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Weihnachten im Pfarramt<br />

„Wann wird eigentlich bei Ihnen Weihnachten?“<br />

fragen mich die Leute. „Am 24. Dezember,<br />

wie bei anderen Leuten?“<br />

Dass es persönlich „weihnachtet“, ist im<br />

Pfarramt wirklich nicht so einfach. In der<br />

Regel sind mindestens zwei oder gar vier Heiligabendgottesdienste<br />

zu halten, jeweils eine<br />

hochsensible Angelegenheit!<br />

Freundlich und persönlich wollen die Nahen<br />

und auch die Fernen wahrgenommen sein.<br />

Gibt es in der Kirche ein Krippenspiel, müssen<br />

aufgeregte Akteure beruhigt werden und darf<br />

beim Bühnenauf- und -umbau nichts vergessen<br />

werden.<br />

Natürlich sollen Pfarrerin und Pfarrer allen<br />

alle Erwartungen erfüllen: vollmächtig das<br />

Weihnachtsevangelium verkündigen, aktuell,<br />

aber nicht zu politisch. Feierliche Stimmung<br />

erzeugen, ohne zu sehr zu emotionalisieren.<br />

Die vertrauten Lieder singen lassen, ohne altmodisch<br />

zu wirken. Ruhig und würdig auftreten,<br />

dabei locker und entspannt sein und sich<br />

die anstrengende Adventszeit nicht anmerken<br />

lassen. Uff!! Das Pfarrerdasein an Heiligabend<br />

zehrt an den Kräften. Für die meisten bedeutet<br />

Weihnachten deshalb viel Arbeit, aber nicht<br />

spirituelle Hochstimmung.<br />

Gibt es dann wenigstens im Pfarrhaus ein<br />

„Fest der Familie“? Nur bedingt, denn für<br />

Bescherung und Festessen bleibt zwischen<br />

Christvesper und -mette oft nicht viel Muße.<br />

Meist sitzt das schlechte Gewissen mit unterm<br />

Weihnachtsbaum, wenn die Kinder sich benachteiligt<br />

fühlen, weil sie Papa oder Mama<br />

in der Heiligen Nacht mit so vielen anderen<br />

Menschen teilen müssen. Und wenn Eltern,<br />

Geschwister, Freunde da sind: Was haben die<br />

von ausgepowerten Gastgebern, die kaum Zeit<br />

für die Gäste finden?!<br />

Doch an den beiden Feiertagen, wird da<br />

Weihnachten? Wohl kaum, wenn nach der<br />

Christmette gleich früh am nächsten Morgen<br />

noch der festliche Abendmahlsgottesdienst<br />

folgt. Ich jedenfalls falle nach einem Hürden-<br />

Einführung<br />

lauf von fünf Gottesdiensten in 19 Stunden<br />

erledigt ins Bett. „Gott sei Dank, es ist vollbracht!“<br />

„Wann wird bei Ihnen Weihnachten?“ fragen<br />

mich die Leute, und ich antworte mittlerweile:<br />

„Mal sehen.“ Ich habe Weihnachten für mich<br />

längst vom Kalender abgekoppelt und lasse<br />

mich überraschen, wann es für mich stattfinden<br />

wird. Zum Glück ist es in jedem Jahr immer<br />

irgendwann so weit gewesen, und dann konnte<br />

ich es empfinden und mich wirklich über Jesu<br />

Geburt freuen.<br />

In manchen Jahren war es am Abend des<br />

zweiten Feiertags, als mein Mann und ich<br />

endlich Ruhe hatten, gut zu essen, Kerzen<br />

anzuzünden und korsische Weihnachtsmusik<br />

zu hören. Einmal war es an Epiphanias, als<br />

wir im Urlaub in Bayern den Festgottesdienst<br />

genossen. Einmal geschah es auf einem Meditationsbänkchen<br />

in der zweiten Januarwoche.<br />

Wann es in diesem Jahr für mich sein wird?<br />

Mal sehen.<br />

Weihnachten wurde ja ohnehin ohne meine<br />

Beteiligung in jenen Tagen zur Zeit des Kaisers<br />

Augustus. Da wurde Gott Mensch. Das große<br />

Wunder Gottes. Und auch heute wird Weihnachten<br />

für mich ohne mein Zutun. Es bleibt<br />

Gottes Geschenk an mich.<br />

Manchmal denke ich: Wir Pfarrersleute haben<br />

es vielleicht sogar besser als andere. Sicher,<br />

uns fehlen die Feiertage, um zur Ruhe zu kommen.<br />

Sicher, unsere Kinder und unsere Familie<br />

kommen viel zu kurz. Sicher, wir müssen voll<br />

konzentriert ein gutes Stück Arbeit abliefern.<br />

Aber wir stehen dadurch nicht so leicht in der<br />

Gefahr, uns Weihnachten selbst fabrizieren zu<br />

wollen. Dazu haben wir an Heiligabend einfach<br />

keine Zeit. Aber dann, irgendwann, wird es<br />

uns geschenkt. Sola gratia. Wie den Hirten auf<br />

dem Feld – vom Himmel hoch. Und dann ist es<br />

wunderschön.<br />

Annegret Puttkammer<br />

5·2006 Brennpunkt Gemeinde<br />

169


forschungsinstituts belegt. Für die Hälfte<br />

der Befragten ist die religiöse Bedeutung von<br />

Weihnachten wichtig, heißt es. Noch vor dreißig<br />

Jahren hätten nur 43 Prozent diese Antwort<br />

gegeben. Sicher, das Fest bleibt zu allererst ein<br />

Familienfest, wie die Zahlen belegen. Trotzdem<br />

sucht an Weihnachten jedes dritte Kirchenmitglied<br />

eine Kirche auf.<br />

„Menschen sehnen sich nach einem Raum für<br />

das Heilige. Von der Kirche wünschen sie, dass<br />

sie ihnen die christliche Botschaft nahe bringt<br />

und Gottesdienste feiert, die im Gedächtnis<br />

bleiben, dass sie Raum für Gebet, Stille und<br />

Meditation bietet. Präsenz zu besonderen Zeiten<br />

und Raum für das Heilige: An Weihnachten<br />

