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1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen Beschluss

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Leitsatz<br />

<strong>1.</strong> Die Auskunftspflicht <strong>des</strong> öffentlichen Auftraggebers nach § 18 a Nr. 2 Absatz 5<br />

VOL/A dient der Einhaltung eines fairen, mit möglichst großer Beteiligung geführten<br />

Wettbewerbs und damit auch der Gleichbehandlung der Bewerber. Dem Auftraggeber<br />

ist ein berechtigtes Interesse zuzugestehen, eine angemessene Frist für den<br />

letztmöglichen Eingang von Fragen zu den Verdingungsunterlagen festzusetzen, die<br />

vor der Frist <strong>des</strong> § 18 a Nr. 2 Absatz 5 VOL/A endet. Zweck einer solchen Regelung<br />

ist es, individuellen Klärungsbedarf im Rahmen der laufenden Angebotsfrist zu<br />

kanalisieren, so dass ein geordneter Ablauf <strong>des</strong> Verfahrens nicht beeinträchtigt wird.<br />

2. Bei Forderung der Vorlage eines individuellen Betreiberkonzeptes in den<br />

Verdingungsunterlagen ist es einem öffentlichen Auftraggeber nicht möglich und<br />

nicht zumutbar, jedwede rechtliche Konstellation eines Betreiberkonzeptes zu<br />

antizipieren um sich mit Blick darauf festzulegen, ob ein Betriebsübergang<br />

voraussichtlich eintreten wird oder nicht. Insoweit ist es vergaberechtlich nicht zu<br />

beanstanden, wenn der Auftraggeber in die Verdingungsunterlagen eine<br />

„Warnklausel“ hinsichtlich eines etwaig eintretenden Betriebsüberganges aufnimmt,<br />

denn damit kommt der Auftraggeber seiner Verpflichtung in ausreichendem Maße<br />

nach, den Bietern den rechtlichen Rahmen aufzuzeigen, innerhalb <strong>des</strong>sen sich ihre<br />

Angebote bewegen können.<br />

3. Entscheidend hinsichtlich der Aufklärung der Vermutung einer Mischkalkulation ist,<br />

ob ein Bieter zu streitigen Positionen <strong>des</strong> Leistungsverzeichnisses plausible<br />

Erklärungen samt der abgeforderten Unterlagen beibringt und den Verdacht einer<br />

ausschlussrelevanten Mischkalkulation beispielsweise durch Vorlage der<br />

Urkalkulation zerstreut. Dabei ist zu beachten, dass ein Antragsteller einem<br />

Auftraggeber nicht Umfang und Ausgestaltung der Auskömmlichkeitsprüfung<br />

diktieren oder zu einem immer weiter und tiefer gehenden Rechtfertigungsszenario<br />

zwingen kann, bis schlussendlich aus Sicht <strong>des</strong> Antragstellers ein<br />

Rechtfertigungsmanko einem Beigeladenen zu konstatieren ist.<br />

<strong>1.</strong> <strong>Vergabekammer</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Freistaates</strong> <strong>Sachsen</strong><br />

beim Regierungspräsidium Leipzig<br />

1/SVK/015-08<br />

In dem Nachprüfungsverfahren<br />

<strong>Beschluss</strong>


Betreibung einer Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber<br />

Verfahrensbeteiligte:<br />

<strong>1.</strong> XXXXXX, vertreten durch die Geschäftsführung,<br />

Verfahrensbevollmächtigte: XXXXXX<br />

2. XXXXXX<br />

Verfahrensbevollmächtigte: XXXXXX<br />

3. XXXXXX, vertreten durch die Geschäftsführung,<br />

Verfahrensbevollmächtigte: XXXXXX<br />

2<br />

- Antragstellerin -<br />

- Auftraggeber -<br />

- Beigeladene -<br />

hat die <strong>1.</strong> <strong>Vergabekammer</strong> <strong>des</strong> <strong>Freistaates</strong> <strong>Sachsen</strong> nach mündlicher Verhandlung vom<br />

15.04.2008 am 24.04.2008 durch die Vorsitzende Frau Kadenbach, den Hauptamtlichen<br />

Beisitzer Herrn Kühne und den Ehrenamtlichen Beisitzer Herrn Dr. Gutsfeld beschlossen:<br />

<strong>1.</strong> Der Antrag der Antragstellerin wird abgewiesen. Der Antrag auf ergänzende<br />

Akteneinsicht wird ebenfalls abgewiesen.<br />

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen) <strong>des</strong> Verfahrens sowie<br />

die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen <strong>des</strong><br />

Auftraggebers und der Beigeladenen. Die Verfahrensgebühr wird auf XXXXXX Euro<br />

festgesetzt.<br />

3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladene wird für<br />

notwendig erklärt.<br />

II.<br />

Gründe:


3<br />

Mit Veröffentlichung im Sächsischen Ausschreibungsblatt am 09.1<strong>1.</strong>2007 veröffentlichte der<br />

Auftraggeber die beabsichtigte Vergabe der Leistung „Betreibung einer Aufnahmeeinrichtung<br />

für Asylbewerber in XXXXXX“ für die Dauer von vier Jahren sowie einer<br />

Verlängerungsmöglichkeit von bis zu zwei Jahren auf eine Maximallaufzeit von insgesamt<br />

sechs Jahren. Der ursprünglich für den 07.0<strong>1.</strong>2008 vorgesehene Ablauf der Angebotsfrist<br />

wurde später auf den 2<strong>1.</strong>0<strong>1.</strong>2008, 14.00 Uhr, verlängert. Die Antragstellerin reichte<br />

fristgerecht ihr Angebot ein.<br />

Mit Schreiben <strong>des</strong> Auftraggebers vom 29.02.2008, Posteingang vom 03.03.2008, wurde die<br />

Antragstellerin darüber informiert, dass ihr Angebot wegen Änderung an den<br />

Verdingungsunterlagen ausgeschlossen worden sei und beabsichtigt sei, das Angebot der<br />

Beigeladenen für den Zuschlag vorzusehen. Der Auftraggeber habe in seinem Schreiben vom<br />

29.0<strong>1.</strong>2008 darauf hingewiesen, dass er davon ausgehe, dass das Angebot der Antragstellerin<br />

entsprechend der abgegebenen Erklärungen nur die Haftpflichtversicherung enthielte, nicht<br />

jedoch die gemäß Ziff. II.8 der Leistungsbeschreibung geforderten sonstigen Versicherungen.<br />

Im Übrigen sei das Angebot der Antragstellerin auch nicht das Wirtschaftlichste gewesen.<br />

Gegen die beabsichtigte Zuschlagserteilung an die Beigeladene wandte sich die<br />

Antragstellerin mit Rügeschreiben vom 03.03.2008 sowie 05.03.2008. Im Wesentlichen<br />

wiederholte sie im Rahmen <strong>des</strong> Rügeschreibens vom 03.03.2008 die bereits mit diversen<br />

früheren Rügeschreiben vorgetragenen Verstöße gegen § 97 Abs. 1 und 2 GWB i. V. m. § 8<br />

Nr. 1 VOL/A sowohl im Hinblick auf einen etwaigen Betriebsübergang als auch im Hinblick<br />

auf die geforderten Versicherungen sowie letztlich im Hinblick auf den als<br />

vergaberechtswidrig gerügten Ausschluss <strong>des</strong> Angebotes der Antragstellerin. Durch weiteres<br />

Rügeschreiben vom 05.03.2008 monierte die Antragstellerin zudem gegenüber dem<br />

Auftraggeber, dass die Beigeladene aus rechtlichen Gründen an der Leistungserbringung<br />

gehindert sei.<br />

Nachdem der Auftraggeber diesem Rügeschreiben nicht abhalf, beantragte die Antragstellerin<br />

mit Schriftsatz vom 13.03.2008 bei der erkennenden <strong>Vergabekammer</strong> die Einleitung eines<br />

Vergabenachprüfungsantrages und beantragte u. a.:<br />

<strong>1.</strong> ein Nachprüfungsverfahren gemäß § 107 Abs. 1 GWB gegen die Vergabe <strong>des</strong><br />

Dienstleistungsauftrages „Betreibung einer Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in<br />

XXXXXX“ einzuleiten.<br />

Zur Begründung <strong>des</strong> Vergabenachprüfungsantrages trug die Antragstellerin im Wesentlichen<br />

zunächst einen chronologischen Abriss der bisherigen Sachlage vor.<br />

Grund <strong>des</strong> Ausschlusses <strong>des</strong> Angebotes durch den Auftraggeber sei die seitens der<br />

Antragstellerin im Angebot abgegebenen Erklärungen zu den Versicherungen. Hierzu sei


4<br />

folgen<strong>des</strong> auszuführen: In den Verdingungsunterlagen habe der Auftraggeber unter § 5 Ziff.<br />

14 <strong>des</strong> Betreibervertrages folgen<strong>des</strong> festgelegt:<br />

„Der Betreiber schließt auf seine Kosten eine<br />

Haftpflichtversicherung für Personenschäden sowie<br />

Sach- und sonstige Schäden ab, die insbesondere sein<br />

mitgebrachtes Inventar und Sturm-, Wasser- und<br />

Brandschäden erfasst, und zwar mit einer<br />

Deckungssumme von min<strong>des</strong>tens XXXXXX EUR jeweils<br />

je Versicherungsfall.“<br />

In der Leistungsbeschreibung heiße es unter Ziff. II.8 im <strong>1.</strong> Absatz:<br />

„Die Gebäude (gem. § 1 Abs. 2 Betreibervertrag) sowie<br />

alle Einrichtungen und Einrichtungsgegenstände<br />

einschließlich der technischen Ausrüstungen<br />

(einschließlich Feuerlöscher) und die vom Auftraggeber<br />

zur Verfügung gestellten Erstausstattungsgegenstände<br />

und Außenanlagen (einschließlich Objekteinfriedung, Ein-<br />

und Ausgänge sowie Feuerlöschteich) werden vom<br />

Betreiber auf seine Kosten unterhalten, instand gehalten<br />

und instand gesetzt sowie im erforderlichen Umfang<br />

versorgt und gegen die üblichen Gefahren (Sturm,<br />

Wasser, Brand) und Vandalismus versichert.“<br />

Am 07.0<strong>1.</strong>2008 habe der Versicherungsmakler der Antragstellerin diese darauf hingewiesen,<br />

dass er auf Grundlage der ihm übersandten Verdingungsunterlagen kein seriöses<br />

Versicherungsangebot kalkulieren könne und habe gefragt, ob die Versicherungen für den<br />

gesamten Bereich der Einrichtung abzuschließen seien oder ob insoweit Gebäude/Bereiche<br />

aus dem Versicherungsschutz herausgenommen werden müssten, die nicht dem<br />

Einflussbereich <strong>des</strong> Betreibers unterstünden. Daraufhin habe die Antragstellerin noch am<br />

selben Tage, also am 07.0<strong>1.</strong>2008, eine Bieteranfrage beim Auftraggeber platziert, die wie<br />

folgt lautete: …<br />

„Inwieweit sind Versicherungen für verschiedene<br />

Bereiche der Einrichtungen zu kalkulieren und<br />

abzuschließen? Wir gehen davon aus, dass sich jede der<br />

anwesenden Parteien auf dem Gelände (XXXXXX,<br />

XXXXXX, XXXXXX + Wachunternehmen) für ihre<br />

jeweiligen Einflussbereiche selbst versichert?“<br />

Die daraufhin erteilte Antwort <strong>des</strong> Auftraggebers vom 1<strong>1.</strong>0<strong>1.</strong>2008 habe wie folgt gelautet:<br />

„Hinsichtlich der Pflichten zum Abschluss von<br />

Versicherungen gelten die Regelungen <strong>des</strong><br />

Betreibervertrages und der Leistungsbeschreibung.“<br />

Diese Antwort habe jedoch nicht weitergeholfen, denn das Problem der<br />

Verdingungsunterlagen habe gerade darin bestanden, dass sich der Pflichtenumfang zum


5<br />

Abschluss von Versicherungen nicht aus den Regelungen <strong>des</strong> Betreibervertrages und der<br />

Leistungsbeschreibung ergeben habe. Insoweit habe die Antragstellerin mit Datum vom<br />

15.0<strong>1.</strong>2008 eine weitere Bieteranfrage an den Auftraggeber gerichtet. Eine Antwort hierauf<br />

habe der Auftraggeber jedoch mit Telefaxschreiben vom 17.0<strong>1.</strong>2008 mit der Begründung<br />

verweigert, die Frage sei nicht rechtzeitig im Sinne der Ausschreibungsbedingungen gestellt<br />

worden.<br />

Insoweit habe die Antragstellerin folgende Formulierung in ihr Angebot vom 18.0<strong>1.</strong>2008<br />

aufgenommen:<br />

„Die angebotenen Preise wurden unter Berücksichtigung<br />

der (noch offenen) Bieterfragen und der Ihnen bekannten<br />

Rügen kalkuliert. Mit Ausnahme der<br />

Haftpflichtversicherung sind für die anderen<br />

Versicherungen (Sturm, Wasser, Brand) keine genauen<br />

Angaben zu Umfang, Wert der versicherten Gebäude und<br />

zu den erforderlichen Deckungssummen bekannt. Das<br />

Angebot bezieht sich daher auf die eindeutig festgelegten<br />

Bedingungen, weitere Versicherungen konnten nicht<br />

kalkuliert werden.“<br />

Gleichzeitig habe die Antragstellerin mit Schreiben vom 18.0<strong>1.</strong>2008 per Telefax vorab und<br />

per Post ausdrücklich die Fehlerhaftigkeit der Verdingungsunterlagen gerügt. Sie habe darauf<br />

hingewiesen, dass die Angaben zum Umfang der abzuschließenden Versicherungen<br />

insbesondere im Hinblick auf die Ausführungen unter Ziff. II.8 der Leistungsbeschreibung<br />

ungenau und nicht erschöpfend gewesen seien, sodass eine einwandfreie Preisermittlung nicht<br />

möglich gewesen sei. Für eine nach § 8 Nr. 1 VOL/A konforme Leistungsbeschreibung hätten<br />

Deckungsumfang und Gegenstandswerte der zu versichernden Gegenstände sowie die zu<br />

versichernden Risiken unmissverständlich benannt werden müssen, dies auch <strong>des</strong>halb, damit<br />

sämtliche Bieter die Kalkulation der Versicherungskosten gleich verstünden. Anderenfalls<br />

seien die auf Grundlage unterschiedlicher Annahmen kalkulierten Angebote nicht miteinander<br />

vergleichbar.<br />

Mit Schreiben vom 08.02.2008 erfragte der Auftraggeber per Telefax bei der Antragstellerin,<br />

ob das Angebot der Antragstellerin und ihre Preise, die nach den Ausschreibungsunterlagen<br />

gemäß § 5 Nr. 14 <strong>des</strong> Betreibervertrages und Ziff. II.8 der Leistungsbeschreibung geforderten<br />

Versicherungen enthalte oder ob dies nicht der Fall sei, sodass eine Änderung der<br />

Ausschreibungsunterlagen vorliege. Hierauf antwortete die Antragstellerin mit<br />

Telefaxschreiben vom 13.02.2008, dass ihr Angebot keine Änderungen an den<br />

Verdingungsunterlagen enthalte, dafür aber sämtliche Versicherungsleistungen, soweit diese<br />

durch die Verdingungsunterlagen konkret und rechtmäßig gefordert worden seien.<br />

Den dennoch erfolgten Angebotsausschluss aufgrund angeblicher Abweichungen von den<br />

Verdingungsunterlagen sowie weiterer Vergaberechtsverstöße habe die Antragstellerin


6<br />

unverzüglich nach Erhalt <strong>des</strong> Informationsschreibens vom 29.02.2008 am 03.03.2008 durch<br />

anwaltliches Rügeschreiben vom selbigen Tage gerügt. Mit Schreiben vom 10.03.2008 habe<br />

jedoch der Auftraggeber auf seiner Ausschlussentscheidung beharrt und zugleich das<br />

Vorliegen weiterer Vergabeverstöße negiert.<br />

Aus der Aufforderung zur Angebotsabgabe sowie den anliegenden weiteren<br />

Verdingungsunterlagen ergäben sich nach Darstellung der Antragstellerin weitere<br />

Vergaberechtsverstöße. Zum einen sei ein Verstoß gegen § 97 Abs. 1 und 2 GWB, § 8 Nr. 1<br />

VOL/A im Hinblick auf einen etwaigen Betriebsübergang nach § 613 a BGB zu verzeichnen.<br />

Unter Ziff. 20 der Aufforderung zur Angebotsabgabe heiße es: …<br />

„Der Auftraggeber weist darauf hin, dass im Falle eines<br />

Betreiberwechsels durch die Zuschlagserteilung ein<br />

Betriebsübergang im Sinne <strong>des</strong> § 613 a BGB nur dann<br />

vorliegen kann, wenn der zukünftige Betreiber<br />

wesentliche Teile <strong>des</strong> Personals und/oder die<br />

Arbeitsorganisation und/oder die Betriebsmethoden<br />

übernimmt. Die Möglichkeit eines Betriebsübergangs<br />

i.S.d. § 613 a BGB hängt somit vom Verhalten <strong>des</strong><br />

zukünftigen Betreibers ab, insbesondere von der<br />

Ausgestaltung der Tätigkeit der Arbeitsverhältnisse.“<br />

Ziff. II.5 der Leistungsbeschreibung enthalte dahingegen detaillierte Vorgaben zur<br />

Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse und Bedingungen für das Verpflegungs- und<br />

Kantinenpersonal. Insbesondere heiße es unter Ziff. II.6, Inhalt und Ausmaß der sozialen<br />

Betreuung würden vom XXXXXX festgelegt. Mit Schreiben vom 07.12.2007 habe der<br />

Auftraggeber auf die Bieteranfrage: „Bitte bestätigen Sie uns, dass bei einem<br />

Betreiberwechsel kein Betriebsübergang i. S. d. § 613 a BGB stattfindet.“ wie folgt<br />

geantwortet:<br />

„Das XXXXXX bestätigt weder, dass bei einem<br />

Betreiberwechsel ein Betriebsübergang i. S. d. § 613 a<br />

BGB stattfindet, noch, dass dies nicht der Fall ist. Auf<br />

Ziff. 20 der Aufforderung zur Angebotsabgabe wird<br />

verwiesen.“<br />

Daraufhin habe die Antragstellerin vor diesem Hintergrund mit E-mail vom 2<strong>1.</strong>12.2007<br />

folgende Frage formuliert:<br />

„(6) Nach gegenwärtigem Verständnis sind alle vier<br />

Voraussetzungen für einen Betriebsübergang nach § 613<br />

a BGB eindeutig erfüllt: a) organisatorische Einheit, b)<br />

keine zeitliche Unterbrechung, c) Fortführung<br />

gleichartiger Tätigkeit, d) betriebsmittelintensiv.<br />

Gleichwohl ist die entsprechende Bieterfrage<br />

ausweichend beantwortet. An welchem Kriterium sollte<br />

die Anwendbarkeit <strong>des</strong> § 613 a BGB scheitern? Wir<br />

weisen darauf hin, dass eine ungenaue Angabe hierzu<br />

einen Vergaberechtsverstoß begründen kann.“


7<br />

Die Beantwortung dieser Bieterfrage habe der Auftraggeber jedoch unterlassen. Allerdings<br />

habe der Auftraggeber eine andere Frage der Antragstellerin beantwortet und Folgen<strong>des</strong><br />

klargestellt:<br />

„Den Personaleinsatz für die soziale Betreuung bestimmt<br />

der Bieter. Der Bieter hat dabei sicherzustellen, dass<br />

durch seinen Personaleinsatz die unter Ziffer II.6 der<br />

Leistungsbeschreibung aufgestellten Anforderungen<br />

erfüllt werden. Eine Vorgabe, wie viele soziale Betreuer<br />

im Verhältnis zu Asylbewerbern vorzuhalten sind, gibt es<br />

nicht.“<br />

Gleichzeitig habe der Auftraggeber der Antragstellerin separat ein Telefax zur Thematik <strong>des</strong> §<br />

