Gesunde Ernährung v..
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„<strong>Gesunde</strong> <strong>Ernährung</strong> von Anfang an – Besonderheiten bei der Verpflegung <br />
unter Dreijähriger (U3)“ <br />
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Das Angebot an Säuglings‐ und Kleinkinderlebensmittel in Super‐ und Drogeriemärkten <br />
suggeriert Eltern, dass sie ihre Jüngsten nur mit speziellen Lebensmitteln gesund ernähren <br />
können. Doch solche "Kinderlebensmittel" sind überflüssig und belasten zusätzlich das <br />
Familienbudget. Ab Vollendung des ersten Lebensjahres können Kleinkinder mit einigen <br />
wichtigen Ausnahmen am Familientisch mitessen. <br />
Dies gilt auch für die Verpflegung in Kitas. Dennoch stehen sie vor einer neuen <br />
Herausforderung. <br />
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Entwicklung des Essverhaltens im Kleinkindalter <br />
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Beim Essverhalten und bei den <strong>Ernährung</strong>sbedürfnissen der Altersgruppe der unter <br />
Dreijährigen ist es wichtig die verschiedenen Aspekte wie Prägungen, Bedürfnisse, <br />
Motivation usw. zunächst genauer zu betrachten. <br />
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Im Säuglingsalter stehen die Innenreize wie Hunger, Durst und Sättigung als <br />
Primärbedürfnisse zur Sicherung einer adäquaten Nahrungsaufnahme eindeutig im <br />
Vordergrund, während mit zunehmendem Alter die Außenreize wie feste Essenszeiten, <br />
Regeln, Esskultur als Sekundärbedürfnisse an Bedeutung gewinnen. <br />
Kognitive Einflüsse auf das Essverhalten (Wissen, Einstellungen, Erfahrungen) werden – <br />
wenn überhaupt – erst im Erwachsenenalter wirksam auf das Essverhalten. Appelle wie „das <br />
ist gesund“ oder „davon wirst du dick“ bleiben deshalb in der Kindheit unwirksam. <br />
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Die Prägung des Geschmacks ist zum Teil bereits angeboren. So stellt die angeborene <br />
Süßpräferenz den „Sicherheitsgeschmack der Evolution“ dar. <br />
Diese genetisch festgelegte Bevorzugung von süßen Speisen wird mit dem Vorteil erklärt, <br />
dass in Süßem eine Energiequelle und in bitteren Speisen oft riskante Nahrung zu erkennen <br />
sind. So besteht auch die höchste Empfindlichkeit für den bitteren Stoff Chinin, der sogar <br />
reflektorisch einen Würge‐ und Brechreiz auslösen kann.
Im Laufe der Jahre senkt sich die Akzeptanzschwelle für Süßes. Positive Erfahrungen auf <br />
bittere oder salzige Speisen werden erst im Kleinkind‐ und Grundschulalter durch <br />
erfahrungsbedingtes Lernen erworben. Welchen Einfluss das Lernen auf das Essverhalten <br />
hat, zeigt auch, dass Kinder Speisen bevorzugen, die ihnen als Belohnung gegeben wurden. <br />
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Allgemein geht man, begründet durch den mere exposere effect, davon aus, dass Kinder, <br />
denen eine bestimmte Speise häufig vorgesetzt wird, diese später bevorzugen. Damit wäre <br />
auch erklärt, warum auf der ganzen Welt die jeweils regionalen Geschmackspräferenzen <br />
verinnerlicht und weiter gegeben werden. <br />
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Empfehlungen zur Förderung gesunder Essgewohnheiten <br />
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Entsprechend den bisherigen Erkenntnissen ergeben sich folgende Empfehlungen: <br />
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• Kinder dürfen selbst entscheiden, wie viel sie essen – nach ihrem Hunger‐ und <br />
Sättigungsgefühl <br />
• Kinder so früh wie möglich an Geschmacksvielfalt und eine breite Palette von <br />
Lebensmitteln gewöhnen <br />
• Anfängliches Ablehnen von Neuem ist normal: Wiederholtes Anbieten neuer <br />
Lebensmittel steigert die Akzeptanz <br />
• Mahlzeiten sollten in angenehmer Atmosphäre stattfinden <br />
• Erzieherinnen, Eltern, Geschwister und Gleichaltrige sind Vorbilder beim Essen und <br />
Probieren von Lebensmitteln <br />
• Lebensmittel – speziell Süßigkeiten – sollten nicht als Belohnung oder Trostmittel <br />
benutzt werden <br />
• Essverbote (z.B. Süßigkeiten) oder der Zwang, bestimmte Lebensmittel essen zu <br />
müssen, wirken kontraproduktiv <br />
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Kinder zwischen 1 und 3 Jahre: Was und wie viel sollen sie essen? <br />
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Abgeleitet von den D‐A‐CH Referenzwerten gibt es Empfehlungen für die Verzehrsmengen <br />
im Kleinkindalter. Ziel soll dabei sein, dass alle Nährstoffe, die der Organismus braucht, in <br />
