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Leitsatz Leitet der Auftraggeber nach Aufhebung des offenen ...

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<strong>Leitsatz</strong><br />

<strong>Leitet</strong> <strong>der</strong> <strong>Auftraggeber</strong> <strong>nach</strong> <strong>Aufhebung</strong> <strong>des</strong> <strong>offenen</strong> Verfahrens ein nichtoffenes Verfahren<br />

ein und teilt er den Bietern mit, es seien schriftliche Angebote einzureichen und Basis <strong>des</strong><br />

Nicht<strong>offenen</strong> Verfahrens seien die Verdingungsunterlagen <strong>des</strong> vorangegangenen<br />

Verfahrens, so sind die dort genannten Formvorschriften und Min<strong>des</strong>tbedingungen<br />

einzuhalten. For<strong>der</strong>t <strong>der</strong> <strong>Auftraggeber</strong>, dass Formblätter und Erklärungen unterschrieben<br />

sein müssen, (..) und das Angebot vom Bieter rechtsverbindlich an den genannten Stellen zu<br />

unterschreiben ist, so ist es nicht ausreichend, das alte Angebot kopiert und nicht<br />

unterzeichnet abzugeben o<strong>der</strong> lediglich ein geän<strong>der</strong>tes neues Preisblatt einzureichen.<br />

Derartige Angebote sind zwingend auszuschließen, denn es liegt keine Willenserklärung <strong>des</strong><br />

Bieters vor, die das Angebot in seiner Gesamtheit umfasst.<br />

Setzt <strong>der</strong> <strong>Auftraggeber</strong> für die Unterbringung von Asylbewerbern<br />

Min<strong>des</strong>twohnbereichsgrößen pro Person fest, so ist die Min<strong>des</strong>traumgröße zwingend. Die im<br />

Mietrecht angewandte Toleranzgrenze von 10 % zur Bestimmung eines Mietmangels ist<br />

vorliegend nicht anzuwenden. Toleranzgrenzen sind dem Vergaberecht fremd. Auch kleinste<br />

Abweichungen führen hier zum Ausschluss, sofern <strong>der</strong> <strong>Auftraggeber</strong> diese nicht explizit<br />

zugelassen hat. Messungenauigkeiten im Vorfeld gehen zu Lasten <strong>des</strong> Bieters.<br />

1. Vergabekammer <strong>des</strong><br />

Freistaates Sachsen<br />

bei <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>direktion Leipzig<br />

1/SVK/015-10<br />

Beschluss<br />

In dem Nachprüfungsverfahren<br />

betreffend die Ausschreibung <strong>des</strong> Landkreises XXXXXX, Verfahrensgegenstand:<br />

Unterbringung von Asylbewerbern und ausländischen Flüchtlingen im Landkreis<br />

XXXXXX<br />

Verfahrensbeteiligte:<br />

1. XXXXXX, XXXXXX, XXXXXX,<br />

Verfahrensbevollmächtigte: XXXXXX<br />

2. Landkreis XXXXXX, XXXXXX, vertreten durch den Landrat,<br />

-Antragstellerin-<br />

-<strong>Auftraggeber</strong>-<br />

3. XXXXXX GmbH & Co. KG, XXXXXX, vertreten durch die pers. haftende Gesellschafterin,<br />

die XXXXXX GmbH, diese wie<strong>der</strong>um vertreten durch die Geschäftsführung,<br />

-Beigeladene-


2<br />

hat die 1. Vergabekammer <strong>des</strong> Freistaates Sachsen durch die Vorsitzende, Frau<br />

Regierungsrätin Kadenbach, den hauptamtlichen Beisitzer, Herrn Regierungsrat Kühne,<br />

sowie den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Dr. Gutsfeld, am 21.05.2010 <strong>nach</strong> mündlicher<br />

Verhandlung vom 19.05.2010 beschlossen:<br />

1. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist.<br />

2. Dem <strong>Auftraggeber</strong> wird untersagt, auf Grundlage <strong>der</strong> vorliegenden Angebote den<br />

Zuschlag zu erteilen.<br />

3. Der <strong>Auftraggeber</strong> trägt die Kosten <strong>des</strong> Verfahrens zu sowie die zur zweckentsprechenden<br />

Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen <strong>der</strong> Antragstellerin. Die Verfahrensgebühr<br />

wird auf XXXXXX € festgesetzt. Der <strong>Auftraggeber</strong> ist jedoch von <strong>der</strong> Entrichtung <strong>der</strong> Gebühr<br />

befreit.<br />

4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die Antragstellerin wird für<br />

notwendig erklärt.<br />

I.<br />

Mit nationaler Vergabebekanntmachung vom XXXXXX schrieb <strong>der</strong> <strong>Auftraggeber</strong> die<br />

Bereitstellung und Betreibung von Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber und an<strong>der</strong>e<br />

ausländische Flüchtlinge im Landkreis XXXXXX öffentlich aus. Die Ausschreibung wurde für<br />

die Lose 2 (XXXXXX) und 3 (XXXXXX) aufgehoben, da kein Angebot eingegangen war, das<br />

den Ausschreibungsbedingungen entsprach. Die Antragstellerin betreibt bereits selbst ein<br />

Asylbewerberheim seit sieben Jahren in XXXXXX. Hierfür wurde <strong>der</strong> bestehende<br />

Betreibervertrag für das Objekt XXXXXX in XXXXXX bis zum 30.06.2010 verlängert.<br />

Mit erneuter nationaler Vergabebekanntmachung wurde <strong>der</strong> Abschluss eines<br />

Unterbringungsvertrages bezüglich <strong>der</strong> Unterbringung von Asylbewerbern und<br />

ausländischen Flüchtlingen durch Bekanntmachung im „Sächsischen Ausschreibungsblatt“<br />

vom XXXXXX ausgeschrieben. Hierbei wurde nicht mehr eine Aufteilung in Lose<br />

vorgenommen. Die Leistung umfasst die folgenden Teilleistungen:<br />

- Bereitstellung einer Gemeinschaftsunterkunft mit ca. 150 Plätzen,<br />

- Betreibung <strong>der</strong> Gemeinschaftsunterkunft,<br />

- Unterbringung <strong>der</strong> vom <strong>Auftraggeber</strong> aufzunehmenden Personen.<br />

Der Leistungszeitraum geht vom 01.07.2010 – 30.06.2012 mit <strong>der</strong> Option <strong>der</strong> maximal<br />

dreimal jährlichen Verlängerung, bis spätestens 30.06.2015.<br />

Unter 3.2.4. <strong>der</strong> Verdingungsunterlagen findet sich folgen<strong>der</strong> Hinweis: „Die Formblätter F 1<br />

bis F 6 sind <strong>nach</strong> Maßgabe <strong>der</strong> <strong>nach</strong>folgenden Hinweise vollständig auszufüllen und mit dem<br />

Angebot einzureichen.“<br />

Unter 3.2.5. findet sich folgen<strong>der</strong> Hinweis: „Die im Teil IV gefor<strong>der</strong>ten Angaben und<br />

Nachweise sind vom Bieter mit Abgabe <strong>des</strong> Angebotes vollständig und verbindlich<br />

einzureichen. Die Angaben sind verbindlich zu tätigen. Unvollständige, unrichtige und nicht<br />

<strong>nach</strong>prüfbare Angaben und Nachweise können zum Ausschluss <strong>des</strong> Angebots von <strong>der</strong><br />

Wertung führen.“<br />

Unter 3.1.3. findet sich folgen<strong>der</strong> Hinweis: „Unterschrift <strong>der</strong> Angebote sowie die Formblätter<br />

und Erklärungen müssen unterschrieben sein. Der Name <strong>des</strong>/<strong>der</strong> Unterzeichnenden ist


3<br />

anzugeben. Das Angebot ist vom Bieter rechtsverbindlich an folgenden Stellen zu<br />

unterschreiben:<br />

1. Vordruck Angebotsschreiben<br />

2. Erklärung <strong>des</strong> Bieters, Teil 1 Formblatt F 5<br />

3. Erklärung Bietergemeinschaft, Teil 1, Formblatt F 6<br />

4. Leistungsverzeichnis, Teil III.“<br />

Unter II.1. wird ausgeführt:<br />

…<br />

„(2) Die Unterbringung von Asylbewerbern und an<strong>der</strong>en ausländischen Flüchtlingen wird im<br />

Freistaat Sachsen <strong>der</strong>zeit insbeson<strong>der</strong>e durch die folgenden rechtlichen<br />

Rahmenbedingungen bestimmt:<br />

…<br />

- Verwaltungsvorschrift <strong>des</strong> Sächsischen Staatsministeriums <strong>des</strong> Innern über die Min<strong>des</strong>tempfehlung<br />

zu Art, Größe und Ausstattung von Gemeinschaftsunterkünften und zur sozialen<br />

Betreuung (VwV Unterbringung und soziale Betreuung vom 26. Juni 2009).“<br />

In den Verdingungsunterlagen ist unter III.3.2.2. ausgeführt:<br />

„Bauliche Voraussetzung und Min<strong>des</strong>tanfor<strong>der</strong>ungen an Art, Größe und Ausstattung.<br />

…<br />

(1)<br />

Die Gemeinschaftsunterkunft muss den jeweils geltenden Bau-, Gesundheits-, Brand- und<br />

unfallschutzrechtlichen Vorschriften entsprechen. Bereits mit dem Angebot ist die rechtliche<br />

Zulässigkeit <strong>der</strong> Nutzung <strong>der</strong> vorgesehenen Gemeinschaftsunterkunft zum vorgesehenen<br />

Zweck <strong>nach</strong>zuweisen (Bau-/Nutzungsän<strong>der</strong>ungsgenehmigung) o<strong>der</strong> zu belegen, wie durch<br />

den Auftragnehmer sichergestellt wird, dass zum Leistungsbeginn die notwendigen rechtlichen<br />

Voraussetzungen geschaffen werden können.<br />

(3 Anfor<strong>der</strong>ungen an die Räumlichkeiten:<br />

Die Anfor<strong>der</strong>ungen an die Räumlichkeiten (individueller Wohnbereich, Sanitäreinrichtungen,<br />

