwangsweise Verbringung zum Arzt oder in das Krankenhaus<br />
zur Verabreichung einer dringend erforderlichen Spritze ist daher nicht möglich<br />
<strong>und</strong> zwar auch dann nicht, wenn deshalb zugewartet werden muss bis sich die<br />
Krankheit so sehr verschlechtert, dass eine – genehmigungsfähige - stationäre<br />
Unterbringung verb<strong>und</strong>en mit einer Zwangsmedikation angesagt ist. Es ist <strong>und</strong><br />
16 BVerfGE 58, 208<br />
17 AG Schweinfurt, B.v. 7.4.2005<br />
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Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
__________________________________________________________<br />
bleibt daher Aufgabe des Gesetzgebers, die rechtlichen Voraussetzungen für<br />
eine zwangsweise Durchführung ambulanter Maßnahmen zu schaffen.<br />
Darüber hinaus gilt der Gr<strong>und</strong>satz:<br />
H. Das mildere Mittel muss möglich, insbesondere finanzierbar sein<br />
Ausgangspunkt für diese Einschränkung ist die simple Überlegung, dass z.B.<br />
mit Einführung der permanenten Sitzwache einer Pflegekraft, Bettgitter <strong>und</strong><br />
Bauchgurt überflüssig würden. Im Hinblick darauf, dass eine derartige<br />
Intensivpflege, zumindest als Dauereinrichtung, tatsächlich nicht mehr<br />
darstellbar <strong>und</strong> von der Solidargemeinschaft der Pflegeversicherten nicht mehr<br />
getragen werden kann, wird man nach dem Gr<strong>und</strong>satz „impossibilium nulla<br />
obligatio est“ diese Form der humaneren Alternative nicht verlangen können 18 .<br />
In einer Zeit der Gewinn- <strong>und</strong> Profitmaximierung wahrlich gefährliche<br />
Ausführungen.<br />
In einer typisch „haftungsrechtlich“ geprägten Entscheidung 19 wird dieser<br />
Gr<strong>und</strong>satz damit umschrieben, dass die Obhuts- <strong>und</strong><br />
Verkehrssicherungspflichten des Heims begrenzt seien „auf die in Pflegeheimen<br />
üblichen Maßnahmen, die mit einem vernünftigen finanziellen <strong>und</strong> personellen<br />
Aufwand realisierbar sind. Erforderlichkeit <strong>und</strong> Zumutbarkeit sind also die<br />
Grenzmarken.<br />
Allerdings wird man im Einzelfall prüfen müssen, ob nicht die zu betreuende<br />
Person ausreichend vermögend ist, um sich diese Form der Intensivbetreuung zu<br />
leisten. Auch wenn es dem - möglicherweise erbberechtigten - Betreuer nicht<br />
gefällt, wird man als Vorm<strong>und</strong>schaftsrichter dies durch Nachfragen prüfen <strong>und</strong><br />
im Einzelfall über entsprechende Anordnungen durchsetzen müssen. Die<br />
Tatsache, dass man sich nur mit Geld ein Stück weit mehr Menschenwürde<br />
erkaufen kann, ist zwar bedauerlich, muss aber hingenommen werden. Es gibt<br />
wohl keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im sozialen Unrecht.<br />
Noch sehr viel weiter gehende Einschränkungen fiskalischer Art bejaht das OLG<br />
München in seinem Beschluss vom 1.8.2005 20 . Demnach müsse es<br />
hingenommen werden, wenn aus Personalmangel die Pforte nachts nicht<br />
permanent besetzt ist. Ebenso wenig könne man „Auflagen zu baulichen<br />
Gegebenheiten“ machen. Andererseits müssen der Betreuer <strong>und</strong> das<br />
18<br />
OLG München VersR 2004, 618; OLG Hamm BtPrax 1993, 172<br />
19<br />
BGH, Urt. v. 28.4.2005 – III ZR 399/04<br />
20<br />
BtPrax 2005, 199<br />