ausreichender Menge und im ausgewogenen Verhältnis zueinander aufgenommen werden. <br />
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Wichtig dabei zu beachten ist allerdings, dass „jedes Kind ist und isst“. D.h., dass die Mengen <br />
nur Anhaltswerte darstellen. Es ist keineswegs erforderlich und sinnvoll jedes einzelne Kind <br />
zu kontrollieren. Vielmehr muss das Lebensmittelangebot in der Kindertageseinrichtung so <br />
gestaltet werden, dass eine entsprechende Auswahl möglich ist. <br />
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Aktuelle <strong>Ernährung</strong>sstudien in Deutschland zeigen, dass im Durchschnitt die Verzehrs‐<br />
Empfehlungen von vielen Kindern hinsichtlich der Mengenempfehlungen für Gemüse, Obst, <br />
Getreideprodukte, Fisch, Getränke und Milch‐/produkte nicht erreicht werden. Dagegen <br />
werden die von Fleisch und Wurst sowie Süßigkeiten im Durchschnitt überschritten. <br />
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Die langfristigen Folgen für die Nährstoffversorgung sind mannigfaltig: <br />
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Dennoch können keine allgemeinen Empfehlungen ausgesprochen werden, denn die <br />
Ergebnisse der Studien zeigen auch, dass große Unterschiede bei den Verzehrsmengen in <br />
dieser Altersgruppe bestehen. So gibt es auch die Studienteilnehmer/‐innen in dieser <br />
Altersgruppe, die zu wenig Fleisch und zu viel Milch konsumieren. <br />
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Die <strong>Ernährung</strong>spyramide des aid hat sich in der Praxis auf dem Weg zu einer gesunden <br />
<strong>Ernährung</strong> von (Klein‐)Kindern bewährt: <br />
Besonderheiten in der Kleinkindernährung <br />
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Gelten die aid <strong>Ernährung</strong>spyramide sowie die Empfehlungen zur Förderung einer gesunden <br />
Essgewohnheit auch später noch für größere Kinder, bestehen in der Kleinkindernährung <br />
dennoch wesentliche Besonderheiten, die beachtet werden sollten. <br />
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So sollten kleine und harte Lebensmittel wegen der Gefahr des Verschluckens möglichst <br />
nicht angeboten werden (z.B. Erdnüsse, Haselnüsse, Rosinen, Heidelbeeren, etc.). <br />
Stark blähende oder schwer verdauliche Lebensmittel (z.B. Erbsen, Linsen, Weißkohl, <br />
Zwiebeln, rohes Getreide, etc.) sollten in der Regel vorsichtig in den Speiseplan eingeführt <br />
werden. <br />
Auf stark gewürzte, scharf angebratene oder frittierte Speisen sollte ebenso wie auch <br />
unerhitzte tierische Lebensmittel (z.B. Rohmilchkäsesorten, Salami, Mettwurst, etc.) <br />
weitestgehend verzichtet werden. <br />
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Rohes Obst und Gemüse sollte nicht nur aus ernährungsphysiologischen Gründen <br />
regelmäßig angeboten werden. Die Förderung der Mundmotorik und der Zahnfestigkeit wird <br />
durch das Knabbern und Kauen deutlich gefördert. Aus diesem Grund ist das Schälen von <br />
Obst und das Abschneiden von Brotrinden ebenfalls in der Regel nicht erforderlich. Auch ein <br />
genereller Verzicht auf Vollkornbrot ist nicht notwendig. Vielmehr sollten solche <br />
Vollkornbrote angeboten werden, die mit fein gemahlenem Vollkornmehl und ohne Körner, <br />
Kerne und Nüsse gebacken wurden. <br />
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Hygiene <br />
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Ein besonderes Augenmerk sollte immer auf die Hygiene beim Umgang mit Lebensmitteln <br />
gelegt werden. <br />
Grade die Altersgruppe der 0 bis 4‐jährigen ist von allen Altersgruppen mit Abstand am <br />
häufigsten durch Lebensmittelinfektionen betroffen. <br />
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Die wichtigsten Hygienefehler in der Küche sind: <br />
• Kreuzkontamination in der Küche durch Umgang mit Eiern und Geflügel <br />
• Verzehr von Rohmilch <br />
• Unzureichende Kühlung bzw. Erhitzung von Lebensmitteln <br />
• Zu langes Aufheben empfindlicher Lebensmittel <br />
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Weiterhin bestehen bei der Zubereitung von Flaschenmilch einige Hygienerisiken: <br />
• Zubereitung nicht unmittelbar vor dem Verzehr <br />
• Aufbewahrung von Resten <br />
• Verwendung unhygienischer Trinkgefäße oder Sauger <br />
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Brauchen Kinder eine Extrawurst? <br />
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Aus Sicht der neutralen Wissenschaft brauchen Kinder für ein gesundes Aufwachsen keine <br />
Spezial‐Lebensmittel.
