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2.1 Die Entstehung des Pentateuch (5 Bücher Mose)

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<strong>2.1</strong> <strong>Die</strong> <strong>Entstehung</strong> <strong>des</strong> <strong>Pentateuch</strong> (5 <strong>Bücher</strong> <strong>Mose</strong>)<br />

<strong>2.1</strong>.1 Grundlegende Fragerichtungen der <strong>Pentateuch</strong>-Forschung<br />

Der <strong>Pentateuch</strong> ist — wie andere biblische <strong>Bücher</strong> und die gesamte Bibel — in seiner uns überlieferten<br />

Endgestalt eine literarische Gesamtkomposition, in der im Ganzen, aber auch in ihren<br />

Teilen jeweils ein planvolles theologisches Profil zu entdecken ist.<br />

Zugleich ist sie aber auch eine Sammlung von literarischen Zeugnissen verschiedener Verfasser<br />

aus verschiedenen Zeiten, mit verschiedenen Intentionen. Es ist eine Eigentümlichkeit,<br />

dass offensichtlich für die Tradenten oder Redaktoren die Treue zur Überlieferung wichtiger war<br />

als die Auflösung von Widersprüchen, die durch das Wachstum der Überlieferung entstanden<br />

waren.<br />

Während sich die Forschungsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert vor allem für die Vorformen<br />

und die <strong>Entstehung</strong>sgeschichte der Einzeltexte interessierte, ist in jüngerer Zeit ein neues Interesse<br />

an der Gesamtkomposition und der Endgestalt der Texte festzustellen.<br />

In der mit der Aufklärung einsetzenden literarkritischen Betrachtung <strong>des</strong> <strong>Pentateuch</strong> (5 <strong>Bücher</strong><br />

<strong>Mose</strong>) gehört mit zu den ersten Entdeckungen, dass Gen 1-2,3 und Gen 2,4-3 aus verschiedenen<br />

Gründen unterschiedlichen literarischen Quellen zuzurechnen sind. Wegen <strong>des</strong> dort benutzten<br />

Gottesnamens Jahwe (JHWH) wurden der bzw. die Verfasser der Quellenschrift, der in<br />

der Urgeschichte Gen 2,4b-4 sowie wesentliche Teile von 6-9 u. 11 zugerechnet werden, als<br />

Jahwist (J) bezeichnet.<br />

<strong>Die</strong>se Quellenschicht wurde unterschieden von der erst ab Gen 15 fragmentarisch erhaltenen<br />

Quellenschicht E (Elohist, nach Elohim; hebr. Gott) und der in der Urgeschichte Gen 1; 5; 10<br />

und Teile von 6-9 umfassenden Priesterschrift (P). Über die Quellenschichten und die Redaktionsgeschichte<br />

mit ihren vielfältigen Detailproblemen informieren die »Einleitungen ins Alte<br />

Testament« 1 In der neueren Forschung wird E als eigenständige Quelle aufgegeben, während die<br />

Überlieferungen, die der Quelle J zugeordnet wurden, zeitlich neu bestimmt werden …<br />

Über den Werdeprozess <strong>des</strong> <strong>Pentateuch</strong> gibt es in der Forschung tief greifende Meinungsverschiedenheiten,<br />

die hier nur angedeutet werden können. Ansatzpunkt der literarkritischen Arbeit<br />

ist insbesondere die Beobachtung von Doppelüberlieferungen und von Widersprüchen. Widersprüche<br />

fallen neben den Gegensätzen von Gen 1 und 2-3 besonders in der Flutgeschichte<br />

auf. Sie können solche Widersprüche in Gen 6,5-9,28 selbst entdecken. …<br />

Weitgehend durchgesetzt hat sich die These, dass diese Widersprüche durch die Verbindung<br />

bereits literarisch vorgeformter Stücke zustande gekommen sind und nicht durch die Verarbeitung<br />

unterschiedlicher mündlicher Überlieferungen in einer Grundschrift.<br />

<strong>2.1</strong>.2 Grundrichtungen der Hypothesenbildung<br />

Zur <strong>Entstehung</strong> <strong>des</strong> <strong>Pentateuch</strong> wurden vielfältige Hypothesen entwickelt. Es lassen sich drei<br />

Grundrichtungen der Hypothesenbildung unterscheiden:<br />

1. Quellenhypothese (Urkundenhypothese; Schichtenmodell):<br />

<strong>Die</strong> ältere Quellenhypothese rechnet mit zunächst selbstständigen Quellenschriften<br />