613 a BGB gesandt, in dem darauf hingewiesen worden sei, dass seiner Auffassung nach zum<br />

einen die Thematik eines möglichen Betriebsüberganges die Interessen der Antragstellerin<br />

nicht berühren könne und dass zum anderen der Eintritt eines Betriebsüberganges vom<br />

Betreiberverhalten abhängig sei. Abschließend hat der Auftraggeber ausgeführt, dass dann,<br />

wenn die Antragstellerin vor Angebotsabgabe keinen Nachprüfungsantrag stelle, der<br />

Auftraggeber davon ausgehe, dass die Antragstellerin ihren Einwand zu § 613 a BGB fallen<br />

lasse. Die Antragstellerin habe hierauf mit E-Mail vom selben Tage, also dem 04.0<strong>1.</strong>2008,<br />

geantwortet und habe klargestellt, dass die Frage <strong>des</strong> Betriebsüberganges sehr wohl<br />

kalkulationsrelevant sei und dass andere Bieter, welche möglicherweise die Kostenfolgen<br />

eines Betriebsüberganges in ihrem Angebot nicht kalkuliert hätten, damit niedrigere<br />

Personalkosten ausweisen könnten, sodass eine Verletzung der §§ 8 Nr. 1, 25 Nr. 2 VOL/A<br />

und 97 Abs. 1 GWB zu befürchten sei. In einem weiteren Schreiben vom 1<strong>1.</strong>0<strong>1.</strong>2008 habe der<br />

Auftraggeber auf eine weitere E-Mail der Antragstellerin wie folgt geantwortet:<br />

„Der Bieter hat sicherzustellen, dass durch seinen<br />

Personaleinsatz die unter Ziffer II.6 der<br />

Leistungsbeschreibung aufgestellten Anforderungen<br />

erfüllt werden. Für den Fall, dass der XXXXXX nach<br />

Vertragsschluss neue Festlegungen zu Inhalt und<br />

Ausmaß der sozialen Betreuung trifft, gelten die<br />

Regelungen <strong>des</strong> Betreibervertrags und die<br />

Regelungen der VOL/B und <strong>des</strong> BGB.“<br />

Mit Rügeschreiben vom 18.0<strong>1.</strong>2008 habe die Antragstellerin unter Ziff. 2 Folgen<strong>des</strong> gerügt:<br />

„2) Aufgrund der Verdingungsunterlagen,<br />

insbesondere der detaillierten Festlegungen zum<br />

Betrieb der Kantine, ist im Verhältnis vom alten zum<br />

neuen Betreiber von einem Betriebsübergang nach §<br />

613 a BGB auszugehen. Bieterfragen hierzu sind<br />

jedoch so unklar und intransparent beantwortet<br />

worden, dass nicht davon ausgegangen werden<br />

kann, dass die Bieter von der gleichen Grundlage<br />

ausgehen, weil die Angaben insoweit min<strong>des</strong>tens<br />

unvollständig waren. Es drohen daher<br />

unvergleichbare Angebote und insbesondere eine<br />

Ungleichbehandlung (§ 97 Abs. 1 GWB) unseres<br />

Angebotes.


8<br />

Der Auftraggeber habe sich in seinem Antwortschreiben vom 2<strong>1.</strong>0<strong>1.</strong>2008 damit begnügt,<br />

diese Rügen als pauschal und unbegründet zurückzuweisen und habe auf diesbezügliche<br />

Bieteranfragen und die hierauf bereits gegebenen Antworten verwiesen.<br />

Weiterhin trug die Antragstellerin vor, dass ein Verstoß gegen §§ 97 Abs. 1 GWB und 25 a<br />

Nr. 1 Abs. 1 VOL/A wegen unklarer Zuschlagskriterien zu befürchten sei. In der<br />

Aufforderung zur Angebotsabgabe seien unter Ziff. 2 eine Vielzahl von Bietererklärungen<br />

zum Betreiberkonzept gefordert worden. Ihre Angabe stelle den größten Aufwand im Rahmen<br />

der Angebotserstellung dar. Unter Ziff. 7 „Zuschlagskriterien“ der Aufforderung zur<br />

Angebotsabgabe seien allerdings lediglich Kostenaspekte als Wertungskriterien benannt<br />

worden. Eine Bieteranfrage habe klären sollen, ob die Bieterkonzepte mit Angebotsabgabe<br />

abgegeben werden sollten und wie diese bewertet werden würden. Die Antwort hierauf habe<br />

wie folgt gelautet:<br />

„Die Bietererklärungen gemäß Ziffer 2 der Aufforderung<br />

zur Angebotsabgabe sind gemäß Ziffer 17 der<br />

Aufforderung zur Angebotsabgabe mit dem Angebot<br />

abzugeben. Die Bietererklärungen werden bei der<br />

Auswahl <strong>des</strong> wirtschaftlichsten Angebotes insoweit<br />

berücksichtigt, dass sie als Beurteilungsgrundlage dafür<br />

dienen, ob eine vertragsgemäße Leistung durch den<br />

Betreiber gewährleistet ist und das Angebot <strong>des</strong> Bieters<br />

ausschreibungskonform ist. Die für die Angebotswertung<br />

maßgeblichen Zuschlagskriterien ergeben sich aus Ziff. 7<br />

der Aufforderung zur Angebotsabgabe.“<br />

Mit den Antworten vom 04.0<strong>1.</strong>2008 habe der Auftraggeber weiterhin klargestellt, dass die<br />

Bietererklärungen im Rahmen der Zuschlagserteilung keine Berücksichtigung finden würden<br />

und habe mit weiterem Schreiben vom 1<strong>1.</strong>0<strong>1.</strong>2008 Folgen<strong>des</strong> ausgeführt:<br />

„Bei den Bietererklärungen nach Ziff. 2 der Aufforderung<br />

zur Angebotsabgabe handelt es sich um Erklärungen<br />

nach § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 1 VOL/A, die auch der<br />

sachlichen Prüfung nach § 23 Nr. 2 VOL/A dienen. Auf<br />

die Antworten zu Bieterfrage <strong>1.</strong>10 und 4.3 wird ergänzend<br />

verwiesen.“<br />

Damit hätten die Bietererklärungen in ihrer Bewertung im Rahmen der Angebotswertung<br />

einen undefinierbaren Status zwischen Eignungserklärung und Wertungskriterien erhalten.<br />

Diese intransparente Bedeutung habe die Antragstellerin daher mit Schreiben vom 18.0<strong>1.</strong>2008<br />

gerügt.<br />

Zur vertiefenden Begründung <strong>des</strong> Vergabenachprüfungsantrages trug die Antragstellerin <strong>des</strong><br />

Weiteren vor, dass die Verdingungsunterlagen Unklarheiten im Hinblick auf die geforderten


9<br />

Versicherungen enthielten, insbesondere was die Höhe der unter Ziff. II.8 der<br />

Leistungsbeschreibung verlangten Versicherungen angehe, als auch im Hinblick darauf,<br />

welchen Umfang die Versicherungen haben sollen und welche Risiken genau abgedeckt sein<br />

sollen. Zu allen drei Punkten seien keine Angaben gemacht worden, worin ein Verstoß gegen<br />

§ 8 VOL/A zu sehen sei.<br />

Weiterhin trug die Antragstellerin, wie bereits in ihrem Rügeschreiben vor, dass die<br />

Leistungsbeschreibung im Hinblick auf einen etwaigen Betriebsübergang nach § 613 a BGB<br />

unklar bzw. wahrheitswidrig sei. Die Folge eines solchen Betriebsüberganges wäre, dass der<br />

neue Betreiber jedenfalls insoweit in die Arbeitsverhältnisse eintreten würde. Dieser Umstand<br />

sei kalkulationserheblich. In einer Entscheidung <strong>des</strong> EuGH vom 20.1<strong>1.</strong>2003 habe dieser<br />

festgelegt, dass ein Betriebsübergang auch dann vorliege, wenn sowohl der erste wie auch der<br />

zweite Auftragnehmer dieselben Räumlichkeiten, Wasser, Energie und das Groß- und<br />

Kleininventar <strong>des</strong> Auftraggebers nutze. In einer weiteren Entscheidung <strong>des</strong> EuGH „Güney-<br />

Görres“ habe der EuGH weiter festgestellt, dass es im Rahmen einer Auftragsneuvergabe<br />

keine Rolle spiele, ob die vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Betriebsmittel dem<br />

Auftragnehmer zur eigenwirtschaftlichen Nutzung überlassen worden seien oder nicht. Diese<br />

Kriterien habe auch das BAG in seiner Rechtsprechung herangezogen, sodass vorliegend<br />

damit zu rechnen sei, dass ein Betriebsübergang stattfinden werde. Damit aber seien die<br />

Verdingungsunterlagen inhaltlich fehlerhaft und verstießen gegen das Eindeutigkeitsgebot <strong>des</strong><br />

§ 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A. Dieser Verstoß habe sich nunmehr auch dahingehend konkretisiert,<br />

dass das Angebot der Beigeladenen für Wirtschaftlicher befunden wurde und nunmehr für den<br />

Zuschlag vorgesehen sei. Aufgrund der Uneinsichtigkeit <strong>des</strong> Auftraggebers in diesem Punkt<br />

sei darüber hinaus zu befürchten, dass der Auftraggeber die Auskömmlichkeit der Angebote<br />

sämtlicher Bieter nicht im Hinblick auf diesen Punkt detailliert geprüft habe.<br />

Weiter trug die Antragstellerin vor, durch ihren Status als gGmbH und die damit verbundenen<br />

steuerlichen und wirtschaftlichen Vorteile werde die Beigeladene indirekt so sehr privilegiert,<br />

dass sie ihre Angebote ungewöhnlich niedrig kalkulieren könne.<br />

Solche Wettbewerbsvorteile müssten im Zuge staatlicher Auftragsvergabe ausgeglichen<br />

werden, damit der Wettbewerb nicht auf Dauer durch einen Verdrängungswettbewerb erstickt<br />

werde. Angesichts der angekündigten Zuschlagsabsicht bestünde die Befürchtung, dass der<br />

Auftraggeber diese Aufklärung unterlassen habe. Im Einzelnen stünden<br />

Steuervergünstigungen nach den §§ 51 ff. AO (Abgabenordnung) für die Befreiung der<br />

Körperschafts-, Gewerbe-, Grund-, Erbschafts- und Schenkungssteuer, eine Ermäßigung oder<br />

Befreiung von Umsatzsteuer, weitere Steuerbefreiungen in Einzelsituationen etc. im Raum.<br />

Durch diese steuerliche und damit einhergehende wirtschaftliche Privilegierung könnten<br />

gemeinnützige Kapitalgesellschaften wie die Beigeladene ungewöhnlich niedrige Angebote in<br />

Auftragsvergaben wie der streitgegenständlichen abgeben. Steuervergünstigungen seien aber<br />

als Beihilfen einzuordnen. Auch ohne das subjektive Element der zielgerichteten


10<br />

Unterbietung der Konkurrenz stelle die Wertung eines Angebotes, welches mit rechtswidrig<br />

erhaltenen Beihilfen kalkuliere, einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot dar, da<br />

andere Bieter ihr Angebot ohne die Vorteile einer solchen Förderung kalkulieren müssten und<br />

somit einen Wettbewerbsnachteil hätten (VK Düsseldorf, B. v. 18.04.2002, VK-5/2002/L).<br />

Insoweit sei nicht ausschlaggebend, ob der angebotene Preis tatsächlich auffallend niedrig<br />

gewesen sei, sondern ob er durch rechtswidrig erlangte Beihilfen gestützt worden sei. Gegen<br />

eine Zuschlagserteilung auf das Angebot der Beigeladenen spreche weiter, dass das<br />

Unternehmen aus rechtlichen Gründen an der Leistungserbringung gehindert sei und damit<br />

nicht geeignet sei. Lt. Bestätigung <strong>des</strong> Ordnungsamtes der Stadt XXXXXX sei für den<br />

Betrieb der Erstaufnahmeeinrichtung XXXXXX eine Gewerbeanmeldung erforderlich. Die<br />

Beigeladene habe jedoch in dem Nachprüfungsverfahren VK <strong>Sachsen</strong> 1/SVK/20-2007<br />

bekundet, eine solche Gewerbeanmeldung nicht zu besitzen bzw. nicht erhalten zu können.<br />

Damit sei die Beigeladene rechtlich an der Erbringung der Leistung gehindert, sodass sie<br />

mangels Eignung vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden müsse. Hieran ändere sich<br />

auch nicht der Einwand <strong>des</strong> Auftraggebers mit Schreiben vom 03.03.2008 unter Ziff. 2.5, dass<br />

die Beigeladene jederzeit eine Gewerbeanmeldung erlangen könne, wenn sie wolle.<br />

Zum Zeitpunkt der Einreichung <strong>des</strong> Vergabenachprüfungsantrages hatte bereits der<br />

Auftraggeber eine Schutzschrift bei der erkennenden <strong>Vergabekammer</strong> hinterlegt.<br />

Die Schutzschrift datiert auf den 10.03.2008. Im Rahmen dieser Schutzschrift beantragte der<br />

Auftraggeber für den Fall, dass die mögliche Antragstellerin, welche auch die Antragstellerin<br />

<strong>des</strong> streitgegenständlichen Verfahrens ist, einen Nachprüfungsantrag beantrage, den<br />

Nachprüfungsantrag wegen offensichtlicher Erfolglosigkeit nicht zuzustellen. Zur<br />

Begründung trug der Auftraggeber vor, dass der Antragstellerin selbst bei bieterfreundlichster<br />

Auslegung der Verdingungsunterlagen keine Chance auf Zuschlagserteilung zukomme, weil<br />

ihr Angebot nicht alle nach den Ausschreibungsunterlagen geforderten<br />

Versicherungsunterlagen enthalte und daher wegen Änderung an den Verdingungsunterlagen<br />

zwingend auszuschließen gewesen sei. Darüber hinaus sei sie mit der Geltendmachung<br />

bislang erhobener Einwände überwiegend präkludiert. Zudem entbehrten die möglicherweise<br />

geltend gemachten Vergaberechtsverstöße jeglicher Substanz und letztlich sei das Angebot<br />

selbst bei Wertung auf der vierten Wertungsstufe nicht auf dem <strong>1.</strong> Rang zu platzieren, weil es<br />

preislich und punktemäßig hinter den Angeboten aller anderen Bieter zurückbliebe. Zunächst<br />

stellte der Auftraggeber in dieser Schutzschrift den chronologischen Verlauf <strong>des</strong> bisherigen<br />

Vergabeverfahrens dar. Im Folgenden wies der Auftraggeber dann zunächst darauf hin, dass<br />

im Vorfeld der Angebotsabgabe zahlreiche Bieteranfragen beantwortet wurden, dass aber<br />

trotz dieser klaren und eindeutigen Antworten die potenzielle Antragstellerin am Freitag, dem<br />

18.0<strong>1.</strong>2008, schriftlich gegenüber dem Auftraggeber geäußert habe:<br />

„Weiterhin unklar ist die Einbeziehung der<br />

„Bietererklärung“ in den Prozess der Angebotswertung.


11<br />

Einerseits soll es sich um formale Erklärungen handeln,<br />

zum anderen werden umfangreiche inhaltliche Angaben<br />

verlangt.“<br />

Der Auftraggeber habe diesen offensichtlich in Verzögerungsabsicht gestellten Einwand mit<br />

Schreiben vom 2<strong>1.</strong>0<strong>1.</strong>2008 zurückgewiesen, dies insbesondere <strong>des</strong>halb, weil unter Ziff. 11 der<br />

Aufforderung zur Angebotsabgabe der Auftraggeber mögliche Anfragen bis spätestens 15<br />

Tage vor Ablauf der Angebotsfrist zugelassen habe. Zur Frage eines möglicherweise<br />

vorliegenden Betriebsüberganges habe der Auftraggeber auf Folgen<strong>des</strong> hingewiesen:<br />

„Das XXXXXX bestätigt weder, dass bei einem<br />

Betreiberwechsel ein Betriebsübergang i. S. d. § 613 a<br />

BGB stattfinde, noch, dass dieses nicht der Fall ist. Auf<br />

Ziff. 20 der Anordnung wird verwiesen.“<br />

Weiter trug der Auftraggeber vor, dass die Ausschreibungsunterlagen detaillierte<br />

Informationen über die gesamte Liegenschaft, die für die Aufnahmeeinrichtung genutzten<br />

Gegenstände und sämtliche für die Aufnahmeeinrichtung relevanten Gegenstände zum Teil in<br />

Form von Beschreibungen oder von Plänen enthielten. Der dem Betreiber obliegende<br />

Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich, mithin der Umfang <strong>des</strong> Leistungsgegenstan<strong>des</strong>,<br />

sei allen Bietern bekannt gewesen. Darüber hinaus habe ein Aufklärungsgespräch mit der<br />

Beigeladenen ergeben, dass die Preise der Beigeladenen auskömmlich kalkuliert seien. Soweit<br />

sei die Zuschlagsentscheidung vergaberechtlich nicht zu beanstanden gewesen.<br />

Mit Schriftsatz vom 07.04.2008 ergänzte der Auftraggeber seinen bisherigen Vortrag wie<br />

folgt:<br />

Der Nachprüfungsantrag zeige, dass Rechtsverletzungen der Antragstellerin offensichtlich<br />

nicht vorlägen und daher der Versuch <strong>des</strong> Auftraggebers mit Einreichung einer Schutzschrift<br />

die Zustellung eines allein zum Zwecke der Besitzstandswahrung dienenden<br />

Nachprüfungsantrages zu verhindern geboten gewesen sei.<br />

Die mit dem ergänzenden Vortrag erhobenen Vorwürfe überschritten die Grenze <strong>des</strong>sen, was<br />

im Rahmen einer ordentlichen Rechtspflege tolerabel sei und zeigten auf, dass primäres Ziel<br />

der Antragstellerin ausschließlich die Verzögerung der Neuvergabe der ausgeschriebenen<br />

Leistungen sei. Im Ergebnis werde die <strong>Vergabekammer</strong> mit einem Nachprüfungsantrag eines<br />

Bieters befasst, der im Wettbewerb selbst dann chancenlos sei, wenn die sein Angebot<br />

betreffenden Vergabefehler als zutreffend unterstellt würden. Der vorgetragene Sachverhalt<br />

sei nicht geeignet, die Antragstellerin in ihrer Rechtsposition zu belasten. Ziel <strong>des</strong><br />

Vergabenachprüfungsantrages sei vorrangig, die Zuschlagsentscheidung zu verzögern, da die<br />

Antragstellerin derzeit von der für sie höchst lukrativen Interimslösung profitiere. Insoweit<br />

beantragte der Auftraggeber, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.