Allerdings steht dieser Aussage eine große Lobby der Lebensmittelindustrie gegenüber, die <br />
sich der Gefahr der sinkenden Geburtenzahlen und der damit sinkenden Umsätze <br />
konfrontiert sieht. <br />
Entsprechend ist für die Industrie die Verlängerung der Fütterungsdauer mit speziellen <br />
Kleinkind‐ und Kindermenüs und –lebensmitteln über das erste Lebensjahr hinaus von <br />
großer finanzieller Bedeutung. <br />
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Auf Grundlage dieser Erkenntnis sollten Kleinkinderlebensmittel besonders kritisch unter die <br />
Lupe genommen werden. Versprechen hinsichtlich des „Gesundheitsplus“ beziehen sich <br />
meist auf diffuse Vitamin‐ und Mineralstoffzusätze, die bei einer gesunden und <br />
ausgewogenen <strong>Ernährung</strong> nicht notwendig sind. <br />
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Gestaltung der Esssituation und <strong>Ernährung</strong>spädagogik <br />
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Bei der Gestaltung der Esssituation können keine allgemeinen Empfehlungen gegeben <br />
werden. Es ist vielmehr die Aufgabe der Kindertageseinrichtung die Essfertigkeiten der <br />
Kleinkinder (Kauen fester Nahrung, Essen von stückiger Nahrung ohne Verschlucken, Kauen <br />
weicher Nahrung, selbständiges Essen mit dem Löffel, etc.) zu beobachten und die <br />
Esssituation an diese Fähigkeiten anzupassen. <br />
Zu berücksichtigen sind die Zeitspannen, die hinsichtlich des Erwerbs der Essfertigkeiten <br />
zwischen einzelnen Kindern bestehen. Diese können immens groß sein. Kein Kind ist und isst <br />
gleich, die individuelle Entwicklung muss beachtet werden. <br />
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Zusätzlich zur alters‐ und fähigkeitsangepassten Gestaltung der Esssituation spielt die <br />
<strong>Ernährung</strong>spädagogik und die entsprechende Anpassung an die „neue“ Altersgruppe eine <br />
wichtige Rolle. <br />
Mithilfe, Mitgestaltung und Selbstverantwortung spielen auch in diesem Bereich eine große <br />
Rolle. Die Erfahrungen zeigen, dass das <strong>Ernährung</strong>sverhalten von Kindern nicht durch rein <br />
kognitive Wissensvermittlung beeinflusst werden kann. Wiederholtes Anbieten von neuen <br />
Speisen und Getränke (mere exposure effect) und die aktive Mithilfe der Kleinkinder bei der <br />
Zubereitung und Gestaltung des Essens von großer Bedeutung auf dem Weg zu einem <br />
ausgewogenen Essverhalten ist. <br />
Die nachfolgende Tabelle 1 gibt Hinweise, in welcher Altersklasse, welche <br />
Beteiligungsmöglichkeiten bestehen: <br />
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1 aus: Kochen für Kleinkinder, GU, 2004
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Außerdem werden durch die Mithilfe der Kinder die motorischen Fähigkeiten (Auge‐Hand‐<br />
Koordination beim Raspeln, Reiben, Schneiden), die Sinne (riechen, schmecken, hören, <br />
fühlen von Lebensmitteln), die Sprache (Wortschatzerweiterung durch Benennen von <br />
Lebensmitteln), das Sozialverhalten (beim Kochen und Essen in der Gruppe) und die <br />
Wertschätzung von Lebensmitteln gefördert. <br />
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Fazit <br />
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Es zeigt sich, dass die <strong>Ernährung</strong> von unter 3 ‐jährigen in Kindertageseinrichtungen eine neue <br />
große Herausforderung an die Pädagogik und das Team der Einrichtung stellt. <br />
Die großen individuellen Unterschiede bei den Essfertigkeiten, aber auch dem Essverhalten, <br />
müssen in der Einrichtung berücksichtigt werden. <br />
Spezielle Lebensmittel sind bei gesunden Kleinkindern nicht notwendig. <br />
Geduld und eine gute Zusammenarbeit zwischen dem hauswirtschaftlichen und dem <br />
pädagogischen Personal aber auch dem Elternhaus sind die wichtigsten Grundpfeiler für eine <br />
gesunde und ausgewogene <strong>Ernährung</strong> dieser Altersgruppe. <br />
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Jeanette Diedenhofen <br />
Diplom‐Oecotrophologin <br />
Voerbraucherzentrale NRW <br />
Gruppe <strong>Ernährung</strong>