treffen sich diese Erwartungen.“<br />

Mit diesen Worten nimmt der Ratsvorsitzende<br />

der EKD, Wolfgang Huber, in der Weihnachtsausgabe<br />

2004 der Süddeutschen Zeitung<br />

die individuellen Bedürfnisse der Menschen an<br />

Weihnachten auf und gestaltet sie gleichsam als<br />

Anforderungsprofil an die kirchliche Weihnachtsfeier.<br />

Weihnachten – liebstes Fest oder jährlicher<br />

Albtraum? Seien es Theologen, Psychologen,<br />

Philosophen oder Dichter, sie alle sind dem<br />

Phänomen Weihnachten mit seinen Erwartungen,<br />

Hoffnungen und Wünschen auf der Spur,<br />

schaffen immer nur eine Annäherung, einen<br />

Deutungsversuch.<br />

Ähnlich wie die deutsche Schriftstellerin<br />

Gabriele Wohmann in ihrem Erzählband<br />

„Bleibt doch über Weihnachten“ schreibt:<br />

„Wenn meine Mutter in dieser Theaterstimmung<br />

ist, kann es leicht einen Umschwung geben.<br />

Trotzdem fühlte ich mich gut, und das ist<br />

kurz vor Weihnachten erstaunlich, weil meine<br />

Mutter da ziemlich schwierig werden kann.“<br />

Traue nicht deinen Augen<br />

Traue deinen Ohren nicht<br />

Du siehst Dunkel<br />

vielleicht ist es Licht. Günter Eich<br />

Hartmut Bärend<br />

Inkarnation und<br />

Evangelisation<br />

Theologie<br />

Pfarrer Hartmut Bärend, geboren 1942 in Berlin, verheiratet,<br />

drei Kinder; 1962-1967: Studium der evangelischen<br />

Theologie in Berlin und Heidelberg; 1967-1970:<br />

Vikar und Pastor in Berlin; 1970-1973: Wissenschaftlicher<br />

Assistent an der Universität Münster; 1973-1977:<br />

theologischer Mitarbeiter und persönlicher Referent<br />

der Bischöfe Kurt Scharf und Martin Kruse in Berlin;<br />

1977-1998: Direktor der Arbeitsgemeinschaft MBK in<br />

Bad Salzuflen; seit 1998: Generalsekretär der Arbeitsgemeinschaft<br />

Missionarische Dienste im Diakonischen<br />

Werk der EKD, Reichensteiner Weg 24, 14195 Berlin;<br />

neueste Buchveröffentlichung: „Kirche mit Zukunft“.<br />

Brunnen Verlag, Gießen 2006, ISBN: 3765513857.<br />

Was für ein Thema! Beide Worte für sich sind<br />

uns wohlbekannt, aber wie gelingt der Zusammenhang?<br />

Was hat Weihnachten, was hat<br />

die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus<br />

mit der Evangelisation zu tun? Geht es bei der<br />

Evangelisation nicht um das Thema Kreuz Jesu<br />

Christi, um Vergebung der Schuld, um Einladung<br />

zum Glauben an Jesus Christus angesichts<br />

dieser Vergebung? Hat es dagegen Weihnachten<br />

nicht viel mehr mit dem Kind in der Krippe zu<br />

tun, mit der heiligen Familie, den Hirten, den<br />

Weisen ...?<br />

Es lohnt sich, den Zusammenhang von Inkarnation<br />

und Evangelisation einmal genauer<br />

anzuschauen. Es lohnt sich, die Bibel zu diesem<br />

Thema zu befragen und auch manche Kirchenlieder.<br />

Es lohnt sich, systematisch-theologisch<br />

nachzusehen und – last not least – die praktischtheologischen<br />

Konsequenzen daraus abzuleiten.<br />

Denn für manche Kolleginnen und Kollegen im<br />

Amt ist es eine Not, gerade an Weihnachten zu<br />

predigen, und das immer wieder, Jahr für Jahr.<br />

Von einer ausdrücklichen Verlegenheit ist<br />

manchmal die Rede. Denn am Heiligabend<br />

kommen die, die nur einmal oder zweimal im<br />

Jahr kommen. Was sagen wir denen, die kirchenfremd<br />

sind, aber auf den Christvesper-Gottesdienst<br />

nicht verzichten wollen? Was sagen<br />

5·2006 Brennpunkt Gemeinde<br />

173


Theologie<br />

wir denen, die mit der ganzen Familie da sind<br />

und etwas Schönes erwarten, irgendetwas für<br />

die Seele, ohne dass sie auch nur von fern daran<br />

denken, dass das nach Weihnachten noch eine<br />

Bedeutung haben könnte?<br />

Das ist genau die Themenstellung: Könnte<br />

es sein, dass gerade die Weihnachtsbotschaft<br />

mit der zentralen Aussage der Menschwerdung<br />

Gottes viel mit Evangelisation zu tun hat? Denn<br />

das ist doch das Anliegen der Evangelisation,<br />

dass sie gerade kirchenferne Menschen zu einer<br />

neuen Beziehung zu Jesus Christus einlädt, dass<br />

sie Mut macht, das Leben neu zu sehen und zu<br />

ordnen, dass sie zu einer neuen Liebe zur Bibel,<br />

zum Gebet und zur Gemeinde hinführt.<br />

Bei diesem Tun muss sie die Fragen der Menschen<br />

herausspüren und mit der Bibel in Beziehung<br />

bringen – und umgekehrt die Aussagen<br />

der Bibel in den Lebenshorizont der Menschen<br />

hineinstellen.<br />

Ich werde aus verschiedenen Blickwinkeln<br />

zeigen, wie die Weihnachtsbotschaft als evangelistisches<br />

Geschehen gedeutet werden kann.<br />

Vielleicht entsteht darüber ja eine neue Lust, an<br />

Weihnachten zu predigen?<br />

Gedanken über Gott<br />

Ich weiß nicht, was die Leute, die zum Heiligabend<br />

in die Kirche kommen, über Gott denken.<br />

Sicherlich eine ganze Menge, aber auch vieles<br />

