08.10.2013 Aufrufe

Kammergericht

Kammergericht

Kammergericht

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Geschäftsnummer:<br />

KartVerg 8/01<br />

<strong>Kammergericht</strong><br />

In dem Vergabenachprüfungsverfahren<br />

der G. A. GmbH,<br />

vertreten durch die Geschäftsführer<br />

Beschluss<br />

Antragstellerin und Beschwerdegegnerin,<br />

- Verfahrensbevollmächtigte:<br />

CMS Hasche, Sigle, Eschenlohr, Peltzer, Schäfer,<br />

Markgrafenstraße 36, 10117 Berlin -<br />

g e g e n<br />

die H.-Universität<br />

Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin,


- Verfahrensbevollmächtigte:<br />

Anwaltskanzlei Dittert,<br />

Rechtsanwälte Katrin Dittert, Dietrich Schultz,<br />

Matthias Schmutzler, Christiane Feist,<br />

Heylstraße 33, 10825 Berlin -<br />

Beigeladene:<br />

B. GmbH<br />

- Verfahrensbevollmächtigter:<br />

Rechtsanwalt Riko H. Bloeß,<br />

Erftstraße 1, 50170 Kerpen -<br />

hat der Vergabesenat des <strong>Kammergericht</strong>s auf Grund der mündlichen<br />

Verhandlung vom 7. November 2001 durch die Richter am <strong>Kammergericht</strong><br />

Gröning, Dr. Rejewski und Crass b eschlossen:<br />

2<br />

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der<br />

Vergabekammer des Landes Berlin, 1. Beschlussabteilung,<br />

- VK B 1 - 16/01 - vom 31. August 2001 wird mit der<br />

Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antragsgegnerin<br />

untersagt wird, im Vergabeverfahren ÖL 01/01 den Auftrag<br />

zu vergeben, ohne die Angebote zuvor erneut unter<br />

Berücksichtigung der Rechtsauffassung der<br />

Vergabekammer und des Vergabesenats gewertet zu<br />

haben.<br />

Auf die Anschlussbeschwerde wird festgestellt, dass die<br />

Antragstellerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist, dass<br />

die Antragsgegnerin den Teilumzug der Archiv- und<br />

Magazinbestände aus dem Gebäude Salzufer 14 im<br />

Freihändigen Verfahren vergeben und abgewickelt hat.<br />

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des<br />

Beschwerdeverfahrens zu tragen.


Gründe:<br />

3<br />

A. Die H.-Universität zu Berlin (im Folgenden: Vergabestelle) plante, zwischen<br />

dem 2. Juli und 28. September 2001 umfangreiche Magazin - und<br />

Archivbestände von Büchern und Zeitschriften aus den Gebäuden Salzufer 14,<br />

Dorotheenstraße 27 und Auguststraße 90 zum neuen Landesarchiv Berlin am<br />

Eichborndamm 113 - 121 sowie innerhalb des Gebäudekomplexes<br />

Dorotheenstraße 27 umzulagern. Ihre Kostenschätzung belief sich auf<br />

490.000,00 DM. Sie schrieb den Umzugstransport im offenen Verfahren nach<br />

der VOL/A unter der Bezeichnung ÖL 01/01 aus. Die Antragstellerin bewarb<br />

sich mit dem preisgünstigsten Angebot (? DM) und unter Einreichung<br />

zahlreicher Referenzen. Die Vergabestelle teilte ihr mit Schreiben vom 31. Mai<br />

2001 mit, ihr Angebot sei in den Punkten<br />

1. funktionale Leistungsbeschreibung,<br />

2. Verpackungs- und Beladungstechnologie,<br />

3. Haftpflichtversicherung,<br />

4. Leitsystem für Signaturen,<br />

5. Projektverantwortlicher,<br />

6. Verpackungsökologie<br />

unvollständig und forderte die Antragstellerin auf, die Informationen<br />

nachzureichen, was diese umgehend tat. Die Antragsgegnerin schloss das<br />

Angebot der Antragstellerin alsdann gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A mit der<br />