12<br />

Der Antrag sei überwiegend unzulässig, hilfsweise sei er jedenfalls unbegründet. Dezidiert<br />

trug der Auftraggeber vor, der Antragstellerin fehle bereits die Befugnis zum<br />

Nachprüfungsantrag, soweit sie sich gegen eine vermeintliche unklare Leistungsbeschreibung<br />

im Hinblick auf einen etwaigen Betriebsübergang wende, Verstöße gegen das Beihilferecht<br />

im Hinblick auf den Status der Beigeladenen als gGmbH rüge, die fehlende Eignung der<br />

Beigeladenen im Hinblick auf eine vermeintlich notwendige Gewerbeanmeldung propagiere,<br />

den Existenznachweis der Beigeladenen anzweifle und sie den Vorwurf einer Manipulation<br />

der Vergabeakte und eines Verstoßes gegen § 22 VOL/A erhebe.<br />

Im Übrigen sei die Antragstellerin aufgrund der Nichtbeachtung der Rügeobliegenheiten mit<br />

ihrem Vorbringen präkludiert, soweit sie Vergabeverstöße im Hinblick auf die geforderten<br />

Versicherungen geltend mache, den geforderten Bietererklärungen eine intransparente<br />

Bedeutung beimesse und eine nivellierende Bewertungsmatrix kritisiere. Die weiter<br />

erhobenen Verfahrensrügen der Antragstellerin seien unbegründet. Dies betreffe insbesondere<br />

den Ausschluss ihres Angebotes, den Vorhalt einer intransparenten Verfahrensdokumentation,<br />

den angeblichen Verstoß gegen § 17 Nr. 6 VOL/A, die Angriffe gegen die Aufklärung <strong>des</strong><br />

zum Zuschlag vorgesehenen Angebotes und die tatsächlich nicht fehlerhafte Wertung im<br />

Hinblick auf eine angeblich unzulässige Mischkalkulation der Beigeladenen.<br />

Wie bereits mit der Schutzschrift vorgetragen, scheide vorliegend eine Rechtsverletzung der<br />

Antragstellerin aus, da sie als derzeitige Betreiberin einer Aufnahmeeinrichtung von Fragen<br />

eines etwaigen Betriebsüberganges überhaupt nicht betroffen sei. Auch die Rüge, die<br />

Wertung von auf fehlerhaften Kalkulationsgrundlagen beruhenden Unterpreisangeboten,<br />

verletze die Antragstellerin in ihren Rechten nicht, da solche Unterpreisangebote tatsächlich<br />

nicht vorlägen. Selbst wenn dies aber so wäre, so könne sich die Antragstellerin nach der<br />

Rechtsprechung insbesondere auch der erkennenden Kammer nicht auf einen Verstoß gegen §<br />

25 Nr. 2 Abs. 2 und 3 VOL/A berufen.<br />

Der Behauptung, die Beigeladene verfolge mit dem eingereichten Angebot eine aggressive<br />

Marktverdrängungsstrategie zu Lasten der Antragstellerin, sei mit dem Einwand der<br />

Substanzlosigkeit entgegenzutreten. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin habe der<br />

Auftraggeber gerade nicht vorab eindeutig feststellen können, dass alle<br />

Tatbestandsvoraussetzungen eines Betriebsüberganges vorliegen würden. Dies gelte umso<br />

mehr, als die Frage <strong>des</strong> Betriebsüberganges und die damit einhergehenden Risiken die<br />

Parteien <strong>des</strong> Arbeitsvertrages beträfen, nicht jedoch den öffentlichen Auftraggeber. Soweit die<br />

Antragstellerin auf die Ausschreibung aus dem Jahre 2001 anspiele, übersehe sie den<br />

entscheidenden Unterschied, dass vorliegend der Auftraggeber nicht zugleich Arbeitgeber der<br />

zu übernehmenden Arbeitnehmer sei. Hätte also der Auftraggeber das Vorliegen eines<br />

Betriebsüberganges unter Eingriff in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte zwingend


13<br />

vorgegeben, läge eine Wettbewerbsverzerrung zugunsten der Antragstellerin und zu Lasten<br />

aller anderen übrigen Bieter vor.<br />

Auch im Hinblick auf einen vermeintlich rechtswidrigen Beihilfestatus der Beigeladenen<br />

scheide eine subjektive Rechtsverletzung und damit Antragsbefugnis aus. Der Status der<br />

Beigeladenen als gGmbH, insbesondere eine etwaige Steuerbefreiung, werde von den<br />

Steuerbehörden gewährt, ohne dass der Antragsgegner Einfluss hierauf hätte. Eine<br />

Überprüfung oder gar die Absprache und der Rechtmäßigkeit der Bescheiderteilung durch die<br />

Finanzverwaltung stehe dem Auftraggeber nicht zu. Vor allem aber folge die steuerliche<br />

Behandlung Rechtsnormen, welche selbst bei großzügiger Auslegung nicht als<br />

„Bestimmungen über das Vergabeverfahren“ i. S. v. § 97 Abs. 7 GWB anzusehen seien. Ein<br />

etwaiger Verstoß gegen diese Vorschriften sei daher kein zulässiger Gegenstand eines<br />

Nachprüfungsverfahrens, wie es bereits das OLG Düsseldorf mit <strong>Beschluss</strong> vom 26.07.2002,<br />

Verg 22/02, entschieden habe. Hier heiße es: „Der Erhalt nicht notifizierter Beihilfen lässt<br />

sich auch nicht unter Hinweis auf die Pflichten der Vergabestelle bei der Angebotswertung<br />

zum Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens machen.“ Hilfsweise sei anzumerken, dass<br />

selbst wenn die Rechtswidrigkeit einer Beihilfegewährung der Vergabenachprüfung zugängig<br />

wäre, erst ein darauf beruhender besonders niedriger Preis zu den entscheidenden Vorteilen<br />

im Wettbewerb führe. Eine auffallend günstige Preisgestaltung <strong>des</strong> Angebotes der<br />

Beigeladenen sei aber nicht zu verzeichnen gewesen.<br />

Hinsichtlich der Rüge der angeblich fehlenden Gewerbeanmeldung der Beigeladenen trug der<br />

Auftraggeber vor, dass eine solche nicht gefordert gewesen sei. Zwar seien auch ungeeignete<br />

Bewerber zwingend vom Wettbewerb auszuschließen und ungeeignet sei ein Unternehmen,<br />

wenn es rechtlich an der Leistungserbringung gehindert sei. Es sei allerdings abwegig, soweit<br />

die Antragstellerin vortrage, die Beigeladene könne, weil eine Gewerbeanmeldung nicht<br />

möglich sei, aus rechtlichen Gründen die Leistung nicht erbringen. Hier sei auf die<br />

Entscheidung <strong>des</strong> OLG Düsseldorf (B. v. 17.06.2002, Verg 18/02), zu verweisen, in welcher<br />

das OLG auf die Frage eines Markteintrittsverbotes abgestellt habe.<br />

Hilfsweise sei darauf hinzuweisen, dass die Beigeladene als gemeinnützige Einrichtung<br />

gerade kein Gewerbebetreibender i. S. der Gewerbeordnung sei. Die Betreibung einer<br />

Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber durch eine gemeinnützige Einrichtung verbiete das<br />

Gewerberecht nicht. Die Beigeladene habe durch den vorgelegten Handelsregisterauszug den<br />

Nachweis ihrer Existenz geführt. Etwaige Fragen <strong>des</strong> Gesellschaftsrechtes beträfen nicht die<br />

Bestimmungen über das Vergabeverfahren i. S. v. § 97 Abs. 7 GWB.<br />

Im Übrigen seine etwaige Vorwürfe im Hinblick auf eine angebliche Manipulation der<br />

Vergabeakten obsolet. Insoweit sei auf Aktenblatt <strong>1.</strong>755 der Vergabeakte zu verweisen.


14<br />

Der Auftraggeber gehe nach wie vor davon aus, dass die Antragstellerin spätestens am<br />

07.12.2007 positive Kenntnis von dem (in Wahrheit nicht bestehenden) Verstoß im Hinblick<br />

auf die geforderten Versicherungen hatte, weil sie als derzeitige Betreiberin bereits<br />

umfassende Kenntnis über die Aufnahmeeinrichtung hatte, sie mit der Angebotserstellung<br />

und dem Studium der Ausschreibungsunterlagen spätestens ab Mitte November 2007 befasst<br />

gewesen sei und ihre ersten Fragen bereits am 22.1<strong>1.</strong>2007 gestellt habe. Zudem seien zu den<br />

Regelungen, welche sich in den Ausschreibungsunterlagen in direkter Nähe zu den<br />

Regelungen über die geforderten Versicherungen befänden, bereits mit erstem Schreiben zur<br />

Beantwortung von Bieteranfragen mit Datum vom 07.12.2007 Aussagen getroffen worden.<br />

Bei dieser Faktenlage sei von positiver Kenntnis i. S. v. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB spätestens<br />

am 07.12.2007 auszugehen. In diesem Zusammenhang sei auf die Entscheidung <strong>des</strong> OLG<br />

Koblenz (B. v. 05.06.2003, 1 Verg 2/03) zu verweisen, in welcher das OLG dargelegt habe,<br />

dass, sofern bei lebensnaher Beurteilung der Schluss naheliege, dass die Antragstellerin den<br />

geltend gemachten Vergaberechtsverstoß bereits zu einem bestimmten früheren Zeitpunkt<br />

erkannt habe oder sich mutwillig dieser Erkenntnis verschlossen habe, es ihm obliege, diese<br />

Vermutung zu entkräften. Für die den zugrunde liegenden Tatsachen trage sie, d. h. die<br />

Antragstellerin, die Darlegungs- und Beweislast. Selbst wenn die erkennende<br />

<strong>Vergabekammer</strong> dies anders sehen sollte, wäre die Antragstellerin nach ihrem eigenen<br />

Sachvortrag mit dieser Verfahrensrüge präkludiert. Nach dem Vortrag der Antragstellerin<br />

hatte sie am 07.0<strong>1.</strong>2008 positive Kenntnis von dem Umstand, dass sie auf Grundlage der<br />

übersandten Verdingungsunterlagen kein seriöses Angebot kalkulieren könne. Ihrem weiteren<br />

Vortrag auf S. 20 <strong>des</strong> Nachprüfungsantrages, dass positive Kenntnis nur im Hinblick darauf<br />

bestanden habe, dass sich aus den Verdingungsunterlagen nicht genau ergeben habe, ob der<br />

Betreiber das gesamte Gelände versichern solle oder einige Bereiche hiervon ausgenommen<br />

sein sollten und sie von der generellen Unkalkulierbarkeit erst am 14.0<strong>1.</strong>2008 Kenntnis<br />

erlangt habe widerspreche die Antragstellerin auf S. 5 <strong>des</strong> Nachprüfungsantrages selbst. Dort<br />

führe sie nämlich aus, dass der Pflichtenumfang zum Abschluss von Versicherungen sich für<br />

sie eben nicht aus den Regelungen <strong>des</strong> Betreibervertrages in der Leistungsbeschreibung<br />

ergeben habe und sie genau aus diesem Grunde bereits am 07.0<strong>1.</strong>2008 die Bieteranfrage<br />

gestellt habe.<br />

Soweit sie aber nach ihrem eigenen Vortrag schon am 07.0<strong>1.</strong>2008 positive Kenntnis von dem<br />

in Wahrheit nicht bestehenden Vergaberechtsverstoß gehabt habe, habe sie auch nicht auf eine<br />

unverzügliche Rüge zugunsten von abwegigen Fragen verzichten können, ohne dass sie ihr<br />

Antragsrecht auf Vergabenachprüfung verliere. Unter Bezugnahme auf weitere<br />

Rechtsprechung (OLG Saarbrücken, B. v. 30.07.2007, 1 Verg 3/07, OLG Dresden, B. v.<br />

1<strong>1.</strong>09.2006, WVerg 13/06) wies der Auftraggeber darauf, dass die Pflicht zur Rüge<br />

vermeintlicher Vergabefehler spätestens mit Beginn der Ausarbeitung <strong>des</strong> eigenen Angebotes<br />

beginne. Lediglich hilfsweise sei darauf zu verweisen, dass der Vorwurf <strong>des</strong> nicht<br />

hinreichenden Inhaltes der Ausschreibungsunterlagen unbegründet sei. Den<br />

Verdingungsunterlagen sei insoweit klar zu entnehmen gewesen, dass die Häuser 1 und 5


15<br />

ausdrücklich nicht zum Vertragsgegenstand gehörten. Insoweit habe es in den<br />

Verdingungsunterlagen geheißen:<br />

„Die Gebäude <strong>des</strong> XXXXXX (XXXXXX - nachstehend<br />

Haus 5 genannt) und der XXXXXX (XXXXXX -<br />

nachstehend Haus 1 genannt), die sich ebenfalls auf dem<br />

Gelände befinden, unterliegen nicht seinem Betrieb.“<br />

Was aber nicht Vertragsgegenstand sei, müsse selbstverständlich nicht versichert werden.<br />

Schließlich sei ein von der Antragstellerin behaupteter, allein auf der vermeintlich unklaren<br />

Versicherungsklausel der Ausschreibung beruhender Angebotsvorsprung der Beigeladenen<br />

nicht denkbar. Denn die Antragstellerin habe die Versicherung <strong>des</strong> Erhaltungsinteresses<br />

überhaupt nicht, oder wie sie (unzutreffend) behauptet, nur in sehr geringer Höhe kalkuliert.<br />

Insoweit müsse sie also preisgünstiger sein.<br />

Das weitere Vorbringen der Antragstellerin im Hinblick auf eine angeblich vergaberechtlich<br />

nicht zuordenbare Bedeutung der geforderten Bietererklärung sei gleichfalls präkludiert.<br />

Welche Funktion der Auftraggeber den einzureichenden Erklärungen zum Betreiberkonzept<br />

beimesse, habe bereits mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe festgestanden, spätestens<br />

jedoch mit Beantwortung der Bieteranfragen <strong>1.</strong>10 vom 07.12.2007. Die nachfolgenden<br />

Antworten auf die Bieteranfragen 4.3 und 15.3 hätten nur den Standpunkt <strong>des</strong> Auftraggebers<br />

wiederholt. Die Rüge vom 18.0<strong>1.</strong>2008 sei insoweit eindeutig verfristet. Auch die erst mit<br />

Schriftsatz vom 02.04.2008 erhobene Rüge einer angeblich nivellierenden Bewertungsmatrix<br />

sei verspätet. Die Bewertungsmatrix einschließlich der Formel zur Punkteberechnung sei<br />

bereits mit Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes den Bietern zur Kenntnis gegeben<br />

worden. Insoweit sei die Antragstellerin mit dem diesbezüglichen Vorbringen nicht zu hören.<br />

Die von der Antragstellerin zitierte Entscheidung <strong>des</strong> OLG München, <strong>Beschluss</strong> vom<br />

26.06.2007, Verg 6/07, sei auf den zu entscheidenden Fall nicht übertragbar, denn diese<br />

Entscheidung habe eine Matrix betroffen, welche den Bewerbern gerade nicht bekannt<br />

gegeben wurde. Darüber hinaus habe die Matrix bewirkt, dass im Ergebnis alle Bewerber die<br />

gleiche Gesamtpunktzahl erhalten hätten, was vorliegend ja gerade nicht der Fall sei.<br />

Das Angebot der Antragstellerin sei wegen eines Abweichens von den<br />

Verdingungsunterlagen zutreffend von der weiteren Wertung ausgeschlossen worden. Die<br />

Argumentation der Antragstellerin sei widersprüchlich, wenn sie zum einen vortrage, dass<br />

aufgrund unzureichender Angaben zu den Haftpflichtversicherungen eine Kalkulation nicht<br />

möglich sei, andererseits aber erklärt habe, dass die angebotenen Preise unter<br />

Berücksichtigung der Bieteranfragen und der bekannten Rügen kalkuliert worden seien. Mit<br />

Ausnahme der Haftpflichtversicherung seien für die anderen Versicherungen keine genauen<br />

Angaben bekannt. Das Angebot beziehe sich daher auf die eindeutig festgelegten<br />

Bedingungen, weitere Versicherungen seien nicht kalkuliert worden.


16<br />

Ein Verstoß gegen § 17 Nr. 6 Abs. 2 VOL/A sei nicht gegeben. Die Rügeantworten <strong>des</strong><br />

Antragsgegners seien keine allen Bietern zu erteilenden zusätzlichen Auskünfte. Im Übrigen<br />

habe eine sorgfältige und umfassende Aufklärung <strong>des</strong> Angebotes der Beigeladenen<br />

stattgefunden. Dies ergebe sich aus den Protokollen <strong>des</strong> Aufklärungsgespräches. Der<br />

Ausschluss <strong>des</strong> Angebotes der Beigeladenen wegen einer angeblich unzulässigen<br />

Mischkalkulation sei nicht geboten gewesen, da diese im Rahmen der Angebotsaufklärung<br />

sämtliche Fragen <strong>des</strong> Auftraggebers zur Zufriedenheit habe beantworten können.<br />

Mit Schriftsatz vom 14.03.2008 beantragte die Beigeladene, zum Verfahren im Wege der<br />

Beiladung hinzugezogen zu werden.<br />

Mit <strong>Beschluss</strong> der <strong>Vergabekammer</strong> vom 28.03.2008 wurde die Beigeladene zum<br />

Vergabenachprüfungsverfahren hinzugezogen.<br />

Mit Schriftsatz vom 26.03.2008 trat die Beigeladene dem Vorbringen der Antragstellerin<br />

entgegen und wies zunächst darauf hin, dass es sich bei den ausgeschriebenen<br />

Dienstleistungen der Betreibung einer Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in der<br />

XXXXXX um Dienstleistungen i. S. d. Anhanges I Teil B Kategorie 25 der VOL/A handele.<br />

Insoweit unterfalle die Vergabe zwar den Nachprüfungen gemäß § 102 ff. GWB,<br />

Prüfungsmaßstab seien allerdings allein die Vorschriften <strong>des</strong> Nationalvergaberechtes. Eine<br />

etwaige Verletzung der §§ 7a, 9a oder 25a Nr. 2 VOL/A könnten damit aber nicht Gegenstand<br />

eines Vergabenachprüfungsverfahrens sein.<br />

Die Beigeladene bestritt zunächst, dass die Antragstellerin erst am 07.0<strong>1.</strong>2008 eine erste<br />

Rückmeldung ihres Versicherungsmaklers erhalten habe. Aber selbst wenn man diesen<br />

Vortrag als richtig unterstelle, sei der erstmals mit Datum vom 15.0<strong>1.</strong>2008 erfolgte Hinweis,<br />

dass der Antragstellerin Unterlagen für die Kalkulation der Versicherung fehlten, verspätet.<br />

Jedenfalls aber sei eine Rüge vom 18.0<strong>1.</strong>2008 präkludiert. Auch die Behauptung der<br />

Antragstellerin, ihr selbst aber auch den anderen Bietern seien unzureichende Informationen<br />

zu einem möglichen Betriebsübergang zugegangen, treffe nicht zu. Letztlich sei der<br />

Behauptung der Antragstellerin entschieden entgegenzutreten, dass die Beigeladene ihrer<br />

Pflicht zur Zahlung von Abgaben und Steuern nicht nachgekommen sei und sich <strong>des</strong>halb<br />

Anhaltspunkte ergäben, dass an der Zuverlässigkeit der Beigeladenen zu zweifeln sei.<br />

Auf die Rüge zu angeblich fehlenden Informationen zum Betriebsübergang sei auszuführen,<br />

dass der Antragstellerin seit Mitte November 2007 bereits bekannt gewesen sei, was in den<br />

Vergabeunterlagen zu einem Betriebsübergang ausgeführt werde. Den sich angeblich aus den<br />

Verdingungsunterlagen ergebenden Rechtsverstoß habe die Antragstellerin erstmalig mit<br />

Rügeschreiben vom 2<strong>1.</strong>12.2007 gegenüber dem Auftraggeber geäußert.