Ungereimte, Selbstgebaute, Festgelegte. Vor<br />

wenigen Wochen las ich die Lebenserinnerungen<br />

des von mir geschätzten Germanisten Peter<br />

Wapnewski, eines Mannes mit hoher Bildung,<br />

auch mit christlicher Bildung, wie es in seiner<br />

Biografie immer wieder herauszuhören ist. Aber<br />

dann steht da doch irgendwo im Text, er könne<br />

nicht an einen persönlichen Gott glauben, er<br />

habe mehr den Eindruck, dass da eine Gewalt<br />

sein muss, die auch sein Leben wunderbar geführt<br />

habe.<br />

Andere Zeitgenossen haben sich über Gott<br />

gar keine Meinung gemacht oder halten ihn für<br />

ein Fantasiegebilde, andere beten, obwohl sie<br />

angeben, nicht an Gott zu glauben. Bei vielen ist<br />

das mit Gott eine Flickenteppichformel, zusammengesetzt<br />

aus vielen guten und schlechten Er-<br />

174 Brennpunkt Gemeinde 5·2006<br />

fahrungen des Lebens, der Literatur, der Medien<br />

mit ihrer Meinungsmache, der Religionen und<br />

Weltanschauungen.<br />

Gerade zu Weihnachten lesen wir aber von<br />

einem Gott, der sich deutlich zeigt. Der sagt, wer<br />

und wie er ist, nämlich ein „Backofen voller Liebe“<br />

(Martin Luther). Der das Beste gibt, was er<br />

hat, damit die Menschen zu ihm zurück finden.<br />

„Es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes<br />

allen Menschen“, heißt es im Titusbrief (3,5).<br />

Weihnachten ist von Gottes Liebesbotschaft<br />

durchtränkt. Was die Propheten angesagt haben<br />

und was bei der Christvesper verlesen wird, wird<br />

Realität.<br />

Der persönliche Gott sucht und findet durch<br />

die Person Jesu persönlich zu den Menschen.<br />

Keine allgemeine Gewalt, kein wütiger und jähzorniger<br />

Gott, keine Idee, kein Götterhimmel,<br />

keine Summe aus Religionen steht vor Augen,<br />

sondern der Gott, der in seiner großen Liebe Jesus,<br />

den Sohn in die Welt gegeben hat. „Als die<br />

Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn“ (Gal<br />

4,4). Das ist die Weihnachtsbotschaft.<br />

Dies zu predigen, kann nur so geschehen, dass<br />

wir die Liebe Gottes weitersagen. Evangelisation<br />

als Frohbotschaft, nicht als Drohbotschaft! Hinter<br />

jedem Gesicht in der Kirche steckt eine Sehnsucht,<br />

den Gott kennen zu lernen, bei dem wir<br />

zur Ruhe kommen können. Weihnachten lässt<br />

diesen Gott sichtbar werden. Wir geben weiter,<br />

was die Engel damals auf dem Hirtenfeld gerufen<br />

haben: „Siehe, ich verkündige euch große<br />

Freude, die allem Volk widerfahren wird: Denn<br />

euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist<br />

Christus, der Herr“ (Lk 2,11).<br />

Evangelisation ist das Ausrufen des Namens<br />

Jesu, der uns zeigt, was wir an Gott haben.<br />

Gedanken über das Leben<br />

Die Menschen, die im Weihnachtsgottesdienst<br />

sitzen, möchten es gern schön haben, aber gerade<br />

am Heiligabend kommt das Missverhältnis<br />

von Harmoniewünschen und gnadenlosen<br />

Dissonanzen des Lebens massiv heraus. Viele<br />

mögen dasitzen und sich doch geradezu elend<br />

fühlen. Weihnachten ist oft nicht die Zeit der<br />

großen Freude, sondern für viele eher bedrän-


gend, wenn sie ihr Leben oder das ihrer Familie<br />

anschauen, vom Blick auf das Elend der Welt<br />

ganz zu schweigen. Wie selten sonst, kommt<br />

hier die Zerrissenheit des Lebens zur Sprache.<br />

Das Neue Testament, aber auch schon die<br />

Propheten des Alten Testaments, beschreiben<br />

einen Gott, der nicht über den Wolken thront,<br />

sondern sich in die Mühseligkeiten dieser Welt<br />

hineinbegeben hat, bis hin zum Tod am Kreuz.<br />

„Er entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt<br />

an, ward den Menschen gleich und der<br />

Erscheinung nach als Mensch erkannt“, heißt es<br />

im Philipperbrief (2,7). Diese „Knechtsgestalt“<br />

kommt schon in der Krippe zum Zug, die ja kein<br />

hoheitliches Bett für einen werdenden König<br />

war, sondern eine schmutzige Futterkrippe.<br />

Und wenn es bei Johannes heißt, „und das<br />

Wort ward Fleisch und wohnte unter uns“ (Joh<br />

1,14), steht hier der gleiche Zusammenhang.<br />

Gott ist sich nicht zu schade, unsere Wirklichkeit<br />

kennen zu lernen und wie wir zu leben<br />

und zu leiden. Die tiefe Solidarität Gottes mit<br />

seiner Schöpfung zeigt sich in besonderer Weise<br />

im Weihnachtsevangelium. Die diakonische<br />

Dimension Gottes leuchtet heraus, er ist der<br />

eigentliche Anwalt der Armen und Schwachen<br />

und lässt keinen verkommen, der sich ihm öffnet.<br />

Vor allem macht er keine Unterschiede zwischen<br />

den Menschen. Und erst recht verbeugt er<br />

sich nicht vor den Reichen. Das alles sehen wir<br />

an Jesus und seinem Kommen.<br />

Die evangelistische Predigt wird diesem Sehen<br />

und Handeln Jesu nur nachfolgen können.<br />

