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Arbeitsrechtliche Entscheidungen Ausgabe 2004-02

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Rechtsprechung<br />

Sonstiges<br />

weigert hat und ein Verfahren nach § 103 BetrVG führt. Entscheidend<br />

ist vielmehr, dass sowohl der Betriebsrat nach Zustimmungsverweigerung<br />

als auch das beteiligte Betriebsratsmitglied<br />

das nachfolgende Zustimmungsersetzungsverfahren<br />

mit der gleichen Zielrichtung führen, nämlich Abwehr des<br />

Kündigungsbegehrens des Arbeitgebers. Die Interessenlage<br />

ist gleichgerichtet, es gibt gerade keinen Interessengegensatz.<br />

Ein Interessengegensatz lässt sich auch nicht aus der Aufgabenstellung<br />

des Betriebsrates und seiner Verpflichtung<br />

herleiten, die Interessen der Gesamtbelegschaft zu vertreten<br />

und vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten.<br />

Das Zustimmungserfordernis des § 103 BetrVG ist<br />

eingebunden in den besonderen Kündigungsschutz von<br />

betriebsverfassungsrechtlichen Funktionsträgern, insbesondere<br />

Betriebsratsmitgliedern. Neben dem Ausschluss der<br />

ordentlichen Kündigung nach § 15 KSchG dient § 103 BetrVG<br />

dem Ziel, das Betriebsratsmitglied vor unwirksamen außerordentlichen<br />

Kündigungen zu schützen. Dieser besondere<br />

Schutz dient der Unabhängigkeit der Amtsführung und<br />

damit der Funktionsfähigkeit des Betriebsrates. Gewährleistet<br />

ist damit aber auch ein individueller Kündigungsschutz<br />

des betroffenen Betriebsratsmitgliedes. Entsprechend hat<br />

der Betriebsrat, der über eine Zustimmung zur Kündigung<br />

nach § 103 BetrVG zu entscheiden hat, nicht etwa nach<br />

Billigkeitsgesichtspunkten zu urteilen oder nach Ermessen zu<br />

entscheiden. Der Betriebsrat hat zu prüfen, ob ausreichende<br />

Gründe für eine außerordentliche Kündigung vorliegen. Er<br />

hat damit zu prüfen, ob das betroffene Betriebsratsmitglied<br />

vor einer Kündigung geschützt werden muss oder ob, weil<br />

ausreichende Gründe vorliegen, dieser Schutz nicht eingreift<br />

und die Kündigung ausgesprochen werden darf. § 103 BetrVG<br />

dient damit zumindest auch dem Schutz des betroffenen<br />

Betriebsratsmitgliedes (KR, 6. Aufl. § 103 BetrVG Rn und<br />

Rn 85).<br />

Der Entscheidungsprozess des Betriebsrates stellt sich so<br />

dar, dass er über den Zustimmungsantrag des Arbeitgebers<br />

zur Kündigung zu befinden hat. Prüfungsmaßstab ist hier,<br />

ob die vorgetragenen Kündigungsgründe die Kündigung<br />

rechtfertigen. Wird diese Frage vom Betriebsrat bejaht und<br />

stimmt er zu, macht er die außerordentliche Kündigung<br />

möglich und stellt sich in einen Interessengegensatz zum<br />

betroffenen Betriebsratsmitglied. Verneint er ausreichende<br />

Kündigungsgründe und verweigert er die Zustimmung,<br />

übernimmt er den Schutz des betroffenen Betriebsratsmitgliedes<br />

und entscheidet sich auch für die Wahrnehmung<br />

der Interessen des betroffenen Betriebsratsmitgliedes. Der<br />

Betriebsrat wird dann im nachfolgenden Zustimmungsersetzungsverfahren<br />

nach § 103 BetrVG Antragsgegner des<br />

Arbeitgebers, der gleichlautend mit der Interessenlage des<br />

beteiligten Betriebsratsmitgliedes die Berechtigung der Kündigung<br />

bestreitet. Die für die Bewertung der Interessenlage<br />

