Liszt: The Complete Songs, Vol. 2 - Angelika ... - Abeille Musique
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geniale Begabung für faszinierende harmonische Fort -<br />
schreitungen geopfert hat. Die Begleitung ist von Pausen<br />
durchsetzt, dank derer die sakralen Mahnungen der<br />
Gesangsstimme deutlich hervortreten.<br />
Ihr Auge („Nimm einen Strahl der Sonne“) ist ein<br />
kurzer leidenschaftlicher Ausruf. Die geballte strahlendste<br />
Leuchtkraft in der Natur—der Sonne, des Abendsterns,<br />
der glühenden Ätna-Lava—erreicht nicht das Licht in<br />
den Augen der Geliebten, das die Seele des Geliebten<br />
erwärmen und erhellen, aber auch zerstören kann. Das<br />
atemlose Drängen in der Klavierfiguration am Anfang,<br />
der kurze enharmonische Wechsel, mit dem das innere<br />
Leben von der äußeren Natur abgesetzt wird, und ein<br />
Ende, das auffallend wenig nach Ende klingt: all dies<br />
sind wiederkehrende Eigenheiten von <strong>Liszt</strong>. Soviel Leiden -<br />
schaft, will <strong>Liszt</strong> sagen, besteht auch über den letzten Takt<br />
hinaus.<br />
Wo Robert Schumann die Vorstellung des sich<br />
spiegelnden Wassers für seine Vertonung von Heinrich<br />
Heines Im Rhein, im schönen Strome in seinem Zyklus<br />
Dichterliebe op. 48 nutzte, malt <strong>Liszt</strong> das wogende<br />
Wasser und die flatternden Engelsflügel. In der hier<br />
aufgenommenen revidierten Fassung (die erste Version<br />
gibt es in <strong>Vol</strong>.1) fließt das Wasser sanfter, weniger virtuos;<br />
wieder fallen die glockenartigen Akkorde in der hohen<br />
Lage auf, die <strong>Liszt</strong>s ätherische oder engelhafte Musik<br />
charakterisieren. Gedicht und Lied gingen aus einem<br />
der großen Bauprojekte des 19. Jahrhunderts hervor: der<br />
<strong>Vol</strong>lendung des Kölner Domes (offiziell die Hohe<br />
Domkirche St. Peter und Maria), der 1248 begonnen<br />
wurde, Anfang des 16. Jahrhunderts jedoch unvollendet<br />
blieb. 1814 beschloß der künftige preußische König<br />
Friedrich Wilhelm IV. erstmals, für die <strong>Vol</strong>lendung des<br />
Baues zu sorgen, die 1842, zwei Jahre nach seiner<br />
Thronbesteigung, begann. Eine Zeit lang waren sowohl<br />
<strong>Liszt</strong> als auch Heine mit Spendenaktionen für den Dom<br />
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befaßt, der tief katholische <strong>Liszt</strong> mehr als der Dichter. Das<br />
Bild der Heiligen Jungfrau in diesem Lied bezieht sich auf<br />
ein berühmtes Altarbild des spätgotischen Malers Stephan<br />
Lochner aus den späten 1440er Jahren.<br />
Es muss ein Wunderbares sein ist eines der<br />
beliebtesten Lieder von <strong>Liszt</strong> mit seiner Verschmelzung<br />
raffinierter Harmonien und seiner sparsamen Textur ohne<br />
jedes Feuerwerk. Der bayrische Poet Oscar von Redwitz-<br />
Schmölz erlangte 25-jährig Berühmtheit mit seinem<br />
sentimentalen Epos Amaranth, aus dem die Prinzessin<br />
Augusta von Sachsen-Weimar und Eisenach (die spätere<br />
Königin von Preußen und deutsche Kaiserin) im Juli 1852<br />
zwei Strophen für <strong>Liszt</strong> zur Vertonung entnahm. 15 Jahre<br />
später, 1867, begegnete <strong>Liszt</strong> Redwitz-Schmölz und schrieb<br />
an Carolyne von Sayn-Wittgenstein (1819–1887; sie war die<br />
wichtigste Frau im Leben <strong>Liszt</strong>s von ihrer Begegnung 1847<br />
an bis zu seinem Tod): „Er gefällt mir mehr, als ich erwartet<br />
hätte. Man stellt sich ihn gewöhnlich ganz in Frömmigkeit<br />
getaucht vor—gesenkten Auges und mit einer ängstlichen,<br />
von Seufzern unterbrochenen Sprech weise! Keinesfalls!“<br />
Die vorletzte Harmonie bei „sagen“ ist ein letzter Hauch<br />
chromatischer Ausdruckskraft in diesem kleinen Juwel.<br />
La perla wurde wahrscheinlich zu Ehren der adligen<br />
Autorin des Gedichts komponiert: Thérèse von Hohenlohe-<br />
Waldenburg (1817–1895), einer Kusine der Fürstin Marie<br />
von Sayn-Wittgenstein (der Tochter von <strong>Liszt</strong>s Geliebter<br />
Carolyne und ihres russischen Mannes, von dem sie sich<br />
später getrennt hatte) und Mutter von Rilkes späterer<br />
Gönnerin Fürstin Marie von Thurn und Taxis. Thérèse und<br />
<strong>Liszt</strong> waren einander in Rom begegnet; <strong>Liszt</strong> besuchte<br />
das Schloß der Familie Hohenlohe in Duino 1867–68.<br />
In diesem Gedicht verleiht die Autorin einer Perle<br />
menschliche Züge und erzählt die Geschichte von ihrer<br />
Geburt in einer Muschelschale bis zur grausamen<br />
Entfernung aus ihrem Zuhause im Meer und der<br />
anschließenden Versklavung als Zierde für die Reichen: