Leitfaden Dialogmarketing - Absolit
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T. Schwarz: <strong>Leitfaden</strong> <strong>Dialogmarketing</strong> / Kap. 10 Branchen<br />
Erwartungen der<br />
tatsächlichen<br />
und potentiellen<br />
Förderer<br />
bestimmen<br />
die Konzepte<br />
und Inhalte<br />
der Marketingmaßnahmen<br />
Die Ziele des Volksbundes haben sich im Laufe der Jahre kaum gewandelt, da<br />
sie sich direkt aus Geist und Buchstaben seiner Satzung herleiten. Die Schwerpunkte<br />
der inhaltlichen Gestaltung sind hingegen einem Wandel unterworfen, und zwar<br />
über die Jahrzehnte – mit dem Wandel der Aufgabenschwerpunkte – als auch in<br />
jedem Jahr selbst. Die Erfahrung ist, dass „emotionale Anstöße“ in der Herbst- und<br />
Weihnachtszeit erfolgreicher sind, ansonsten aber Sach- oder Projektinformationen.<br />
Selbstverständlich bestimmen satzungsgemäßer Auftrag, tatsächliches Tun und<br />
aktuelle Notwendigkeiten die Inhalte. Aber immer sind die Erwartungen der<br />
tatsächlichen und potentiellen Förderer des Volksbundes entscheidend für die<br />
Konzepte und Inhalte der Marketingmaßnahmen.<br />
Besonders deutlich ist dies seit Anfang/Mitte der neunziger Jahre. Mit der<br />
Möglichkeit, nach dem Zerfall des Ostblocks endlich überall in Mittel-, Ost- und<br />
Südosteuropa zu arbeiten, wandelte sich auch die Marketingstrategie. Die Inhalte<br />
der wichtigsten Mailings waren zuvor eher allgemein und nur zum Jahresende hin<br />
besonders emotional ausgeprägt: Gedenken und Mahnung, Arbeit für den Frieden.<br />
Jetzt eröffnete sich die Möglichkeit, für Projekte zu werben, den stark erhöhten<br />
Finanzbedarf des Volksbundes an konkreten Vorhaben festzumachen und die<br />
Förderer laufend über Projektfortschritte und -ergebnisse zu informieren.<br />
Erwartungen und Reaktionen der Förderer<br />
Mit der Möglichkeit, im Osten zu arbeiten, stieg die Erwartung der Menschen,<br />
dass für ihre Anliegen auch etwas getan wird. Dazu muss man wissen, dass die<br />
Gräber von über drei Millionen deutschen Soldaten und dazu noch ungezählter<br />
Ziviltoter hinter dem „Eisernen Vorhang“ jahrzehntelang unzugänglich waren. Viele<br />
Angehörige sind gestorben, ohne die große politische Wende erleben zu dürfen.<br />
Sicher die meisten hatten sich irgendwie mit dieser Situation abgefunden.<br />
Ihre Anliegen richteten – und richten – sich nicht nur konkret darauf, dass ein<br />
Angehöriger, Freund oder Kriegskamerad endlich ein würdiges Grab erhält und<br />
man es besuchen kann. Mit der Tatsache, dass genau dies jetzt geschehen kann<br />
oder könnte, werden auch vielfach jahrzehntelang verdrängte Gefühle wie Trauer,<br />
Schmerz um den Verlust, Trostbedürfnis, der Wunsch, sich darüber mitzuteilen,<br />
reaktualisiert, teilweise bis an die Schmerzgrenze und darüber hinaus. Dies zeigen<br />
die Reaktionen vielfacher Art auf das Tun des Volksbundes und seine Aktionen, mit<br />
denen er dieses Tun öffentlich macht. Entsprechend hoch ist der Erwartungsdruck,<br />
die Notwendigkeit, diese Wünsche auch befriedigen zu können oder aber plausibel<br />
verdeutlichen zu müssen, dass es entweder noch Zeit braucht oder aber tatsächlich<br />
unmöglich ist.<br />
Was mich persönlich ungemein ärgert, ist die Einstellung „Lasst die Toten doch<br />
da liegen, das interessiert doch keinen mehr.“ Täglich erfahren wir das Gegenteil.<br />
Täglich erfahren wir den Wahrheitsgehalt des Ausspruchs von Ernest Hemingway<br />
„Niemand, den man liebt, ist jemals tot.“ Und die gleichen Menschen, die mit der<br />
Trauer der älteren Generationen nichts anfangen können, findet man trauernd am<br />
Straßenrand – dort wo sie selbst das Kreuz zur Erinnerung an den verunglückten<br />
Motorradfahrer aus dem eigenen Freundeskreis aufgestellt haben.<br />
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