Gemeinschaftsküchen, Gemeinschaftsräume und Außenanlagen zur Freizeitgestaltung und<br />

Funktionsräume) richten sich verbindlich <strong>nach</strong> den lan<strong>des</strong>rechtlichen Vorschriften (Verwaltungsvorschrift<br />

<strong>des</strong> Sächsischen Staatsministeriums <strong>des</strong> Innern über die Min<strong>des</strong>tempfehlung<br />

zu Art, Größe und Ausstattung von Gemeinschaftsunterkünften und zur sozialen Betreuung<br />

VwV Unterbringung und Betreuung vom 26.06.2009).<br />

…<br />

(5)<br />

Weiterhin stellt <strong>der</strong> AN sicher, dass die in Bezug auf den Betrieb <strong>der</strong> Gemeinschaftsunterkunft<br />

geltenden bauordnungsrechtlichen, hygienischen und feuerpolizeilichen Vorschriften<br />

über die Feuersicherheit sowie die über das Betreiben <strong>der</strong> Einrichtung geltenden öffentlichrechtlichen<br />

Vorschriften eingehalten werden. Durch den Auftragnehmer sind die<br />

erfor<strong>der</strong>lichen Versicherungen abzuschließen und für die Dauer <strong>des</strong> Vertragsverhältnisses<br />

aufrechtzuerhalten. Im Landkreis sind auf schriftliche Anfor<strong>der</strong>ungen die entsprechenden<br />

Nachweise innerhalb einer Frist von maximal einer Woche in Kopie auszuhändigen.<br />

(6)<br />

Der AN hat den Landkreis bis zur Aufnahme <strong>der</strong> Leistung am 01.07.2010 über alle Vorbereitungsmaßnahmen<br />

und den Stand <strong>der</strong> Arbeiten zu informieren. Er hat hierzu mit Abgabe <strong>des</strong><br />

Angebotes einen verbindlichen Zeitplan vorzulegen (siehe Formular F 16, Teil IV) und<br />

sämtliche Verän<strong>der</strong>ungen gegenüber dem Stand bei Angebotsabgabe unverzüglich und unaufgefor<strong>der</strong>t<br />

dem <strong>Auftraggeber</strong> mitzuteilen.“<br />

In <strong>der</strong> Einleitung zu den Formblättern unter IV wird nochmals ausgeführt: „Die Angaben sind<br />

verbindlich zu tätigen. Unvollständige, unrichtige und nicht <strong>nach</strong>prüfbare Angaben und Nachweise<br />

können zum Ausschluss <strong>des</strong> Angebotes von <strong>der</strong> Wertung führen.“


4<br />

Unter Nr. 13 wird hier ausgeführt: „Das/Die für die Gemeinschaftsunterkunft vorgesehene<br />

Gebäude ist/sind zu beschreiben mit Angaben zu<br />

a) Bauweise,<br />

b) Alter,<br />

c) Vornutzung,<br />

d) geplante Instandsetzungsarbeiten mit einem zeitlichen Ablaufplan.<br />

Die Angaben sind möglichst durch zeichnerische Darstellungen, Fotos o<strong>der</strong> ähnliches zu<br />

ergänzen. Min<strong>des</strong>tes sind ein Lageplan, Grundriss aller Etagen mit eindeutiger und einmaliger<br />

Bezeichnung, Benennung <strong>der</strong> vorgesehenen Funktion aller Räume beizufügen. Unter<br />

Nr. 15 wird ausgeführt: Durch den Bieter ist <strong>nach</strong>zuweisen, dass er im Auftragsfall uneingeschränkt<br />

über das vorgesehene Gebäude bzw. Grundstück verfügen kann (Grundbuchauszug,<br />

notariell beglaubigter Kaufvertrag, Miet- und Nutzungsvertrag o<strong>der</strong> gleichwertiger<br />

Nachweis). Min<strong>des</strong>tens ist ein Vorvertrag mit dem <strong>der</strong>zeitigen Eigentümer über den Kauf<br />

o<strong>der</strong> die Nutzung beizufügen, in dem die wesentlichen Bedingungen, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Nutzungszweck,<br />

Preis und Verfügungsgewalt <strong>des</strong> Bieters festgelegt sind, o<strong>der</strong> gleichwertige<br />

vertragliche Regelungen vorzulegen.“<br />

Unter Nr. 16 wird ausgeführt: „Durch den Bieter ist <strong>der</strong> zeitliche Ablauf aller Maßnahmen bis<br />

zur Aufnahme <strong>der</strong> Leistung detailliert darzustellen. Dazu sind die geplanten Zeiträume, insbeson<strong>der</strong>e<br />

für die folgenden Handlungsschritte anzugeben:<br />

a) Grundstückserwerb/Abschluss Nutzungsvertrag<br />

b) Einholung notwendiger Genehmigungen<br />

c) Errichtung/Bauausführung/Instandsetzung getrennt <strong>nach</strong> Innen- und Außenarbeiten, soweit<br />

relevant<br />

d) Einrichtung/Möblierung<br />

e) Bezugsfertigkeit.“<br />

Im Formular F 11 Gebäudebeschreibung befindet sich die Angabe u. a. „Angaben zu den<br />

Wohnräumen: Wohnfläche je Person (min<strong>des</strong>tens 6 m²!).“<br />

Die Antragstellerin gab fristgerecht ein Angebot ab. Nachdem die eingegangenen Angebote<br />

nicht vollständig waren, entschloss sich <strong>der</strong> <strong>Auftraggeber</strong>, die Ausschreibung aufzuheben.<br />

Mit Schreiben vom 12.01.2010 wurden die Bieter über die <strong>Aufhebung</strong> informiert.<br />

Mit Schreiben vom 15.01.2010 informierte <strong>der</strong> <strong>Auftraggeber</strong> die Bieter, dass er beabsichtige,<br />

nunmehr eine freihändige Vergabe <strong>der</strong> Leistungen durchzuführen: „Basis <strong>der</strong> freihändigen<br />

Vergabe sind die Verdingungsunterlagen, welche Sie im Rahmen <strong>des</strong> am 12.01.2010<br />

aufgehobenen Verfahrens von <strong>der</strong> Auftragsberatungsstelle e.V. erhalten haben. Sie erhalten<br />

hiermit Gelegenheit, bis 27.01.2010 ein schriftliches Angebot bei <strong>der</strong> Vergabestelle<br />

…einzureichen, unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Mängelhinweise aus dem aufgehobenen<br />

Verfahren, die Ihnen bereits schriftlich mitgeteilt wurden. Der Landkreis erwartet hierzu<br />

insbeson<strong>der</strong>e eine detaillierte und verbindliche Angabe <strong>der</strong> Preise für die zu vergebende<br />

Leistung.“<br />

In <strong>der</strong> Folgezeit richtete <strong>der</strong> <strong>Auftraggeber</strong> zahlreiche Nachfragen an die <strong>der</strong> Antragstellerin<br />

und führte letztlich in Zusammenarbeit mit dem Ordnungsamt und dem Gesundheitsamt <strong>des</strong><br />

Landkreises XXXXXX eine Ortsbegehung <strong>der</strong> zur Unterbringung beabsichtigten Räumlichkeiten<br />

<strong>der</strong> Antragstellerin durch. Mit Fax vom 14.04.2010 teilte <strong>der</strong> <strong>Auftraggeber</strong> <strong>der</strong><br />

Antragstellerin mit, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag auf das Angebot <strong>der</strong> Beigeladenen<br />

zu erteilen. Das Angebot <strong>der</strong> Antragstellerin sei gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 d) VOL/A nicht zu<br />

werten, da im Rahmen <strong>der</strong> Begehung <strong>des</strong> Angebotsobjekts am 11.03.2010 festgestellt<br />

worden sei, dass die in den Verdingungsunterlagen auf Grundlage <strong>der</strong> bereits genannten<br />

Verwaltungsvorschrift vorgegebene Min<strong>des</strong>tgröße <strong>der</strong> Bereitstellung von Wohnfläche von 6<br />

m² pro unterzubringen<strong>der</strong> Person lt. Verwaltungsvorschrift Unterbringung und soziale Betreuung<br />

im angebotenen Objekt nicht gewährleistet werden könnte.


5<br />

Mit Schreiben vom 16.04.2010 rügte die Antragstellerin die Wertung <strong>der</strong> Angebote und den<br />

Ausschluss <strong>des</strong> Angebotes <strong>der</strong> Antragstellerin. Die genannte Verwaltungsvorschrift stelle<br />

lediglich eine Empfehlung auf und sei im Hinblick auf die zu gewährenden 6 m² pro Person<br />

nicht verbindlich. Des Weiteren sei die Min<strong>des</strong>tgröße eingehalten. Man habe insgesamt 41<br />

Zimmer, die mit 3 Personen belegt werden könnten und sieben Zimmer, die mit 6 Personen<br />

belegt werden könnten. Dies bedeute ohne weiteres eine Belegungsmöglichkeit von 165<br />

Personen, die sich auf 998,5 m² Wohnfläche verteilen würden, was 6,05 m² pro Person<br />

ergäbe. Zudem gebe es weitere Räume, die ohne großen Aufwand als Wohnraum genutzt<br />

werden könnten. Im Übrigen sei das Objekt bereits seit 12 Jahren in Benutzung. Deswegen<br />

dürfe man sich nicht auf eine Unterschreitung <strong>der</strong> Quadratmeterzahl berufen. Darüber hinaus<br />

sei zu bemerken, dass die Rechtsprechung eine Toleranz bei Abweichung <strong>der</strong> Mietfläche<br />

von weniger als 10 % als akzeptabel betrachte. Insoweit würden die festgestellten Raumgrößen<br />

nicht abweichen.<br />

Mit Schreiben vom 16.04.2010 teilte <strong>der</strong> <strong>Auftraggeber</strong> mit, <strong>der</strong> Rüge nicht abhelfen zu wollen.<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> Ortsbesichtigung am 11.03.2010 seien alle angebotenen Zimmer ausgemessen<br />

worden. Die Messergebnisse seien <strong>der</strong> Antragstellerin ausgehändigt und durch<br />

ihre Unterschrift bestätigt worden. Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass <strong>nach</strong> alter<br />