17<br />

Der Nachprüfungsantrag sei aber auch <strong>des</strong>halb unzulässig, weil dieser nicht den<br />

Min<strong>des</strong>tanforderungen nach § 107 Abs. 2 GWB genüge. Nach Satz 2 dieser Bestimmung sei<br />

im Nachprüfungsantrag darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung<br />

von Vergabevorschriften ein Schaden entstanden sei oder zu entstehen drohe. Diesen<br />

Darlegungspflichten sei die Antragstellerin nicht nachgekommen.<br />

Ein Schaden könne schon allein <strong>des</strong>halb nicht drohen, weil das Angebot der Antragstellerin<br />

auf einem der letzten Plätze der wirtschaftlichen Rangfolge liege. Insoweit hätte die<br />

Antragstellerin vortragen müssen, dass nicht nur das Angebot der Beigeladenen, sondern auch<br />

die Angebote der vor ihr in der Rangfolge platzierten Bieter den Zuschlag nicht erhalten<br />

dürften. Ein solcher Sachvortrag fehle vorliegend.<br />

Mit Schriftsatz vom 02.04.2008 trug die Antragstellerin ergänzend zum bisherigen<br />

Vorbringen vor und beantragte:<br />

<strong>1.</strong> die Vergabestelle zu verpflichten, das Angebot der XXXXXX gemeinnützige GmbH<br />

auszuschließen, das Angebot der Antragstellerin zu werten und ihrem Angebot in<br />

diesem Verfahren den Zuschlag zu erteilen<br />

2. hilfsweise, die Vergabestelle zu verpflichten, das mit der Bekanntmachung vom 9.1<strong>1.</strong><br />

2007 eingeleitete streitgegenständliche Vergabeverfahren in den Stand vor<br />

Versendung der Verdingungsunterlagen zurückzuversetzen und den Auftrag auf der<br />

Grundlage klarer und eindeutiger sowie sämtliche Kalkulationsgrundlagen eindeutig<br />

benennender Verdingungsunterlagen vergaberechtmäßig unter Beteiligung der<br />

Antragstellerin neu zu vergeben;<br />

Sie legte dar, dass zu vermuten sei die Vergabeakte aufgrund der rückläufigen Paginierung<br />

nachträglich ergänzt und verbessert worden sei.<br />

Darüber hinaus sei das Angebot der Beigeladenen wegen Benennung einer 0,00 € -Position<br />

auszuschließen. Außerdem habe der Auftraggeber eine nivellierende Wertungsformel<br />

verwendet, was mit Verweis auf die jüngste Rechtsprechung <strong>des</strong> OLG München (B.v.<br />

26.06.2007, Verg 6/07) unzulässig sei.<br />

Im übrigen wiederholte und vertiefte die Antragstellerin ihr bisheriges Vorbringen.<br />

Mit Schriftsatz vom 10.04.2008 wandte sich die Beigeladene gegen den Vortrag der<br />

Antragstellerin hinsichtlich <strong>des</strong> begehrten Ausschlusses <strong>des</strong> Angebotes der Beigeladenen.<br />

Hierzu trug die Beigeladene vor, dass entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin das<br />

Angebot auszuschließen sei, da zum einen darauf hinzuweisen sei, dass entgegen den<br />

Ausführungen der Antragstellerin die Vorlage einer Gewerbeanmeldung von den Bietern<br />

nicht verlangt worden sei. Eine solche könne mithin, sollte sie aus welchen Gründen auch


18<br />

immer bei Aufnahme der Tätigkeit erforderlich sein, noch später vorgenommen werden.<br />

Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass die Beigeladene mangels Führung eines<br />

Gewerbebetriebes i. S. der GewO nicht einer Rechtspflicht zur Anmeldung eines Gewerbes<br />

unterliege. Anmeldepflichtig seien gemäß § 14 GewO nur diejenigen Tätigkeiten, die ein<br />

Gewerbe im Rechtssinne darstellten. Da die Tätigkeit der Beigeladenen nicht auf<br />

Gewinnerzielung gerichtet sei, sondern ihr Tätigsein vielmehr unmittelbar gemeinnützigen,<br />

wohltätigen und sozialen Zwecken diene, fehle es an einer Erwerbsabsicht und damit an der<br />

Ausübung eines Gewerbes i. S. der Gewerbeordnung.<br />

Zudem läge auch kein Verstoß gegen § 25a Nr. 2 VOL/A vor, weil die Beigeladene durch<br />

ihren Status als gemeinnützige Gesellschaft keine wirtschaftlichen Vorteile erlange, welche<br />

als staatliche Beihilfe zu qualifizieren seien. In der Rechtsprechung sei seit langem<br />

entschieden, dass Unterschiede, welche sich aus der Vielfalt privatrechtlicher<br />

Organisationsformen mit verschiedenen Steuerregelungen ergeben, mit dem Instrumentarium<br />

<strong>des</strong> Vergaberechtes ebenso wenig beseitigt werden könnten wie standortabhängige<br />

Steuernachteile, etwa wegen unterschiedlicher Hebesätze bei Gewerbesteuern oder auch<br />

völlig anderer Besteuerungsgrundlagen etc. Auch begrifflich könnten Steuervergünstigungen<br />

nicht als europarechtswidrige Subventionen verstanden werden, zudem seien die Regelungen<br />

<strong>des</strong> § 25a Nr. 2 VOL/A vorliegend ohnedies nicht einschlägig.<br />

Die von der Antragstellerin aufgestellte Behauptung, die Leistungsbeschreibung sei mit Blick<br />

auf eine fehlende Aussage zu einem Betriebsübergang unklar, sei letztendlich unzutreffend.<br />

Richtig möge zwar sein, dass in den Verdingungsunterlagen keine konkreten Aussagen zu<br />

einem Betriebsübergang enthalten seien. Die von dem Auftraggeber sodann aber allen<br />

Bietern, nicht nur der Antragstellerin, zugeleitete Klarstellung, dass ein Betriebsübergang<br />

nicht zwingend eintrete, sondern von der von den Bietern zu erarbeitenden Konzeptionen<br />

abhänge, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Selbst wenn man unterstellen wolle, dass ein<br />

Betriebsübergang eintreten würde, so wäre ein solcher für die Bieter allenfalls nur dann<br />

kalkulationsrelevant, wenn Mitarbeiter <strong>des</strong> bisherigen Betreibers übernommen werden<br />

müssten. Die Übernahme der Einrichtung alleine lasse sich bereits problemlos kalkulieren, da<br />

der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen eine Kostenerstattung für sämtliche Kosten<br />

vorgesehen habe, die im Zusammenhang mit dem Betrieb <strong>des</strong> Gebäu<strong>des</strong> und der Betreuung<br />

der Migranten entstünden. Kalkulationsrisiken seien also mithin nicht auf den Bieter verlagert<br />

worden. Zudem sei für je<strong>des</strong> am Markt erfahrene Unternehmen die Kalkulation von<br />

Personalkosten unproblematisch möglich, auch dann, wenn ein identitätswahrender<br />

Betriebsübergang stattfände. Ein die Vergaberechtswidrigkeit indizieren<strong>des</strong> ungewöhnliches<br />

Wagnis liege damit für den Bieter allenfalls dann vor, wenn hierdurch Kostensteigerungen<br />

entstünden, die der Bieter nicht durch einen entsprechenden Wagniszuschlag in seiner<br />

Preiskalkulation berücksichtigen könne. Dies sei hier aber gerade nicht der Fall. Vorliegend<br />

hätten jedenfalls die im Falle eines etwaigen Betriebsüberganges entstehenden Personalkosten


19<br />

anhand üblicher Marktpreise kalkuliert und im Rahmen eines Wagniszuschlages<br />

berücksichtigt werden können.<br />

Letztlich wies die Beigeladene darauf hin, dass die Preisposition von 0,00 Euro nicht einen<br />

Ausschluss <strong>des</strong> Angebotes der Beigeladenen begründe, da die Beigeladene im Rahmen der<br />

Angebotsaufklärung und Offenlegung der Kalkulation ihres Angebotes dargelegt habe, dass<br />

dies der tatsächliche Preis für diese Position sei.<br />

Soweit die Antragstellerin schließlich noch in ihrem Schriftsatz vom 02.03.2008 behauptet<br />

habe, dass an dem Nachweis der Existenz der Beigeladenen Zweifel bestünden, so werde<br />

abschließend auf das Angebot der Beigeladenen hingewiesen, welchem ein<br />

Handelsregisterauszug beigefügt gewesen sei.<br />

Die Verfahrensbevollmächtigten trugen nachfolgend umfangreich und widerstreitend mit<br />

Schriftsätzen vom 1<strong>1.</strong>04.2008 sowie weiteren Schriftsätzen vertiefend zur Sach- und<br />

Rechtslage vor. Diese wurden, soweit sich daraus neue Aspekte für die <strong>Vergabekammer</strong><br />

ergeben sollten, von dieser vollumfänglich berücksichtigt.<br />

In der mündlichen Verhandlung vom 15.04.2008 hatten die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit<br />

den Sachvortrag zu vertiefen. Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten<br />

ausführlich erörtert. Auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung wird verwiesen.<br />

Wegen <strong>des</strong> weiteren und vertiefenden Vorbringens der Parteien und wegen der weiteren<br />

Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf die übrigen gewechselten Schriftsätze Bezug<br />

genommen. Die von der Vergabestelle überlassenen Vergabeakten waren Gegenstand der<br />

mündlichen Verhandlung.<br />

Die Antragstellerin beantragte:<br />

Ergänzende Akteneinsicht hinsichtlich <strong>des</strong> Vergabevermerkes zu den Wertungsstufen 1 und<br />

2, insbesondere zu den Bieternummern, die nach der derzeitigen Akteneinsicht geschwärzt<br />

sind.<br />

Im Übrigen stellte die Antragstellerin die Anträge aus dem Schriftsatz vom 02.04.2008, Seite<br />

2 zu <strong>1.</strong> und 2.<br />

Der Auftraggeber stellte den Antrag, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen und den<br />

Antrag auf ergänzende Akteneinsicht ebenfalls zurückzuweisen.<br />

Die Beigeladene beantragte, alle Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen.


20<br />

Mit Verfügung der Vorsitzenden vom 17.04.2008 wurde die Entscheidungsfrist um zwei<br />

Wochen auf den 30.04.2008 verlängert.<br />

II.<br />

<strong>1.</strong> Der Antrag auf Nachprüfung ist nur teilweise zulässig (<strong>1.</strong>) und soweit er zulässig ist<br />

insgesamt unbegründet. (2).<br />

a) Die <strong>1.</strong> <strong>Vergabekammer</strong> <strong>des</strong> <strong>Freistaates</strong> <strong>Sachsen</strong> ist gemäß § 2 der Verordnung der<br />

Sächsischen Staatsregierung über Einrichtung, Organisation <strong>Vergabekammer</strong>n <strong>des</strong><br />

<strong>Freistaates</strong> <strong>Sachsen</strong> (SächsVgKVO) vom 23.03.1999 (SächsGVBl. S. 214, zuletzt<br />

geändert durch VO vom 3<strong>1.</strong>03.2004, SächsGVBl, S. 135) für den Antrag zuständig, da es<br />

sich bei der ausgeschriebenen Leistung um einen Dienstleistungsauftrag im Sinne von §<br />

99 Abs. 2 GWB handelt.<br />

b) Die geplante Gesamtauftragssumme überschreitet den EU-Schwellenwert. Nach § 100<br />

Abs. 1 GWB unterliegen der Nachprüfung durch die <strong>Vergabekammer</strong> nur Aufträge,<br />

welche die Auftragswerte (Schwellenwerte) erreichen oder überschreiten. Die<br />

Auftragswerte werden durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt. Der<br />

Gesetzgeber hat von der Ermächtigung in § 127 Nr. l GWB zum Erlass einer<br />

Rechtsverordnung durch Erlass der Vergabeverordnung (VgV) Gebrauch gemacht.<br />

Gemäß § 2 Nr. 3 VgV betrug der Schwellenwert zum Zeitpunkt der Ausschreibung<br />

(09.1<strong>1.</strong>2007) 21<strong>1.</strong>000 €. Der ausgeschriebene Auftrag liegt unstreitig über diesem Wert.<br />

c) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei Vergaben nach Anhang I B zur VOL/A, 2.<br />

Abschnitt, die hier in Form von Beherbergungsleistungen (Kategorie 17, CPC-Nummer<br />

64) vorliegt, Rechtsschutz zur <strong>Vergabekammer</strong> gegeben ist. Auf die Vergabe von<br />

Leistungen im Anhang I B der VOL/A sind gemäß § 1 a Nr. 2 Abs. 2 VOL/A neben den<br />

Basisparagraphen ausschließlich die §§ 8 a und 28 a VOL/A anwendbar, was nichts daran<br />

ändert, dass diese Leistungen dem Anwendungsbereich der §§ 97 ff. GWB unterfallen<br />

(VK <strong>Sachsen</strong>, B. v. 05.02.2007 - 1/SVK/125-06). Auch die Vergabe von nachrangigen<br />

Dienstleistungen im Sinne <strong>des</strong> Anhangs I Teil B der VOL/A bzw. der VOF unterliegt der<br />

Nachprüfung durch die <strong>Vergabekammer</strong>n. Lediglich der Prüfungsumfang ist<br />

eingeschränkt (VK Saarland, B. v. 19.05.2006 - 3 VK 03/2006)<br />

d) Der Auftraggeber unterliegt gem. § 98 Nr. 1 GWB dem Vergaberechtsregime.<br />

e) Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen<br />

antragsbefugt, das ein Interesse am Auftrag hat, eine Verletzung in bieterschützenden


21<br />

Rechten und zumin<strong>des</strong>t einen drohenden Schaden darlegt. Dafür, dass der Antragstellerin<br />

infolge der Missachtung von § 97 GWB zumin<strong>des</strong>t ein Schaden zu entstehen droht,<br />

genügt, dass der behauptete Vergaberechtsverstoß geeignet ist, die Aussichten auf den<br />

Zuschlag zu beeinträchtigen (BVerfG, NZBau 2004, 564, 566). Am Vorliegen der<br />

Antragsbefugnis könnte <strong>des</strong>halb gezweifelt werden, weil das Angebot der Antragstellerin<br />

vom Auftraggeber ausgeschlossen wurde. Der BGH hat mit <strong>Beschluss</strong> vom 26.09.2006 -<br />

X ZB 14/06 klargestellt, dass der Bieter regelmäßig unabhängig davon im<br />

Nachprüfungsverfahren antragsbefugt ist, ob auch sein Angebot an einem<br />

Ausschlussgrund leidet, wenn er die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften darlegt und<br />

danach als vergaberechtsgemäße Maßnahme die Aufhebung der Ausschreibung in<br />

Betracht kommt, weil alle anderen Angebote unvollständig sind. Dies kann im Streitfall<br />

zumin<strong>des</strong>t <strong>des</strong>halb ausgeschlossen werden, weil die Antragstellerin mit Blick auf einen<br />

etwaigen Betriebsübergang und auf die monierten Zuschlagskriterien eine Unklarheit der<br />

Verdingungsunterlagen vorgetragen hat, was die Aufhebung <strong>des</strong> streitgegenständlichen<br />

Vergabeverfahrens rechtfertigen könnte.<br />

f) Der Vergabenachprüfungsantrag ist hinsichtlich <strong>des</strong> Rügeerfordernisses <strong>des</strong> § 107 Abs. 3<br />

GWB nur teilweise zulässig. Soweit sich die Antragstellerin gegen den Ausschluss Ihres<br />

Angebotes wandte, so hat sie dies unzweifelhaft unverzüglich i.S.d. § 107 GWB gerügt.<br />

Mit Schreiben vom 29.03.2008 – Posteingang bei der Antragstellerin am 03.03.2008 -<br />

teilte der Auftraggeber der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot auf Grund einer<br />

Änderung der Verdingungsunterlagen ausgeschlossen worden sei und beabsichtigt sei, den<br />

Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Soweit sie sich hiergegen mit<br />

Rügeschreiben vom 03.03.2008 sowie 05.03.2008 wandte, erfolgtes dies unzweifelhaft<br />

unverzüglich, denn eine Rüge innerhalb von lediglich einem bzw. innerhalb von zwei<br />

Tagen ist nach einhelliger Rechtsprechung (vgl. OLG Koblenz, B. v. 18.09.2003, 1 Verg<br />

4/03; VK Brandenburg, B. v. 18.06.2003, VK 31/03; OLG Dresden, B. v. 06.04.2004,<br />

WVerg 1/04) als unverzüglich anzusehen.<br />

Soweit jedoch die Antragstellerin bezogen auf die mit Ziffer § 5 Ziff. 14 <strong>des</strong><br />

Betreibervertrages und mit Ziff. II.8 Absatz 1 der Leistungsbeschreibung geforderten<br />

Versicherungen etwaige Unklarheiten in den Verdingungsunterlagen zum Gegenstand <strong>des</strong><br />

streitigen Verfahrens machen möchte, ist sie zumin<strong>des</strong>t mit diesem Vortrag präkludiert.<br />

Mit Rüge vom 18.0<strong>1.</strong>2008 monierte die Antragstellerin gegenüber dem Auftraggeber<br />

Unklarheiten in den Verdingungsunterlagen wegen mangelnder Angaben zu Versicherung<br />

unzweifelhaft verspätet. Hierzu führte sie in ihrem Rügeschreiben aus:<br />

Die Verdingungsunterlagen sind entgegen § 8 Nr. 1 VOL/A nicht<br />

erschöpfend und enthalten zudem ungewöhnliche Wagnisse für den<br />

Bieter. Nach den letzten Antworten (Katalog 5) auf von uns bzw.


22<br />

anderen Bietern bereits gestellte Bieteranfragen müssen wir ihnen<br />

folgen<strong>des</strong> mitteilen und gem. § 107 GWB rügen:<br />

Der Betreibervertrag enthält nur genaue Angaben zu der<br />

Haftpflichtversicherung (§5 Nr. 14) Der Bieter soll aber verpflichtet<br />

werden, weitere Versicherungen nach Ziffer II.8 der<br />

Leistungsbeschreibung abzuschließen. Hierzu fehlen jedoch jegliche<br />

Angaben (Deckungsumfang, Wert der versicherten Sachen, genaue<br />

Risiken usw.) Auf dieser Grundlage ist keine Kalkulation möglich und<br />

die Angebote können nicht vergleichbar sein<br />

Nach Auffassung der erkennenden <strong>Vergabekammer</strong> ist der Bieter gehalten, unverzüglich nach<br />

Durcharbeiten der Verdingungsunterlagen etwaige Vergaberechtsverstöße zu rügen. Dies gilt<br />

im Streitfall umso mehr, als dass der Bieter gemäß Ziffer 12 der Aufforderung zur<br />

Angebotsabgabe ausdrücklich angehalten wurde, die Vollständigkeit und Lesbarkeit aller<br />

Unterlagen sofort zu überprüfen. Als Begründung für dieses Erfordernis wurde darauf<br />

hingewiesen, dass nur so dem Auftraggeber ausreichend Gelegenheit verbliebe, angemessen<br />

auf die Anzeigen zu reagieren, dies allen Bietern mitzuteilen und die Möglichkeit zu geben,<br />

diese Aspekte bei der Angebotsbearbeitung rechtzeitig zu berücksichtigen.<br />

Von einem sachkundigen Bieter ist zu erwarten, dass er innerhalb einer, höchstens aber 2<br />

Wochen nach Eingang der Unterlagen diese auf Verständlichkeit und Vollständigkeit geprüft<br />

hat (VK Schleswig-Holstein, B. v. 12.07.2005, VK-SH 14/05; Schleswig-Holsteinisches<br />

OLG, B. v. 30.06.2005, 6 Verg 5/05; <strong>1.</strong> VK Brandenburg, B. v. 18.06.2007, 1 VK 20/07; B. v.<br />

13.03.2007, 1 VK 7/07). So hat nämlich das OLG Dresden mit <strong>Beschluss</strong> vom 1<strong>1.</strong>09.2006<br />

(WVerg 13/06) entschieden, dass für die Beanstandung eines Bieters, ihm würden mit den<br />

Vergabeunterlagen Angaben abverlangt, die objektiv nicht möglich und <strong>des</strong>halb<br />

vergabewidrig seien, die Rügefrist <strong>des</strong> § 107 Abs. 3 GWB spätestens mit dem Beginn der<br />

Ausarbeitung <strong>des</strong> eigenen Angebots beginnt, weil der Bieter jedenfalls zu diesem Zeitpunkt<br />

den aus seiner Sicht rügbedürftigen Inhalt der Ausschreibung festgestellt hat und ihn dann<br />

gegenüber dem Auftraggeber nicht mehr unbeanstandet lassen darf.<br />

Zudem ist zu beachten, dass die die Rügeobliegenheit nicht erst von dem Zeitpunkt an<br />

besteht, in dem der Bieter Kenntnis von einem völlig zweifelsfreien und in jeder Beziehung<br />

nachweisbaren Vergabefehler erlangt; ausreichend ist vielmehr das Wissen um einen<br />

Sachverhalt, der aus subjektiver Sicht <strong>des</strong> Bieters den Schluss auf einen Vergaberechtsverstoß<br />

erlaubt, und der es bei vernünftiger Betrachtung als gerechtfertigt erscheinen lässt, das<br />

Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Naumburg, B. v. 14.12.2004 - 1<br />

Verg 17/04, OLG Düsseldorf, B. v. 04.03.2004 - Verg 8/04, OLG Jena, B. vom 16.0<strong>1.</strong>2002 -<br />

6 Verg 7/01, VK <strong>Sachsen</strong>, B. v. 03.03.2008 - 1/SVK/002-08). Eine positive Kenntnis von<br />

einem Vergaberechtsverstoß wird <strong>des</strong>halb regelmäßig nämlich auch dann angenommen, wenn<br />

sich ein redlich Denkender nicht der Überzeugung verschließen würde, die der rechtlichen<br />

Würdigung der tatsächlichen Umstände zu Grunde liegt. Gefordert wird aber stets, dass die<br />

Rechtslage eindeutig ist (vgl. BayObLG, B. v. 2<strong>1.</strong>05.1999, 1 Verg 1/99). Nach diesen


23<br />

Maßstäben kann also im Rahmen <strong>des</strong> § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB von einer Kenntnis <strong>des</strong><br />

Verstoßes grundsätzlich nur gesprochen werden, wenn dem Bieter einerseits die den Verstoß<br />

begründenden Tatsachen bekannt sind und andererseits diese Tatsachen bei objektiver<br />

Wertung aus der Sicht <strong>des</strong> Bieters so offensichtlich einen Mangel <strong>des</strong> Vergabeverfahrens<br />

darstellen, dass der Bieter sich dieser Überzeugung schlechterdings nicht verschließen kann.<br />

Dieser Pflicht ist die Antragstellerin mit ihrer Rüge vom Freitag, dem 18.0<strong>1.</strong>2008 nicht<br />

nachgekommen. Im zu entscheidenden Fall ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin<br />

sich spätestens um den 22.1<strong>1.</strong>2007 intensiv mit den Verdingungsunterlagen auseinandersetzte,<br />

denn zu diesem Zeitpunkt richtete sie die ersten telefonischen Anfragen an den Auftraggeber.<br />

Eine weitere schriftliche Anfrage zu den Verdingungsunterlagen richtete die Antragstellerin<br />

am 26.1<strong>1.</strong>2007 per E-Mail an den Auftraggeber. Bei lebensnaher Betrachtung ist mithin<br />

davon auszugehen, dass die Antragstellerin die Verdingungsunterlagen bereits frühzeitig<br />

durchgearbeitet hatte und somit den geltend gemachten Vergaberechtsverstoß spätestens zu<br />

diesem Zeitpunkt erkannt haben musste. In diesem Zusammenhang ist auch nicht zwischen<br />

einer „ersten Durchsicht der Unterlagen“ und einer späteren „Ausarbeitung <strong>des</strong> Angebotes“<br />

zu unterscheiden, wie es der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin im Rahmen der<br />

mündlichen Verhandlung vortrug. Selbstverständlich umfasst der Beginn der Ausarbeitung<br />

<strong>des</strong> eigenen Angebots dass sich der Bieter zum Zwecke der Erstellung <strong>des</strong> Angebotes die<br />

Verdingungsunterlagen „durchsieht“ und ab diesem Zeitpunkt etwaig vergaberechtswidrige<br />

Inhalte gegenüber dem Auftraggeber moniert. Die „Ausarbeitung <strong>des</strong> Angebotes“ auf den<br />

Zeitpunkt <strong>des</strong> letztendlichen Ausfüllens der Platzhalter für die Preisangaben zu reduzieren<br />

und zu verlagern, widerspricht aller Lebenserfahrung, dass eine ordnungsgemäße<br />

Preiskalkulation nur in Umsetzung der sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden<br />

Anforderungen möglich ist. Damit ist bereits die Rüge vom 18.0<strong>1.</strong>2008 nach § 107 Abs. 3<br />

Satz 1 GWB verspätet.<br />

Selbst wenn man davon ausginge, die Antragstellerin hätte nicht bereits Ende November,<br />

Anfang Dezember 2007 Kenntnis von den vermeintlichen Unklarheiten erlangt, so ist eine<br />

positive Kenntnis der monierten Unklarheiten jedenfalls spätestens zum 07.0<strong>1.</strong>2008<br />

anzunehmen, mit dem Ergebnis, dass selbst unter dieser Prämisse eine Rüge am 18.0<strong>1.</strong>2008<br />

verspätet wäre. Denn es ist an dieser Stelle deutlich vorauszuschicken, dass die Aufforderung<br />

zur Angebotsabgabe unter den Ziffern 11 und 12 folgende Hinweise enthielt:<br />

1<strong>1.</strong> Auskünfte/Ortsbesichtigung<br />

Auskünfte werden grundsätzlich nur auf solche Fragen erteilt, die bis 15 Tage vor Ablauf<br />

der Angebotsfrist bei der Auskunft erteilenden Stelle eingegangen sind. Mündliche<br />

Anfragen werden nicht beantwortet. Auskunftsersuchen sind ausschließlich schriftlich<br />

per elektronischer Post (E-Mail) oder per Telefax zu stellen.<br />

12. Rügepflichten<br />

Die Bieter haben sich unmittelbar nach Erhalt der Ausschreibungsunterlagen über deren<br />

Vollständigkeit zu vergewissern. Enthalten die Unterlagen nach Auffassung <strong>des</strong> Bieters<br />

Unvollständigkeiten, Unklarheiten oder Rechtsverstöße, so hat der Bieter den


24<br />

Auftraggeber unverzüglich, spätestens bis 15 Tage vor Ablauf der Angebotsfrist<br />

darauf hinzuweisen.<br />

Der Bieter ist verpflichtet, die Vollständigkeit und Lesbarkeit aller Unterlagen sofort zu<br />

überprüfen. Nur so verbleibt dem Auftraggeber ausreichend Gelegenheit, angemessen<br />

auf die Anzeigen zu reagieren, dies allen Bietern mitzuteilen und die Möglichkeit zu<br />

geben, diese Aspekte bei der Angebotsbearbeitung rechtzeitig zu berücksichtigen.<br />

Der Auftraggeber hatte mit diesen Regelungen einen ausdrücklichen Endtermin für die<br />

eingehenden Bieteranfragen aufgenommen. Dadurch war der 07.0<strong>1.</strong>2008 als Endtermin für<br />

Auskunftsersuchen gegenüber dem Auftraggeber festgelegt. Zu beachten ist dabei, dass der<br />

ursprünglich für den 07.0<strong>1.</strong>2008 vorgesehene Ablauf der Angebotsfrist später mit Schreiben<br />

vom 14.12.2007 auf den 2<strong>1.</strong>0<strong>1.</strong>2008, 14.00 Uhr, verlängert wurde.<br />

Mit Blick auf eine Entscheidung <strong>des</strong> OLG Düsseldorf (B. v. 24.10.2007 - Verg 32/07) hatte<br />

die <strong>Vergabekammer</strong> zunächst zu prüfen, ob diese Regelungen vergaberechtskonform waren.<br />

Das OLG Düsseldorf hat in der zitierten Entscheidung herausgestellt, dass eine in den<br />

Vergabeunterlagen enthaltene und für eine Vielzahl von Vergabeverfahren vom öffentlichen<br />

Auftraggeber vorformulierte Bestimmung, dass der Bieter mit einer Rüge präkludiert sei,<br />

wenn er nicht innerhalb von vier Wochen nach Zugang der Zurückweisung der Rüge durch<br />

den Auftraggeber ein Nachprüfungsverfahren einleite, gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB<br />

in Verbindung mit § 107 Abs. 3 GWB unwirksam sei. Als Begründung wurde darauf<br />

verwiesen, dass die mit der Klausel bezweckte Verschärfung der materiellen und prozessualen<br />

Zugangsvoraussetzungen zum Nachprüfungsverfahren die Bieter unangemessen<br />

benachteiligte.<br />

Nach Auffassung der erkennenden <strong>Vergabekammer</strong> ist jedoch die Entscheidung <strong>des</strong> OLG<br />

Düsseldorf auf den Streitfall nicht übertragbar, denn in vorliegenden Fall geht es lediglich um<br />

die Festlegung eines Zeitpunktes bis zu dem die Verdingungsunterlagen zumin<strong>des</strong>t im<br />

Hinblick auf Unklarheiten und mögliche Vergaberechtsverstöße durchgearbeitet sein<br />

mussten – um einen Zeitpunkt also, ab dem der Auftraggeber vollumfängliche Kenntnis der<br />

Verdingungsunterlagen voraussetzen konnte. Ab diesem Zeitpunkt also greift nach<br />

Auffassung der <strong>Vergabekammer</strong> eine Fiktion der positiven Kenntnis der<br />

Verdingungsunterlagen. Die Festlegung eines solchen „Stichtages“ für abschließende<br />

Bearbeitung der Verdingungsunterlagen steht im Einklang mit dem geltenden Recht und der<br />

hierzu ergangenen Rechtsprechung.<br />

Hier ist zu bedenken, dass das "erkannt haben" ein subjektiver, innerer Vorgang ist, der sich<br />

zunächst "im Kopf" (von den die Unterlagen prüfenden Personen) abspielt und sich erst durch<br />

Akten- oder Gesprächsnotizen oder durch sonstige Indizien, die zwanglos den Schluss auf das<br />

Erkannthaben zulassen, nach außen objektiviert. Insoweit ist es vergaberechtlich nicht zu<br />

beanstanden, wenn der Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen einen Zeitpunkt festlegt,<br />

ab dem bei lebensnaher Beurteilung nur den Schluss gezogen werden kann, dass der


25<br />

Antragsteller den geltend gemachten Vergaberechtsverstoß bereits zu einem bestimmten<br />

(frühen) Zeitpunkt erkannt (oder sich mutwillig der Erkenntnis verschlossen) hatte.<br />

Weiter ist zu bedenken, dass sowohl die VOB/A als auch die VOL/A für europaweite<br />

Ausschreibungen in den § 17 a Nr. 6 bzw. § 18a Nr. 6 vorsehen, dass rechtzeitig beantragte<br />

Auskünfte über die Vergabeunterlagen spätestens 6 (Kalender-) tage vor Ablauf der<br />

Angebotsfrist zu erteilen sind.<br />

Die Auskunftspflicht <strong>des</strong> öffentlichen Auftraggebers dient der Einhaltung eines fairen, mit<br />

möglichst großer Beteiligung geführten Wettbewerbs und damit auch der Gleichbehandlung<br />

der beteiligten Bewerber (OLG Naumburg, B. v. 23.7.2001, 1 Verg 2/01, 2. VK Bund, B. v.<br />

1<strong>1.</strong>9.2002, VK 2-42/02). Nachdem vorliegend für die streitgegenständliche Vergabe einer<br />

Dienstleistung der Kategorie I B § 18 a VOL/A keine Anwendung findet, war dem<br />

Auftraggeber ein berechtigtes Interesse zuzugestehen, eine Frist für den letztmöglichen<br />

Eingang von Fragen zu den Verdingungsunterlagen festzusetzen. Zweck einer solchen<br />

Regelung ist es nämlich, individuellen Klärungsbedarf im Rahmen der laufenden<br />

Angebotsfrist zu kanalisieren, so dass ein geordneter Ablauf <strong>des</strong> Verfahrens nicht<br />

beeinträchtigt wird (Rechten in Kulartz/ Marx/ Portz/ Prieß, Kommentar zur VOL/A, 2007,<br />

Rnr. 33 zu § 18 a ).<br />

Im Sinne der beschleunigten Durchführung von Vergabe(nachprüfungs)verfahren hat also der<br />

Auftraggeber ein berechtigtes Interesse daran, dass Unklarheiten in den<br />

Verdingungsunterlagen durch die Bieter bis zu einem bestimmten Termin abschließend<br />

benannt und bearbeitet werden können. Dies gilt umso mehr, wenn die Zeiträume zur<br />

Bearbeitung wie vorliegend zur Bearbeitung der Verdingungsunterlagen ausreichend lang<br />

bemessen sind. Dem Bieter ist nach Auffassung der <strong>Vergabekammer</strong> nicht zuzugestehen<br />

durch zögerliche Anfragen das Vergabeverfahren zu verschleppen um so eine immer weitere<br />

Verschiebung <strong>des</strong> Termins zur Angebotsabgabe zu erreichen. Dies mag dann erst recht gelten,<br />

wenn, wie vorliegend der Bieter von einer Interimsvergabe profitiert.<br />

Unter Berücksichtigung <strong>des</strong> Umstan<strong>des</strong>, dass die Verdingungsunterlagen bereits am<br />

12.1<strong>1.</strong>2007 den Bietern zugesandt wurden, war sowohl die zunächst auf den 24.12.2007 als<br />

auch die später auf den 07.0<strong>1.</strong>2007 bestimmte Frist für letzte Anfragen zu den<br />

Verdingungsunterlagen als vergaberechtskonform anzusehen, denn damit stand den Bietern<br />

für die Durchsicht der Angebotsunterlagen im Zuge der Ausarbeitung <strong>des</strong> Angebots ein<br />

Zeitraum von zunächst über fünf Wochen zur Verfügung, wobei zu beachten ist, dass nach<br />

Ablauf der Frist für letzte Anfragen zu den Verdingungsunterlagen noch weitere zwei<br />

Wochen bis zur schlussendlichen Angebotsabgabe verblieben.


26<br />

Damit also hatten letzte Bieteranfragen dem Auftraggeber spätestens am 07.0<strong>1.</strong>2008<br />

zuzugehen.<br />

Rechtzeitig im Rahmen dieser Frist sandte die Antragstellerin dem Auftraggeber per e-mail<br />

folgende Anfrage:<br />

„Inwieweit sind Versicherungen für verschiedene<br />

Bereiche der Einrichtungen zu kalkulieren und<br />

abzuschließen? Wir gehen davon aus, dass sich jede der<br />

anwesenden Parteien auf dem Gelände (XXXXXX,<br />

XXXXXX, XXXXXX + Wachunternehmen) für ihre<br />

jeweiligen Einflussbereiche selbst versichert?“<br />

Diese Anfrage richtete sich danach, welche Bereiche der Einrichtung mit zu versichern seien.<br />

Mit Telefax vom Freitag, dem 1<strong>1.</strong>0<strong>1.</strong>2008 beantwortete der Auftraggeber diese wie folgt:<br />

„Hinsichtlich der Pflichten zum Abschluss von<br />

Versicherungen gelten die Regelungen <strong>des</strong><br />

Betreibervertrages und der Leistungsbeschreibung.“<br />

Sofern man diesbezüglich die Auffassung vertreten würde, was an dieser Stelle ausdrücklich<br />

offen bleiben kann, ob der Auftraggeber mit dieser Antwort seiner Pflicht zur Erteilung von<br />

Auskünften nachgekommen ist, so ist darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin hier<br />

durchaus auf eine erschöpfende Antwort hinsichtlich der Frage welche verschiedenen<br />

Bereiche der Einrichtungen zu versichern seien, auch noch nach Ablauf der Frist hätte<br />

drängen können. Dies aber hat sie vorliegend gerade nicht getan. Den Gegenstand dieser<br />

Anfrage hat sie zudem gerade nicht zum Gegenstand ihrer Rüge vom 18.0<strong>1.</strong>2008 gemacht.<br />

Vielmehr wandte die Antragstellerin sich mit E-mail vom 15.0<strong>1.</strong>2008, einem neuen<br />

Themenkomplex zu, in dem sie folgende Anfrage an den Auftraggeber richtete:<br />

„Im Betreibervertrag ist nur der Umfang der<br />

Haftpflichtversicherung bestimmt (§ 5 Nr. 14), nicht jedoch die<br />

weiteren Versicherungen (Sturm, Wasser, Brand) nach Nr. II. 8<br />

der Leistungsbeschreibung. Diese richten sich vor allem nach<br />

dem (Neu- oder Zeit-)Wert der Gebäude, Einrichtungen,<br />

Anlagen, Objekteinfriedungen usw. (§ 1 Abs. 2<br />

Betreibervertrag). Hierzu enthalten die Verdingungsunterlagen<br />

jedoch keinerlei Angaben. Diese sind aber für eine Kalkulation<br />

(und den Abschluss) derartiger Versicherungen unbedingt ob<br />

ihrer Größenordnung erforderlich. Ist es möglich, hierzu noch<br />

Informationen zu erhalten?“<br />

Diese Anfrage richtete sich nunmehr danach, welchen (Neu- oder Zeit-)Wert die Gebäude,<br />

Einrichtungen, Anlagen und Objekteinfriedungen hätten, was angeblich relevant für die<br />

Kalkulation der Versicherungen sei. Dies ist ein neues Themengebiet, das mit der vorherigen<br />

Frage der mit zu versichernden Bereiche der Einrichtung nichts zu tun hat. Eine Antwort auf


27<br />

den neuen Fragenkomplex <strong>des</strong> (Neu- oder Zeit-)Wertes der Gebäude verweigerte der<br />

Auftraggeber mit Telefax vom 17.0<strong>1.</strong>2008 mit der Begründung, dass die Frage nicht<br />

rechtzeitig i. S. d. Ausschreibungsbedingungen gestellt worden sei. Damit aber hat sich der<br />

Auftraggeber nach Auffassung der <strong>Vergabekammer</strong> vergaberechtskonform verhalten, denn<br />

die Antragstellerin war gehalten gewesen sich frühzeitig um die Kalkulationsparameter zu<br />

bemühen, die sie aus ihrer Sicht für die Kalkulation der geforderten Versicherungen<br />

benötigte. Zudem war sie unzweifelhaft seit dem 22.1<strong>1.</strong>2008 mit der Durchsicht der<br />

Verdingungsunterlagen beschäftigt.<br />

Ursprünglich hatte sie sich zudem darauf einzurichten, dass letzte Fragen am 24.12.2007 an<br />

den Auftraggeber gerichtet werden könnten, da dies unter Berücksichtigung der später<br />

verschobenen Abgabefrist der letztmögliche Erkundigungstermin war. Dann aber hätte es ihr<br />

oblegen, spätestens am 07.0<strong>1.</strong>2008 abschließende Fragen jedweder Art an den Auftraggeber<br />

zu richten und dann nachfolgend auf deren präzise Beantwortung zu achten. Sie konnte nicht<br />

mehr erwarten, eine Antwort auf ihre neuerliche Frage vom 15.0<strong>1.</strong>2008 zu erhalten. Mithin<br />

konnte sie auch nicht damit rechnen durch eine Auftraggeberantwort neue Erkenntnisse zu<br />

erhalten, die eine etwaige Rüge der vermeintlichen Vergaberechtswidrigkeit der<br />