Begründung aus, ihre Preiskalkulation sei nicht auskömmlich, der geplante<br />

Einsatz von Kräften und Mitteln stehe im Missverhältnis zur Umzugsmasse.<br />

Den Auftrag wollte die Vergabestelle an die Beigeladene vergeben, die mit<br />

? DM das preislich zweitgünstigste Angebot abgegeben hatte. Auf den<br />

Nachprüfungsantrag der Antragstellerin hat die Vergabekammer des Landes<br />

Berlin die Vergabestelle mit bestandskräftigem Beschluss vom 10. Juli 2001<br />

verpflichtet, das Angebot der Antragstellerin in die Wertung aufzu nehmen und


4<br />

die gesamte Wertungsphase unter Wertung aller eingegangenen Angebote zu<br />

wiederholen.<br />

Im Rahmen dieser erneuten Wertung schloss die Vergabestelle die<br />

Antragstellerin abermals aus, und zwar nunmehr mit der auf § 25 Nr. 1 Abs. 2a<br />

VOL/A gestützten Begründung, ihre Angebotsunterlagen seien unvollständig<br />

gewesen. Der von der Antragstellerin dagegen gestellte Nachprüfungsantrag<br />

hatte erstinstanzlich wiederum Erfolg; mit Beschluss vom 31. August 2001<br />

verpflichtete die Vergabekammer die Vergabestelle, die gesamte<br />

Wertungsphase unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Kammer zu<br />

wiederholen.<br />

Nachdem das Mietverhältnis für die Räume im Gebäude Salzufer 14 gekündigt<br />

war, entschloss sich die Vergabestelle, den Teilumzug der dort gelagerten<br />

Bestände in einem Freihändigen Vergabeverfahren gesondert zu vergeben, und<br />

forderte drei Unternehmen, zu denen die Antragstellerin nicht gehörte, am 3.<br />

September 2001 auf, bis zum gleichen Tage 14 Uhr entsprechende Angebote<br />

einzureichen. Der Auftrag wurde an die Beigeladene vergeben und ist<br />

inzwischen abgewickelt.<br />

Mit ihrer sofortigen Beschwerde beantragt die Antragsgegnerin,<br />

den angefochtenen Beschluss der Vergabekammer vom<br />

31. August 2001 aufzuheben und die Zuziehung eines<br />

Bevollmächtigten für die Beschwerdeführerin für notwendig<br />

zu erklären.


Die Antragstellerin beantragt,<br />

5<br />

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen und<br />

festzustellen, dass sie in ihren Rechten verletzt ist, soweit<br />

der Auftrag ÖL 01/01 inzwischen abgewickelt worden ist.<br />

B. Die zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.<br />

I. Der Senat hat von Amts wegen geprüft, ob die Vergabekammer die Frist des<br />

§ 113 Abs. 1 GWB nicht eingehalten und das Auswirkungen auf die<br />

Begründetheit des Rechtsmittels haben könnte. Das ist jedoch zu verneinen.<br />

Allerdings lässt sich die Einhaltung der Entscheidungsfrist des § 113 Abs. 1<br />

GWB durch die Kammer nicht sicher beurteilen. Nach dieser Bestimmung trifft<br />

und begründet sie ihre Entscheidung innerhalb einer Frist von fünf Wochen ab<br />

Eingang des Nachprüfungsantrags (hier: am 1. August 2001). Diese Frist lief<br />

mit dem 5. September 2001 ab (zur Fristberechnung vgl. Beck'scher VOB/A -<br />

Kommentar § 116 Rn. 39). Die Vergabekammer hat zwar am 31. August 2001<br />

einen von allen Mitgliedern unterschriebenen Beschluss gefasst. Dieser en thielt<br />

jedoch nur den Tenor der am 7. September 2001 zugestellten Entsche idung,<br />

nicht aber die - für die Frist maßgebliche - Begründung. Die Vergabekammer<br />

sollte im Interesse der Rechtsklarheit künftig dafür Sorge tragen, dass in ihren<br />