Erlasslage nur eine Wohnfläche von 4,5 m² je Person vorzusehen gewesen sei und sich die<br />

Antragstellerin insoweit nicht auf die bisherige Nutzung berufen könnte.<br />

Mit Schriftsatz vom 20.04.2010 stellte daraufhin die Antragstellerin einen Antrag auf Vergabe<strong>nach</strong>prüfung<br />

bei <strong>der</strong> 1. Vergabekammer <strong>des</strong> Freistaates Sachsen. Sie beantragte u. a.:<br />

1. den Antragsgegner zu verpflichten, den Zuschlag nur unter Berücksichtigung <strong>des</strong> Angebotes<br />

<strong>der</strong> Antragstellerin zu erteilen.<br />

Der Ausschluss <strong>des</strong> Angebotes <strong>der</strong> Antragstellerin sei vergaberechtswidrig. Die Verdingungsunterlagen<br />

sähen nicht mit Bestimmtheit vor, dass eine Min<strong>des</strong>tgröße von 6 m² Wohnfläche<br />

pro unterzubringen<strong>der</strong> Person vorzuweisen sei. Die Verdingungsunterlagen verwiesen<br />

insoweit auf die bereits genannte Verwaltungsvorschrift „Unterbringung und soziale Betreuung<br />

vom 26.06.2009“. Diese sähe lediglich Empfehlungen vor, dass 6 m² nicht unterschritten<br />

werden sollten. Darüber hinaus sei die Wohnfläche von 6 m² pro Person eingehalten worden.<br />

Teile man die Gesamtfläche durch die Belegungsmöglichkeit von 165 Personen, ergäbe sich<br />

eine Zahl von 6,05 m² pro Person. Wenn man die von dem <strong>Auftraggeber</strong> ermittelte Größe auf<br />

die ausgeschriebene Kapazität von 150 Personen umrechne, ergäben sich sogar 6,66 m²<br />

pro Person. Darüber hinaus könnten weitere Räume umfunktioniert werden. Zudem stellten<br />

die gemessenen Werte keine Abweichungen zur behaupteten Sollfläche dar, da sie weniger<br />

als 10 % abwichen. Zudem verstoße es gegen Treu und Glauben, wenn <strong>der</strong> <strong>Auftraggeber</strong><br />

die Antragstellerin ausschließen würde, da das Objekt <strong>der</strong> Antragstellerin seit mehr als 12<br />

Jahren als Asylbewerberheim genutzt würde.<br />

Mit Schriftsatz vom 26.04.2010 nahm <strong>der</strong> <strong>Auftraggeber</strong> zum Vergabe<strong>nach</strong>prüfungsantrag<br />

Stellung. Der <strong>Auftraggeber</strong> habe in den Verdingungsunterlagen klar formuliert, dass eine<br />

Wohnfläche von min<strong>des</strong>tens 6 m² pro Person als Min<strong>des</strong>tanfor<strong>der</strong>ung anzubieten sei. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

sei dargestellt worden, dass diese Min<strong>des</strong>tanfor<strong>der</strong>ung verbindlich sei.<br />

Darüber hinaus sei diese Min<strong>des</strong>tanfor<strong>der</strong>ung an die Wohnfläche im Formblatt F 11, Blatt Nr.<br />

2, Seite IV/16 nochmals ausdrücklich kenntlich gemacht worden („min<strong>des</strong>tens 6 m²!“).<br />

Darüber hinaus solle <strong>der</strong> Raum 29 im Erdgeschoss <strong>des</strong> Hauses 1 weiterhin als<br />

Aufenthaltsraum genutzt werden, obwohl er im Angebot als Wohnraum gekennzeichnet<br />

worden sei. Keines <strong>der</strong> Zimmer habe die angegebene Größe von 18 m² gehabt. Die Zimmer<br />

und Apartments seien mittels Lasermessgerät ausgemessen worden. Im Haus 1 seien alle<br />

angebotenen Wohnräume zwischen 15,23 m² und 17,25 m² groß. Im Haus 2 zwischen 15,91<br />

m² und 17,06 m². Soweit könnten pro Raum nur 2 Personen sowie pro Apartment nur 4<br />

Personen untergebracht werden. Die Berechnungen <strong>der</strong> Antragstellerin für den Durchschnitt<br />

<strong>der</strong> untergebrachten Personen seien nicht <strong>nach</strong>vollziehbar, da nicht die durchschnittliche<br />

Gesamtfläche zur Unterbringung maßgeblich sei, son<strong>der</strong>n die dem einzelnen Bewohner zur


6<br />

Verfügung stehende Wohnfläche. Letztlich käme man im Rahmen einer Berechnung zu dem<br />

Ergebnis, dass in den beiden Gebäuden <strong>der</strong> Antragstellerin lediglich 110 Personen<br />

untergebracht werden könnten. Damit habe das Angebot <strong>der</strong> Antragstellerin nicht den<br />

Ausschreibungsbedingungen entsprochen und sei vom weiteren Verfahren auszuschließen.<br />

Hinsichtlich <strong>des</strong> Argumentes Treu und Glauben <strong>der</strong> Antragstellerin sei darauf hinzuweisen,<br />

dass vor In-Kraft-Treten <strong>der</strong> Verwaltungsvorschrift Unterbringung und soziale Betreuung die<br />

alte Verwaltungsvorschrift lediglich eine Wohnfläche von 4,5 m² je unterzubringen<strong>der</strong> Person<br />

vorsah. Folglich sei <strong>der</strong> Antrag <strong>der</strong> Antragstellerin abzulehnen.<br />

Mit Schreiben vom 05.05.2010 erteilte die Vergabekammer einen rechtlichen Hinweis. Hinsichtlich<br />

<strong>der</strong> Angabe <strong>der</strong> Größe <strong>der</strong> Zimmer sei zu differenzieren. Zum einen seien <strong>nach</strong><br />

vorläufiger Einschätzung <strong>der</strong> Vergabekammer die Raumgrößen mit Angebotsabgabe nicht<br />

korrekt bezeichnet worden. Zum an<strong>der</strong>en entsprächen diese bei vorgesehener Belegung<br />

nicht den gefor<strong>der</strong>ten Min<strong>des</strong>tgrößen. Wenn man dem Argument <strong>der</strong> Antragstellerin folgen<br />

würde, dass Toleranzgrenzen eine Rolle spielen würden, so sei festzustellen, dass im Sinne<br />

<strong>der</strong> Rechtsprechung <strong>des</strong> BGH, Urteil vom 16.12.2009, ein Mietmangel vorläge, wenn die<br />

Mietsache von <strong>der</strong> vereinbarten Raumfläche um mehr als 10 % abweiche (zuletzt BGH, Urteil<br />

vom 16.12.2009/ VIII ZR 39/09). Insoweit sei eine Abweichung von 1,8 m² tolerabel. Die<br />

durch den <strong>Auftraggeber</strong> durchgeführten Messungen wiesen in einigen Räumen größere Abweichungen<br />

auf. Insofern sei von einer fehlerhaften Angabe auszugehen, das Angebot sei<br />

insoweit auszuschließen. Darüber hinaus sei festzuhalten, dass die Verdingungsunterlagen<br />

eine Wohnfläche von 6 m² je unterzubringen<strong>der</strong> Person als verbindlich auswiesen. Zwar<br />

spreche die Verwaltungsvorschrift von einer Empfehlung. In den Verdingungsunterlagen sei<br />

jedoch die Verbindlichkeit <strong>der</strong> dort getätigten Min<strong>des</strong>tangaben unter II.3.2.2. ausgeführt.<br />

Darüber hinaus sei im Formular F 11, Blatt 2, Seite IV/16 ausgeführt worden: Wohnfläche je<br />

Person min<strong>des</strong>tens 6 m². Von dieser klaren Vorgabe <strong>des</strong> <strong>Auftraggeber</strong>s sei abgewichen<br />

worden, so dass auch aus diesem Grunde das Angebot <strong>der</strong> Antragstellerin auszuschließen<br />

wäre. Der Begriff <strong>des</strong> Bestandsschutzes sei dem Vergaberecht grundsätzlich fremd. Auch<br />

wenn eine Nutzung aufgrund <strong>des</strong> Bestandsschutzes zulässig sein möge, könne ein Bieter<br />

nicht mit einem Hinweis auf den Bestandsschutz von den Verdingungsunterlagen<br />

abweichen. Darüber hinaus sei festzuhalten, dass <strong>der</strong> bauliche Zustand bei<strong>der</strong> Gebäude<br />

<strong>nach</strong> vorläufiger Einschätzung <strong>der</strong> Vergabekammer nicht den Vorgaben <strong>der</strong> Leistungsbeschreibung<br />

entspreche. Dies würden die Stellungnahmen <strong>des</strong> Landratsamtes XXXXXX,<br />

Gesundheitsamt vom 15.03.2010 sowie die Stellungnahme <strong>der</strong> großen Kreisstadt XXXXXX<br />

vom 04.03.2010 und Stellungnahme <strong>des</strong> Polizeireviers XXXXXX vom 11.03.2010 belegen.<br />

Die Antragstellerin habe mit ihrem Angebot ein umfangreiches Sanierungskonzept vom<br />

22.12.2009 vorgelegt. Die hier dargestellten notwendigen Aufwendungen seien wohl auch<br />

<strong>der</strong> Kalkulation zugrunde zu legen. Allerdings decke das Sanierungskonzept <strong>nach</strong> vorläufiger<br />

Prüfung <strong>der</strong> Vergabekammer nicht alle erfor<strong>der</strong>lichen Sanierungsmaßnahmen ab. So habe<br />

das Landratsamt XXXXXX, Gesundheitsamt, festgestellt, dass im Haus 1 <strong>der</strong> Wasch- und<br />

Duschraum im Westteil hofseitig gesperrt sei. Grund sei eine Durchnässung <strong>des</strong> Raumes<br />

durch einen Wasserschaden mit Schimmelpilzbildung. Auch <strong>der</strong> daneben befindliche<br />