Verdingungsunterlagen obsolet gemacht hätten. Somit aber hätte sie am, bzw. ab dem<br />

07.0<strong>1.</strong>2008 die nunmehr kritisierte Unklarheit der Verdingungsunterlagen unverzüglich rügen<br />

müssen, was sie aber nicht getan hat.<br />

Der erneuten Bieteranfrage der Antragstellerin vom 15.0<strong>1.</strong>2008 ist entgegen zu halten, dass<br />

diese selbst dann, wenn man die Regelungen in der Aufforderung zur Angebotsabgabe unter<br />

den Ziffern 11 und 12 für nicht vergaberechtskonform hielte, die Anfrage unter<br />

Berücksichtigung <strong>des</strong> Rechtsgedanken <strong>des</strong> hier nicht einschlägigen § 18a VOL/A verspätet<br />

wäre. Danach hätte nämlich unter Anrechnung einer 6-tägigen Frist zur Beantwortung von<br />

Bieteranfragen die Anfrage der Antragstellerin spätestens am 14.0<strong>1.</strong>2008 bei dem<br />

Auftraggeber vorliegen müssen um noch beantwortet werden zu können.<br />

Der Tag, an dem die Angebote im Eröffnungstermin geöffnet werden und damit die<br />

Angebotsfrist endet, wird für die Berechnung der Auskunftsfrist nicht mitgerechnet (Art. 3<br />

Abs. 1 S.2 VO 1182/71, resp. § 187 Absatz 1 BGB). Ausgangspunkt für die Berechnung der<br />

Auskunftsfristen ist daher der Tag, der dem Ablauf vorhergeht. Von diesem Tag an sind 6<br />

Tage zurückzurechnen. Die Frist endet mit dem Ablauf der letzten Stunde <strong>des</strong> letzten Tages<br />

der Frist (Art. 3 Abs. 2 Ziff b) VO 1182/71, resp. § 187 Absatz 2 Satz 1 BGB). Mithin hätte


28<br />

die Frist unter Berücksichtigung der an § 18 a VOL/A angelehnten Frist am 14.0<strong>1.</strong>2008 24.00<br />

Uhr in jedem Fall geendet.<br />

Die am 15.0<strong>1.</strong>2008 um 10:56 Uhr an den Auftraggeber gerichtete Anfrage war nach jedweder<br />

Rechtsauffassung verspätet und die Antragstellerin konnte nicht mehr mit einer Beantwortung<br />

der Bieteranfrage und somit nicht mehr mit neuen Erkenntnissen zu ihrer Frage rechnen, die<br />

eine neue Rügemöglichkeit hätten auslösen können.<br />

Insoweit war sie, wie bereits dargelegt, gehalten jedwede Vergaberechtsverstöße, die nicht auf<br />

den Fragen <strong>des</strong> 07.0<strong>1.</strong>2008 fußen unverzüglich im Sinne der dargelegten Rechtsprechung,<br />

spätestens aber am, bzw. ab dem 07.0<strong>1.</strong>2008 unverzüglich zu rügen.<br />

Damit ist die Antragstellerin mit ihrer Rüge vom 18.0<strong>1.</strong>2008 zumin<strong>des</strong>t in diesem Punkt<br />

präkludiert.<br />

g) Die in § 108 Abs. 2 GWB genannten Min<strong>des</strong>tanforderungen hat die Antragstellerin mit<br />

Ausnahme der Darstellung einer hinreichenden Rüge nach § 107 Abs. 3 S. 1 GWB erfüllt.<br />

Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.<br />

2. Der teilweise zulässige Antrag der Antragstellerin ist insgesamt unbegründet.<br />

Die Antragstellerin ist nicht in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt. Der<br />

Auftraggeber hat das Angebot der Antragstellerin zu Recht vom weiteren Vergabeverfahren<br />

ausgeschlossen (2.1). Das Angebot der Antragstellerin ist wegen einer unzulässigen Änderung<br />

der Verdingungsunterlagen vom weiteren Vergabeverfahren auszuschließen. Unklarheiten in<br />

den Verdingungsunterlagen oder anderweitige Gründe, die eine Aufhebung <strong>des</strong><br />

Vergabeverfahrens rechtfertigen könnten, waren nach Auffassung der <strong>Vergabekammer</strong> nicht<br />

festzustellen (3.1). Das Angebot der Beigeladenen war entgegen dem schriftsätzlichen<br />

Vorbringen der Antragstellerin nicht vom Vergabeverfahren auszuschließen (4.1). Die<br />

begehrte zusätzliche Akteneinsicht war mit Blick auf die jüngste Entscheidung <strong>des</strong> EuGH<br />

(EuGH, Urteil vom 14.02.2008 - Rs. C-450/06) abzulehnen.<br />

2.<strong>1.</strong> Ausschluss <strong>des</strong> Angebotes der Antragstellerin<br />

Ausweislich der Angebotsunterlagen hatte die Antragstellerin in ihrem Angebotsanschreiben<br />

vom 18.0<strong>1.</strong>2008 wie folgt ausgeführt:<br />

„Die angebotenen Preise wurden unter Berücksichtigung der<br />

(noch offenen) Bieterfragen und der Ihnen bekannten Rügen<br />

kalkuliert. Mit Ausnahme der Haftpflichtversicherung sind für die


29<br />

anderen Versicherungen (Sturm, Wasser, Brand) keine<br />

genauen Angaben zu Umfang, Wert der versicherten Gebäude<br />

und zu den erforderlichen Deckungssummen bekannt.<br />

Das Angebot bezieht sich daher auf die eindeutig festgelegten<br />

Bedingungen, weitere Versicherungen konnten nicht kalkuliert<br />

werden.“<br />

Aufgrund dieses Bieteranschreibens richtete der Auftraggeber am 08.02.2008 folgende<br />

Anfrage an die Antragstellerin:<br />

Enthalten Ihr Angebot und ihre Preise die nach den<br />

Ausschreibungsunterlagen gem. § 15 Nr. 14 Betreibervertrag und<br />

Ziffer II.8 der Leistungsbeschreibung geforderten Versicherungen<br />

oder ist dies nicht der Fall, so dass eine Änderung der<br />

Ausschreibungsunterlagen vorliegt?<br />

Darauf antwortete die Antragstellerin am 13.02.2008<br />

... Unser Angebot und seine Preise enthalten Versicherungsleistungen soweit<br />

diese durch die Verdingungsunterlagen – insbesondere die Formulierungen<br />

<strong>des</strong> Auftraggebers in § 5 Nr. 14 <strong>des</strong> Betreibervertrages und Ziffer II.8 der<br />

Leistungsbeschreibung – konkret und rechtmäßig gefordert worden sind.<br />

Diese Antwort rechtfertigt unter zwei Gesichtspunkten den Ausschluss <strong>des</strong> Angebotes der<br />

Antragstellerin.<br />

2.<strong>1.</strong><strong>1.</strong> Ausschluss wegen Änderungen an den Verdingungsunterlagen<br />

Mit der dargestellten Antwort gibt die Antragstellerin zu erkennen, dass sie in ihrem Angebot<br />

nur diejenigen Versicherungen kalkuliert hatte, für die aus ihrer Sicht eindeutige<br />

Kalkulationsparameter vorgegeben waren. Das bedeutet, dass sie diejenigen Versicherungen<br />

die sie als unklar bezeichnet hatte, nicht im Angebot mit einkalkuliert sind.<br />

Da nach mehrfach geäußerter Auffassung der Antragstellerin nur die Bedingungen für die<br />

Haftpflichtversicherung klar formuliert waren, sind also mit dem Angebot keine weiteren<br />

Versicherungen kalkuliert.<br />

Unterbreitet aber ein Bieter dem Auftraggeber ein Angebot, dass von den Vorgaben <strong>des</strong><br />

Leistungsverzeichnisses abweicht, so liegt darin nach Auffassung der erkennenden<br />

<strong>Vergabekammer</strong> eine Änderung der Verdingungsunterlagen, die einen zwingenden<br />

Ausschluss <strong>des</strong> Angebotes nach sich zieht (vgl. OLG München, B. v. 17.09.2007 - Verg<br />

10/07, VK Nordbayern, B. v. 12.04.2007 - 2<strong>1.</strong>VK-3194-16/07, VK Nordbayern, B. v.<br />

13.02.2007 - 2<strong>1.</strong>VK-3194-02/07). Änderungen können in nämlich sowohl in Ergänzungen<br />

und Streichungen bestehen; sie können sich aber auch auf den (technischen) Inhalt der<br />

Leistungen beziehen. Eine Änderung der Verdingungsunterlagen liegt daher vor, wenn der<br />

Bieter die zu erbringende Leistung abändert indem er eine andere als die ausgeschriebene


30<br />

Leistung anbietet (vgl. OLG Düsseldorf, B. v. 02.05.2007, Verg 1/07; B. v. 12.03.2007, Verg<br />

53/06).<br />

§ 21 Nr. 1 Abs. 4 VOL/A soll sicherstellen, dass das Angebot den ausgeschriebenen<br />

Leistungen und den sonstigen Verdingungsunterlagen entspricht.<br />

Es geht nicht allein darum, dass der Auftraggeber eigenverantwortlich bestimmt, zu welchen<br />

Bedingungen er den Vertrag abschließen möchte, sondern auch darum, dass die übrigen<br />

Teilnehmer an der Ausschreibung nicht durch eine Änderung der Verdingungsunterlagen<br />

durch einen Mitbieter einen Wettbewerbsnachteil erleiden. Der durch die öffentliche<br />

Ausschreibung eröffnete Wettbewerb der Bieter kann nur gewährleistet werden, wenn<br />

Änderungen an den Verdingungsunterlagen ausgeschlossen werden, weil andernfalls die<br />

Vergleichbarkeit der Angebote leidet (<strong>1.</strong> VK <strong>Sachsen</strong>, B. v. 1<strong>1.</strong>0<strong>1.</strong>2007, 1/SVK/116-06).<br />

Nachdem, wie zuvor bereits dargelegt, die Antragstellerin die aus ihrer Sicht bestehende<br />

Unklarheiten im Leistungsverzeichnis nicht gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich gerügt<br />

hatte, konnte sie sich mit Abgabe <strong>des</strong> Angebotes resp. im Rahmen der Angebotsaufklärung<br />

nicht mehr auf Fehler oder Unklarheiten im Leistungsverzeichnis berufen, zumal solche aus<br />

Sicht der <strong>Vergabekammer</strong> mit den Formulierungen in § 5 Ziff. 14 <strong>des</strong> Betreibervertrages und<br />

in Ziff. II.8 der Leistungsbeschreibung nicht verbunden sind. Vorliegend hatte die<br />

Antragstellerin eine Änderung an den Verdingungsunterlagen vorgenommen, in dem sie<br />

lediglich diejenigen Versicherungen in ihrem Angebot mit einkalkuliert hatte, für die aus ihrer<br />

Sicht klare Kalkulationsparameter in den Verdingungsunterlagen vorgegeben waren. Mithin<br />

hat sie nach eigenem Bekunden abgesehen von der Haftpflichtversicherung für die weiter<br />

geforderten Versicherungen für die ihres Erachtens keine genauen Angaben zu Umfang oder<br />

Wert der versicherten Gebäude vorlagen, nicht kalkuliert. Das Angebot ist mithin mit dem<br />

Argument der unzulässigen Änderung an den Verdingungsunterlagen vom weiteren<br />

Vergabeverfahren zu Recht ausgeschlossen worden.<br />

Nach Auffassung der erkennenden <strong>Vergabekammer</strong> ließe sich der Ausschluss <strong>des</strong> Angebotes<br />

auch auf die Verweigerung einer geforderten Aufklärung stützen. Ein Aufklärungsgespräch<br />

kann auch über die Kalkulation eines Angebotes geführt werden. Insoweit genügt die Vorlage<br />

der Urkalkulation zum Zeitpunkt <strong>des</strong> Aufklärungsgespräches (VK Brandenburg, B. v.<br />

26.3.2002, VK 4/02.) Nach § 24 Nr. 1 Abs.1 VOL/A kann das Angebot <strong>des</strong> Bieters, der die<br />

geforderte Aufklärung und Angaben verweigert unberücksichtigt bleiben. Dies gilt jedoch nur<br />

bei einem berechtigten und eindeutigen Aufklärungsverlangen. (vgl. OLG Rostock, B. v.<br />

08.03.2006,17 Verg 16/05) Verweigert ein Bieter die Aufklärung muss sein Angebot<br />

ausgeschlossen werden, weil ein inhaltlich unbestimmtes oder zweifelhaftes Angebot nicht<br />

annahmefähig ist (BayObLG B. v. 19.03.2002, Verg 2/02). Dies gilt insbesondere, wenn die<br />

verbleibenden Unklarheiten oder Lücken Manipulationsmöglichkeiten zu Gunsten <strong>des</strong> Bieters<br />

im Hinblick auf den Preis oder die zu erbringende Leistung offen halten. Dann würde dieser<br />

Bieter gegenüber den anderen Bietern, die klare und vollständige Angebote abgegeben haben,


31<br />

bevorzugt (Kraus in Vergaberecht Kompaktkommentar, <strong>1.</strong> Aufl. 2008, Rnr. 15 zu § 24<br />

VOL/A). Die gegenteilige Ansicht würde dazu führen, dass ein Bieter, obwohl der Inhalt<br />

eines Aufklärungsersuchens für ihn erkennbar ist, durch unzureichende Angaben auf ein<br />

Aufklärungsersuchen <strong>des</strong> Auftraggebers die Rechtsfolge <strong>des</strong> § 24 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A<br />

umgehen könnte und dadurch eine Vergabeentscheidung ungerechtfertigter Weise<br />

hinauszögert.<br />

Vorliegend antwortete die Antragstellerin auf die Frage <strong>des</strong> Auftraggebers die mit ja oder<br />

nein zu beantworten gewesen wäre, sibyllinisch, in dem sie sich erneut darauf zurückzog, dass<br />

sie (lediglich) die Versicherungsleistungen kalkuliert habe, die konkret und rechtmäßig<br />

gefordert worden seien. Damit aber gab sie dem Auftraggeber dieselbe Unklarheit zur<br />

Antwort, die ihn gerade zur Anfrage veranlasst hatte. Ein solches Verhalten kommt nach<br />

Auffassung der erkennenden <strong>Vergabekammer</strong> der Verweigerung einer Aufklärung gleich.<br />

Abschließend war also festzustellen, dass der Ausschluss <strong>des</strong> Angebotes der Antragstellerin<br />

durch den Auftraggeber gerechtfertigt war und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten aus<br />

§ 97 abs. 7 GWB verletzte.<br />

3.<strong>1.</strong> Unklarheiten in den Verdingungsunterlagen hinsichtlich eines Betriebsüberganges<br />

Die Verdingungsunterlagen enthalten hinsichtlich eines etwaigen Betriebsüberganges keine<br />

Unklarheiten.<br />

Der Aufforderung zur Angebotsabgabe war unter Ziffer 20 folgender Hinweis zu entnehmen.<br />

Der Auftraggeber weist darauf hin, dass im Falle eines Betreiberwechsels durch die<br />

Zuschlagserteilung ein Betriebsübergang im Sinne <strong>des</strong> § 613a BGB nur dann vorliegen kann,<br />

wenn der zukünftige Betreiber wesentliche Teile <strong>des</strong> Personals und/oder die<br />

Arbeitsorganisation und/oder die Betriebsmethoden übernimmt. Die Möglichkeit eines<br />

Betriebsübergangs im Sinne <strong>des</strong> § 613a BGB hängt somit vom Verhalten <strong>des</strong> zukünftigen<br />

Betreibers ab, insbesondere von der Ausgestaltung der Tätigkeit und der Arbeitsverhältnisse.<br />

Zu diesem Themenkomplex gab es aus dem Kreise der interessierten Bieter eine Anfrage<br />

folgenden Inhaltes: „Bitte bestätigen Sie uns, dass bei einem Betreiberwechsel kein<br />

Betriebsübergang im Sinne <strong>des</strong> § 631a BGB stattfindet.“ Diese wurde mit Datum vom<br />

07.12.2007 vom Auftraggeber gegenüber allen Bietern folgendermaßen beantwortet:<br />

„Das XXXXXX bestätigt weder, dass bei einem<br />

Betreiberwechsel ein Betriebsübergang im Sinne <strong>des</strong> §<br />

613a BGB stattfindet, noch dass dies nicht der Fall ist.<br />

Auf Ziff. 20 der Aufforderung zur Angebotsabgabe wird<br />

verwiesen.“


32<br />

Die Antragstellerin formulierte vor diesem Hintergrund mit E-mail vom 2<strong>1.</strong>12.2007 folgende<br />

Frage:<br />

„ .. Nach gegenwärtigem Verständnis sind alle vier<br />

Voraussetzungen für einen Betriebsübergang nach § 613<br />

a BGB eindeutig erfüllt: a) organisatorische Einheit, b)<br />

keine zeitliche Unterbrechung, c) Fortführung<br />

gleichartiger Tätigkeit, d) betriebsmittelintensiv.<br />

Gleichwohl ist die entsprechende Bieterfrage<br />

ausweichend beantwortet. An welchem Kriterium sollte<br />

die Anwendbarkeit <strong>des</strong> § 613 a BGB scheitern? Wir<br />

weisen darauf hin, dass eine ungenaue Angabe hierzu<br />

einen Vergaberechtsverstoß begründen kann.<br />

Hierauf reagierte der Auftraggeber mit Telefax vom 4. Januar 2008, in dem er darauf hinwies,<br />

dass seiner Auffassung nach zum einen die Thematik <strong>des</strong> möglichen Betriebsübergangs die<br />

Interessen der Antragstellerin nicht berühren könne und dass zum anderen der Eintritt eines<br />

Betriebsübergangs vom Betreiberverhalten abhängig sei.<br />

Die Antragstellerin reagierte hierauf mit E-mail vom 4. Januar 2008. Sie stellte klar, dass die<br />

Frage <strong>des</strong> Betriebsübergangs kalkulationsrelevant sei. Der Umstand, dass andere Bieter<br />

möglicherweise nicht die Kostenfolgen eines Betriebsübergangs in ihre Angebote kalkulierten<br />

und damit durch niedrigere Personalkosten auch preislich günstigere Preise anbieten könnten,<br />

sei geeignet, sie in ihren Bieterrechten - insbesondere denen aus §§ 8 Nr. 1, 25 Nr. 2 VOL/A<br />

und § 97 Abs. 1 GWB - zu verletzen. Hierin könne eine entsprechende Rüge unklarer<br />

Verdingungsunterlagen gesehen werden.<br />

Richtig ist zunächst, dass Leistungsbeschreibungen klar und eindeutig abzufassen sind, und<br />

dass - abgestellt auf einen durchschnittlichen und mit der Art der ausgeschriebenen Leistung<br />

vertrauten Empfänger - alle Bewerber sie notwendig in einem gleichen Sinn verstehen müssen<br />

(OLG Düsseldorf, B. v. 2.8.2002, Verg 25/02; VK Hamburg, B. v. 30.07.2007, VgK FB 6/07;<br />

3. VK Bund, B. v. 29.03.2006, VK 3-15/06). Diese Anforderungen sind nicht erfüllt, wenn<br />

die Leistungsbeschreibung Angaben lediglich allgemeiner Natur enthält oder verschiedene<br />

Auslegungsmöglichkeiten zulässt oder Zweifelsfragen aufkommen lässt (2. VK Bund, B. v.<br />

