Arbeitsrechtliche Entscheidungen Ausgabe 2004-02
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steuerliche Rechnungszinssatz gem. § 6 a EStG ist 6 % und<br />
wird im Allgemeinen zugrunde gelegt. Mit anderen Worten:<br />
Die Pensionsrückstellung (Pensionsverbindlichkeit) entspricht<br />
dem Betrag, der erforderlich ist, um auf Dauer mit 6 % angelegt<br />
die Bezahlung der zugesagten Altersversorgung zu ermöglichen.<br />
Der Betriebserwerber wird daher die zu übernehmenden Pensionsverpflichtungen<br />
in Höhe der Pensionsrückstellungen per<br />
Übernahmestichtag verlangen.<br />
3. Vorteile der Übernahme einer betrieblichen<br />
Altersversorgung<br />
Der Vorteil der Übernahme einer Altersversorgung besteht<br />
darin, dass der Betriebsveräußerer einen Geldbetrag in Höhe<br />
der erforderlichen Pensionsrückstellung zahlt, mithin insoweit<br />
den Kaufpreis mindert. Muss der Betriebserwerber zum Erwerb<br />
des Betriebes Kredit aufnehmen, so vermindert sich sein<br />
Kreditrahmen. Wer Anlage- und Umlaufvermögen in Höhe<br />
von 1 Mio. € übernimmt, muss dies bezahlen, sich ggf. hierfür<br />
einen Kredit geben lassen. Übernimmt er Pensionsverpflichtungen<br />
mit einem Rückstellungsbetrag von 0,6 Mio. €, mindert<br />
dies den Kaufpreis. Er hat nur noch einen Restkaufpreis<br />
von 4 Mio. € zu finanzieren. Wirtschaftlich ist die übernommene<br />
Altersversorgung ein Kredit der Pensionäre, der mit<br />
6 % zu verzinsen ist und in vielen Jahren ratenweise zurückzuzahlen<br />
ist. Das vorteilhafte an diesem Kredit ist, dass der<br />
Betriebserwerber hierfür keinerlei Banksicherheiten benötigt.<br />
Die Sicherheit der Pensionäre ist durch die gesetzliche Insolvenzsicherung<br />
gewährleistet.<br />
4. Vergangenheitsbezogene Risiken<br />
Die Risiken bezogen auf die in der Vergangenheit übernommenen<br />
Pensionen bestehen im Folgenden:<br />
a) Zinssatz 6 %<br />
Die Pensionsrückstellungen müssen auf Dauer mit 6 % verzinst<br />
werden, ganz gleich, wie hoch die banküblichen Zinsen<br />
sind, ganz gleich, wie hoch der Darlehensbedarf des Unternehmens<br />
ist.<br />
b) Rentenanpassung gem. § 16 BetrAVG<br />
Der Betriebserwerber hat die Betriebsrenten gem. § 16 BetrAVG<br />
alle drei Jahre anzupassen. Diese Anpassungsverpflichtung<br />
ist in der Rückstellung, wenn sie wie üblich gem. § 6 a EStG<br />
gebildet ist, nicht enthalten. Denn ungewisse Veränderungsfaktoren<br />
werden nicht berücksichtigt, sondern erst ab dem<br />
Zeitpunkt, ab dem sie eintreten.<br />
c) Gehaltsabhängige Zusage<br />
Ein besonderes Risiko ergibt sich bei gehaltsabhängigen Zusagen,<br />
bei denen die Altersversorgung aus einem bestimmten<br />
Prozentsatz des letzten Gehaltes besteht. Dies führt dazu,<br />
dass die Jahre, die ein Arbeitnehmer beim Betriebsveräußerer<br />
Aufsätze/Beiträge<br />
verbracht hat, nicht nach Maßgabe seines damaligen, sondern<br />
nach Maßgabe seines künftigen Gehaltes belohnt werden. Um<br />
bei unserem Beispielsfall zu bleiben:<br />
Ein Arbeitnehmer tritt mit 35 Jahren in die Dienste des Betriebsveräußerers<br />
und ist zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs<br />
50 Jahre alt. Die Pensionszusage soll eine Altersrente in<br />
Höhe von 1 % des letzten Gehaltes vorsehen. Verdient er zum<br />
Zeitpunkt des Betriebsübergangs 1.000,00 €, dann erhält er<br />
für diese Zeit 15 % von 1.000,00 € = 150,00 €. Dieser Arbeitnehmer<br />
wird übernommen und setzt sein Arbeitsverhältnis<br />
fort. Zum Zeitpunkt der Pensionierung verdient er 2.000,00<br />
€. Ererhält dann für die gesamte Betriebszugehörigkeit 30 %<br />
von 2.000,00 €, somit 600,00 €, oder für die ersten 15 Dienstjahre<br />
300,00 €. Die bei Betriebsübergang bestehende Anwartschaft<br />
hat sich durch die Gehaltserhöhung im fortbestehenden<br />
Arbeitsverhältnis verdoppelt. Dieser Effekt, vom Bundesarbeitsgericht<br />
als zeitanteilig erdiente Dynamik bezeichnet,<br />
ist in der Pensionsrückstellung bei Betriebsübernahme nicht<br />
enthalten. Vereinfacht gesagt:<br />
Bei einer gehaltsabhängigen Altersversorgung führen künftige<br />
Gehaltssteigerungen zu einer „Vergoldung“ der Vergangenheit.<br />
Dieser „Vergoldungseffekt“ spiegelt sich in der Pensionsrückstellung<br />
gem. § 6 a EStG zum Zeitpunkt des Betriebsüberganges<br />
nicht wider. Denn die Pensionsrückstellung erhöht<br />
sich immer erst dann, wenn das Gehalt tatsächlich steigt.<br />
Von dieser Belastung kann sich der Arbeitgeber künftig –<br />
wenn überhaupt – nur aus so genannten triftigen Gründen<br />
lösen.<br />
– BAG, Urteil vom 11.12.2001–3 AZR 512/00 – = DB 2003,<br />
293<br />
Es bleibt die Erkenntnis, dass jede Gehaltserhöhung durch den<br />
Betriebserwerber die beim Vorarbeitgeber erdiente Anwartschaft<br />
rückwirkend erhöht.<br />
5. Künftige Steigerungsbeträge<br />
Die übernommene Altersversorgung verpflichtet den Betriebserwerber<br />
nicht nur dazu, sie insoweit zu erfüllen, als sie<br />
in der Vergangenheit erdient worden ist. Das Arbeitsverhältnis<br />
wird auch künftig mit der Versorgungszusage „belastet“.<br />
Der Betriebserwerber kann sich von der Versorgungszusage<br />
(wenn auch nicht in jedem Fall) nur nach Maßgabe der<br />
Besitzstandsrechtsprechung des Dritten Senats des BAG lösen,<br />
die im Rahmen dieses Beitrags nicht im Einzelnen dargestellt<br />
werden kann.<br />
6. Unsicherheiten bei der Rückstellungsberechnung<br />
Abgesehen davon, dass die Pensionsrückstellung zum Übergabestichtag<br />
in vielen Fällen das wirkliche Risiko nicht, teilweise<br />
nicht einmal annähernd deckt, bleiben weitere Risiken<br />
bei der Berechnung.<br />
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