Lagerraum sei von erheblicher Schimmelbildung betroffen. Es werde die Lüftung und <strong>der</strong><br />

Ausbau aller kontaminierten Wand- und Deckenelemente gefor<strong>der</strong>t, um eine weitere Ausbreitung<br />

<strong>des</strong> Schimmelbefalls zu verhin<strong>der</strong>n. Sanierungsarbeiten am Haus 1 sähe das Konzept<br />

jedoch nicht vor. Ebenso beschreibe das Landratsamt XXXXXX im Schreiben vom<br />

11.03.2010 mehrfache Wasserschäden und mehrfachen Schimmelbefall im Haus 2, <strong>der</strong> teilweise<br />

die Wände durchdrungen habe. Die Fotodokumentation, Blatt 250 <strong>der</strong> Vergabeakte,<br />

bestätige den intensiven Schimmelbefall. Eine Schimmelsanierung erscheine dem<strong>nach</strong> angebracht.<br />

Das Sanierungskonzept weise diese Arbeiten nicht aus.<br />

Mit Beschluss <strong>der</strong> Vergabekammer vom 10.05.2010 wurde die Beigeladene zum Verfahren<br />

hinzugezogen.<br />

Mit Schriftsatz vom 10.05.2010 teilte die Antragstellerin mit, bei einer Neuvermessung habe<br />

sich ergeben, dass zwar für das Haus 1 die Räume immer noch nicht 18 m² erreichen


7<br />

würden, aber die Toleranzgrenze von 16,2 m² überschritten werde. Hinsichtlich Haus 2<br />

ergäbe sich ein gleichartiges Ergebnis. Die Antragstellerin vertiefte ihre Begründung<br />

hinsichtlich <strong>der</strong> fehlenden Verbindlichkeit <strong>der</strong> Min<strong>des</strong>tvorgabe von 6 m² pro<br />

unterzubringen<strong>der</strong> Person. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin eine<br />

Belegung von 165 Personen kalkuliert hätte und insoweit die For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ausschreibung,<br />

lediglich 150 Personen gewesen sei, so dass selbst bei Streichung <strong>des</strong> Aufenthaltsraumes<br />

29 noch genügend Raum für die unterzubringenden Asylbewerber vorliegen würde. Zudem<br />

sei davon auszugehen, dass die Messungen <strong>des</strong> Landratsamtes XXXXXX <strong>der</strong>artige<br />

Bagatellabweichungen darstellen würden, dass letztlich 155 Personen untergebracht werden<br />

könnten. Die Antragstellerin berufe sich nicht auf einen Bestandsschutz. Die Darstellung zum<br />

Bestandsschutz belege vielmehr, dass und warum die Antragstellerin davon ausgegangen<br />

sei und davon ausgehen durfte, dass ihr Angebot den Bedingungen entspreche. Richtig sei,<br />

dass <strong>der</strong> bauliche Zustand <strong>der</strong> Gebäude <strong>der</strong>zeit nicht den Vorgaben <strong>der</strong><br />

Leistungsbeschreibung entspreche. Die Antragstellerin habe von Anfang an deutlich<br />

gemacht, dass Sanierungsmaßnahmen erfor<strong>der</strong>lich seien und habe Kosten in das Angebot<br />

einkalkuliert. Hinsichtlich <strong>des</strong> durchnässten Wasch- und Duschraumes im Haus 1 sei <strong>der</strong><br />

Wasserschaden erst <strong>nach</strong> Abgabe <strong>des</strong> Angebotes eingetreten. Der Vermieter habe eine<br />

Nachbesserung zugesagt. Im Haus 2 sei die Schimmelbekämpfung einkalkuliert. Insoweit<br />

werde auf die Vergabe <strong>der</strong> malermäßigen Instandsetzung aller Unterkünfte und<br />

Gemeinschaftsräume verwiesen. Weitere Arbeiten seien nicht erfor<strong>der</strong>lich. Der Schimmel<br />

habe die Wand- und Deckenelemente nicht durchdrungen. Auch diesbezüglich habe <strong>der</strong><br />

Vermieter allerdings eine kurzfristige Nachbesserung zugesagt, sofern sich bei <strong>der</strong><br />

Sanierung herausstellen sollte, dass eine weitere Schimmelbekämpfung notwendig sei.<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> mündlichen Verhandlung am 20.04.2010 wurde mit den Beteiligten die Sach-<br />

und Rechtslage erörtert. Auf die Nie<strong>der</strong>schrift zur mündlichen Verhandlung wird verwiesen.<br />

Wegen <strong>des</strong> übrigen Vorbringens <strong>der</strong> Parteien und wegen <strong>der</strong> weiteren Einzelheiten zum<br />

Sachverhalt wird auf die übrigen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die von <strong>der</strong><br />

Vergabestelle überlassenen Vergabeakten waren Gegenstand <strong>der</strong> mündlichen Verhandlung.<br />

Die Antragstellerin stellte den Antrag, dem <strong>Auftraggeber</strong> eine Zuschlagserteilung auf die<br />

abgegebenen Angebote zu untersagen<br />

Der <strong>Auftraggeber</strong> beantragte den Antrag <strong>der</strong> Antragstellerin abzuweisen<br />

Die Beigeladene erklärte <strong>nach</strong> Belehrung durch die Vorsitzende, keinen eigenen Antrag<br />

stellen zu wollen.<br />

Der Antrag auf Nachprüfung ist zulässig (1.) und begründet. (2).<br />

II.<br />

1. Zulässigkeit<br />

a) Die 1. Vergabekammer <strong>des</strong> Freistaates Sachsen ist gemäß § 2 <strong>der</strong> Verordnung <strong>der</strong><br />

Sächsischen Staatsregierung über Einrichtung, Organisation Vergabekammern <strong>des</strong><br />

Freistaates Sachsen (SächsVgKVO) vom 23.03.1999 (SächsGVBl. S. 214, zuletzt geän<strong>der</strong>t<br />

durch VO vom 31.03.2004, SächsGVBl, S. 135) für den Antrag zuständig, da es sich bei <strong>der</strong><br />

ausgeschriebenen Leistung um einen Dienstleistungsauftrag im Sinne von § 99 Abs. 2 GWB<br />

handelt.<br />

b) Die geplante Gesamtauftragssumme überschreitet den EU-Schwellenwert. Nach<br />

§ 100 Abs. 1 GWB unterliegen <strong>der</strong> Nachprüfung durch die Vergabekammer nur Aufträge,<br />

welche die Auftragswerte (Schwellenwerte) erreichen o<strong>der</strong> überschreiten. Die Auftragswerte


8<br />

werden durch Rechtsverordnung <strong>nach</strong> § 127 GWB festgelegt. Der Gesetzgeber hat von <strong>der</strong><br />

Ermächtigung in § 127 Nr. l GWB zum Erlass einer Rechtsverordnung durch Erlass <strong>der</strong><br />

Vergabeverordnung (VgV) Gebrauch gemacht. Zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Auffor<strong>der</strong>ung zur<br />

Angebotsabgabe betrug <strong>der</strong> Schwellenwert 193.000 €. Der ausgeschriebene Auftrag liegt<br />

unstreitig über diesem Wert.<br />

c) In <strong>der</strong> Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei Vergaben <strong>nach</strong> Anhang I B zur VOL/A,<br />

2. Abschnitt, die hier in Form von Beherbergungsleistungen (Kategorie 17, CPC-Nummer 64)<br />

vorliegt, Rechtsschutz zur Vergabekammer gegeben ist. Auf die Vergabe von Leistungen im<br />

Anhang I B <strong>der</strong> VOL/A sind gemäß § 1 a Nr. 2 Abs. 2 VOL/A neben den Basisparagraphen<br />

ausschließlich die §§ 8 a und 28 a VOL/A anwendbar, was nichts daran än<strong>der</strong>t, dass diese<br />

Leistungen dem Anwendungsbereich <strong>der</strong> §§ 97 ff. GWB unterfallen (VK Sachsen, Beschluss<br />

vom 05.02.2007 - 1/SVK/125-06). Auch die Vergabe von <strong>nach</strong>rangigen Dienstleistungen im<br />

Sinne <strong>des</strong> Anhangs I Teil B <strong>der</strong> VOL/A bzw. <strong>der</strong> VOF unterliegt <strong>der</strong> Nachprüfung durch die<br />

Vergabekammern. Lediglich <strong>der</strong> Prüfungsumfang ist eingeschränkt (VK Saarland, Beschluss<br />

vom 19.05.2006 - 3 VK 03/2006)<br />

d) Der <strong>Auftraggeber</strong> unterliegt gem. § 98 Nr. 1 GWB dem Vergaberechtsregime.<br />

e) Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen<br />

antragsbefugt, das ein Interesse am Auftrag hat, eine Verletzung in bieterschützenden<br />

Rechten und zumin<strong>des</strong>t einen drohenden Schaden darlegt. Die Antragstellerin hat<br />

substantiert dargelegt, sie fühle sich dadurch in ihren Rechten verletzt, dass die<br />

Beigeladene, die ein weniger wirtschaftliches Angebot abgegeben habe, den Zuschlag<br />

erhalten solle. Ihr Interesse am Auftrag hat sie bereits durch Angebotsabgabe bekundet. Das<br />

ist für die Bejahung <strong>der</strong> Antragsbefugnis ausreichend. Am Vorliegen <strong>der</strong> Antragsbefugnis<br />

könnte <strong>des</strong>halb gezweifelt werden, weil die Antragstellerin womöglich kein eigenes<br />

zuschlagsfähiges Angebot eingereicht hatte. Der Umstand, dass das Angebot eines Bieters<br />

ausgeschlossen werden darf o<strong>der</strong> muss, mag zwar die Feststellung rechtfertigen, dass <strong>der</strong><br />