(min<strong>des</strong>tens J, E, P), die einen ähnlichen Erzählbogen hatten, der unterschiedlich umfangreich<br />

die Gesamtdarstellung von der Schöpfung bis zum Tod <strong>des</strong> <strong>Mose</strong> enthielt. <strong>Die</strong>se zu<br />

unterschiedlichen Zeiten entstandenen Quellenschriften wurden später von einem oder<br />

mehreren Redaktoren zusammengearbeitet. Dabei wurden die Quellen in unterschiedlichem<br />

Umfang verwendet. Redaktionen vermutet man nach katastrophalen Ereignissen wie<br />

dem Untergang <strong>des</strong> Nordreiches und dem babylonischen Exil.<br />

2. Erzählkranzhypothese (Fragmenthypothese; Blockmodell):<br />

Ein anderes Erklärungsmodell geht von ursprünglich selbstständigen Texten mit Einzel-


themen wie Schöpfung, Exodus usw. ohne den durchgehenden Erzählzusammenhang <strong>des</strong><br />

späteren <strong>Pentateuch</strong> aus. <strong>Die</strong>se thematisch begrenzten Erzählkränze wurden lange Zeit für<br />

sich überliefert und dann viel später in exilischer bzw. frühnachexilischer Zeit zu dem großen<br />

Erzählzusammenhang <strong>des</strong> <strong>Pentateuch</strong> zusammen gestellt.<br />

3. Grundschriftenhypothese (Ergänzungshypothese, Fortschreibungsmodell): Schließlich<br />

wird der Werdeprozess redaktionsgeschichtlich so erklärt, dass der <strong>Pentateuch</strong> auf eine Basis-Urkunde,<br />

die von der Schöpfung bis zum Tode <strong>Mose</strong>s berichtet, zurückgeht. <strong>Die</strong>se<br />

Grundschrift wurde durch verschiedene mündliche oder schriftliche Teiltexte oder interpretierende<br />

Ergänzungsschichten angereichert.<br />

Lange Zeit war die Quellenhypothese (1.) in Form <strong>des</strong> klassischen Modells von JULIUS<br />

WELLHAUSEN (1844-1918) in der <strong>Pentateuch</strong>-Forschung führend.<br />

Ein wichtiges Argument für die Beibehaltung einer modifizierten Quellentheorie (1.) liegt in<br />

dem Sachverhalt, dass die Rekonstruktionen von P (besonders), aber auch von J, sich unabhängig<br />

voneinander als jeweils stimmiger Gesamttext erschließen lassen.<br />

Problematischer ist die zeitliche Einordnung der einzelnen Schichten. <strong>Die</strong> traditionelle Einordnung<br />

nach WELLHAUSEN, die auch in religionspädagogische Zusammenhänge übernommen<br />

wurde, setzt das jahwistische Werk in der frühen Königszeit an (in der so genannten salomonischen<br />

Aufklärung). <strong>Die</strong> Plausibilität einer bereits in der frühen Königszeit entstandenen jahwistischen<br />

Quellenschrift ist in der Forschung jedoch inzwischen soweit erschüttert worden, dass<br />

auch religionspädagogische Rezipienten sich davon lösen müssen. Das klassische Wellhausen-<br />

Modell zur <strong>Pentateuch</strong>-<strong>Entstehung</strong> ist vor allem in Bezug auf die Frühdatierung von J nicht mehr<br />

haltbar.<br />

<strong>2.1</strong>.3 Neuere Ansätze<br />

<strong>Die</strong> neuere <strong>Pentateuch</strong>-Forschung liefert modifizierte Modelle zu jeder der vorgestellten Hypothesen.<br />

<strong>Die</strong>sem Arbeitsbuch wird das von E. ZENGER und P. WEIMAR vorgeschlagene Modell<br />

einer Kombination von Erzählkranzmodell und reduziertem Quellenmodell zu Grunde gelegt. 2<br />

Erzählkränze bilden eine Zwischenebene zwischen kleinen Einzelüberlieferungen und Gesamtdarstellungen<br />

unter der Perspektive einzelner Themen oder Gestalten.<br />

Vereinfacht verlief der <strong>Entstehung</strong>sprozess <strong>des</strong> <strong>Pentateuch</strong> möglicherweise folgendermaßen:<br />