Weihnachten bietet die Möglichkeit, an der Geburt<br />

Jesu zu zeigen, dass Gott jeden Menschen<br />

sucht, auch den, der leer und vielleicht vom Leben<br />

enttäuscht in der Kirche sitzt, ja dass er ihm<br />

Nächster, Bruder, Heiland werden möchte, der<br />

sein Leben ernst nimmt und neu machen will.<br />

Höhepunkte des Lebens<br />

Mit seinem Buch „Erlebnisgesellschaft“ hat Gerhard<br />

Schulze vor einigen Jahren das Lebensgefühl<br />

vieler Zeitgenossen auf den Punkt gebracht.<br />

Die Gegenwart wurde zum Maß aller Dinge<br />

erklärt. Die Zukunft ist ungewiss, die Vergangenheit<br />

bringt nichts mehr. Das Heute ist es, was<br />

Theologie<br />

gelebt werden muss, und das möglichst exzessiv.<br />

Denn ein wirkliches Morgen scheint es nicht<br />

mehr zu geben.<br />

Schon vor Jahrzehnten hat Fritz Riemann in<br />

seiner Studie „Grundformen der Angst“ diesen<br />

Typus, diese Lebenseinstellung vor Augen<br />

gehabt. Der so genannte Hysteriker in seinem<br />

Buch entspricht dem Prototyp der heutigen<br />

Erlebnisgesellschaft. Er ist abenteuerlustig, flexibel,<br />

stets offen für Neues und für farbiges, vielseitiges<br />

Leben. Er lässt sich gern ablenken und<br />

ist sehr spontan. Riemann hat viel für diesen<br />

Typ Mensch übrig, er fügt allerdings hinzu, dass<br />

gerade dieser Typ in der Tiefe von der Vergänglichkeit<br />

weiß und ein Verdrängungskünstler ist.<br />

Auch wenn uns Gerhard Schulze heute mit<br />

seinem Buch „Die Beste aller Welten“ in eine<br />

neue Nachdenklichkeit ruft und wenn seit damals<br />

vieles Erschreckende geschehen ist, hat<br />

sich an der postmodernen Lebenseinstellung<br />

noch nicht viel geändert.<br />

Und nun die Weihnachtsbotschaft. „Als die<br />

Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn“, heißt<br />

es in Gal 4,4. Für das Neue Testament ist Christus<br />

und sein Kommen die Mitte der Zeit. Da<br />

liegt die eigentliche Wende in der Menschheitsgeschichte.<br />

Es gibt nur ein Davor und Danach,<br />

aber das Kommen Christi, das ist die Erfüllung<br />

der Zeit. Wir warten nicht mehr auf die Erfüllung,<br />

werden auch die Gegenwart als Christen<br />

nicht als Erfüllung ansehen, sondern wir stehen<br />

zwischen Erfüllung und Vollendung. Das bedeutet,<br />

dass wir nicht alles in die kurze Lebenszeit<br />

hineinpressen müssen, sondern dass unsere<br />

Zeit in der Vollzeit Jesu Christi geborgen ist. So<br />

sagt es auch unsere christliche Zeitrechnung.<br />

Für die Evangelisation heißt das, dass die<br />

Inkarnation Jesu ein neues Zeitverständnis begründet<br />

und dass das den Menschen gesagt werden<br />

muss. Wer sich Christus als der Mitte des<br />

Lebens anvertraut, kann in dieser Zeitrechnung<br />

neu aufleben. Er kann Höhepunkte des Lebens<br />

genießen, ohne hinter ihnen den Keim der Verwesung<br />

sehen und verdrängen zu müssen. Er<br />

lebt zwischen der Erfüllung der Zeit, die auch die<br />

heutige Zeit umschließt, und der Vollendung<br />

der Zeit, die uns von vorn entgegenkommt.<br />

5·2006 Brennpunkt Gemeinde<br />

175


Theologie<br />

Das Ziel des Lebens<br />

Wenn sich Menschen überhaupt Zeit nehmen,<br />

über solche Fragen nachzudenken, dann am<br />

ehesten in Grenzsituationen oder auch – zu<br />

Weihnachten. Angesichts des Sterbens eines<br />

nahe stehenden Menschen tauchen viele Fragen<br />

auf, wie die nach einem „Danach“ oder die, was<br />

denn einmal bleibt, nach Sinn und Ziel des Lebens.<br />

Lange können Menschen „vergessen, dass<br />

sie Gott vergessen haben“, aber irgendwann<br />

kommen die Fragen, oft mit Gewalt, zurück und<br />

können ängstigen und belasten.<br />

Auch zu Weihnachten kann es zu einem solchen<br />

Entdecken, manchmal auch Erschrecken<br />

kommen, zur Frage, ob wir da einen frommen<br />

Zauber verbreiten, eine unrealistische und doch<br />

begierig aufgenommene Harmonieveranstaltung<br />

oder ob mehr dahinter steckt. Der moderne<br />

Mensch ist zwar als Kind der Aufklärung<br />

durch und durch säkularisiert, dennoch bleibt er<br />

ein homo religiosus. Umfragen in Deutschland<br />

belegen das auf eindrückliche Weise.<br />

Weihnachten ist kein Fest, das nur eine in<br />

helles Licht getünchte heilige Familie zeigt, mit<br />

dem Christuskind in der Mitte. Es ist kein Fest<br />

der freundlichen Stimmung, die kommt und<br />

wieder verfliegt. Weihnachten, dies Fest einer<br />

Kindgeburt, ist voller Aussagekraft, voller Dramatik.<br />

Dem ist etwas vorausgegangen, und dem<br />

176 Brennpunkt Gemeinde 5·2006<br />

folgt etwas nach, etwas Ungeheures, Großes,<br />

Weltveränderndes. Wir lesen und staunen, wie<br />

Martin Luther in dem Lied „Nun freut euch,<br />

liebe Christen g‘mein“ (EG 341,5.6) Gottes Absicht<br />

mit den Menschen beschrieben hat:<br />

„Er sprach zu seinem lieben Sohn: Die Zeit ist<br />