Akten dokumentiert ist, wann die begründete und unterschriebene<br />

Entscheidung vorgelegen hat (zu den in Betracht kommenden Modalitäten vgl.<br />

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22. Januar 2001 - Verg 24/00, Vergaberecht<br />

2001, 154, 156).<br />

Der Senat brauchte im vorliegenden Fall allerdings keine diesbezüglichen<br />

Feststellungen zu treffen, weil selbst die verspätete Entscheidung nicht einem<br />

nichtigen Verwaltungsakt mit der Folge gleichzusetzen wäre, dass der


Nachprüfungsantrag wegen Überschreitung der Entscheidungsfrist als<br />

abgelehnt gilt (§ 116 Abs. 2 GWB). Mit dieser Ablehnungsfiktion des § 116<br />

Abs. 2 GWB wollte der Gesetzgeber nur für die Antragstellerseite die<br />

Möglichkeit schaffen, sich beschleunigt gegen eine etwaige Untätigkeit der<br />

6<br />

Vergabekammer effektiv zur Wehr zu setzen. Die Fiktion der Ablehnung geht<br />

aber nicht so weit, dass die bis Fristablauf unterbliebene Entscheidung einem<br />

existierenden Verwaltungsakt gleichgesetzt werden müsste, zu dem sich ein<br />

zweiter, nämlich die verspätete Entscheidung, in Widerspruch stellte und der<br />

deshalb als nichtig (§ 44 Abs. 1 VwVfG) anzusehen wäre. Im Übrigen wäre auf<br />

die Entscheidungen der Vergabekammern nach § 114 Abs. 1 GWB § 44 VwVfG<br />

nicht anwendbar. Dagegen spricht ihr Urteilscharakter. Wie die Rechtslage zu<br />

beurteilen ist, wenn ein Antragsteller nach Fristablauf, aber vor der verspätet<br />

ergangenen Entscheidung bereits sofortige Beschwerde eingelegt hat, kann<br />

hier offen bleiben, weil ein solcher Fall nicht vorliegt.<br />

II. Die Vergabekammer hat zu Recht entschieden, dass der Ausschluss der<br />

Antragstellerin nicht rechtmäßig war. Eine Auftragsvergabe im laufenden<br />

Vergabeverfahren ohne erneute, das Angebot der Antragstellerin<br />

einbeziehende Wertung wäre vergaberechtswidrig.


7<br />

1. Die Vergabestelle hat ihre Ausschlussentscheidung damit begründet, dem<br />

Angebot der Antragstellerin seien 11 in den Verdingungsunterlagen geforderte<br />

Unterlagen nicht beigefügt gewesen. Zu den fehlenden Unterlagen hat sie auch<br />

die oben unter A. unter den Nrn. 1 bis 5 genannten gezählt, die die<br />

Antragstellerin am 31. Mai 2001 auf Anforderung der Vergabestelle eingereicht<br />

hatte. Daneben hätten noch gefehlt:<br />

• eine Erklärung über den Gesamtumsatz des Unternehmens,<br />

• Angaben über die beschäftigten Mitarbeiter, aufgegliedert nach<br />

Berufsgruppen,<br />

• Angaben über die dem Unternehmen zur Verfügung stehen den und zum<br />

Einsatz kommenden technologischen Hilfsmittel,<br />

• eine Bescheinigung des Finanzamtes zur Zahlung von Steuern,<br />

• Nachweise zur Zahlung von Beiträgen zu den Krankenkassen und<br />

Berufsgenossenschaften sowie<br />

• die Gewerbeanmeldung, ggf. Handelsregisterauszug.<br />

Die Vergabestelle hat sich auf den Standpunkt gestellt, nachdem die<br />

Vergabekammer ihr eine Neuwertung der Angebote aufgegeben habe, hätte sie<br />

auch die ihr vorliegenden, nachgereichten Unterlagen nicht verwerten dürfen.<br />