Bieter durch den begründeten Ausschluss von <strong>der</strong> Wertung nicht betroffen und <strong>des</strong>halb<br />

insoweit nicht in seinen Rechten verletzt ist. Dieser Umstand nimmt dem Bieter jedoch nicht<br />

das sich aus § 97 Abs. 7 GWB ergebende Recht darauf, dass auch die Auftragsvergabe an<br />

einen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Bieter unterbleibt. Der Meinung, die das insbeson<strong>der</strong>e im Hinblick auf das<br />

Recht auf Gleichbehandlung in Zweifel zieht, kann nicht beigetreten werden (BGH, B. v<br />

26.09.2006 - Az.: X ZB 14/06; OLG Celle, B. v. 02.10.2008 - Az.: 13 Verg 4/08; OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 12.03.2008 - Az.: Verg 56/07; 1. VK Sachsen, B. v. 10.10.2008 - Az.:<br />

1/SVK/051-08; B. v. 29.08.2008 - Az.: 1/SVK/042-08).<br />

f) Soweit die Antragstellerin mit Fax vom 16.04.2010 auf die Mitteilung <strong>nach</strong> § 101 a<br />

GWB <strong>der</strong> <strong>Auftraggeber</strong>in vom 14.04.2010, bei <strong>der</strong> Antragstellerin am 11.03.2010<br />

eingegangen, die beabsichtigte Zuschlagserteilung rügte, ist dies unverzüglich im Sinne <strong>des</strong><br />

§ 107 Abs. 3 Satz 1 GWB geschehen. Das OLG Dresden sieht als Obergrenze eine<br />

Regelfrist für die Beanstandung von Vergabemängeln "durchschnittlichen Zuschnitts“ von<br />

einer Woche an (OLG Dresden, Beschluss vom 06.04.2004, Az. WVerg 1/04). Insoweit<br />

konnte dahinstehen, ob <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Unverzüglichkeit <strong>des</strong> § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB im<br />

Sinne <strong>der</strong> Rechtsprechung <strong>des</strong> EuGH vom 28.01.2010 (Rs. C-406/08, IBR 2010, 159; Rs. C-<br />

456/08) noch Anwendung finden kann. Die Frist zur Antragstellung <strong>nach</strong> § 107 Abs. 3 Nr. 4<br />

GWB hat die Antragstellerin gewahrt.<br />

g) Die in § 108 Abs. 2 GWB genannten Min<strong>des</strong>tanfor<strong>der</strong>ungen hat die Antragstellerin<br />

erfüllt.<br />

2. Der zulässige Antrag <strong>der</strong> Antragstellerin ist begründet.<br />

2.1. fehlende Unterschrift auf allen Angeboten


9<br />

Beide abgegebenen Angebote, das Angebot <strong>der</strong> Antragstellerin und <strong>der</strong> Beigeladenen sind<br />

nicht rechtswirksam unterschrieben und gemäß § 25 Nr. 1 bs. 1 b) VOL/A zwingend<br />

auszuschließen. Die Abfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Angebote erfolgte im Rahmen <strong>der</strong> sogenannten<br />

„Freihändigen Vergabe“ durch Schreiben <strong>des</strong> <strong>Auftraggeber</strong>s vom 15.01.2010. Hierin wurde<br />

ausgeführt.<br />

„Basis <strong>der</strong> freihändigen Vergabe sind die Verdingungsunterlagen, welche Sie im Rahmen<br />

<strong>des</strong> am 12.01.2010 aufgehobenen Verfahrens von <strong>der</strong> Auftragsberatungsstelle e.V. erhalten<br />

haben. Sie erhalten hiermit Gelegenheit, bis 27.01.2010 ein schriftliches Angebot bei <strong>der</strong><br />

Vergabestelle …einzureichen, insbeson<strong>der</strong>e unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Mängelhinweise<br />

aus dem aufgehobenen Verfahren, die Ihnen bereits schriftlich mitgeteilt wurden. Der<br />

Landkreis erwartet hierzu insbeson<strong>der</strong>e eine detaillierte und verbindliche Angabe <strong>der</strong> Preise<br />

für die zu vergebende Leistung.“<br />

Unter 3.2.5. <strong>der</strong> Verdingungsunterlagen findet sich folgen<strong>der</strong> Hinweis: „Die im Teil IV<br />

gefor<strong>der</strong>ten Angaben und Nachweise sind vom Bieter mit Abgabe <strong>des</strong> Angebotes vollständig<br />

und verbindlich einzureichen. Die Angaben sind verbindlich zu tätigen. Unvollständige,<br />

unrichtige und nicht <strong>nach</strong>prüfbare Angaben und Nachweise können zum Ausschluss <strong>des</strong><br />

Angebots von <strong>der</strong> Wertung führen.“<br />

Unter 3.1.3. findet sich folgen<strong>der</strong> Hinweis: „Unterschrift <strong>der</strong> Angebote sowie die Formblätter<br />

und Erklärungen müssen unterschrieben sein. Der Name <strong>des</strong>/<strong>der</strong> Unterzeichnenden ist<br />

anzugeben. Das Angebot ist vom Bieter rechtsverbindlich an folgenden Stellen zu<br />

unterschreiben:<br />

1. Vordruck Angebotsschreiben<br />

2. Erklärung <strong>des</strong> Bieters, Teil 1 Formblatt F 5<br />

3. Erklärung Bietergemeinschaft, Teil 1, Formblatt F 6<br />

4. Leistungsverzeichnis, Teil III.“<br />

Hat ein öffentlicher <strong>Auftraggeber</strong> an einer bestimmten Stelle <strong>der</strong> Vergabeunterlagen<br />

eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass an dieser Stelle die Unterschrift unter das Angebot<br />

durch den Bieter zu leisten ist, so muss das Angebot an dieser Stelle unterschrieben werden.<br />

Eine Unterschrift an an<strong>der</strong>er Stelle <strong>des</strong> Angebotes genügt nicht (VK Nordbayern, Beschluss<br />

vom 28.02.2001 - 320.VK-3194-25/00). Angebote ohne Unterschrift sind keine Angebote im<br />

Rechtssinne und haben schon aus diesem Grunde auszuscheiden (3. VK Bund, B. v.<br />

27.04.2006 - Az.: VK 3 - 21/06; VK Düsseldorf, B. v. 21.04.2006 - Az.: VK - 16/2006 - L).<br />

Der <strong>Auftraggeber</strong> legt also letztlich fest, wie die Angebote einzureichen sind. Ausweislich <strong>der</strong><br />

Abfor<strong>der</strong>ung vom 15.01.2010 waren schriftliche Angebote abzugeben. Es wurde nur darauf<br />

hingewiesen, dass insbeson<strong>der</strong>e die Mängelliste und das Preisblatt zu berücksichtigen sind.<br />

Im Übrigen wurde auf die Geltung <strong>der</strong> Verdingungsunterlagen <strong>des</strong> aufgehobenen<br />

Verfahrens verwiesen.<br />

Die Antragstellerin hat das Angebot nicht unterschrieben und das Angebot aus dem<br />

aufgehobenen Verfahren nur kopiert. Lediglich das neue Preisblatt wurde unterschrieben.<br />

Ein geson<strong>der</strong>tes Anschreiben existiert nicht. Die Beigeladene hat nur ein neues Preisblatt<br />

und einen Eignungs<strong>nach</strong>weis vorgelegt. Der Text „Präzisierung <strong>des</strong> Angebots“ in <strong>der</strong><br />

Bezugszeile <strong>des</strong> Anschreibens führt auch nicht dazu, dass eine rechtswirksame<br />

Bezugnahme mit dem ursprünglichen Angebot hergestellt wird, weil die Vertragsinhalte<br />

gerade nicht zum Gegenstand <strong>des</strong> neuen Vertrages gemacht werden und unklar blieb,<br />

worauf sich die Präziserung beziehen sollte.<br />

Eine Unterschriftsleistung ist damit im Sinne <strong>der</strong> Vorgaben <strong>der</strong> Verdingungsunterlagen bei<br />

Abgabe <strong>der</strong> erneuten Angebote nicht erfolgt.


10<br />

Soweit die Bieter und <strong>der</strong> <strong>Auftraggeber</strong> wohl davon ausgegangen sein mögen, das Angebot<br />

aus dem aufgehobenen Verfahren habe noch Bestand, kann die Vergabekammer diesem<br />

aus den <strong>nach</strong>folgend genannten Erwägungen nicht folgen. Nach <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> leitet <strong>der</strong><br />

<strong>Auftraggeber</strong> ein neues Vergabeverfahren ein. Es sind erneute Angebote abgefor<strong>der</strong>t.<br />

Das Angebot stellt eine Willenserklärung dar, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Bieter sich verpflicht, die Leistung zu<br />

den im Angebot benannten Bedingungen zu erbringen. Auch wenn <strong>der</strong> <strong>Auftraggeber</strong> es<br />

vorliegend verabsäumt hat, eine konkrete Bindefrist zu benennen, ist es für die Vergabe<br />

wesentlich, dass alle essentialia negotii eines Vertrages verbindlich angeboten werden.<br />

Aus den zivilrechtlichen Grundsätzen folgt nichts an<strong>der</strong>es: Gegenstand und Inhalt eines<br />

Vertrages müssen <strong>der</strong>art bestimmt sein, dass die Annahme eines Vertragsangebotes durch<br />

ein einfaches "Ja" erfolgen kann (VK Schleswig-Holstein, B. v. 28.01.2008 - Az.: VK-SH<br />

27/07; VK Südbayern, B. v. 16.07.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-28-06/07).<br />

Nachträgliche Vertragsverhandlungen verbietet § 24 VOL/A.<br />

Ein <strong>der</strong>artiges verbindliches Angebot liegt auf Seiten <strong>der</strong> Bieter nicht vor. Eine verbindlich<br />

unterschriebene Willenserklärung <strong>des</strong> Inhalts <strong>des</strong> alten Angebots wurde nicht abgegeben.<br />

Das alte Angebot lebt nicht automatisch <strong>nach</strong> <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> wie<strong>der</strong> auf. Ein Angebot, auf<br />

das <strong>der</strong> Zuschlag mit „ja“ erteilt werden kann, liegt nicht vor. Zudem hat <strong>der</strong> <strong>Auftraggeber</strong><br />

darauf hingewiesen, er erwarte schriftliche Angebote bei Geltung <strong>der</strong> ursprünglichen<br />