maßgebliche Entscheidung des Betriebsrates fällt damit<br />

vor Einleitung des Beschlussverfahrens nach § 103 BetrVG.<br />

Mit Ablehnung des Zustimmungsantrages zur Kündigung<br />

136 <strong>02</strong>/04<br />

entscheidet der Betriebsrat, dass er auch die Interessen<br />

des betroffenen Betriebsratsmitgliedes wahrnehmen will<br />

und damit gerade nicht im Interessengegensatz zum betroffenen<br />

Betriebsratsmitglied handeln will. Der sodann im<br />

Beschlussverfahren beauftragte Anwalt erhält vom Betriebsrat<br />

und vom Betriebsratsmitglied das Mandat mit identischer<br />

Zielrichtung, nämlich mit Abwehr des Kündigungsbegehrens<br />

des Arbeitgebers. Ein Interessengegensatz kann damit nicht<br />

festgestellt werden.<br />

Zu berücksichtigen ist weiter, dass bei außerordentlicher Kündigung<br />

von Betriebsratsmitgliedern die Kündigung fast ausschließlich<br />

mit Vertragspflichtverletzungen, also verhaltensbedingten<br />

Gründen begründet wird. Der Betriebsrat als Antragsgegner<br />

des Beschlussverfahrens nach § 103 BetrVG ist dann<br />

aber im Regelfall für einen sachgerechten Prozessvortrag auf<br />

Angaben des beteiligten Betriebsratsmitgliedes angewiesen.<br />

Der Prozessvortrag durch Betriebsrat und beteiligtes Betriebsratsmitglied<br />

ist deshalb auch bei Verfahren nach § 103 BetrVG<br />

im Regelfall identisch, selbst wenn sie von 2 Verfahrensbevollmächtigten<br />

vertreten werden (anders LAG Köln, Beschluss<br />

vom 15.11.2000, 3 TaBV 55/00, LAGE § 40 BetrVG 1972 Nr. 66).<br />

■ Landesarbeitsgericht Niedersachen<br />

vom 1. Juli 2003, 13 TaBV6/03, Rechtsbeschwerde zugelassen<br />

240. Wiedereinsetzung, Organisationsverschulden, Einzelanweisung,<br />

Kündigungsrecht-Verwirkung, § 233 ZPO<br />

1. Hat ein Rechtsanwalt vor Ablauf der Begründungsfrist die<br />

konkrete Einzelanweisung erteilt, die Berufungsfrist, die Berufungsbegründungsfrist<br />

und die darauf bezogene Vorfrist zu<br />

notieren, darf er bei einer Büroangestellten, die sich bislang<br />

als zuverlässig erwiesen hat, grundsätzlich auf das Ausführen<br />

der Anweisung vertrauen. Er ist nicht verpflichtet, die Ausführung<br />

zu kontrollieren. Ebenso wenig kommt es auf die allgemein<br />

getroffenen organisatorischen Vorkehrungen für die<br />

Fristwahrung an. Dem Anwalt obliegt allerdings bei Vorlage<br />

der Handakte zur Bearbeitung im Zusammenhang mit der<br />

befristeten Prozesshandlung die Verpflichtung zur Überprüfung,<br />

ob in der Handakte ein Erledigungsvermerk über die<br />

Fristennotierung angebracht ist.<br />

2. Das Kündigungsrecht des Arbeitgebers verwirkt, wenn<br />

er ein Verhalten, das er als potentiellen Kündigungsgrund<br />

ansieht, nicht zum Anlass einer Kündigung nimmt, sondern<br />

das Arbeitsverhältnis beanstandungsfrei fortsetzt.<br />

■ Landesarbeitsgericht Niedersachen<br />

vom 8. November 20<strong>02</strong>, 10 Sa 1100/<strong>02</strong><br />

241. Urteilsverkündung durch nicht mit der Sache befassten<br />

Richter<br />

Wenn die Richter, die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen<br />

haben, die sich in der Akte befindliche Urteilsformel<br />

unterschreiben, die Verkündung dieses Urteils aber durch die<br />

nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständige Richterin im

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