Eine Berücksichtigung dieser nach Ablauf der Angebotsfrist nachgeforderten<br />

Unterlagen hätte zu einer Verzerrung des Wettbewerbs geführt. Zwar liege es<br />

im Ermessen der Vergabestelle, fehlende Unterlagen nachzufordern. Im<br />

Vergleich zu den übrigen Bietern sei das Angebot der Antragstellerin aber in<br />

einem so signifikanten Maß unvollständig gewesen, dass das spätere Einholen<br />

der benötigten Unterlagen sich wettbewerbsverzerrend ausgewirkt hätte. Im<br />

Übrigen hätten auch die nachgereichten Unterlagen keinen Aufschluss<br />

insbesondere über die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit und<br />

Zuverlässigkeit der Antragstellerin zugelassen.<br />

2. Mit diesen Erwägungen durfte die Vergabestelle das Angebot der<br />

Antragstellerin nicht von der Wertung ausschließen. Nach § 97 Abs. 7 GWB<br />

haben die Bieter Anspruch auf Einhaltung der Bestimmungen über das


8<br />

Vergabeverfahren. Dazu gehören nicht nur die in § 97 Abs. 1 bis 5 GWB sowie<br />

die in der VgV und den Verdingungsordnungen ausdrücklich enthaltenen<br />

bieterschützenden Regelungen. Dazu gehören auch ganz allgemeine von der<br />

Verwaltung zu beachtende Grundsätze wie das aus dem Gebot von Treu und<br />

Glauben herzuleitende Prinzip, sich nicht in Widerspruch zu eigenem<br />

vorangegangen rechtserheblichen Tun zu setzen, das Gebot der<br />

Verfahrensfairness. Auch verwaltungsrechtliche Grundgedanken wie der der<br />

Regelung in § 51 VwVfG zu Grunde liegende Grundsatz, dass rechtmäßige<br />

begünstigende Maßnahmen nicht ohne weiteres widerrufen werden können,<br />

und der der Selbstbindung der Verwaltung sind stets zu beachten. Hiernach<br />

durfte die Vergabestelle die auf ihre eigene Anforderung nachgereichten<br />

Unterlagen nicht so behandeln, als wären sie gar nicht eingereicht. Die<br />

bestandskräftige Entscheidung der Vergabekammer, die zu Gunsten der<br />

Antragstellerin eine neue Wertung der Angebote angeordnet hatt e, war unter<br />

keinen Umständen so zu verstehen, dass diese Unterlagen ausgeklammert<br />

werden sollten, auch wenn sie innerhalb der aufgehobenen Angebotswertung<br />

nachgefordert worden waren. Dass die Kammer angeordnet hat, diese<br />

Wertungsphase unter Wertung aller eingegangenen Angebote zu wiederholen,<br />

konnte die Vergabestelle bei unvoreingenommener Betrachtung nicht als<br />

Rechtfertigung dafür betrachten, die vorhandenen Unterlagen als nicht<br />

vorhanden zu behandeln. Die Vergabestelle bleibt daran gebunden, dass sie<br />

diese Unterlagen nachträglich angefordert hat, zumal sie, was den Grun dsatz<br />

der Gleichbehandlung (§ 97 Abs. 2 GWB) berührt, auch von der Beigeladenen<br />

Unterlagen nachgefordert hatte. Die Vergabestelle hat das Angebot der<br />

Antragstellerin nach alledem zu Unrecht ausgeschlossen. Die vorgenommene<br />

Wertung ist mit so erheblichen Mängeln behaftet, dass sich eine Vergabe des<br />

Auftrags ohne erneute Wertung verbietet.<br />

3. Diese neuerliche Wertung lässt sich auch nicht deshalb vermeiden, weil die<br />

nachgereichten Unterlagen, wie die Antragsgegnerin in dem<br />

Ausschlussschreiben gemeint hat, keinen Aufschluss auf die wirtschaftliche und


9<br />

finanzielle Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit zuließen. Diese Begründung<br />

ist zum einen genauso formelhaft, inhaltsleer und nicht nachvollzie hbar, wie das<br />

in diesem Schreiben von der Vergabestelle ebenfalls angeführte Argument der<br />