hier zu erbarmen; fahr hin, meins Herzens werte<br />

Kron, und sei das Heil dem Armen und hilf ihm<br />

aus der Sünden Not, erwürg für ihn den bittern<br />

Tod und lass ihn mit dir leben.<br />

Der Sohn dem Vater g‘horsam ward, er kam<br />

zu mir auf Erden von einer Jungfrau rein und<br />

zart; er sollt mein Bruder werden. Gar heimlich<br />

führt er sein Gewalt, er ging in meiner armen<br />

G‘stalt, den Teufel wollt er fangen.“<br />

Das ist der Sinn von Weihnachten: Jesus<br />

Christus kommt, vom Vater geschickt, um<br />

Menschen aus Sünde und Schuld zu befreien<br />

und die Macht des Teufels zu beenden. Das Ziel<br />

des Menschenlebens ist, von Gott her gesehen,<br />

nicht Verlorenheit, sondern Rettung, nicht Tod,<br />

sondern Leben, nicht Strafe, sondern Vergebung.<br />

So heißt es im 1. Timotheusbrief: „Das ist<br />

gewisslich wahr und ein teuer wertes Wort, dass<br />

Jesus Christus in die Welt gekommen ist, die<br />

Sünder selig zu machen.“<br />

Und in dem Lied „O du fröhliche“ (EG 44)<br />

singen wir: „Christ ist erschienen, uns zu versühnen<br />

...“ Selbst das so viel gescholtene Weih-<br />

© Thomas Plaßmann


nachtslied „Stille Nacht“ (EG 46) enthält neben<br />

manchen Rührseligkeiten feste biblische Kost,<br />

wenn es heißt: „O wie lacht Lieb aus deinem<br />

göttlichen Mund, da uns schlägt die rettende<br />

Stund, Christ, in deiner Geburt ...“ Im Vers davor<br />

heißt es strahlend und beglückt: „Christ der<br />

Retter ist da ...“<br />

Evangelisation wird genau an dieser Stelle die<br />

Weihnachtsbotschaft der Rettung und Vergebung<br />

aufnehmen und den Menschen einladend<br />

weitersagen. Sie wird Kernfragen menschlicher<br />

Existenz ansprechen und in das Licht der Absicht<br />

und den Plan Gottes mit der Welt stellen.<br />

Sie wird deutlich machen, dass es zu Weihnachten<br />

nicht um einen Event geht, der kommt und<br />

geht, sondern um die entscheidende Wende in<br />

der Menschheitsgeschichte.<br />

Sie wird auf Jesus zeigen, an dem alles hängt,<br />

Jesus, den Retter und Erlöser der Welt. Sie wird<br />

Mut machen, das Leben nicht einfach als Verfallsgeschichte<br />

zu sehen, sondern als Hoffnungsgeschichte.<br />

Sie wird den Glanz der Weihnacht<br />

auf den Glanz der kommenden Herrlichkeit im<br />

neuen Himmel und auf der neuen Erde beziehen.<br />

Sie wird das Kreuz predigen mitten in der<br />

Weihnachtsgeschichte.<br />

Glauben<br />

Wir Menschen glauben viel und lassen uns leicht<br />

verführen, Dingen, Mächten und Menschen zu<br />

glauben, die nicht gut sind. Das haben wir in<br />

unserer deutschen Geschichte reichlich und<br />

schrecklich erlebt. Im Blick auf Gott ist das oft<br />

anders. Da gilt es als merkwürdig, an Gott zu<br />

glauben, als antiquiert, als intolerant, als unpassend,<br />

vor allem, wenn sich dieser Glaube an<br />

die Person Jesu bindet. Und doch ist die Sache<br />

mit dem Glauben unausrottbar: Wenn wir nicht<br />

an Gott glauben, machen wir etwas anderes<br />

oder jemand anderen zum Gott: „Woran du<br />

dein Herz hängst, da ist dein Gott“, hat Luther<br />

einmal gesagt. So glauben die Menschen an den<br />

Erfolg, an den Wert des Geldes, an die Reklamesprüche<br />

der Medien, an die Versprechungen der<br />

Wahrsager, an Horoskope und übersinnliche<br />

Angebote aller Art. Denn ohne Glauben kann<br />

der Mensch nicht leben.<br />

Theologie<br />

Zu Weihnachten geht es auch um Glauben.<br />

Es ist nicht so, dass sich die Rettung sozusagen<br />

automatisch vollzieht. Der Mensch ist gerufen,<br />

Gottes Rettungstat für sich zu glauben und<br />

Jesus Christus in sein Leben einzuladen. Er ist<br />

zur Antwort gerufen. Die Hirten auf dem Feld<br />

hören die Botschaft der Engel, aber sie selbst<br />

müssen sich zum Kind in der Krippe begeben.<br />

Maria und Joseph sind eingeladen, in diesem<br />

Jesus, ihrem Sohn, den von Gott gesandten<br />

Messias zu sehen. Die drei Weisen müssen über<br />

den schwierigen Zwischenstopp Jerusalem nach<br />

Bethlehem kommen, um das Kind anbeten zu<br />

können.<br />

Evangelisation ist genau dies: Menschen werden<br />

eingeladen, sich auf dies Abenteuer Glauben<br />

einzulassen, auf diesen Jesus, von dem die<br />

Weihnachtsbotschaft sagt, dass er und er allein<br />

der Retter ist. Das sollen und, ich bin überzeugt<br />

davon, das wollen die vielen Menschen hören,<br />

die zu den Weihnachtsgottesdiensten kommen.<br />

Sie wollen hören, dass es noch eine andere<br />

Dimension des Lebens gibt, der sie sich anvertrauen<br />

können, dass unter den vielen Stimmen,<br />

die nicht verlässlich sind, eine ist, die Trost und<br />

Kraft gibt im Leben und im Sterben.<br />

Und wenn sie sich auf das, was sie gehört<br />

haben, einlassen, merken sie ganz neu, dass<br />

Glauben wesentlich Beziehung ist, persönliche<br />

Beziehung zu Jesus Christus, Ich-Du-Beziehung,<br />