1<strong>1.</strong>1<strong>1.</strong>2004, VK 2-196/04).<br />

Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin als derzeitige Betreiberin der<br />

streitgegenständlichen Aufnahmeeinrichtung ist in diesem Punkt zunächst zu verneinen, da<br />

sie von Fragen eines etwaigen Betriebsüberganges überhaupt nicht betroffen sein kann, da<br />

allenfalls eine Fortsetzung <strong>des</strong> Betriebes mit einem geänderten Betreiberkonzept in Betracht<br />

käme. Zutreffend hat auch die, Antragstellerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf<br />

Fragen der <strong>Vergabekammer</strong> verneint, dass bei Zuschlag zugunsten der Antragstellerin diese<br />

beispielsweise durch die Pflicht zur Übernahme staatlichen Personals o. ä. von Folgen eines


33<br />

Betriebsüberganges betroffen wäre. Insoweit konnten also die Verdingungsunterlagen für die<br />

Antragstellerin in diesem Punkt keine Unklarheiten i.S.v. § 8 VOL/A enthalten, die ihr eine<br />

Kalkulation unmöglich gemacht hätten.<br />

In Betracht kommen also allenfalls Unklarheiten der Verdingungsunterlagen für andere<br />

Bieter, die das vergaberechtliche Risiko der vergaberechtswidrigen Wertung von auf<br />

fehlerhaften Kalkulationsgrundlagen beruhenden Unterpreisangeboten beinhalten, sowie das<br />

Risiko in sich bergen, dass die Angebote letztlich nicht miteinander vergleichbar wären.<br />

Die Antragstellerin hat unter Verweis auf Entscheidungen <strong>des</strong> EuGH (Güney-Görres Urt. v.<br />

15.12.2005 C-232/04 und C-233/04, 4 und EuGH Urt. v. 20 1<strong>1.</strong>2003.Carlito Abler)<br />

ausgeführt, dass vorliegend mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt<br />

eines Betriebsüberganges auszugehen sei, wenn wie vorliegend, sowohl der erste wie auch der<br />

zweite Auftragnehmer dieselben Räumlichkeiten, Wasser, Energie und das Groß- und<br />

Kleininventar <strong>des</strong> Auftraggebers nutze. Deshalb sei der Auftraggeber gehalten gewesen in die<br />

Verdingungsunterlagen Aussagen zu einem Betriebsübergang aufzunehmen.<br />

Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass sowohl die europarechtliche als auch die nationale<br />

arbeitsrechtliche Rechtsprechung einer fortwährenden Weiterentwicklung und<br />

Ausdifferenzierung unterliegen. So hat bspw. das BAG, Urt. v. 14.08.2007, 8 AZR 1043/06 in<br />

seiner jüngeren Rechtsprechung folgende Rechtssätze geprägt:<br />

„Führt ein Unternehmen, das bei einer Auftragsneuvergabe berücksichtigt wurde, die Erfüllung<br />

der Aufgabe eines Servicevertrages fort, so stellt dies für sich genommen keinen<br />

Betriebsübergang dar. Der Übergang einer wirtschaftlichen Einheit setzt neben einer etwaigen<br />

Auftragsnachfolge die Feststellung zusätzlicher Umstände voraus, die in der Gesamtwürdigung<br />

die Annahme <strong>des</strong> Fortbestands der wirtschaftlichen Einheit rechtfertigen. Eine Tätigkeit ist noch<br />

keine wirtschaftliche Einheit. An einem Übergang einer wirtschaftlichen Einheit unter Wahrung<br />

ihrer Identität fehlt es, wenn die Aufgabe künftig im Rahmen einer wesentlich anderen, deutlich<br />

größeren Organisationsstruktur durchgeführt wird, deren Aufgabenumfang zudem um ein<br />

Vielfaches größer ist.<br />

Allein diese Entscheidung zeigt, dass es dem Auftraggeber nicht möglich und nicht zumutbar<br />

ist, jedwede rechtliche Konstellation eines Betreiberkonzeptes zu antizipieren um mit Blick<br />

darauf festzulegen, ob ein Betriebsübergang voraussichtlich eintreten wird oder nicht. Dies<br />

abschließend zu klären ist – wie der Auftraggeber zu Recht schriftsätzlich vorgetragen hat,<br />

letztendlich Sache der Arbeitgerichte. Vor dem Hintergrund dieses Meinungsstreits über die<br />

Frage, unter welchen Voraussetzungen bei einem Betreiberwechsel ein „Betriebsübergang"<br />

stattfindet, liegt es im Ermessen der Vergabestelle, sich für eine vertretbare Auslegung zu<br />

entscheiden. Da die von dem Auftraggeber gewählte Interpretation, die auf eine eingehende


34<br />

rechtsanwaltliche Beratung zu eben diesem Thema zurückführt, sich in die Vorgaben der o. a.<br />

höchstrichterlichen Rechtsprechung einfügt und zu dem den Vorzug hat, dass sie einen echten<br />

Wettbewerb ermöglicht, da die Lohnkosten nicht von vornherein festliegen, hat der<br />

Auftraggeber sein Ermessen ohne Rechtsfehler ausgeübt. Soweit der<br />

Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin dem im Rahmen der mündlichen Verhandlung<br />

entgegengehalten hat, dass vorliegend kein Wettbewerb von Ideen stattfinde und dass der<br />

Betreibervertrag ohne Nachverhandlungsmöglichkeit bereits festgelegt sei, sodass hier die<br />

Parameter eines Betriebsüberganges seines Erachtens durchaus schon festgestanden hätten, so<br />

ist dem zu entgegnen, dass der „Ideenwettbewerb“ gerade in der Ausgestaltung <strong>des</strong><br />

individuellen Betreiberkonzeptes liegt. Zudem ist dem zu entgegnen, dass mit der<br />

„Warnklausel“ in Ziffer 20 der Aufforderung zur Angebotsabgabe der Auftraggeber seiner<br />

Verpflichtung in ausreichendem Maße nachgekommen ist, den Bietern den rechtlichen<br />

Rahmen aufzuzeigen, innerhalb <strong>des</strong>sen sich ihre Angebote bewegen können. Zugleich hat er<br />

den Bietern das Risiko vor Augen geführt, das sie eingehen, wenn sich der Wechsel <strong>des</strong><br />

Heimbetreibers so darstellt, dass die Identität der wirtschaftlichen Einheit gewahrt bleibt<br />

(Hanseatisches OLG Hamburg B. v. 2<strong>1.</strong>1<strong>1.</strong>2003, 1 Verg 3 / 03). Mehr kann von einem<br />

sorgfältigen Auftraggeber nach Auffassung der <strong>Vergabekammer</strong> nicht gefordert werden.<br />

Zudem ist dem Beigeladenenvertreter dahingehend zuzustimmen, dass etwaige<br />

Ungewissheiten hinsichtlich etwaiger erhöhter Personalkosten für die Dauer <strong>des</strong> einjährigen<br />

Betriebsüberganges über Wagniszuschläge hätten berücksichtigt werden können (vgl. bspw.<br />

VK Bund, <strong>Beschluss</strong> vom 09.05.2007 - VK 1-26/07). Nach alledem waren die<br />

Verdingungsunterlagen in diesem Punkt nicht als vergaberechtswidrig zu beanstanden.<br />

3.2. Kein Verstoß gegen § 17 Nr. 6 VOL/A<br />

Entgegen den schriftsätzlichen Ausführungen der Antragstellerin hat der Auftraggeber keine<br />

unzulässige Kommunikation mit anderen Bietern über den Betriebsübergang nach § 613a<br />

BGB geführt. Ein Verstoß gegen § 17 Nr. 6 VOL/A ist vorliegend nicht zu erkennen. Werden<br />

einem Bewerber wichtige Aufklärungen über die geforderte Leistung oder die Grundlagen<br />

seiner Preisermittlung gegeben, so sind sie gem. § 17 Nr. 6 Absatz 2 VOL/A auch den<br />

anderen Bewerbern gleichzeitig mitzuteilen. Grundlage der Regelung <strong>des</strong> § 17 Nr. 6 Abs. 2<br />

VOL/A ist das Prinzip der Gleichbehandlung aller Teilnehmer an einem Vergabeverfahren.<br />

Wichtige Auskünfte in diesem Sinne sind solche Mitteilungen über die geforderte Leistung<br />

und über Grundlagen der Preisberechnung, die sich gerade als eine Folge von<br />

Unzulänglichkeiten der Leistungsbeschreibung darstellen. Unterlässt es die Vergabestelle<br />

diese Mitteilungen anderen Bietern auch zugänglich zu machen, liegt eine<br />

Ungleichbehandlung vor, die mangels vergleichbarer Angebote zur Aufhebung oder zur


35<br />

Zurückversetzung <strong>des</strong> Vergabeverfahrens in den Stand ab Vergabebekanntmachung führt (VK<br />

<strong>Sachsen</strong>, B. v. 07.12.2006 - 1/SVK/099-06, B.v. 07.12.2006 - 1/SVK/100-06, B.v. 17.09.2007<br />

- 1/SVK/058-07. Vorliegend bezog sich die Antragstellerin mit ihrem Einwand auf ein<br />

Schreiben <strong>des</strong> Auftraggebers an einen anderweitigen Verfahrensbeteiligten. Im Rahmen<br />

dieses Schreiben lehnte der Auftraggeber eine Klarstellung, dass etwaige aus einem<br />

Betriebsübergang resultierende Mehrkosten nicht zu kalkulieren seien, gerade ab. Ebenso<br />

lehnte er eine begehrte Vertragsanpassung ab und verwies auf eine bereits erteilte Mitteilung<br />

an alle Bieter (Bieteranfrage <strong>1.</strong>8) in welcher auf die Bieteranfrage :“ Bitte bestätigen Sie uns,<br />

dass bei einem Betreiberwechsel kein Betriebsübergang im Sinne <strong>des</strong> § 631a BGB<br />

stattfindet.“ mit Schreiben vom 07.12.2007 allen Bieter folgen<strong>des</strong> antwortete: „Das XXXXXX<br />

bestätigt weder, dass bei einem Betreiberwechsel ein Betriebsübergang im Sinne <strong>des</strong> § 613a<br />

BGB stattfindet, noch dass dies nicht der Fall ist. Auf Ziff. 20 der Aufforderung zur<br />

Angebotsabgabe wird verwiesen“.<br />

In dieser Antwort ist nach Auffassung der <strong>Vergabekammer</strong> gerade keine individuelle<br />

Auskunft über die geforderte Leistung und über Grundlagen der Preisberechnung zu sehen<br />

sondern im Gegenteil, der Auftraggeber verweigerte auch gegenüber diesem Bieter eine<br />

Festlegung, ob nun mit einem Betriebsübergang zu rechnen sei oder nicht. Eine Verletzung<br />

<strong>des</strong> § 17 Nr. 6 Abs. 2 VOL/A ist nicht ersichtlich.<br />

3.3. Kein Verstoß gegen §§ 97 Abs. 1 GWB und 25 a Nr. 1 Abs. 1 wegen unklarer<br />

Zuschlagskriterien<br />

Entgegen dem Vortrag der Antragstellerin war nach Auffassung der <strong>Vergabekammer</strong> kein<br />

Verstoß gegen §§ 97 Abs. 1 GWB und 25 a Nr. 1 Abs. 1 wegen unklarer Zuschlagskriterien<br />

festzustellen. Soweit die Antragstellerin vortrug, infolge der zwischenzeitlich ergangenen<br />

Antworten <strong>des</strong> Auftraggebers auf Bieteranfragen hätten die Bietererklärungen in ihrer<br />

Bewertung im Rahmen der Angebotswertung einen undefinierbaren Status zwischen<br />

Eignungserklärung und Wertungskriterien erhalten, so ist dem nicht zuzustimmen. Nach<br />

Auffassung der <strong>Vergabekammer</strong> wird bereits in der Aufforderung zur Angebotsabgabe klar<br />

unterschieden zwischen Ziffer 2. „Bietererklärungen“ und Ziffer 7 „Zuschlagskriterien“.<br />

Unter den Ziffern 2.1 bis 2.7 der Aufforderung zur Angebotsabgabe sind eine Vielzahl von<br />

Bietererklärungen zum Betreiberkonzept gefordert. Die Antwortschreiben <strong>des</strong> Auftraggebers<br />

vom 7.12.2007 und 04.0<strong>1.</strong>2007 insbesondere aber die letzte Antwort <strong>des</strong> Auftraggebers hierzu<br />

vom 1<strong>1.</strong>0<strong>1.</strong>2008 stellen jeweils unmissverständlich klar, dass die Bietererklärungen /<br />

Betreiberkonzepte ausschließlich der Überprüfung der Leistungskonformität der Konzepte<br />

dienen. Der Auftraggeber hat lediglich wiederholt dargestellt, dass anhand der Darstellung<br />

<strong>des</strong> Bieterkonzepts geprüft werde, ob die Angebote vollständig sind, d.h. die geforderten<br />

Angaben und Erklärungen enthalten. Dies ist ein Prüfungsschritt der ersten Wertungsstufe,<br />

eine unzulässige Vermischung mit der vierten Wertungsstufe war vorliegend nicht gegeben.


36<br />

Die Erklärungen waren gerade nicht Gegenstand der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der<br />

Angebote. Der Vortrag der Antragstellerin war in diesem Punkte unbegründet.<br />

Damit war bis zu diesem Punkt festzustellen, dass die Antragstellerin im Rahmen <strong>des</strong><br />

Nachprüfungsverfahrens keine Gründe zur Überzeugung der <strong>Vergabekammer</strong> darzulegen<br />

vermochte, die eine Aufhebung <strong>des</strong> streitgegenständlichen Verfahrens hätten rechtfertigen<br />

können.<br />

4. Ausschluss <strong>des</strong> Angebotes der Beigeladenen<br />

Vorliegend verbleibt es der <strong>Vergabekammer</strong> in der gebotenen Kürze auf die, von der<br />

Antragstellerin vorgetragenen Ausschlussgründe hinsichtlich <strong>des</strong> Angebotes der Beigeladene<br />

einzugehen, wobei dabei nicht zu übersehen ist, dass das Angebot der Antragstellerin aus den<br />

o. g. Gründen zwingend vom weiteren Vergabeverfahren auszuschließen war, weshalb die<br />

Antragstellerin durch einen vergaberechtswidrigen Zuschlag auf das Angebot der<br />

Beigeladenen ohnedies nicht in eigenen Rechten verletzt sein könnte. Ist nämlich das Angebot<br />

eines Bieters zwingend auszuschließen, kann der Fortgang <strong>des</strong> Vergabeverfahrens seine<br />

Interessen nicht mehr berühren, und der Bieter kann auch nicht in seinen Rechten nach § 97<br />

Abs. 7 GWB verletzt sein (BGH, B. v. 18.02.2003, X ZB 43/02, OLG Schleswig, B. v.<br />

3<strong>1.</strong>03.2006, 1 Verg 3/06, OLG Dresden, B. v. 06.04.2004, WVerg 1 /04, VK Bund, B. v.<br />

07.12.2005, VK-1-146/05). Nimmt zudem, wie vorliegend, an der Ausschreibung min<strong>des</strong>tens<br />

ein wertungstaugliches Angebot eines anderen Bieters teil, ist ein Nachprüfungsantrag<br />

unbegründet, falls das eigene Angebot <strong>des</strong> Antragstellers dem zwingenden Ausschluss vom<br />

Wettbewerb unterliegt. Denn ein Antrag, der lediglich darauf abzielt, dem Antragsteller<br />

allenfalls die immaterielle Befriedigung zu verschaffen, dass ein von der Vergabestelle<br />

vorgesehener Zuschlagsaspirant (ebenfalls) nicht zum Zuge kommt, verstößt gegen das<br />

Verbot unzulässiger Rechtsausübung auf der Ebene <strong>des</strong> materiellen Vergaberechts (vgl. OLG<br />

Jena, <strong>Beschluss</strong> vom 1<strong>1.</strong>0<strong>1.</strong>2007 - 9 Verg 9/06).<br />

4.<strong>1.</strong> Kein Verstoß gegen § 97 Abs. 2 GWB i.V.m. §§ 2 Nr. 2, 25 Nr. 2 Abs. 2, 25 a Nr. 2<br />

VOL/A durch Bezuschlagung <strong>des</strong> Angebot der Beigeladenen<br />

Soweit die Antragstellerin im Rahmen <strong>des</strong> Vergabenachprüfungsverfahrens vorgetragen hat,<br />

die Beigeladene werde durch ihren Status als gGmbH und den damit verbundenen<br />

wirtschaftlichen Vorteilen indirekt so sehr privilegiert, dass sie ihre Angebote ungewöhnlich<br />

niedrig kalkulieren könne, woraus letztlich eine Wettbewerbsverzerrung entstünde, weshalb


37<br />

der Auftraggeber nach § 97 Abs. 2 GWB, §§ 2 Nr. 2, 25 Nr. 2 Abs. 2, 25 a Nr. 2 VOL/A<br />

gehalten sei aufzuklären, ob diese Beihilfen der Beigeladene zu Recht gewährt wurden, so ist<br />

dem nicht beizupflichten. Zu beachten ist nämlich, dass § 25 a Nr. 2 VOL/A vorliegend keine<br />

Anwendung findet, weil es sich hier um die Vergabe eine Dienstleistung nach Anhang I B<br />

zur VOL/A, 2. Abschnitt, handelt, auf welche gemäß § 1 a Nr. 2 Abs. 2 VOL/A neben den<br />

Basisparagraphen ausschließlich die §§ 8 a und § 28 a VOL/A anwendbar sind. Einzig aus §<br />

25 a Nr. 2 VOL/A jedoch ergibt sich die konkrete Pflicht <strong>des</strong> Auftraggebers, zu überprüfen,<br />

ob die gewährte Beihilfe rechtswidrig erlangt wurde. § 25 a Nr. 2 VOL/A ist nach Auffassung<br />

der <strong>Vergabekammer</strong> als lex specialis gegenüber §§ 97 Abs. 2 GWB, § 2 Nr. 2 und 25 Nr. 2<br />

Abs. 2 VOL/A zu betrachten.<br />

Insoweit käme es also allenfalls auf eine „Diskriminierung“ andere Unternehmen durch die<br />

Beteiligung eines Bieters am Wettbewerb an, der infolge seines Status als gemeinnützige<br />

Gesellschaft nach anderen Besteuerungsgrundlagen bemessen wird, als die übrigen<br />

Wettbewerbsteilnehmer. In diesem Punkt vertritt die <strong>Vergabekammer</strong> die Ansicht, dass der<br />

Gleichbehandlungsgrundsatz nicht bereits dadurch verletzt wird, dass die Beigeladene durch<br />

ihren Status als gemeinnützige Gesellschaft anderen Steuerregelungen unterfällt, als andere<br />

Mitbewerber am Markt.<br />

So hat der EuGH bereits mit Urteil vom 07.12.2000 - Rs. C-94/99 entschieden, dass der<br />

Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter nicht schon dadurch verletzt ist, dass ein<br />

öffentlicher Auftraggeber zu einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher<br />

Dienstleistungsaufträge Einrichtungen zulässt, die entweder von ihm selbst oder von anderen<br />

öffentlichen Auftraggebern Zuwendungen gleich welcher Art erhalten, die es ihnen<br />

ermöglichen, zu Preisen anzubieten, die erheblich unter denen ihrer Mitbewerber liegen, die<br />

keine solchen Zuwendungen erhalten. Die Tatsache allein, dass ein öffentlicher Auftraggeber<br />

solche Einrichtungen zu einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge<br />

zulässt, stellt weder eine versteckte Diskriminierung noch eine mit Art. 59 EGV (nach<br />

Änderung jetzt Art. 49 EG) unvereinbare Beschränkung dar.<br />

Nachdem aber mit diesen Argumenten eine potentielle Diskriminierung anderer Bieter<br />

abzulehnen war, hatte sich die <strong>Vergabekammer</strong> an dieser Stelle darauf zu beschränken<br />

festzustellen, dass der Auftraggeber vorliegend ohnedies die Auskömmlichkeit <strong>des</strong> Angebotes<br />

der Beigeladenen intensiv geprüft und aufgeklärt hatte und damit die Zuschlagsfähigkeit <strong>des</strong><br />