1. In den späteren <strong>Pentateuch</strong> sind drei Überlieferungsströme (Quellen) zusammengeflossen,<br />

die zunächst eine voneinander unabhängige Geschichte hatten:<br />

a. Komposition von Erzählkränzen nichtpriesterlicher Texte (JG = Jerusalemer Geschichtswerk);<br />

b. priesterliche Texte (P);<br />

c. deuteronomistische Texte (Dtn).<br />

2. Eine erste übergreifende Geschichtsdarstellung unter Verwendung von überlieferten Erzählungen<br />

entstand vermutlich nach dem Untergang <strong>des</strong> Nordreiches (722 v. Chr.) unter<br />

Einfluss von prophetischen Gestalten wie Amos, Hosea, Jesaja und kann Jerusalemer Geschichtswerk<br />

(JG) genannt werden (JG entspricht im Wesentlichen den in älteren Einleitungen<br />

J = Jahwisten zugeschriebenen Teilen). <strong>Die</strong>ses Werk wurde nach dem Untergang<br />

Judas in der Exilszeit (586-538 v. Chr.) bearbeitet und erweitert. Hierbei wurde das alte,<br />

bereits mehrfach redigierte Bun<strong>des</strong>buch Ex 20,22-23,33 eingearbeitet. Das Ergebnis dieser<br />

Bearbeitung kann Exilisches Geschichtswerk genannt werden.<br />

3. Interessen <strong>des</strong> jüdischen Exils lassen sich z. B. bei der Bearbeitung der Erzelternerzählungen<br />

erkennen. Das Wirken JHWHs ist nicht auf das verheißene Land beschränkt<br />

sondern universal. <strong>Die</strong> erzählten Situationen der Vorfahren Israels entsprechen<br />

denen der Exulanten: Als eine Minderheit unter Fremden.


Ein zweiter umfassender Geschichtsentwurf entstand um 520 in Babylon unter priesterlichem<br />

Einfluss (Grundschrift der Priesterschrift P) und wurde nach der Rückkehr durch<br />

kultisches Material und das Heiligkeitsgesetz (Lev 17-26) erweitert.<br />

4. <strong>Die</strong> dritte Quelle ist eine Vorform <strong>des</strong> 5. Buch <strong>Mose</strong> (Deuteronomium), <strong>des</strong>sen älteste<br />

Gestalt in Form einer reinen Gesetzessammlung auf die Zeit Hiskijas (um 700 v. Chr.) zurückgeführt<br />

wird. <strong>Die</strong>se wurde unter Joschija (um 620 v. Chr.) erweitert und schließlich im<br />

Exil ins Deuteronomistische Geschichtswerk (DtrG) eingebunden …<br />

Zwischen 450 und 400 v. Chr. wurden die aus den Quellen entstandenen Ströme im <strong>Pentateuch</strong><br />

zusammengeführt. In seiner Endgestalt erscheint der <strong>Pentateuch</strong> als kunstvolle literarische Komposition,<br />

in die die Biografie <strong>des</strong> <strong>Mose</strong> eingewoben ist. Den äußeren Rahmen bilden die <strong>Bücher</strong><br />

Genesis und Deuteronomium, den inneren Rahmen die <strong>Bücher</strong> Exodus und Numeri. <strong>Die</strong> Mitte<br />

<strong>des</strong> <strong>Pentateuch</strong> bildet die Agende für den Versöhnungstag im Buch Leviticus (Lev 16-17). Eine<br />

Reihe wichtiger Themen (Passa Ex 12 u. Num 9,1-14; der Dekalog Ex 20 u. Dtn 5 u.a.) sind<br />

spiegelbildlich um das Buch Leviticus als Zentrum angeordnet. 3 Der <strong>Pentateuch</strong> spannt den Bogen<br />

von der Erschaffung der Erde, der Verheißung <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>, dem Exodus und der Gabe der<br />

Tora mit Einsetzung der Institutionen (Feste, Ämter) zur erneuten Verheißung <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> an<br />

seiner Schwelle.<br />

F. Johannsen, Alttestamentliches Arbeitsbuch für Religionspädagogen, Verlag W. Kohlhammer,<br />

Stuttgart, 3. Aufl. (2005), S. 35-38<br />

1<br />

Z. B. Kaiser, Otto: Einleitung in das Alte Testament, 5. grundlegend neubearb. Aufl., Gütersloh 1984<br />

(Neuauflage für 2005 angekündigt).<br />

2<br />

Zenger, E. u.a.: Einleitung in das Alte Testament, Stuttgart u.a. 2004, 100ff.<br />

3 Zenger, E., a. a. O., 68f.

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