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Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
__________________________________________________________<br />
Vorm<strong>und</strong>schaftsgericht prüfen, ob nicht in einem anderen Heim dem Betreuten<br />
mehr Freiraum eingeräumt werden kann. Selbstverständlich kann das<br />
Vorm<strong>und</strong>schaftsgericht der Einrichtung nicht unmittelbar vorschreiben, wie das<br />
Heim zu führen ist. Auf der anderen Seite kann es nicht Aufgabe des Gerichts<br />
sein, die Unterbringungsmöglichkeiten in anderen Pflegeeinrichtungen zu<br />
prüfen. Das scheint mir nur bedingt der richtige Weg zu sein, um aus dem<br />
Dilemma zwischen Freiheit <strong>und</strong> Finanzierbarkeit herauszufinden.<br />
Vielleicht sollte man den Betreuungsbehörden, Betreuern <strong>und</strong> Richtern die<br />
Möglichkeit an die Hand geben, Kurzgutachten zu erholen, die unter<br />
Berücksichtigung der speziellen ges<strong>und</strong>heitlichen Situation des Betroffenen <strong>und</strong><br />
seiner finanziellen Möglichkeiten, gangbare Alternativen <strong>und</strong> besser geeignete<br />
Pflegeeinrichtungen konkret aufzeigen oder bestätigen, dass die beantragte<br />
Maßnahme ohne Einschränkungen erforderlich ist. Damit kommen wir schon<br />
zum letzten Punkt.<br />
<strong>VI</strong>. <strong>Lösungs</strong>- <strong>und</strong> <strong>Verbesserungsvorschläge</strong><br />
Das Problem, einen angemessenen Weg zwischen Sicherheit <strong>und</strong> Risiko zu<br />
finden, besteht darin, dass niemand gerne Verantwortung übernimmt. Im<br />
Ergebnis führt dies aber zu einem untragbaren <strong>und</strong> unverhältnismäßigen<br />
Sicherheitsdenken verb<strong>und</strong>en mit Routine, Lethargie <strong>und</strong> dem trügerischen<br />
Bewusstsein, dass man nichts ändern kann.<br />
Auf der anderen Seite wird im Hinblick auf spezielle Projekte, wie die<br />
„Heiminterne Tagesbetreuung“ (HIT) behauptet, man könne ca. zwei Drittel<br />
aller freiheitsentziehenden Maßnahmen bei demenziell Erkrankten mit der<br />
richtigen Betreuung vermeiden 21 . Ich glaube deshalb, dass man der bequemen<br />
Flucht in die freiheitsentziehenden Maßnahmen gesetzliche Hindernisse in den<br />
Weg stellen muss.<br />
Wiederkehrende oder anlassbezogene Prüfungen nach § 15 Heimgesetz können<br />
jetzt schon einen wichtigen Beitrag dazu leisten. Beispielgebend könnten auch<br />
die unabhängigen Besuchskommissionen nach Art. 21 des Bayerischen<br />
Unterbringungsgesetzes sein.<br />
Es sollten aber darüber hinaus auch spezielle betreuungsrechtliche<br />
Sicherungsmechanismen eingebaut werden. So könnte man daran denken, dass<br />
unterbringungsähnliche Maßnahmen, die sich über einen längeren Zeitraum<br />
erstrecken, nur noch dann genehmigungsfähig sind, wenn ein Kurzgutachten<br />
qualifizierter Spezialisten vorgelegt wird. Dabei sollten medizinische,<br />
21 Gmür, Evaluation der Heiminternen Tagesbetreuung in Münchner Altenpflegeheimen (2005)<br />
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Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
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technische <strong>und</strong> finanzielle Fragen erörtert werden. Auch hier könnte wiederum<br />
auf die Fachkompetenz der Heimaufsicht aufgebaut werden <strong>und</strong> dadurch auch<br />
