Liszt: The Complete Songs, Vol. 2 - Angelika ... - Abeille Musique
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Obgleich die Freundschaft zwischen <strong>Liszt</strong> und dem<br />
reizbaren Genie Heinrich Heine weitgehend beendet<br />
war, als die erste Fassung von Ein Fichtenbaum steht<br />
einsam entstand, erkannte <strong>Liszt</strong> klar, wie sehr Heines<br />
einzigartige poetische Sprache nach Musik verlangte.<br />
Heine findet ein denkwürdiges Bild für die Faszination<br />
deutscher Dichter (Fichten in frostigem Klima) für<br />
Exotik (eine Palme „auf brennender Felsenwand“): welch<br />
raffinierte Variation über die Berggipfel-Perspektive und<br />
das <strong>The</strong>ma der entfernten Geliebten, das in der Romantik<br />
weit verbreitet war. In <strong>Liszt</strong>s erster Vertonung dieses<br />
beliebten Gedichts hört man brütende Dunkelheit und<br />
chromatische Tiefgründigkeit, die die Fichte umgibt; der<br />
kurze idyllische Traum von begehrten exotischen Objekten<br />
beginnt indes mit wiederholten Diskantakkorden, die<br />
<strong>Liszt</strong>sche Träumereien anzeigen—oder himmlische<br />
Gefilde. Der wohl auffallendste Unterschied zwischen der<br />
ersten Vertonung und der viel späteren Überarbeitung<br />
besteht im jeweiligen Schluß; diese Fassung endet mit<br />
einer Erinnerung an den Schluß von Schuberts Heine-Lied<br />
Ihr Bild (ähnlich sind die starke Dynamik, die absteigende<br />
Baßlinie und der letzte Dur-Akkord). Auch die eintaktige<br />
Pause am Schluß erinnert an Schubert.<br />
Vergiftet sind meine Lieder ist eine der groß -<br />
artigsten Vertonungen von <strong>Liszt</strong>. Er war wohl der erste<br />
Komponist, der das 51. Gedicht aus Heines Lyrischem<br />
Intermezzo für Gesang entdeckt hat; andere Musiker im<br />
19. Jahrhundert mieden das vulkanische Gemisch aus<br />
Anklage, Verletzlichkeit, Hilflosigkeit, Wehklagen, ja Furcht<br />
in diesen Worten. Heines Gedicht erzählt von seinem<br />
lebenslangen Dilemma als postromantischer Dichter,<br />
der zwischen Ideal und Wirklichkeit gefangen war: die<br />
„Geliebte“ könnte sowohl die romantische Muse (das<br />
Ideal) sein, die seine Kunst des wirklichen Lebens vergiftet<br />
hat, als auch die Wirklichkeit, die das Ideal vergiftet. <strong>Liszt</strong><br />
könnte in diesem Gedicht eine Spiegelung seiner sich<br />
27<br />
auflösenden Beziehung zu Marie d’Agoult gesehen<br />
haben—sie endete 1844, im gleichen Jahr, in dem er<br />
dieses Lied erstmals komponierte. Seine Komposition ist<br />
aus Wiederholungen des Anfangsthemas mit und ohne<br />
Text aufgebaut, ein Mini-Rondo von obsessivem Schmerz.<br />
Beim „du“ mit dem er die Geliebte bezeichnet, die in<br />
seinem Herzen neben medusenhaften Schlangen haust,<br />
hört man eine der erschütterndsten Dissonanzen in der<br />
Musik des 19. Jahrhunderts.<br />
„Klärchens Lied“ Freudvoll und leidvoll stammt aus<br />
dem dritten Akt von Goethes Trauerspiel Egmont; dieses<br />
berühmte liedhafte Gedicht wurde bereits von Johann<br />
Friedrich Reichardt, Friedrich Zelter, Beethoven und<br />
Schubert vor <strong>Liszt</strong>s länglicher Version von 1844 vertont,<br />
deren verschwenderische Einleitung er 1849 revidierte.<br />
(Diese überarbeitete, hier zu hörende Fassung erschien<br />
1860; <strong>Liszt</strong> hatte auch eine gänzlich andere Version<br />
komponiert, die 1848 veröffentlicht wurde, im selben Jahr<br />
wie die erste Version seiner ersten Vertonung.) Der im Titel<br />
bezeichnete Kontrast zwischen Freude und Leid wird<br />
in einer musikalischen Metamorphose zu einer sanft<br />
zwischen Dur und Moll schwingenden Bewegung; die<br />
beiden Schlußakkorde des Liedes verbinden diese<br />
beiden Pole ein letztes Mal. Der jüngere <strong>Liszt</strong> machte<br />
aus „Himmelhoch jauchzend“ ein opulentes himmel -<br />
stürmendes Stück, der ältere Komponist reduzierte jedoch<br />
den Überschwang beträchtlich. <strong>Angelika</strong> Kirchschläger<br />
singt diese Version von Freudvoll und leidvoll in der<br />
Mezzo-freundlichen Tonart E-Dur nach einer Ausgabe, die<br />
in den Jahren nach <strong>Liszt</strong>s Tod überall kursierte. Es gibt<br />
einige kleinere Unterschiede in der Gesangslinie und im<br />
Klaviersatz zwischen dieser Version und der in As-Dur; die<br />
letztere soll später in dieser Reihe folgen.<br />
Der im 18. und 19. Jahrhundert in Ungarn bekannte<br />
Verbunkos-Stil ging aus der Musik zur Anwerbung von<br />
Soldaten hervor und ist eng an die Virtuosität ungarischer