die von Vertrauen und Zuversicht geprägt<br />

ist. Wie man das macht mit dem Glauben, wie<br />

man da hinkommt, gerade zu Weihnachten, hat<br />

vor rund 350 Jahren Paul Gerhardt wunderbar<br />

in Worte gefasst. Hier kommen Inkarnation<br />

und Evangelisation in einer Weise zusammen,<br />

die ihresgleichen sucht (EG 37,1.9):<br />

„Ich steh an deiner Krippen hier, o Jesu du<br />

mein Leben; ich komme, bring und schenke dir,<br />

was du mir hast gegeben. Nimm hin, es ist mein<br />

Geist und Sinn, Herz, Seel und Mut, nimm alles<br />

hin und lass dir‘s wohl gefallen.<br />

Eins aber, hoff ich, wirst du mir, mein Heiland,<br />

nicht versagen: dass ich dich möge für und<br />

für in, bei und an mir tragen. So lass mich doch<br />

dein Kripplein sein; komm, komm und lege bei<br />

mir ein dich und all deine Freuden.“<br />

5·2006 Brennpunkt Gemeinde<br />

177


Gottesdienst<br />

Mono widmet sich den Kerzen und braut uns<br />

einen Punsch mit „Körper“, der uns nach nur<br />

zwei Schlucken aus den Socken haut.<br />

Ich hol die Gitarre aus dem Kasten und spiele<br />

Weihnachtslieder wie damals, als die Kinder<br />

nicht zuhören wollten, wenn Papa spielte, weil<br />

das voll peinlich ist. Erna und Irmchen sind auch<br />

da. Sie sitzen in ihren angestammten Fauteuils<br />

und schweigen sich an. Die Stimmung ist gut.<br />

„Sie sind da!“ flüstert Mono. Auch sie hat die<br />

Außerirdischen bemerkt. Und ich sage – ganz<br />

beiläufig – in eine sehr harmonische Akkordfolge<br />

hinein:<br />

„Ich hab gestern von unseren beiden Mütterchen<br />

geträumt: Irmchen in veilchenblauer Seide<br />

und Erna wie die Großfürstin von Gerolstein<br />

in Rauscherobe, ganz in Silber.<br />

Und die Philharmoniker spielten den Walzer<br />

von Schostakowitsch, du weißt schon, den berühmten<br />

aus der Jazz-Suite, den Erna so gern<br />

hat. Und da sagt doch das Irmchen zur Erna:<br />

‚Komm, ich leih dir meinen Persianer. Es ist eisig<br />

draußen, wenn wir hinübergehen zum Stall.<br />

Du wirst dich erkälten!‘<br />

‚Danke sehr, ich verzichte!‘ sagt die Erna<br />

vor dem Barockspiegel. ‚Ich hab ja meinen<br />

Lodenmantel. Der ist allemal wärmer als dein<br />

Mottenflocki!‘ Und sie trinken den Schampus<br />

aus und flattern hinaus, kichernd wie bekiffte<br />

Internatsschülerinnen!<br />

Es geht ihnen gut da oben. Garantiert! Und<br />

das bisschen Gekeife – das hält der liebe Gott<br />

locker aus. Garantiert! Und irgendwann werden<br />

die beiden ein Herz und eine Seele sein<br />

– wenn sie es nicht schon längst sind!“<br />

Ich sehe meine Mutter mit freundlichem<br />

Lächeln das Punschglas heben. Und auch Erna<br />

guckt alles andere als feindselig.<br />

„It‘s Christmas in Heaven“, lacht Mono.<br />

„Leg schon die Monty Python-Scheibe auf, ich<br />

möchte weinen!“<br />

196 Brennpunkt Gemeinde 5·2006<br />

Magdalene Simpfendörfer-Autenrieth<br />

Interaktiver Weihnachtsgottesdienst<br />

Magdalene Simpfendörfer-Autenrieth, seit Oktober<br />

2003 Pfarrerin im Berufsbildungswerk Waiblingen,<br />

einer Einrichtung der Diakonie Stetten e.V., Kirchstraße<br />

1, 71394 Stetten.<br />

Vorbereitet werden muss ein Bühnenbild beziehungsweise<br />

eine Kulisse, die in irgendeiner<br />

Form den Stall von Bethlehem abbildet. Das<br />

kann sehr einfach oder mit viel Aufwand geschehen,<br />

mit Tüchern und Strohballen, mit<br />

einer Palme, mit Stern und Krippe. Bei uns<br />

hat sich ein großer, an der Decke aufgehängter<br />

Holzrahmen aus einfachen Schwartenbrettern<br />

(etwa 3 x 4 Meter) bewährt, der wie ein großer<br />

Bilderrahmen wirkte.<br />

Bereitgestellt hatten wir auch eine Stellwand,<br />

hinter der verschiedene Verkleidungsstücke bereitlagen:<br />

ein Umhang für Maria, Hut und Stab<br />

für Josef, helle Tücher für die Engel, Hirtenhüte<br />

und Joppen, Kronen, Umhänge und Geschenke<br />

für die Könige, ein Helm, eine Trompete und<br />

ein aufgerollter Papierbogen für den Boten des<br />

Kaisers …<br />

Wenn man die Möglichkeit hat, einen Assistenten<br />

oder eine Assistentin zu gewinnen, die als<br />

zweiter Sprecher oder als Leserin mitwirken, ist<br />

das für die Zuhörer von Gewinn. Auch ist es gut,<br />

einen oder zwei Helfer hinter der Stellwand einzuteilen,<br />

die bei der Einkleidung behilflich sind.<br />

Schön ist es, wenn die Weihnachtsweisen,<br />

die zwischen den Texten eingeplant sind, von<br />

Flöten, Akkordeons oder anderen Melodie-Instrumenten<br />

übernommen werden.<br />

Eingangsgebet: Wir sehen es als ein Wunder<br />

an, Gott, dass du das Licht deiner Wahrheit<br />

und deiner Liebe in unsere Welt geschickt hast,<br />

in einem Kind, in dem Menschen Jesus. Mache<br />

uns in diesen Tagen wachsam für dies Wunder.<br />

Gib Heiligen Geist in unsere Herzen, damit in<br />

uns dein Licht aufgeht. Amen.