Wettbewerbsverzerrung. Zum anderen ist zu bedenken, dass die Vergabestelle<br />

sich am 31. Mai 2001 darauf beschränkt hatte, Unterlagen zu 6 bestimmten<br />

Gesichtspunkten nachzufordern. Sie konnte und kann den Ausschluss ohne<br />

Verletzung des Gebots der Transparenz und Verfahrensfairness nicht ohne<br />

weiteres damit begründen, dass die eingereichten Unterlagen unzureichend<br />

waren und andere, die sie derzeit aber nicht nachgefordert hatte, weiter fehlen.<br />

Da die Antragstellerin noch fehlende Unterlagen inzwischen zumindest im<br />

Nachprüfungsverfahren eingereicht hat, wird die Antragsgegnerin auch diese<br />

bei ihrer erneuten Wertung zu berücksichtigen haben.<br />

4. Die Vergabestelle kann sich für die Rechtmäßigkeit des<br />

Angebotsausschlusses auch nicht auf die im Nachprüfungsverfahren<br />

nachgeschobene Begründung stützen, das Angebot der Antragstellerin sei nicht<br />

rechtmäßig unterschrieben, weil es allein von ihrem Prokuristen Schnittker<br />

unterzeichnet worden ist.<br />

Allerdings ergibt sich die rechtliche Verbindlichkeit des Angebots nicht, wie die<br />

Vergabekammer meint, aus § 50 HGB. Nach den gesellschaftsvertraglichen<br />

Bestimmungen vertritt Prokurist Schnittker die Gesellschaft in Gemeinschaft mit<br />

einem Geschäftsführer. Eine solche Erteilung der Prokura ist nach § 48 HGB<br />

zulässig und stellt keine unwirksame Beschränkung der Prokura i. S. v. § 50<br />

HGB dar. Bei der Frage, ob ein im Sinne der §§ 145 ff. BGB verbindliches<br />

Angebot vorliegt, sind jedoch die Fragen der bürgerlichrechtlichen Wirksamkeit<br />

und des durch die Handelsregistereintragung begründeten Rechtsscheins<br />

auseinander zu halten. Die Antragstellerin hat unwidersprochen vorgetragen,<br />

dass die Geschäftsführer den Prokuristen zur Angebotsabgabe bevollmächtigt<br />

hatten. Deshalb lag bei Eröffnung ein verbindliches Angebot der Antragstellerin<br />

vor. Da die Unterschrift nicht mit der Handelsregistereintragung übereinstimmte,


10<br />

hätte die Antragstellerin sich, wenn der Prokurist vollmachtlos gehandelt und<br />

auch nicht die Voraussetzungen einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht<br />

vorgelegen hätten, zwar in der Tat von dem Angebot lösen können. Sie hat dies<br />

jedoch nicht getan, sondern sogar daran festgehalten, als ihr durch die erste<br />

Ausschlussentscheidung klar geworden sein musste, dass ihr Angebot deutlich<br />

günstiger war, als das der Konkurrenten. Vielmehr will die Antrag sgegnerin sich<br />

auf den Rechtsschein der Registereintragung berufen, um sich vom Angebot<br />

der ihr ersichtlich unerwünschten Antragstellerin lösen zu kö nnen. Das ist<br />

jedoch nicht Sinn und Zweck der Rechtsscheinwirkung von<br />

Handelsregistereintragungen. In formeller Hinsicht bemerkt der Senat, dass der<br />

öffentliche Auftraggeber gehalten ist, eventuelle Zweifel an der<br />

Rechtsverbindlichkeit der Unterschrift zunächst durch Nachfrage zu beseitigen<br />