Verdingungsunterlagen.<br />

Auch wenn <strong>der</strong> <strong>Auftraggeber</strong> die Vergabe als freihändig bezeichnet, so än<strong>der</strong>t dies nichts.<br />

Vorliegend kann dahinstehen, ob es tatsächlich um eine freihändige Vergabe im Sinne <strong>des</strong><br />

§ 3 VOL/A gehandelt hat. Auch ein Angebot im freihändigen verfahren setzt eine<br />

unterschriebenes Angebot im Sinne <strong>des</strong> § 21 Nr. 1 Abs. 2 voraus. Zudem hat <strong>der</strong><br />

<strong>Auftraggeber</strong> den Wettbewerb eröffnet und die alten Verdingungsunterlagen, die konkrete<br />

Formvorschriften zur Unterschriftsleistung beinhalteten, zur Grundlage <strong>der</strong> Vergabe<br />

gemacht.<br />

Damit waren alle Angebote zwingend auszuschließen.<br />

2.2. Maßnahme <strong>der</strong> Vergabekammer<br />

Die Maßnahme, die <strong>nach</strong> § 114 Abs. 2 ZPO zu treffen ist, um <strong>der</strong> Verletzung <strong>der</strong><br />

Antragstellerin in ihren Rechten <strong>nach</strong> § 97 Abs. 7 GWB entgegenzuwirken, kann vorliegend<br />

nicht in <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> <strong>der</strong> Ausschreibung durch die Vergabekammer o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Anweisung<br />

an die <strong>Auftraggeber</strong>in bestehen, das eingeleitete Vergabeverfahren auf diese Weise zu<br />

beenden (BGH, Beschluss vom 26.09.2006 - X ZB 14/06). In Fällen, in denen keinem Bieter<br />

<strong>der</strong> Auftrag erteilt werden darf, kann dem öffentlichen <strong>Auftraggeber</strong> auch eine an<strong>der</strong>e<br />

Möglichkeit zu Gebote stehen, wenn diese in Übereinstimmung mit den grundlegenden<br />

Grundsätzen für die Vergabe öffentlicher Aufträge zu bringen ist, die <strong>der</strong> Gesetzgeber in § 97<br />

Abs. 1 und 2 GWB nie<strong>der</strong>gelegt hat. Ob eine solche Möglichkeit besteht und ergriffen<br />

werden soll, hat <strong>der</strong> öffentliche <strong>Auftraggeber</strong> in eigener Verantwortung zu klären und zu<br />

bestimmen. Das steht in Einklang mit § 26 Nr. 1 a VOL/A.<br />

2.3. Zur Vermeidung möglicher weiterer Vergabe<strong>nach</strong>prüfungsanträge weist die<br />

Vergabekammer auf folgen<strong>des</strong> hin.<br />

2.3.1. Raumgröße<br />

Das (kopierte) Angebot <strong>der</strong> Antragstellerin wäre wegen Nichterfüllung <strong>der</strong><br />

Min<strong>des</strong>tbedingungen <strong>der</strong> Ausschreibung hinsichtlich Min<strong>des</strong>twohnraumgröße pro


11<br />

unterzubringen<strong>der</strong> Personals Än<strong>der</strong>ung an den Verdingungsunterlagen <strong>nach</strong> § 25 Nr. 1 Abs.<br />

1 d) VOL/A zwingend auszuschließen gewesen.<br />

Der Begriff <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung ist weit auszulegen (OLG Frankfurt, B. v. 26.05.2009 - Az.: 11 Verg<br />

2/09; Urteil v. 03.07.2007 - Az.: 11 U 54/06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 22.07.2009 - Az.:<br />

VK-SH 06/09; B. v. 26.05.2009 - Az.: VK-SH 04/09; VK Südbayern, B. v. 26.06.2008 - Az.:<br />

Z3-3-3194-1-16-04/08). Ob die Verdingungsunterlagen im Angebot geän<strong>der</strong>t worden sind, ist<br />

durch Vergleich <strong>des</strong> Inhalts <strong>des</strong> Angebots mit den in den Verdingungsunterlagen gefor<strong>der</strong>ten<br />

Leistungen festzustellen (BSG, B. v. 22.04.2009 - Az.: B 3 KR 2/09 D; OLG Frankfurt, B. v.<br />

14.10.2008 - Az.: 11 Verg 11/2008; B. v. 25.07.2008 - Az.: 11 Verg 10/08; OLG Naumburg,<br />

B. v. 29.01.2009 - Az.: 1 Verg 10/08).<br />

Än<strong>der</strong>ungen können in Ergänzungen und Streichungen bestehen; sie können sich aber auch<br />

auf den (technischen) Inhalt <strong>der</strong> Leistungen beziehen. Eine Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Verdingungsunterlagen liegt daher vor, wenn <strong>der</strong> Bieter die zu erbringende Leistung<br />

abän<strong>der</strong>t und eine an<strong>der</strong>e als die ausgeschriebene Leistung anbietet (BSG, B. v. 22.04.2009<br />

- Az.: B 3 KR 2/09 D; OLG Düsseldorf, B. v. 17.11.2008 - Az.: VII-Verg 49/08).<br />

Es ist umstritten, ob bei einem Abweichen <strong>der</strong> angebotenen von <strong>der</strong> im Leistungsverzeichnis<br />

beschriebenen Leistung ein Fall <strong>der</strong> unzulässigen Än<strong>der</strong>ung an den Verdingungsunterlagen<br />

<strong>nach</strong> § 21 Nr. Abs. 4 VOL/A vorliegt, welcher zum Ausschluss <strong>des</strong> Angebots <strong>nach</strong> § 25 Nr. 1<br />

Abs. 1d VOL/A führt (so z.B. OLG Düsseldorf vom 12.3.2007 - Verg 53/06) o<strong>der</strong> ob ein nicht<br />

ausdrücklich in <strong>der</strong> VOL/A genannter Ausschließungsgrund wegen <strong>der</strong> sich nicht deckenden<br />

und damit nicht zu einem Vertragsschluss führenden Willenserklärungen angenommen wird<br />

(so z.B. OLG München vom 28.7.2008 - Verg 10/08). Unabhängig von <strong>der</strong> dogmatischen<br />

Einordnung ist jedenfalls ein zwingen<strong>der</strong> Ausschlussgrund gegeben (OLG München,<br />

Beschluss vom 02.03.2009 - Verg 1/09).<br />

Auf Seite II-9 <strong>der</strong> Verdingungsunterlagen unter II.3.2.2. (39 wird ausgeführt, dass sich die<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an die Räumlichkeiten verbindlich <strong>nach</strong> <strong>der</strong> Verwaltungsvorschrift <strong>des</strong><br />

Sächsischen Staatsministeriums <strong>des</strong> Innern über die Min<strong>des</strong>tempfehlungen zu Art, Größe<br />

und Ausstattung von Gemeinschaftsunterkünften und zur sozialen Betreuung (VwV –<br />

Unterbringung und soziale Betreuung) richtet. Dort wird ausgeführt:<br />

3.<br />

Empfehlungen <strong>des</strong> Staatsministeriums <strong>des</strong> Innern<br />

a) Individueller Wohnbereich<br />

aa) Zum individuellen Wohnbereich zählen die Wohn- und Schlafräume. Pro Bewohner soll<br />

die Wohn- und Schlafraumfläche von sechs Quadratmetern nicht unterschritten werden.<br />

Im Vertragstext unter § 3 Abs. 2 wird ausgeführt, dass <strong>der</strong> AN die in <strong>der</strong> VwV vorgesehene<br />

Min<strong>des</strong>tausstattung zu versehen bzw. diese zu erhalten hat.<br />

Im Formular F-11, Blatt 2 (Seite IV16 wird ausgeführt: Wohnfläche je Person (min<strong>des</strong>tens 6<br />

m²!).<br />

Hinsichtlich <strong>der</strong> Frage, ob eine Eigenschaft Bestandteil <strong>der</strong> Leistungsbeschreibung wird, ist<br />

beim Vergabeverfahren <strong>nach</strong> <strong>der</strong> VOL/A maßgebend <strong>der</strong> objektive Empfängerhorizont, also<br />

die Sicht <strong>der</strong> potentiellen Bieter (BGH, Urteil vom 23.1.2003 - Az.: VII ZR 10/01, Urteil vom<br />

18.4.2002 - Az: VII ZR 38/01, OLG Düsseldorf, B. v. 31.07.2007 - Az.: VII - Verg 25/07)<br />

maßgeblich.<br />

Nach Auffassung <strong>der</strong> Vergabekammer hat <strong>der</strong> <strong>Auftraggeber</strong> geäußert, er setzt als<br />

Min<strong>des</strong>tbedingung die Vorgaben <strong>der</strong> genannten Verwaltungsvorschrift. Insoweit hat <strong>der</strong><br />

<strong>Auftraggeber</strong> die Empfehlungen <strong>der</strong> Verwaltungsvorschrift verbindlich für die vorliegende<br />

Ausschreibung gestellt. Ob eine entsprechende Nutzung in Abweichung <strong>der</strong> empfohlenen<br />

Min<strong>des</strong>traumgröße zulässig wäre, ist vorliegend nicht erheblich. Entscheidend ist, ob die


12<br />

durch den Auftrageber aufgestellten und ungerügt gebliebenen Vorgaben erfüllt wurden o<strong>der</strong><br />

nicht. Insoweit besteht eine klare Vorgabe <strong>des</strong> <strong>Auftraggeber</strong>s. Die Vorgabe eine Unterkunft<br />

von min<strong>des</strong>tens 6 m² individuellen Wohnbereiches pro Person anzubieten, ist zwingend.<br />

Die im Mietrecht angewandte Toleranzgrenze von 10 % zur Bestimmung eines Mietmangels<br />

ist vorliegend nicht anzuwenden. Toleranzgrenzen sind dem Vergaberecht fremd. Auch<br />

kleinste Abweichungen führen hier zum Ausschluss, sofern <strong>der</strong> <strong>Auftraggeber</strong> diese nicht<br />

explizit zugelassen hat. Messungenauigkeiten im Vorfeld gehen zu Lasten <strong>des</strong> Bieters.<br />