Lied: Zu Bethlehem geboren (EG 32,1-4)<br />

Liebe Weihnachtsgottesdienst-Gemeinde, Sie<br />

sehen hier vorn in unserem großen Bilderrahmen<br />

die Kulisse von Bethlehems Stall: Die<br />

Krippe steht da, der Stern glänzt, ein paar<br />

Strohballen lassen vermuten, dass hier auch<br />

Ochs und Esel leben – es fehlen nur noch die<br />

Menschen, die dort hingehören: Josef, Maria,<br />

die Engel, die Hirten, die Könige … Dann erst<br />

ist dies Weihnachtsbild vollständig.<br />

Wir werden jetzt die Geschichte hören, die zu<br />

diesem Bild gehört – und wir werden gemeinsam<br />

dies Bild mit Leben füllen. Ich lade Sie ein,<br />

sich eine von den Rollen auszusuchen, die wir<br />

dafür besetzen müssen. Es sind stumme Rollen.<br />

Sie werden sehen: Es braucht nur ein wenig Verkleidung,<br />

damit aus Ihnen ein Engel wird oder<br />

ein König, ein Josef, ein Hirte, oder eine Maria.<br />

Vielleicht hat es Sie ja schon immer gereizt, bei<br />

einem Krippenspiel mitzumachen. Jetzt ist die<br />

Gelegenheit dazu. Die Verkleidung gibt’s hier<br />

vorn hinter der Stellwand. Danach kann man<br />

sich seinen Platz in unserem Krippenbild suchen.<br />

Und keine Angst und keine Hemmungen:<br />

Wir sind ja unter uns.<br />

Lesung I (Lukas 2,1-14): Es begab sich aber zu<br />

der Zeit …<br />

PfarrerIn: Unser Weihnachtsbild fängt dort an,<br />

wo die Geschichte anfängt: Wir brauchen zunächst<br />

einen Boten, der die Bekanntmachung<br />

des Kaisers vorliest. Er richtet aus: Volkszählung!<br />

Der Kaiser in Rom braucht einen Überblick<br />

über seine Steuereinnahmen. Jeder soll<br />

dorthin gehen, wo er geboren wurde.<br />

Wir brauchen also für unser Weihnachtsbild<br />

einen Boten des römischen Kaisers. Einen<br />

Mann, der sicher zu seiner Sache steht und sich<br />

nicht zu schade ist, hier nur am Rand zu stehen.<br />

Der Bote setzt die Geschichte in Bewegung –<br />

Wer stellt sich als Bote zur Verfügung?<br />

(Melodie: Was soll das bedeuten …)<br />

Eine/r: Als nächstes kommen wir zu Josef, dem<br />

Zimmermann aus Nazareth. Er ist nicht freiwil-<br />

Gottesdienst<br />

lig in Bethlehem, die Volkszählung hat ihn hierher<br />

verschlagen. Für gewöhnlich macht Josef<br />

keine solchen Reisen. Nur einmal im Jahr pilgert<br />

er nach Jerusalem, um im Tempel zu beten, wie<br />

sich das für einen frommen Juden gehört.<br />

Was Josef heute noch nicht weiß: Ein weiter<br />

Heimweg liegt vor ihm. Es wird noch lange dauern,<br />

bis er wieder in Nazareth seiner gewohnten<br />

Arbeit nachgehen kann. Er wird mit Maria und<br />

dem neugeborenen Kind vor den Soldaten des<br />

Königs Herodes fliehen müssen, die demnächst<br />

ganz Bethlehem und Umgebung nach einem<br />

neugeborenen Königskind absuchen werden.<br />

Ich stelle mir den Zimmermann Josef kräftig<br />

vor. Auf alten Gemälden wird er als alter, zurückhaltender<br />

Mann gezeigt, eine Art Großvater.<br />

Ich stelle mir vor, er war eher jung, stand am<br />

Anfang mit Maria, die ein Kind erwartet.<br />

Alt oder jung, wenn wir jetzt einen Josef<br />

suchen, haben wir jede künstlerische Freiheit<br />

– wer stellt sich als Josef für unser Krippenbild<br />

zur Verfügung? Es wäre nicht schlecht, wenn<br />

wir hier vorn auch einen König Herodes hätten.<br />

Nicht nahe bei der Krippe, eher an der Seite, um<br />

die Bedrohung der schönen Szene anzudeuten.<br />

Also: Einen Josef und einen Herodes!<br />

(Melodie: Josef, lieber Josef mein …)<br />

Ich möchte noch etwas zu Josef sagen: Er ist verlobt.<br />

Als er erfährt, dass Maria, seine Verlobte,<br />

schwanger ist, wäre er am liebsten davon gelaufen.<br />

Wer wollte es ihm verübeln. Das ist ihm<br />

zuviel. Er ist nur geblieben, weil er nachts im<br />

Schlaf eine Stimme hörte, die sagte: Lauf nicht<br />

weg. Bleib da, du wirst gebraucht. Da begreift<br />

Josef, dass er in eine Geschichte hineingeraten<br />

ist, in der er einen wichtigen Platz hat. Er bleibt,<br />

sorgt für Maria und das Kind, das dann doch<br />

auch seines wird. Vielleicht kommt es ja gar<br />

nicht so sehr darauf an, dass man immer alles<br />

richtig einordnen kann, was einem so begegnet.<br />

Was Josef auszeichnet, ist sein Gehorsam, seine<br />

Fürsorglichkeit und seine Treue.<br />

PfarrerIn: Jetzt kommen wir zu Maria: Für sie<br />

war der lange steinige Weg durchs Gebirge sehr<br />

5·2006 Brennpunkt Gemeinde<br />

197


Gottesdienst<br />

anstrengend. Sie ist erleichtert, als sie die Lichter<br />

von Bethlehem sieht. Die Aussicht auf ein<br />

Zimmer und ein Bett ist tröstlich. Mein Kind<br />

wird hier zur Welt kommen, denkt sie, in der<br />

Stadt seiner Vorväter und Ahnen, in der Stadt<br />

des Königs David.<br />

Sie weint, als die Wirte immer nur den Kopf<br />

schütteln: Wir haben keinen Platz für euch, leider.<br />

Ein Stall, eine leere Futterkrippe, Ochs und<br />

Esel – das ist alles, was man ihnen in Bethlehem<br />

anzubieten hat. Vielleicht hat Josef noch gezögert<br />

– doch dann hat Maria gesagt: Besser als<br />

nichts, komm, lass uns dorthin gehen.<br />

Ja, Maria ist eine mutige Frau. Es braucht<br />

Mut, sich für Gott zur Verfügung zu stellen,<br />

sich an Aufgaben zu wagen, von denen man<br />

noch gar nicht weiß, ob man sie schaffen kann.<br />

Maria ist eine ungewöhnliche Frau. Offen und<br />

aufmerksam. Sie hat die Aufgabe übernommen,<br />

das Christkind zur Welt zu bringen. Sie kann<br />

die Engel sprechen hören. Sie erkannte den<br />

Boten, den Gott ihr schickte. Es müssen nicht<br />

Männer mit Flügeln sein, die Engel.<br />

Wer wird die Maria für unser Bild? Eine mutige<br />

junge Frau. Und dann noch einen Engel.<br />

Oder zwei oder drei. Engel gehören auch zum<br />

Krippenbild.<br />

