Arbeitsrechtliche Entscheidungen Ausgabe 2004-02

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Aufsätze/Beiträge a) Anrechnung von Vordienstzeiten Bei außertariflichen oder leitenden Angestellten findet man nicht selten eine Vereinbarung, wonach ein Arbeitgeber Vordienstzeiten, die der Arbeitnehmer bei anderen Arbeitgebern verbracht hat, anrechnet. Wenn nichts besonderes vereinbart ist, gilt dies zum einen für die Unverfallbarkeit, zum anderen aber auch für Steigerungsbeträge. Wer die Zusage hat, dass 15 Vordienstjahre angerechnet werden, hat auch die Zusage, dass er sofort für diese 15 Dienstjahre bereits die zugesagten 10,00 € Betriebsrente je Dienstjahr erworben hat. – BAG, Urteil vom 08.05.1984–3 AZR 68/82 – = NZA 1985, 155 Die nach § 6 a EStG gebildete Rückstellung berücksichtigt jedoch keine angerechneten Dienstjahre, sondern nur tatsächliche Dienstjahre. Wird z.B. ein Arbeitnehmer mit 50 Jahren eingestellt und werden ihm 15 Dienstjahre angerechnet, so verfügt er bereits zum Zeitpunkt der Einstellung über eine Pensionsanwartschaft in Höhe von 50 % der Endrente. Die Pensionsrückstellung nimmt dies nicht zur Kenntnis. Sie geht von der Endrente aus und verteilt das Risiko gleichmäßig auf die 15 tatsächlichen Dienstjahre. Nach einem Jahr deckt die Pensionsrückstellung 1/15 der letztlich erreichbaren Rente, während sie – infolge Anrechnung der Vordienstzeit – schon 50 % beträgt. b) Änderungen der Versorgungsregelung in der Vergangenheit Der Pensionsfall tritt oft erst Jahre oder Jahrzehnte nach Erteilung oder Änderung der Pensionszusage ein. Daher sind oft vom Bundesarbeitsgericht Sachverhalte zu beurteilen, die Jahre oder Jahrzehnte zurückliegen. Der Betriebsveräußerer geht davon aus, dass seine in der Vergangenheit vorgenommene Änderung von Betriebsrenten rechtens ist. Dies kann vom Arbeitnehmer aber noch nach vielen Jahren angegriffen werden. Um ein Beispiel zu berichten: 1984 verzichteten die Arbeitnehmer auf die Hälfte der zugesagten Altersversorgung, weil es dem Unternehmen schlecht ging. Im Jahr 2000 berief sich eine Arbeitnehmerin auf die Unwirksamkeit dieser Vereinbarung. Das BAG verwies den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurück, damit dies klären könne, ob seinerzeit der Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt worden war. Die Darlegungsund Beweislast hierfür trägt grundsätzlich der Arbeitgeber, im konkreten Fall der Pensions-Sicherungs-Verein aG, weil der Arbeitgeber zwischenzeitlich insolvent war. Allerdings hat das BAG soweit ersichtlich erstmals eine Umkehrung der Beweislast angenommen, weil die Arbeitnehme- 86 02/04 rin ausdrücklich selbst verzichtet und über viele Jahre nichts übernommen hatte. – vgl. BAG, Urteil vom 21.01.2003–3 AZR 30/02 – = zitiert nach Internet Im Regelfall hat der Betriebserwerber kaum eine Chance, die Wirksamkeit einer verschlechternden Versorgungsregelung im späteren Verfahren darzulegen und zu beweisen, da er selbst über die entsprechenden Unterlagen und Erkenntnisse des Betriebsveräußerers nicht verfügt. IV. Urlaub Der Urlaubsanspruch ist die Freistellung von der Arbeitsleistung gegen Zahlung der Vergütung. Er kann nach Betriebsübergang nur vom Betriebserwerber erfüllt werden. Nach herrschender Meinung kommt insoweit nicht einmal eine Haftung des Betriebsveräußerers für rückständigen Urlaub vor Betriebsübergang in Betracht. – Erfurter Kommentar – Dörner, 3. Aufl., § 1 BurlG Rn 38 Nur dann, wenn der Arbeitnehmer aus den Diensten des Betriebserwerbers mit Urlaubsabgeltungsanspruch ausscheidet, kommt eine anteilige Haftung des Betriebsveräußerers in Betracht. – Erfurter Kommentar – Preis, 3. Aufl., § 613 a BGB Rn 132 Das gleiche Risiko besteht bei Arbeitszeitkonten, auf denen Mehrarbeitsstunden angesammelt werden. Zwar wird ein Unternehmen in der Regel verpflichtet sein, für nicht gewährten Urlaub eine Urlaubsrückstellung zu bilden, also die finanzielle Belastung als Verpflichtung in der Bilanz auszuweisen. Sicher ist dies jedoch nicht. Es kann durchaus sein, dass das Überstundenguthaben nur dann ausgezahlt bzw. abgefeiert wird, wenn es dem Unternehmen wieder besser geht – eine Regelung, die gerade die Rückstellung vermeiden soll. Die Urlaubsverpflichtung ist im Kaufpreis zu berücksichtigen. Falls nichts geregelt ist, geht der BGH davon aus, dass der Betriebsveräußerer im Innenverhältnis gem. § 426 BGB soweit zum Ausgleich verpflichtet ist, als der Urlaub die Vergangenheit betrifft. – BGH, Urteil vom 04.07.1985 – IX ZR 172/84 – = NZA 1985, 737 – BGH, Urteil vom 25.03.1995 – III ZR 27/98 – = NZA 1999, 817