die Kompetenz der Prüfungen erhöht werden.<br />
Vielleicht ist die Akzeptanz auch größer, wenn wir die Begriffe Prüfungen <strong>und</strong><br />
Kommissionen vermeiden <strong>und</strong> die Bildung von „interdisziplinären Teams“<br />
fordern oder die Einführung von „assessments bei Pflegebedürftigen“. Wenn es<br />
hilft, würde ich mich auch an diese ebenso moderne wie nichtssagende<br />
Terminologie gewöhnen.<br />
Ich denke, dass wir uns dies auch leisten können. Wenn man sich vorstellt, dass<br />
mit der Erteilung einer TÜV-Plakette ein riesiger Prüfungsaufwand verb<strong>und</strong>en<br />
ist, sollte es uns möglich sein, dass die legalisierte Gew<strong>alt</strong> gegen <strong>alt</strong>e <strong>und</strong><br />
hilflose Menschen ausreichend kontrolliert, geprüft <strong>und</strong> auf ein Mindestmaß<br />
beschränkt wird. Die ebenso unsägliche wie nutzlose Fließbandpraxis bei den<br />
ärztlichen Zeugnissen, die vom Betreuer vorgelegt werden müssen, könnte dann<br />
ebenfalls beendet werden.<br />
Die Einrichtung fachlich kompetenter Beschwerdestellen, die wie<br />
Ombudsmänner die Rechte der Betroffenen wahren, wäre ebenfalls ein<br />
gangbarer Weg. Die Beschwerdestelle für Probleme in der Altenpflege der Stadt<br />
München 22 könnte dafür beispielhaft sein.<br />
Ferner sollten die Heime eine Spezialisierung betreiben, damit auf die<br />
besonderen Bedürfnisse eingegangen werden kann. Für den „K<strong>und</strong>en“, der auf<br />
der Suche nach einem geeigneten Heim ist, sollte mehr Transparenz geschaffen<br />
werden <strong>und</strong> schließlich auf der Anbieterseite mehr Wettbewerb.<br />
Gefordert ist dabei weniger staatliche Kontrolle, Bestrafung <strong>und</strong> ein Mehr an<br />
Bürokratie, sondern fachkompetente Beratung, Verteilung der Verantwortung<br />
<strong>und</strong> Förderung derjenigen, die mehr Lebensqualität <strong>und</strong> Menschenwürde<br />
anbieten.<br />
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!<br />
Böhm<br />
22 www.muenchen.de/beschwerdestelle-<strong>alt</strong>enpflege<br />
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Betreuungsrechtliche Aspekte freiheitsentziehender Maßnahmen<br />
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Emailadressen, F<strong>und</strong>stellen <strong>und</strong> Literaturhinweise:<br />
Antworten zu Fragen aus der Veranst<strong>alt</strong>ung am 6.7.2006<br />
Empfehlungen zum Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen,<br />
Landeshauptstadt München, Stand Dezember 2005<br />
www.muenchen.de/Rathaus/dir/<strong>alt</strong>enpfl/37861/index.html<br />
Praktische Alternativen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen,<br />
Dr. med. Hanns Rüdiger Röttgers, Dr. med. Schide Nedjat, BtPrax 2003, 116<br />
Beschwerdestelle für Probleme in der Altenpflege<br />
www.muenchen.de/beschwerdestelle-<strong>alt</strong>enpflege<br />
Leitfaden zum verantwortungsvollen Umgang mit freiheitsentziehenden<br />
Maßnahmen in der Pflege<br />
www.stmas.bayern.de/pflege/pflegeausschuss/fem-leitfaden<br />
Reduzierung freiheitsbeschränkender Maßnahmen in Münchner<br />
Altenpflegeheimen im Zusammenhang mit der „Heiminternen Tagesbetreuung<br />
(HIT)“<br />
www.ipp-muenchen.de/texte/gmuer_hit_quanti.pdf<br />
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