Angebotes bejaht hatte.<br />

Weitergehende Prüfungspflichten hinsichtlich der Rechtmäßigkeit, etwaig gewährte<br />

Steuervorteile zu verlangen, wie es die Antragstellerin schriftsätzlich und im Rahmen der<br />

mündlichen Verhandlung wiederholt gefordert hatte, hieße, über das allgemeine<br />

Diskriminierungsverbot all diejenigen Verfahrensgrundsätze wieder in den Prüfungskanon


38<br />

aufzunehmen, von denen Vergaben von Dienstleistung nach Anhang I B der VOL/A gerade<br />

ausgenommen sein sollten.<br />

Auch in diesem Punkt war der Nachprüfungsantrag der Antragsteller als unbegründet<br />

abzulehnen.<br />

4.2. Keine rechtliche Ungeeignetheit der Beigeladenen zur Leistungserbringung auf<br />

Grund fehlender Gewerbeanmeldung<br />

Im Rahmen <strong>des</strong> Vergabenachprüfungsverfahrens trug die Antragstellerin wiederholt vor, laut<br />

Bestätigung <strong>des</strong> XXXXXX der XXXXXX sei für den Betrieb der streitgegenständlichen<br />

Erstaufnahmeeinrichtung eine Gewerbeanmeldung erforderlich. Die Beigeladene habe jedoch<br />

in einem früheren Nachprüfungsverfahren der erkennenden <strong>Vergabekammer</strong> (1/SVK/020-07)<br />

bekundet, eine solche Gewerbeanmeldung nicht zu besitzen bzw. nicht erhalten zu können,<br />

weshalb sie rechtlich an der Erbringung der Leistung gehindert und somit mangels Eignung<br />

vom Vergabeverfahren auszuschließen sei.<br />

Vorliegend ist in aller Kürze hierzu anzumerken, dass sich eine Forderung nach einer<br />

Gewerbeanmeldung, im Gegensatz zu einer früheren Ausschreibung, in der sogar eine<br />

Gewerbegenehmigung verlangt war, nicht aus den Verdingungsunterlagen ergibt. Die<br />

Gewerbeanmeldung aber ist eine schlichte Anzeige gegenüber der betreffenden Kommune,<br />

dass der Anzeigende eine konkret zu bezeichnende gewerbliche Tätigkeit beginnt. Es handelt<br />

sich gerade nicht um die Beantragung einer Genehmigung, da wegen der grundsätzlichen<br />

Gewerbefreiheit nur für bestimmte Branchen gesonderte Erlaubnisse nötig sind. Eine etwaige<br />

Ablehnungsmöglichkeit, die eine rechtliche Unmöglichkeit der Erbringung der Leistung nach<br />

sich ziehen könne, besteht also nicht.<br />

Mithin war auch in diesem weiteren Punkt der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin als<br />

unbegründet abzulehnen.<br />

3.3 Ausschluss <strong>des</strong> Angebotes der Beigeladenen wegen der Angabe von 0,00 € Preisen<br />

Das Angebot der Beigeladenen ist vorliegend wegen einer 0,00 € Position zu Recht vom<br />

Auftraggeber nicht von der Wertung ausgeschlossen worden. Ein zwingender<br />

Ausschlussgrund nach § 25 Nr.1 Abs.1 Satz 1 VOL/A läge nicht vor.


39<br />

Zum einen ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung <strong>des</strong> OLG Düsseldorf<br />

festzustellen, dass in der Angabe einer einzelnen 0,00 € -Preisposition kein Fehlen<br />

wesentlicher Preisangaben zu sehen ist (vgl. zur VOB/A OLG Düsseldorf, B. v. 08.02.2005 -<br />

Verg 100/04).<br />

Zum anderen konnte der Auftraggeber nach intensiver Preisaufklärung<br />

vergaberechtsfehlerfrei davon ausgehen, dass der geforderte Preis mit "0,00 EUR" ersichtlich<br />

ernstgemeint angegeben war, ohne Preisbestandteile auf andere Leistungspositionen verteilt<br />

und diese darin "versteckt" zu haben (vgl. zur VOB/A: BGH, B. v. 18.5.2004, X ZB 7/04;<br />

OLG Rostock, B. v. 15.09.2004 - 17 Verg 4/04, OLG München, B. v. 05.07.2005, Verg 9/05).<br />

Zwar betraf die Entscheidung <strong>des</strong> BGH, wie auch die nachfolgenden oberlan<strong>des</strong>gerichtlichen<br />

Entscheidungen Verfahren nach der VOB/A. Die daraus entwickelten Grundsätze müssen<br />

aber im Sinne <strong>des</strong> Gleichbehandlungsgrundsatzes auch bei Verfahren nach der VOL/A<br />

beachtet werden (Vgl. Stolz in Vergaberecht Kompaktkommentar, <strong>1.</strong> Aufl. 2008, Rnr. 7 zu §<br />

25 VOL/A). Die Preisangabe der Beigeladenen durfte hier insbesondere gerechtfertigt<br />

erscheinen, weil es sich bei der entsprechenden Preisposition „Bereitstellung eines unbelegten<br />

Bettenplatzes bis 521 bis 720 Plätze“ um eine Übermaßposition der gleichen Position<br />

„Bereitstellung je<strong>des</strong> weiteren unbelegte Bettenplatzes ab 521 bis 720 Plätze“ handelte. Der<br />

Auftraggeber hat die "0,00 EUR"-Preisangabe der Beigeladenen zunächst schriftlich und<br />

anschließend im Rahmen eines umfangreichen Aufklärungsgespräches unter Einsichtnahme<br />

in die Urkalkulation vorgenommen. Darüber hinaus hat er die Auskömmlichkeit <strong>des</strong><br />

Angebotes an einer eigenen Kostenberechnung gespiegelt und mit den Preisen der übrigen<br />

Angebote verglichen.<br />

Dass dem Auftraggeber nach diesem Prüfungsszenario das Angebot der Beigeladenen nicht<br />

ausschlussrelevant erschien ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden.<br />

3.4. Fehlerhafte Wertung <strong>des</strong> Angebotes der Beigeladenen im Hinblick auf das<br />

Vorliegen einer Mischkalkulation<br />

Grundsätzlich sind Angebote, bei denen der Bieter die Einheitspreise einzelner<br />

Leistungspositionen in "Mischkalkulationen" auf andere Leistungspositionen umlegt,<br />

grundsätzlich von der Wertung auszuschließen (BGH, Urteil vom 07.06.2005, X ZR 19/02; B.<br />

v. 18.05.2004, X ZB 7/04, OLG Karlsruhe, B. v. 16.03.2007, 17 Verg 4/07; Thüringer OLG,<br />

B. v. 23.0<strong>1.</strong>2006, 9 Verg 8/05;<br />

Für den Fall, dass Zweifel daran bestehen, ob die Einheitspreise die tatsächlich geforderten<br />

Preise für die jeweilige Position enthalten, ist eine Aufklärung darüber erforderlich (OLG<br />

Frankfurt, B. v. 17.10.2005, 11 Verg 8/05; OLG Naumburg, B. v. 05.08.2005, 1 Verg 7/05).


40<br />

Insbesondere ungewöhnlich niedrig bepreiste Angebote in einzelnen<br />

Leistungsverzeichnispositionen begründen eine widerlegliche Vermutung für eine<br />

Mischkalkulation. Sie widersprechen dem allgemeinen Erfahrungssatz, ein Bieter kalkuliere<br />

auf dem einschlägigen Markt seinen Preis so, dass eine einwandfreie Leistungsausführung<br />

einschließlich Gewährleistung und die Erzielung einer Gewinnspanne möglich sind. Ergibt<br />

die Aufklärung auf Grund der von dem Bieter gelieferten Angaben, dass die ausgewiesenen<br />

Preise tatsächlich die von dem Bieter für die Leistung geforderten Preise nachvollziehbar<br />

ausweisen, kann das Angebot nicht mehr gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A<br />

ausgeschlossen werden. Kann der Bieter Aufklärungsfragen nicht nachvollziehbar<br />

beantworten, ist das Angebot auszuschließen. Das bedeutet auch, dass betreffend <strong>des</strong><br />

Nachweises über das Vorliegen tatsächlicher Einheitspreise der Bieter in der Pflicht ist und<br />

nicht die Vergabestelle.<br />

Entscheidend ist also, ob ein Bieter zu streitigen Positionen <strong>des</strong> Leistungsverzeichnisses<br />

plausible Erklärungen samt abgeforderter Unterlagen beibringt und den Verdacht einer<br />

Mischkalkulation etc. durch Vorlage der Urkalkulation zerstreut, dann ist ein Ausschluss<br />

vergaberechtswidrig (vgl. bspw. OLG Dresden, B. v. 0<strong>1.</strong>07.2005, WVerg 7/05; VK<br />

Schleswig-Holstein, B. v. 06.10.2005, VK-SH 27/05; <strong>1.</strong> VK <strong>Sachsen</strong>, B. v. 12.07.2005,<br />

1/SVK/073-05; B. v. 27.04.2005). Zu beachten ist daneben, dass ein Antragsteller einem<br />

Auftraggeber nicht Umfang und Ausgestaltung der Auskömmlichkeitsprüfung diktieren oder<br />

zu einem immer weiter und tiefer gehenden Rechtfertigungsszenario zwingen kann, bis<br />

schlussendlich aus Sicht <strong>des</strong> Antragstellers ein Rechtfertigungsmanko der Beigeladenen zu<br />

konstatieren ist. Dies gilt umso mehr, als dass es nach wie vor im Verantwortungsbereich <strong>des</strong><br />

Bieters liegt, wie er seine Preise kalkuliert und zu welchen Preisen er welche Leistungen <strong>des</strong><br />

Leistungsverzeichnisses anbietet.<br />

Vorliegend hatte der Auftraggeber gegenüber der Beigeladenen den konkreten Verdacht einer<br />

Mischkalkulation geäußert und hatte zunächst schriftlich, anschließend im Rahmen eines<br />

umfangreichen Aufklärungsgespräches unter Einsichtnahme in die Urkalkulation eine<br />

Tiefenprüfung der gelieferten Aussagen vorgenommen. Dass der Auftraggeber nach diesem<br />

Aufklärungsszenario das Angebot der Beigeladenen nicht vom weiteren Vergabeverfahren<br />

ausgeschlossen hat, ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden.<br />

Im Ergebnis war durch die erkennende <strong>Vergabekammer</strong> festzustellen, dass der Auftraggeber<br />

nicht vergaberechtswidrig handelte, als er das Angebot der Beigeladene nach eingehender<br />

Auskömmlichkeitsprüfung im Wettbewerb beließ und nach Auswertung der 4. Wertungsstufe<br />

für den Zuschlag vorsah.


41<br />

5. Ablehnung <strong>des</strong> Antrages auf Akteneinsicht<br />

Die begehrte zusätzliche Akteneinsicht war auch mit Blick auf die jüngste Entscheidung <strong>des</strong><br />

EuGH (EuGH, Urteil vom 14.02.2008 - Rs. C-450/06) abzulehnen. Nach dieser Entscheidung<br />

dürfen die Nachprüfungsinstanz im Interesse der Vertraulichkeit und <strong>des</strong> Rechtes auf<br />

Wahrung von Geschäftsgeheimnissen Kenntnis von nicht offen gelegten Angaben haben und<br />

diese berücksichtigen. Es ist Sache dieser Instanz, zu entscheiden, inwieweit und nach<br />

welchen Modalitäten die Vertraulichkeit und die Geheimhaltung dieser Angaben im Hinblick<br />

auf die Erfordernisse eines wirksamen Rechtsschutzes und der Wahrung der<br />

Verteidigungsrechte der am Rechtsstreit Beteiligten zu gewährleisten sind, damit in dem<br />

Rechtsstreit insgesamt das Recht auf ein faires Verfahren beachtet wird.<br />

Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass das Akteneinsichtsrecht nur in dem Umfang<br />

besteht, wie es zur Durchsetzung der subjektiven Rechte <strong>des</strong> betreffenden<br />

Verfahrensbeteiligten erforderlich ist. Die Akteneinsicht wird aus diesem Grund von<br />

vornherein durch den Verfahrensgegenstand <strong>des</strong> Nachprüfungsverfahrens begrenzt (OLG<br />

Thüringen, B. v. 1<strong>1.</strong>0<strong>1.</strong>2007 - Az.: 9 Verg 9/06; B. v. 06.12.2007 - Az.: 9 Verg 8/06; B. v.<br />

12.12.2001 - Az.: 6 Verg 5/01; 2. VK Bund, B. v. 23.<strong>1.</strong>2004 - Az.: VK 2-132/03). Vorliegend<br />

befand sich nach Überzeugung der <strong>Vergabekammer</strong> neben dem zuschlagsfähigen Angebot der<br />

Beigeladenen noch ein weiteres zuschlagsfähiges Angebot im Wettbewerb, während hingegen<br />

das Angebot der Antragstellerin zu Recht vom Auftraggeber vom weiteren Vergabeverfahren<br />

ausgeschlossen wurde. Insoweit war es vorliegend zur Durchsetzung der subjektiven Rechte<br />

der Antragstellerin im Anschluss an die mündliche Verhandlung nicht mehr erforderlich noch<br />

ergänzende Akteneinsicht zu gewähren.<br />

Der Antrag auf ergänzende Akteneinsicht war mithin abzulehnen.<br />

6. Ergebnis<br />

Abschließend war insgesamt festzustellen, dass das Angebot der Antragstellerin zu Recht<br />

vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen wurde, der Vergabenachprüfungsantrag war<br />

mithin insgesamt und vollumfänglich als unbegründet abzuweisen.<br />

III.<br />

Als unterliegende Partei trägt die Antragstellerin die Kosten <strong>des</strong> Verfahrens (§ 128 Abs. 3<br />

Satz 1 GWB) einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen<br />

Aufwendungen <strong>des</strong> Auftraggeber und der Beigeladenen (§ 128 Abs. 4 Satz 2 GWB).


42<br />

Die Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung einen Antrag gestellt. Damit nimmt sie<br />

am Kostenrisiko teil und kann keine Erstattung ihrer zur zweckentsprechenden<br />

Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen verlangen (vgl. OLG Schleswig, B. vom<br />

02.08.2004 - 6 Verg 15/03). Die Höhe der Gebühr bestimmt sich nach dem personellen und<br />

sachlichen Aufwand der erkennenden <strong>Vergabekammer</strong> unter Berücksichtigung der<br />

wirtschaftlichen Bedeutung <strong>des</strong> Gegenstan<strong>des</strong> <strong>des</strong> Nachprüfungsverfahrens (§ 128 Abs. 2<br />

GWB). Der Gesetzgeber hat mit dieser an § 80 Abs. 2 GWB angelehnten Regelung<br />

klargestellt, dass - wie im Kartellverwaltungsverfahren - vorrangig auf die wirtschaftliche<br />

Bedeutung <strong>des</strong> Verfahrens abzustellen ist (Kollmorgen in Langen/Bunte GWB, 8. Auflage<br />

1998, § 80 Rdnr. 18). Die <strong>Vergabekammer</strong>n <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> haben eine zum 0<strong>1.</strong>0<strong>1.</strong>2003<br />

überarbeitete Gebührenstaffel erarbeitet, die die erkennende <strong>Vergabekammer</strong> im Interesse<br />

einer bun<strong>des</strong>einheitlichen Handhabung übernimmt. Diese Staffel sieht in Abhängigkeit vom<br />

wirtschaftlichen Hintergrund der Antragstellerin eine Gebühr in Höhe von XXXXXX Euro<br />

vor. Dieser Betrag kann entsprechend § 128 Abs. 2 Satz 2 ermäßigt werden, ggf. bis auf ein<br />

Zehntel. Als Gründe einer Ermäßigung sind dabei nur solche Gesichtspunkte zu<br />

berücksichtigen, die im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Bedeutung sowie dem<br />

erforderlichen Verwaltungsaufwand stehen (vgl. Boesen, a.a.O., Rn. 16 ff. zu § 128). Gründe,<br />

die dies rechtfertigten, waren hier nicht gegeben.<br />

Den Betrag von XXXXXX Euro hat die Antragstellerin unter Verwendung beigefügten<br />

Zahlungsformulars binnen zweier Wochen nach Zugang dieser Entscheidung zum<br />

Buchungskennzeichen XXXXXX bei der Hauptkasse <strong>Sachsen</strong>, Außenstelle Chemnitz, auf das<br />

Konto-Nr. XXXXXX bei der Ostsächsischen Sparkasse Dresden, BLZ XXXXXX<br />

einzuzahlen.<br />

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Beigeladenen und<br />

<strong>des</strong> Auftraggebers war gemäß § 128 Abs. 4 S. 2 GWB i. V. m. § 80 VwVfG notwendig.<br />

Beim Vergaberecht handelt es sich auch aufgrund vielfältiger europarechtlicher Überlagerung<br />

um eine wenig übersichtliche und zudem stetigen Veränderungen unterworfene<br />

Rechtsmaterie, die wegen <strong>des</strong> gerichtsähnlich ausgestalteten Verfahrens bei der<br />

<strong>Vergabekammer</strong> bereits prozessrechtliche Kenntnisse verlangt. Hinzu kommt, dass hier<br />

umfassende Fragen zum Ausschluss <strong>des</strong> Angebotes der beigeladenen unter Bezugnahme zur<br />

steuerrechtlichen und vergaberechtlichen Rechtsprechung und komplexe Fragen zur Frage der<br />

Zulässigkeit, insbesondere der Rügeobliegenheit nach § 107, Abs. 3 S. 1 Gegenstand <strong>des</strong><br />

Vergabenachprüfungsverfahrens waren.<br />

IV.


43<br />

Gegen die Entscheidungen der <strong>1.</strong> <strong>Vergabekammer</strong> <strong>des</strong> <strong>Freistaates</strong> <strong>Sachsen</strong> ist gem. § 116<br />

Abs. 1 GWB die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist binnen einer Notfrist von zwei<br />

Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt (§ 117 Abs. 1 GWB), schriftlich<br />

beim Beschwerdegericht einzulegen. Beschwerdegericht für die <strong>1.</strong> <strong>Vergabekammer</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Freistaates</strong> ist das OLG Dresden, Vergabesenat, Schlossplatz 1, 01067 Dresden.<br />

Die Beschwerde muss zugleich mit ihrer Einlegung begründet werden (§ 117 Abs. 2 GWB.<br />

Die Beschwerdebegründung muss enthalten: die Erklärung, inwieweit die Entscheidung der<br />

Kammer angefochten wird und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, die Angabe<br />

der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt.<br />

Die Beschwer<strong>des</strong>chrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für<br />

Beschwerden von juristischen Personen <strong>des</strong> öffentlichen Rechts. Mit der Einlegung der<br />

Beschwerde sind die anderen Beteiligten <strong>des</strong> Verfahrens vom Beschwerdeführer durch<br />

Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwer<strong>des</strong>chrift zu unterrichten. Die sofortige<br />

Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der <strong>Vergabekammer</strong>.<br />

Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist.<br />

Kadenbach Kühne Dr. Gutsfeld<br />

Der ehrenamtliche Beisitzer hat nach<br />

<strong>Beschluss</strong>fassung auf eine Unterschrift verzichtet.<br />

Diese ist nach § 5 Nr. 1 der Geschäftsordnung der<br />

<strong>1.</strong> <strong>Vergabekammer</strong> <strong>des</strong> <strong>Freistaates</strong> <strong>Sachsen</strong> nicht<br />

notwendig.

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