Rund um Streitwert und Gebühren – die Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Berlin und des Hessischen Landesarbeitsgerichts Bei den Landesarbeitsgerichten ist letztlich stets nur ein Richter für den angesprochenen Themenkreis zuständig. Wechselt die Person, ändert sich in der Regel auch die Rechtsprechung. AE berichtet regelmäßig darüber, naturgemäß jeweils an aktuellen Entscheidungen, was den Gesamtüberblick mühsam macht. Diesem Zustand kann jetzt für zwei Landesarbeitsgerichtsbezirke abgeholfen werden. Nachfolgend können wir über die Rechtsprechung der Kammer 17 des Landesarbeitsgerichts Berlin (Vorsitzender Richter Dreßler) berichten (A). Die Zusammenstellung stammt vom Vorsitzenden Richter Corts (6. Kammer), der sie AE zur Verfügung stellte (nur geringfügig redaktionell bearbeitet). Darstellen können wir auch die einschlägige Rechtsprechung der 15. Kammer des Hessischen Landesarbeitsgerichts anhand der vom zuständigen Vorsitzenden Richter Bader selbst verfassen „Bader-Liste“(B). AE wäre allen Kollegen dankbar, wenn sie vergleichbare Übersichten an AE vermitteln könnten. A. Landesarbeitsgericht Berlin I. Allgemein 1. Der Wert des Streitgegenstandes ist für die einzelnen Klageanträge und nicht für bestimmte anwaltliche Gebühren festzusetzen. Beschl. v. 3. Dezember 2002 – 17 Ta 6111 / 02 (Kost) 2. Im Rahmen des Streitwertfestsetzungsverfahrens kann nicht geprüft werden, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein geltend gemachter Anspruch begründet ist. Beschl. v. 20. August 2003 – 17 Ta 6068 / 03 (Kost) II. Urteilsverfahren Abmahnung 1. Verlangt der Arbeitnehmer die Entfernung von Schriftverkehr aus seiner Personalakte, der sich auf eine ebenfalls gerichtlich angegriffene Abmahnung bezieht, so ist dieser Streitgegenstand gesondert zu bewerten. Beschl. v. 9. Januar 2002 – 17 Ta 6001 / 02 (Kost) 2. Wendet sich der Arbeitnehmer in einem Rechtsstreit gegen mehrere Abmahnungen, so ist jede Abmahnung für sich zu bewerten und anschließend ein Gesamtstreitwert zu bilden. Es ist dabei in der Regel ohne Belang, in welchem zeitlichen Abstand die Abmahnungen ausgesprochen werden. Aufsätze/Beiträge Eine Herabsetzung des Streitwertes kann dabei geboten sein, wenn sich eine weitere Abmahnung auf den gleichen Lebenssachverhalt bezieht oder in dem gleichen Konflikt seine Ursache hat wie eine bereits erfolgte Abmahnung Beschl. v. 28. April 2003 – 17 Ta 6024 / 03 (Kost) Arbeitskampf Der Streit über die Zulässigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen stellt eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit dar. Der Streitwert kann daher nicht anhand der Anzahl der tarifgebundenen Arbeitnehmer und der Höhe der Tarifforderung berechnet werden, sondern er ist nach § 8 Abs. 2 Satz 2, 2. Hs BRAGO zu bestimmen. Beschl. v. 26. September 2002 – 17 Ta 6068 / 02 (Kost) Arbeitspapiere Der Wert einer Klage auf Herausgabe von Arbeitspapieren beträgt regelmäßig 200,00 DM je Arbeitspapier. Ein höherer Wert ist nur festzusetzen, wenn dies aufgrund konkreter Angaben gerechtfertigt ist. Beschl. v. 23. Mai 2001 – 17 Ta 6083 / 01 (Kost) Beschäftigung 1. Der Wert der mit einer Kündigungsschutzklage verbundenen Klage auf vorläufige Beschäftigung beträgt ein Drittel des Wertes der Bestandsstreitigkeit, höchstens jedoch einen Monatsverdienst. Beschl. v. 19. September 2003 – 17 Ta 6084 / 03 (Kost) 2. Der Wert einer Klage auf tatsächliche Beschäftigung bestimmt sich regelmäßig nach der Höhe eines Bruttomonatsverdienstes. Eine Erhöhung dieses Wertes kommt in Betracht, wenn der Arbeitnehmer ein besonderes Interesse an der begehrten Beschäftigung geltend macht. Beschl. v. 18. November 2003 – 17 Ta 6116 / 03 (Kost) 3. Der Streit über die Wirksamkeit einer Versetzung ist regelmäßig mit dem Betrag einer Bruttomonatsvergütung zu bewerten; eine höhere Wertfestsetzung erfordert konkrete Angaben zur Bedeutung der Versetzung. Beschl. v. 9. Mai 2001 – 17 Ta 6075 / 01 (Kost) Bestandsstreitigkeiten 1. Sagt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei Ausspruch einer Kündigung eine Wiedereinstellung zu (Schlechtwetterkündigung), kann dies bei der Wertfestsetzung nach § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG berücksichtigt werden. Beschl. v. 27. Mai 2003 – 17 Ta 6054 / 03 (Kost) 02/04 87