Auch die von <strong>der</strong> Antragstellerin angesprochene Gesamtquadratmeterzahl, geteilt durch die<br />

Anzahl <strong>der</strong> Bewohner kann nicht Grundlage einer ausreichenden Wohnfläche sein. Die<br />

genannte Verwaltungsvorschrift spricht von einem individuellen Wohnbereich. Insofern<br />

können in den Räumen die die Wohnfläche von 18 m² unterschreiten, lediglich 2 Personen<br />

untergebracht werden. Die in den Verdingungsunterlagen vorgesehene Unterbringung von<br />

150 Personen erscheint damit <strong>nach</strong> dem Konzept <strong>der</strong> Antragstellerin nicht möglich.<br />

2.3.2. Sanierungskonzept.<br />

Der Zustand <strong>des</strong> Gebäu<strong>des</strong> entspricht in Anbetracht <strong>des</strong> vorgelegten Sanierungskonzepts<br />

vom 22.12.2009 nicht <strong>der</strong> Leistungsbeschreibung. Insoweit hätte ein Ausschluss <strong>nach</strong> §§ 25<br />

Nr. 1 Abs. 1 d), 21 Nr. 1 Abs. 4 VOL/A erfolgen müssen<br />

In den Verdingungsunterlagen wird unter III.3.2.2. ausgeführt:<br />

„Bauliche Voraussetzung und Min<strong>des</strong>tanfor<strong>der</strong>ungen an Art, Größe und Ausstattung.<br />

…<br />

(1)<br />

Die Gemeinschaftsunterkunft muss den jeweils geltenden Bau-, Gesundheits-, Brand- und<br />

unfallschutzrechtlichen Vorschriften entsprechen.<br />

(2) Die Unterbringung muss in einem festen Gebäude in einem intakten baulichen Zustand<br />

an einem Standort erfolgen.<br />

(6)<br />

Der AN hat den Landkreis bis zur Aufnahme <strong>der</strong> Leistung am 01.07.2010 über alle Vorbereitungsmaßnahmen<br />

und den Stand <strong>der</strong> Arbeiten zu informieren. Er hat hierzu mit Abgabe <strong>des</strong><br />

Angebotes einen verbindlichen Zeitplan vorzulegen (siehe Formular F 16, Teil IV) und<br />

sämtliche Verän<strong>der</strong>ungen gegenüber dem Stand bei Angebotsabgabe unverzüglich und unaufgefor<strong>der</strong>t<br />

dem <strong>Auftraggeber</strong> mitzuteilen.“<br />

Unter Nr. 13 <strong>der</strong> Ausfüllhinweise war angegeben, dass geplante Instandsetzungsarbeiten mit<br />

dem zeitlichen Ablauf anzugeben sind.<br />

Die angegebenen Maßnahmen <strong>des</strong> dem (kopierten) Angebot beigefügten<br />

Sanierungskonzeptes vom 22.12.2009 stellen nicht sicher, dass ein intakter baulicher<br />

Zustand hergestellt wird und die hygienischen Anfor<strong>der</strong>ungen sowie die Anfor<strong>der</strong>ungen an<br />

die Gesundheit erfüllt werden (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 18.02.2010 - Verg W<br />

2/10).<br />

So stellte das Gesundheitsamt <strong>des</strong> <strong>Auftraggeber</strong>s bereits mit Schreiben vom 15.03.2010 u.a.<br />

Feuchtigkeitsschäden und sich ausbreitende Schimmelbildung (massiver Art) fest. Das<br />

Sanierungskonzept weist hinsichtlich <strong>der</strong> Schimmelbildung nur Malerarbeiten aus. So wird<br />

ausgeführt: „ Maler: Malermäßige Instandsetzung aller Unterkünfte und<br />

Gemeinschaftsräume“. Diese Aussage ist in Anbetracht <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Verdingungsunterlagen nicht ausreichend. Insoweit war mit Angebotsabgabe die Darstellung<br />

<strong>der</strong> zustandsbedingt festgestellten Instandsetzungsarbeiten mit ihrem zeitlichen Ablaufplan


13<br />

gefor<strong>der</strong>t. Denn für den <strong>Auftraggeber</strong> ist es auf Grundlage <strong>des</strong> Angebots nicht einschätzbar,<br />

ob die kalkulierten Malerarbeiten ausreichend den Schimmel dauerhaft beseitigen.<br />

Soweit die Antragstellerin vorträgt, <strong>der</strong> Wasserschaden im Haus 1 sei erst <strong>nach</strong><br />

Angebotsabgabe aufgetreten, so ist sie auf die in den Verdingungsunterlagen unter III.3.2.2<br />

(6) genannte Pflicht zur Anzeige (siehe oben) zu verweisen.<br />

Auch im Übrigen erscheint das Sanierungskonzept durchaus lückenhaft. Viele <strong>der</strong> genanten<br />

Maßnahmen wurden nicht abschließend geprüft. Es wurde nur die Überprüfung, nicht die<br />

Durchführung <strong>der</strong> Maßnahmen zugesichert. Zur verbindlichen Darlegung <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen<br />

Instandsetzungsarbeiten ist eine Zustandserfasssung erfor<strong>der</strong>lich. Diese ist wohl nicht erfolgt<br />

o<strong>der</strong> zumin<strong>des</strong>t nicht hinreichend im Angebot dargestellt. Darüber hinaus fehlte eine<br />

Zeitschiene für die Abfolge <strong>der</strong> Instandsetzungsarbeiten.<br />

2.3.3. Wertungsmatrix<br />

Die angegebene Matrix zur Wertung <strong>des</strong> Realisierungskonzeptes, das mit in die Wertung<br />

eingehen soll, erscheint nicht ausreichend transparent.<br />

Eine Jury sollte ausweislich <strong>der</strong> Verdingungsunterlagen Punkte von 0-3 vergeben, ohne dass<br />

<strong>der</strong> Begriff Realisierungskonzept näher konkretisiert wurde. Die von dem <strong>Auftraggeber</strong> in <strong>der</strong><br />

mündlichen Verhandlung angegebenen Kriterien wie Raumgröße, Komfort, Entfernung zu<br />

Infrastruktur o<strong>der</strong> Freizeitmöglichkeiten sind objektiv messbar und für den Bieter<br />

kalkulationsrelevant.<br />

Ohne das Aufstellen einer Bewertungsmatrix erscheint die Wertung dieser objektiv<br />

feststellbaren Kriterien schwer <strong>nach</strong>vollziehbar. Insoweit muss im Nachgang <strong>nach</strong>vollziehbar<br />

sein, in welcher Hinsicht die Angebote besser o<strong>der</strong> schlechter zu bewerten waren. Um sich<br />

selbst die Entscheidung bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>des</strong> späteren Auftragnehmers zu erleichtern und<br />

Willkürvorwürfen vorzubeugen, kann es sich für den <strong>Auftraggeber</strong>, empfehlen, vorab eine<br />

Bewertungsskala (Matrix) aufzustellen. Durch eine Punktebewertung <strong>der</strong> einzelnen<br />

Auftragskriterien im Rahmen einer Bewertungsskala mit <strong>der</strong> jeweiligen Zuordnung zu den<br />

Bewerbern wird darüber hinaus auch die Aufnahme in den Vergabevermerk transparenter<br />

und damit letztlich auch <strong>nach</strong>vollziehbarer. Eine lediglich "vergleichende" Bewertung<br />

unabhängig von jedweden fixierten Wertungsmaßstäben ist vergaberechtswidrig (vgl. VK<br />

Sachsen, Beschluss vom 08.01.2010 - 1/SVK/059-09).<br />

Auch wenn die Methodik <strong>der</strong> Bewertung <strong>der</strong> Eignung im Beurteilungsspielraum <strong>des</strong><br />

<strong>Auftraggeber</strong>s steht, ist zu for<strong>der</strong>n, dass ein Bewertungsmaßstab entwickelt wird, <strong>der</strong> es im<br />

Nachgang ermöglicht, schlüssig <strong>nach</strong>zuvollziehen, anhand welcher Kriterien – und nicht<br />

ausschließlich anhand welcher durch den Teilnehmer vorgelegten Fakten- die Eignung<br />

festzustellen war. Der Beurteilungsspielraum <strong>des</strong> <strong>Auftraggeber</strong>s darf mangels bestimmten<br />

o<strong>der</strong> bestimmbaren Beurteilungsmaßstabes nicht dazu führen, dass die vorgelegten Daten<br />

und Fakten eine Begründung in die eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Richtung erlauben (VK Sachsen,<br />

Beschluss vom 09.02.2009 - 1/SVK/071-08).<br />

Der öffentliche <strong>Auftraggeber</strong> darf im Rahmen eines Vergabeverfahrens nicht <strong>nach</strong>träglich<br />

Gewichtungskoeffizienten und Unterkriterien für die in den Verdingungsunterlagen o<strong>der</strong> in<br />

<strong>der</strong> Vergabebekanntmachung genannten Zuschlagskriterien festlegen. Insbeson<strong>der</strong>e darf er<br />

die Wertungsmatrix nicht erst <strong>nach</strong> Submission festlegen, wenn - wie in aller Regel - die<br />

abstrakte Gefahr nicht ausgeschlossen werden kann, dass er sie in Kenntnis <strong>der</strong><br />

Angebotsinhalte zum Vorteil o<strong>der</strong> Nachteil eines einzelnen Bieters ausgestaltet (VK<br />

Sachsen, Beschluss vom 05.05.2009 - 1/SVK/009-09).<br />

So ist zudem zu prüfen, ob maßgebliche Unterkriterien bekannt zu geben sind und ob<br />

insoweit die Bekanntgabe <strong>der</strong> Wertungsmatrix an die Bieter angeraten ist. Die Festlegung


14<br />

von Unterkriterien und ihrer Gewichtung <strong>nach</strong> Veröffentlichung <strong>der</strong> Bekanntmachung und<br />