(vgl. Beck’scher VOB/A-Kommentar/Prieß § 21 Rn. 13 f.). Das gilt jedenfalls bei<br />

einem Vergabeverfahren nach der VOL/A, weil bei der Eröffnung der Angebote<br />

keine Bieter zugelassen sind und sie deshalb die nachträgliche Frage nach der<br />

Rechtsverbindlichkeit der Unterschrift nicht mit taktischen Überlegungen dazu<br />

verknüpfen können, ob sie am Angebot festhalten wollen.<br />

III. Nachdem der Auftrag unter Verletzung des Zuschlagsverbots teilweise<br />

vergeben worden ist, wie der Senat im Verfahren KartVerg 10/01 festgestellt<br />

hat, war auf den zulässigerweise im Wege der Anschlussbeschwerde gestellten<br />

Antrag der Antragstellerin festzustellen, dass diese in ihrem Recht auf<br />

Einhaltung des Zuschlagsverbots durch den öffentlichen Auftraggeber verletzt<br />

ist.<br />

IV. Für das erneute Verfahren bemerkt der Senat:<br />

Nachdem bereits zweimal in das Vergabeverfahren eingegriffen werden<br />

musste, weil die Antragstellerin in ihrem Recht auf Einhaltung der dafür<br />

geltenden Bestimmungen durch Verstöße gegen grundlegende<br />

Verfahrensprinzipien verletzt worden ist, hält der Senat es für angezeigt, dass


11<br />

die Wertung von anderen Mitarbeitern der Vergabestelle vorgenommen wird,<br />

weil hinsichtlich der bisher damit befassten die Gefahr der Voreingenommenheit<br />

nicht mehr von der Hand zu we isen ist.<br />

Sollte die Vergabestelle sich erneut der Frage der mangelnden<br />

Auskömmlichkeit des Angebots der Antragstellerin zuwenden, wird sie die sich<br />

aus der Entscheidung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 21.<br />

November 2000 (wistra 2001, 103) ergebenden Grundsätze zu berücksichtigen<br />

haben. Voraussetzung für einen Angebotsausschluss ist danach nicht nur ein<br />

offensichtliches Missverhältnis zwischen Preis und Leistung, sondern es muss<br />

darüber hinaus zu erwarten sein, dass der Auftragnehmer wegen die ses<br />

Missverhältnisses in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät und den Auftrag<br />

deshalb nicht oder nicht ordnungsgemäß ausführen kann. Dagegen besteht für<br />

die öffentliche Hand kein Hindernis, auch so genannte Unter -Kosten-Preise zu<br />

akzeptieren, sofern der Anbieter zu diesen Preisen zuverlässig leisten kann.<br />

Sollte die Vergabestelle gezwungen sein, die Ausschreibung aufzuheben, weil<br />

die Kalkulationsgrundlagen für die eingereichten Angebote durch die<br />

Teilvergabe entfallen sind und auch der Bieter mit dem bisher wirtschaftlichsten<br />

Angebot nicht bereit ist, den Auftrag zu proportional herabgesetzten Preisen<br />

auszuführen, wird der neue Auftrag ebenfalls nach dem 2. Abschnitt der VOL/A<br />

gemeinschaftsweit auszuschreiben sein, auch wenn der Schwellenwert<br />

hinsichtlich des Rests nicht mehr erreicht ist. Die Vergabestelle darf sich dem<br />

Wettbewerb nicht dadurch entziehen und die Voraussetzungen für eine wen iger<br />

wettbewerbsintensive Vergabe schaffen, dass sie den Auftrag teilweise<br />

abgewickelt hat.<br />

Die Vergabestelle wird schließlich dem Hinweis der Vergabekammer<br />

nachzugehen haben, dass u. a. die Beigeladene ihrem Angebot eigene<br />

Geschäftsbedingungen beigefügt hat, und zu prüfen haben, ob darin eine<br />

Abweichung von den Vergabeunterlagen liegen könnte.


12<br />

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.<br />

Dr. Rejewski Crass Gröning

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!