Rund um Streitwert und Gebühren<br />

– die Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Berlin<br />

und des Hessischen Landesarbeitsgerichts<br />

Bei den Landesarbeitsgerichten ist letztlich stets nur ein Richter<br />

für den angesprochenen Themenkreis zuständig. Wechselt<br />

die Person, ändert sich in der Regel auch die Rechtsprechung.<br />

AE berichtet regelmäßig darüber, naturgemäß jeweils an aktuellen<br />

<strong>Entscheidungen</strong>, was den Gesamtüberblick mühsam<br />

macht. Diesem Zustand kann jetzt für zwei Landesarbeitsgerichtsbezirke<br />

abgeholfen werden. Nachfolgend können wir<br />

über die Rechtsprechung der Kammer 17 des Landesarbeitsgerichts<br />

Berlin (Vorsitzender Richter Dreßler) berichten (A). Die<br />

Zusammenstellung stammt vom Vorsitzenden Richter Corts (6.<br />

Kammer), der sie AE zur Verfügung stellte (nur geringfügig<br />

redaktionell bearbeitet).<br />

Darstellen können wir auch die einschlägige Rechtsprechung<br />

der 15. Kammer des Hessischen Landesarbeitsgerichts anhand<br />

der vom zuständigen Vorsitzenden Richter Bader selbst verfassen<br />

„Bader-Liste“(B).<br />

AE wäre allen Kollegen dankbar, wenn sie vergleichbare Übersichten<br />

an AE vermitteln könnten.<br />

A. Landesarbeitsgericht Berlin<br />

I. Allgemein<br />

1. Der Wert des Streitgegenstandes ist für die einzelnen<br />

Klageanträge und nicht für bestimmte anwaltliche Gebühren<br />

festzusetzen.<br />

Beschl. v. 3. Dezember 20<strong>02</strong> – 17 Ta 6111 / <strong>02</strong> (Kost)<br />