Versendung <strong>der</strong> Verdingungsunterlagen unterliegt <strong>nach</strong> <strong>der</strong> Rechtsprechung <strong>des</strong> EuGH drei<br />

Beschränkungen: Der öffentliche <strong>Auftraggeber</strong> darf keine Unterkriterien aufstellen, welche<br />

die bekannt gegebenen Zuschlagskriterien abän<strong>der</strong>n. Die <strong>nach</strong>träglich die Unterkriterien<br />

betreffende Entscheidung darf keine Gesichtspunkte enthalten, die die Vorbereitung <strong>der</strong><br />

Angebote hätten beeinflussen können, wenn sie zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Vorbereitung bekannt<br />

gewesen wären. Schließlich darf <strong>der</strong> <strong>Auftraggeber</strong> keine Unterkriterien festlegen, welche<br />

geeignet sind, Bieter zu diskriminieren. Ist nur eine Beschränkung nicht beachtet worden,<br />

liegt ein mit dem Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren<strong>der</strong> Vergaberechtsverstoß <strong>des</strong><br />

öffentlichen <strong>Auftraggeber</strong>s vor (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.01.2008 - Verg 31/07).<br />

Auch <strong>nach</strong> <strong>der</strong> jüngsten Rechtsprechung <strong>des</strong> EuGH entschieden darf <strong>der</strong> öffentliche<br />

<strong>Auftraggeber</strong> im Rahmen eines Vergabeverfahrens nicht <strong>nach</strong>träglich<br />

Gewichtungskoeffizienten und Unterkriterien für die in den Verdingungsunterlagen o<strong>der</strong> in<br />

<strong>der</strong> Vergabebekanntmachung genannten Zuschlagskriterien festlegen (EuGH, Urteil vom<br />

24.01.2008 - Rs. C-532/06). Auch in <strong>der</strong> genannten Entscheidung stellt <strong>der</strong> EuGH klar, dass<br />

eine Erstellung von Kriterien, insbeson<strong>der</strong>e Unterkriterien <strong>nach</strong> Öffnung von Angeboten -<br />

vorliegend Teilnahmeanträgen- vergaberechtswidrig ist. Das ist auch <strong>nach</strong>vollziehbar, denn<br />

ansonsten könnte die Vergabestelle das Bewertungsschema am von ihr bevorzugten Bieter<br />

bzw. Teilnehmer ausrichten.<br />

Auch sind die verschiedenen Zuschlagskriterien in ein entsprechen<strong>des</strong> Verhältnis zu setzen<br />

(VK Sachsen, Beschluss vom 14.04.2008 - 1/SVK/013-08).<br />

Entschließt sich <strong>der</strong> <strong>Auftraggeber</strong>, zur Ermittlung <strong>des</strong> wirtschaftlichsten Angebotes für die<br />

benannten Zuschlagskriterien ein unterschiedliches Wertungssystem anzuwenden, so muss<br />

dieses System mit den Bewertungsmaßstäben <strong>des</strong> an<strong>der</strong>en Systems <strong>der</strong>gestalt kompatibel<br />

sein, dass im Ergebnis den einzelnen Kriterien die verlautbarte Gesamtgewichtung zukommt<br />

und nicht durch die unterschiedlichen Wertungssysteme eine Verzerrung <strong>der</strong> ursprünglichen<br />

Wichtungsfaktoren entsteht. Dies erfor<strong>der</strong>t, dass sich die unterschiedlichen<br />

Wertungssysteme in ein sinnvolles Verhältnis zueinan<strong>der</strong> bringen lassen und eine<br />

sachbezogene Ausfüllung zulassen (VK Sachsen, Beschluss vom 14.04.2008 - 1/SVK/013-<br />

08 ;VK Sachsen, Beschluss vom 11.08.2006 - 1/SVK/073-06 vgl. auch VK Schleswig-<br />

Holstein, Beschluss vom 22.01.2010 - VK-SH 26/09).<br />

Durch eine von <strong>der</strong> Vergabestelle verwendete Formel zur Umrechnung <strong>der</strong> Angebotspreise<br />

in Punkte wird die Wertung <strong>des</strong> Kriteriums "Preis" beeinflusst. Daher ist diese vor Ablauf <strong>der</strong><br />

Angebotsfrist bekannt zu geben (VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22.01.2010 - VK-<br />

SH 26/09).<br />

III.<br />

Als unterliegende Partei trägt <strong>der</strong> <strong>Auftraggeber</strong> die Kosten <strong>des</strong> Verfahrens (§ 128 Abs. 3<br />

Satz 1 GWB) einschließlich <strong>der</strong> zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen<br />

Aufwendungen <strong>der</strong> Antragstellerin (§ 128 Abs. 4 Satz 2 GWB). Die Beigeladene hat in <strong>der</strong><br />

mündlichen Verhandlung keinen Antrag gestellt. Damit nimmt sie nicht am Kostenrisiko teil<br />

(vgl. OLG Schleswig, B. vom 02.08.2004 - 6 Verg 15/03).<br />

Die Höhe <strong>der</strong> Gebühr bestimmt sich <strong>nach</strong> dem personellen und sachlichen Aufwand <strong>der</strong> erkennenden<br />

Vergabekammer unter Berücksichtigung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Bedeutung <strong>des</strong> Gegenstan<strong>des</strong><br />

<strong>des</strong> Nachprüfungsverfahrens (§ 128 Abs. 2 GWB). Der Gesetzgeber hat mit<br />

dieser an § 80 Abs. 2 GWB angelehnten Regelung klargestellt, dass - wie im<br />

Kartellverwaltungsverfahren - vorrangig auf die wirtschaftliche Bedeutung <strong>des</strong> Verfahrens<br />

abzustellen ist (Kollmorgen in Langen/Bunte GWB, 8. Auflage 1998, § 80 Rdnr. 18). Die<br />

Vergabekammern <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> haben eine zum 01.01.2010 überarbeitete Gebührenstaffel


15<br />

erarbeitet, die die erkennende Vergabekammer im Interesse einer bun<strong>des</strong>einheitlichen<br />

Handhabung übernimmt. Diese Staffel sieht in Abhängigkeit vom wirtschaftlichen<br />

Hintergrund <strong>der</strong> Antragstellerin (Angebotssumme) eine Gebühr in Höhe von XXXXXX € vor.<br />

Dieser Betrag kann entsprechend § 128 Abs. 2 Satz 2 GWB ermäßigt werden, ggf. bis auf<br />

ein Zehntel. Als Gründe einer Ermäßigung sind dabei nur solche Gesichtspunkte zu<br />

berücksichtigen, die im Zusammenhang mit <strong>der</strong> wirtschaftlichen Bedeutung sowie dem<br />

erfor<strong>der</strong>lichen Verwaltungsaufwand stehen (vgl. Boesen, a.a.O., Rn. 16 ff. zu § 128).<br />

Gründe, die dies rechtfertigten, waren hier nicht gegeben. Der <strong>Auftraggeber</strong> ist jedoch<br />

gemäß § 8 VwKostG von <strong>der</strong> Entrichtung <strong>der</strong> Gebühr befreit.<br />

Geson<strong>der</strong>te Auslagen, welche nicht bereits durch die Gebühr bei <strong>der</strong> Vergabekammer<br />

abgegolten wären, sind nicht angefallen.<br />

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten <strong>der</strong> Antragstellerin war für<br />

das Hauptsacheverfahren gemäß § 128 Abs. 4 S. 1 GWB i. V. m. § 80 VwVfG notwendig.<br />

Beim Vergaberecht handelt es sich auch aufgrund vielfältiger europarechtlicher<br />

Überlagerung um eine wenig übersichtliche und zudem stetigen Verän<strong>der</strong>ungen<br />

unterworfene Rechtsmaterie, die wegen <strong>des</strong> gerichtsähnlich ausgestalteten Verfahrens bei<br />

<strong>der</strong> Vergabekammer bereits prozessrechtliche Kenntnisse verlangt. Hinzu kommt, dass hier<br />

umfassende Fragen zur Auslegung <strong>der</strong> Verdingungsunterlagen und zur Wertung <strong>der</strong><br />

Angebote unter Bezugnahme zur vergaberechtlichen Rechtsprechung Gegenstand <strong>des</strong><br />

Vergabe<strong>nach</strong>prüfungsverfahrens waren.<br />

IV.<br />

Gegen die Entscheidungen <strong>der</strong> 1. Vergabekammer <strong>des</strong> Freistaates Sachsen ist gem. § 116<br />

Abs. 1 GWB die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist binnen einer Notfrist von zwei<br />

Wochen, die mit <strong>der</strong> Zustellung <strong>der</strong> Entscheidung beginnt (§ 117 Abs. 1 GWB), schriftlich<br />

beim Beschwerdegericht einzulegen. Beschwerdegericht für die 1. Vergabekammer <strong>des</strong><br />

Freistaates ist das OLG Dresden, Vergabesenat, Schlossplatz 1, 01067 Dresden. Die<br />

Beschwerde muss zugleich mit ihrer Einlegung begründet werden (§ 117 Abs. 2 GWB. Die<br />

Beschwerdebegründung muss enthalten: die Erklärung, inwieweit die Entscheidung <strong>der</strong><br />

Kammer angefochten wird und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, die Angabe<br />

<strong>der</strong> Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt. Die Beschwer<strong>des</strong>chrift<br />

muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von<br />

juristischen Personen <strong>des</strong> öffentlichen Rechts. Mit <strong>der</strong> Einlegung <strong>der</strong> Beschwerde sind die<br />

an<strong>der</strong>en Beteiligten <strong>des</strong> Verfahrens vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer<br />

Ausfertigung <strong>der</strong> Beschwer<strong>des</strong>chrift zu unterrichten. Die sofortige Beschwerde hat<br />

aufschiebende Wirkung gegenüber <strong>der</strong> Entscheidung <strong>der</strong> Vergabekammer. Die<br />

aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen <strong>nach</strong> Ablauf <strong>der</strong> Beschwerdefrist.

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