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Arbeitsrechtliche Entscheidungen Ausgabe 2004-02

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Verborgene wirtschaftliche Risiken beim Betriebsübergang<br />

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Klaus Neef, Hannover<br />

I. Erstattung von Arbeitslosengeld gem.<br />

§ 147 a SGB III<br />

1. Zurechnung der Vordienstzeit<br />

Entlässt der Betriebserwerber einen älteren Arbeitnehmer,<br />

kann er zur Erstattung von Arbeitslosengeld verpflichtet<br />

sein, wenn dieser bei ihm langjährig beschäftigt war. Die<br />

Dienstjahre des Vorarbeitgebers (des Betriebsveräußerers)<br />

werden ihm in vollem Umfang zugerechnet, so jedenfalls das<br />

Bundessozialgericht zu der früheren Regelung in § 128 AFG.<br />

– BSG, Urteil 18.09.1997–11 RAr 55/96 – = NZS 1998, 297<br />

– vgl. auch Hauck/Noftz/Voelzke, SGB III, § 147 a Rn. 82 ff<br />

2. Entlassung durch Betriebserwerber<br />

Wer z.B. ein Jahre nach Betriebsübergang einen älteren Arbeitnehmer<br />

entlässt, ist voll in der Erstattungspflicht, wenn dieser<br />

beim Vorarbeitgeber z.B. 15 Jahre gearbeitet hat. Das Bundessozialgericht<br />

begründet dies damit, dass nicht etwa die<br />

Erstattungspflicht vom bisherigen auf den neuen Arbeitgeber<br />

übergeht, sondern lediglich eine in der Vergangenheit gewachsene<br />

Verantwortungsbeziehung übernommen wird, die<br />

erst mit der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzung des (damaligen)<br />

§ 128 AFG, insbesondere der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses<br />

unter Mitwirkung des neuen Arbeitgebers,<br />

realisiert wird.<br />

– BSG, Urteil 18.09.1997–11 RAr 55/96 – = NZS 1998, 297<br />

3. Entlassung durch Betriebsveräußerer<br />

Entlässt der Betriebsveräußerer den Arbeitnehmer und endet<br />

das Arbeitsverhältnis vor Betriebsübergang, kommt eine<br />

Haftung des Betriebserwerbers, der niemals Arbeitgeber geworden<br />

ist, nicht in Betracht. Hat der Betriebsveräußerer die<br />

Kündigung ausgesprochen, den Mitarbeiter möglicherweise<br />

schon freigestellt, fällt aber der Betriebsübergang in den Lauf<br />

der Kündigungsfrist, so wird der Betriebserwerber für eine<br />

gewisse Zeit lang Arbeitgeber. Sein Arbeitsverhältnis mit dem<br />

Arbeitnehmer endet, wenn auch nicht aufgrund seiner Kündigung.<br />

Nach Ansicht des Sozialgerichts Hannover entfällt eine<br />

Erstattungspflicht des Betriebserwerbers mangels dessen Verantwortung<br />

für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.<br />

– SozG Hannover, Urteil vom 20.01.2003 – S26AL521/99<br />

– vgl. auch Pietreck, DB 2003, 2065<br />

Ob sich diese Rechtsprechung durchsetzen wird, erscheint<br />

im Hinblick auf eine Entscheidung des Landessozialgerichts<br />

Nordrhein-Westfalen fraglich.<br />

Aufsätze/Beiträge<br />

– LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.06.20<strong>02</strong> – L12<br />

AL 168/01 – = zitiert nach Juris<br />

Ein Arbeitgeber hatte ältere Arbeitnehmer entlassen und<br />

machte geltend, er habe seine Belegschaft um mehr als 10 %<br />

vermindert, weshalb (nach altem wie neuem Recht) der Anteil<br />

der betroffenen älteren Arbeitnehmer prozentual doppelt so<br />

hoch sein dürfe wie ihrem Anteil in der Gesamtbelegschaft<br />

entsprach. Dabei zählte der Arbeitgeber die Arbeitnehmer<br />

mit, um die sich seine Belegschaft im Wege eines Teilbetriebsüberganges<br />

vermindert hatte. Das Landessozialgericht<br />

gab ihm recht. Diese Arbeitnehmer seien – bezogen auf den<br />

alten Arbeitgeber – ausgeschieden.<br />

Danach ergibt sich für unseren Fall des vom Betriebsveräußerer<br />

gekündigten Arbeitnehmers, dessen Arbeitsverhältnis<br />

erst nach Betriebsübergang endet:<br />

Nach Ansicht des Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen<br />

kommt eine Erstattungspflicht des Betriebsveräußerers niemals<br />

in Betracht, da er sich ja von 100 % seiner Belegschaft<br />

getrennt hat.<br />

Nach Ansicht des Arbeitsgerichts Hannover kommt eine Erstattungspflicht<br />

des Betriebserwerbers nicht in Betracht, da dieser<br />

für die Entlassung nicht verantwortlich ist.<br />

Dass die Sozialgerichte auf Dauer einen geschickt gewählten<br />

Betriebsübergang als Instrument akzeptieren, der Erstattungspflicht<br />

vollständig zu entgehen, erscheint unwahrscheinlich.<br />

Daher sollte der Betriebserwerber damit rechnen, auch in den<br />

Fällen zur Erstattung herangezogen zu werden, in denen die<br />

Arbeitsverhältnisse gekündigt übergehen; insbesondere sollte<br />

er sich erkundigen, ob Arbeitsverhältnisse übergehen, von<br />

denen er nichts weiß, z.B. weil die Arbeitnehmer freigestellt<br />

sind.<br />

Der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis bereits vor Betriebsübergang<br />

gekündigt wurde, kann durch sein Widerspruchsrecht<br />

maßgeblichen Einfluss nehmen. Widerspricht er<br />

dem Betriebsübergang, so geht das Arbeitsverhältnis nicht<br />

über. Er wird in den Diensten des Veräußerers entlassen.<br />

Diesen trifft eine etwaige Erstattungspflicht. Die Risiken<br />

des Widerspruchs sind begrenzt. Denn nach Ansicht des<br />

SG Frankfurt löst der Widerspruch keine Sperrzeit aus.<br />

– SG Frankfurt, Urteil vom 26.<strong>02</strong>.1992 – S-14 Ar-1747/88 –<br />

= AiB 1992, 47<br />

<strong>02</strong>/04<br />

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