2. Im Rahmen des Streitwertfestsetzungsverfahrens kann<br />

nicht geprüft werden, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen<br />

ein geltend gemachter Anspruch begründet ist.<br />

Beschl. v. 20. August 2003 – 17 Ta 6068 / 03 (Kost)<br />

II. Urteilsverfahren<br />

Abmahnung<br />

1. Verlangt der Arbeitnehmer die Entfernung von Schriftverkehr<br />

aus seiner Personalakte, der sich auf eine ebenfalls<br />

gerichtlich angegriffene Abmahnung bezieht, so ist dieser<br />

Streitgegenstand gesondert zu bewerten.<br />

Beschl. v. 9. Januar 20<strong>02</strong> – 17 Ta 6001 / <strong>02</strong> (Kost)<br />

2. Wendet sich der Arbeitnehmer in einem Rechtsstreit gegen<br />

mehrere Abmahnungen, so ist jede Abmahnung für sich<br />

zu bewerten und anschließend ein Gesamtstreitwert zu bilden.<br />

Es ist dabei in der Regel ohne Belang, in welchem zeitlichen<br />

Abstand die Abmahnungen ausgesprochen werden.<br />

Aufsätze/Beiträge<br />

Eine Herabsetzung des Streitwertes kann dabei geboten sein,<br />

wenn sich eine weitere Abmahnung auf den gleichen Lebenssachverhalt<br />

bezieht oder in dem gleichen Konflikt seine<br />

Ursache hat wie eine bereits erfolgte Abmahnung<br />

Beschl. v. 28. April 2003 – 17 Ta 6<strong>02</strong>4 / 03 (Kost)<br />

Arbeitskampf<br />

Der Streit über die Zulässigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen<br />

stellt eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit<br />

dar. Der Streitwert kann daher nicht anhand der Anzahl der<br />

tarifgebundenen Arbeitnehmer und der Höhe der Tarifforderung<br />

berechnet werden, sondern er ist nach § 8 Abs. 2 Satz 2,<br />

2. Hs BRAGO zu bestimmen.<br />

Beschl. v. 26. September 20<strong>02</strong> – 17 Ta 6068 / <strong>02</strong> (Kost)<br />

Arbeitspapiere<br />

Der Wert einer Klage auf Herausgabe von Arbeitspapieren<br />

beträgt regelmäßig 200,00 DM je Arbeitspapier. Ein höherer<br />

Wert ist nur festzusetzen, wenn dies aufgrund konkreter Angaben<br />

gerechtfertigt ist.<br />

Beschl. v. 23. Mai 2001 – 17 Ta 6083 / 01 (Kost)<br />

Beschäftigung<br />

1. Der Wert der mit einer Kündigungsschutzklage verbundenen<br />

Klage auf vorläufige Beschäftigung beträgt ein Drittel<br />

des Wertes der Bestandsstreitigkeit, höchstens jedoch einen<br />

Monatsverdienst.<br />

Beschl. v. 19. September 2003 – 17 Ta 6084 / 03 (Kost)<br />

2. Der Wert einer Klage auf tatsächliche Beschäftigung bestimmt<br />

sich regelmäßig nach der Höhe eines Bruttomonatsverdienstes.<br />

Eine Erhöhung dieses Wertes kommt in Betracht,<br />

wenn der Arbeitnehmer ein besonderes Interesse an der begehrten<br />

Beschäftigung geltend macht.<br />

Beschl. v. 18. November 2003 – 17 Ta 6116 / 03 (Kost)<br />

3. Der Streit über die Wirksamkeit einer Versetzung ist<br />

regelmäßig mit dem Betrag einer Bruttomonatsvergütung zu<br />

bewerten; eine höhere Wertfestsetzung erfordert konkrete<br />

Angaben zur Bedeutung der Versetzung.<br />

Beschl. v. 9. Mai 2001 – 17 Ta 6075 / 01 (Kost)<br />

Bestandsstreitigkeiten<br />

1. Sagt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei Ausspruch<br />

einer Kündigung eine Wiedereinstellung zu (Schlechtwetterkündigung),<br />

kann dies bei der Wertfestsetzung nach § 12<br />

Abs. 7 Satz 1 ArbGG berücksichtigt werden.<br />

Beschl. v. 27. Mai 2003 – 17 Ta 6054 / 03 (Kost)<br />

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