(Melodie: Maria durch ein Dornwald ging …)<br />

Was wird Maria gedacht haben, als das Kind<br />

vor ihr in der Futterkrippe lag? Denkt sie an die<br />

Worte des Engels, der zu ihr gesagt hat: Groß<br />

wird er sein, der Sohn des Höchsten, und ein<br />

König des Friedens. Oder lauscht sie dem Gesang<br />

der tausend Engel, die in dieser Nacht den<br />

Stall und den Himmel füllen?<br />

Ob wir auch etwas von den Fragen spüren,<br />

die Maria in dieser Nacht bewegt haben: Wie<br />

kann das sein, dass Gott uns in einem Kind<br />

erscheint? Klein, wehrlos und ausgesetzt, bei<br />

Ochs und Esel in einem zugigen Stall – so<br />

nimmt der Weg des Christkinds seinen Anfang<br />

bei uns. Kein leichter Anfang. Und Maria ahnt,<br />

dass Gott es schwer haben wird in der Welt, wo<br />

die Häuser verschlossene Türen haben, wo jeder<br />

nur auf sich selbst sieht.<br />

198 Brennpunkt Gemeinde 5·2006<br />

Lied: Es ist ein Ros entsprungen (EG 30,1-3)<br />

Lesung II (Lukas 2,15-20): Und es waren Hirten ...<br />

Eine/r: Halt nein, so ganz verschlossen waren<br />

die Herzen und die Türen doch nicht an diesem<br />

Abend in Bethlehem. Die Weihnachtsgeschichte<br />

erzählt noch von den Hirten auf dem Feld, denen<br />

der Engel ausrichtet: „Euch ist heute der Heiland<br />

geboren!“ Heiland – das ist ja ein ganz altmodisches<br />

Wort für unsere Ohren. Altmodisch und<br />

fromm. Aber Heiland meint ja nichts anderes, als<br />

den, der mir Heilung bringt, der mich heil macht.<br />

Der alte Hirte, den wir jetzt für unser Krippenbild<br />

suchen, ist skeptisch, ob es das überhaupt<br />

gibt: dass ein Mensch sich ganz heil und<br />

gut fühlt. Warum er trotzdem losgegangen ist?<br />

Vielleicht, weil für einen Moment seine tiefe<br />

Sehnsucht angerührt war. Vielleicht, weil er<br />

sich einen Moment lang nicht für seine Gefühle<br />

schämte. Vielleicht, weil er einen Moment lang<br />

dem Licht mehr getraut hat, als der Dunkelheit<br />

dort draußen auf dem Feld.<br />

Wer macht den Hirten? Am besten zwei<br />

oder drei ...<br />

Lied: Stille Nacht, heilige Nacht (EG 46,1-3)<br />

Der Gesang der himmlischen Heerscharen<br />

klingt auch in andere Herzen hinein. Männer<br />

und Frauen aus Bethlehem wagen sich in die<br />

Nacht hinaus, um dem Klang nachzugehen.<br />

Was ist das für eine geheimnisvolle Nacht? So<br />

laden wir die Männer und Frauen, die etwas<br />

vom Weihnachtswunder verstehen wollen, ein,<br />

in unser Krippenbild zu kommen. Vielleicht<br />

bringt ihr auch eure Kinder mit. Die Kinder<br />

gehören auch zum Wunder der Heiligen Nacht,<br />

zum Krippenkind, zu der Geschichte des Lichts<br />

… Aber leise, ganz leise …<br />

(Melodien: Kommet ihr Hirten, ihr Männer<br />

und Fraun … und: Ihr Kinderlein kommet …)<br />

Lesung III (Matthäus 2,1-12): Die Weisen aus<br />

dem Morgenland …<br />

PfarrerIn: Die Könige mit ihren Geschenken<br />

vervollständigen unser Krippenbild. Drei kö-


nigliche Gewänder und Geschenke warten<br />

noch … Es hat übrigens noch mehr Platz: Ich<br />

stelle mir vor, dass viele zur Krippe gekommen<br />

sind, auch wenn davon nichts in der Bibel steht.<br />

Wer also noch mit ins Bild möchte, ist herzlich<br />

eingeladen, sich einen Platz zu suchen – auch<br />

ohne Verkleidung.<br />

(Melodie: Jingle bells)<br />

Unser Krippenbild ist jetzt komplett. Wir<br />

wollen es bis zum Schluss des Gottesdienstes<br />

beibehalten. Miteinander haben wir die Weihnachtsgeschichte<br />

gehört und erlebt: Mitten in<br />

einer harten und rauen Wirklichkeit, doch den<br />

guten Mächten anvertraut – so beginnt der Weg<br />

des Christkinds. Unser Weihnachtsfest heute<br />

und die Heilige Nacht damals haben manches<br />

Gemeinsame: Wir rücken als Familie zusammen,<br />

und wir machen uns Geschenke. Das<br />

Krippenbild ist tief in uns drin: Wir glauben<br />

an die Liebe und an den Frieden, auch wenn<br />

viel dagegen spricht. Schalom – Friede sei mit<br />

Euch. Amen.<br />

Lied: Ich steh an deiner Krippen hier (EG<br />

37,1.2.4)<br />

Nachwort und Segen: Keiner von denen, die<br />

zur Krippe gekommen sind, geht so heim, wie<br />

er gekommen ist. Alle fühlen sich von dem verwandelt,<br />

was sie erlebt haben: verwandelt vom<br />

Licht, angerührt von der Liebe, mit der Gott<br />

sich uns zugewendet hat.<br />

So wollen auch wir jetzt anders nach Hause<br />

gehen, als wir gekommen sind: Versöhnt miteinander<br />

und mit dem Vertrauen im Herzen,<br />

dass Gott uns entgegenkommt: in Menschen,<br />

Worten und weihnachtlichen Zeichen.<br />

Der Herr segne uns und behüte uns, er lasse<br />

leuchten sein Angesicht über uns und sei uns<br />

gnädig, er erhebe sein Angesicht auf uns und<br />

gebe uns Frieden.<br />

Cornelia Trick<br />

Der Carol Service<br />

Gottesdienst<br />

Cornelia Trick ist Pastorin der Evangelisch-methodistischen<br />

Kirche auf dem Bezirk Neuenhain/Taunus;<br />

Sandwiese 33, 65812 Bad Soden.<br />

Der „Carol Service“ ist ein aus der anglikanischen<br />

Tradition stammender Weihnachtsgottesdienst,<br />

der weltweite Verbreitung erfahren<br />

hat. Sein Thema ist der Heilsweg Gottes mit<br />

seinen Menschen, beginnend mit Adam und<br />

Eva bis zu Jesus Christus. Neun Lesungen der<br />

Bibel bilden das Herz dieses Gottesdienstes.<br />

Sie zeichnen jeweils die Bewegung von Gottes<br />

liebevoller Zuwendung nach. Traditionelle<br />

Weihnachtslieder oder Chorgesänge erweitern<br />

und verstärken die biblische Botschaft.<br />

Seine Wurzeln hat der Carol Service in einem<br />

kleinen Holzschuppen in Cornwall Ende des 19.<br />

Jahrhunderts. Reverend G.H.S. Walpole nahm<br />

diese schlichte Feier als Vorlage für seinen<br />

Weihnachtsgottesdienst Heiligabend 1880 in<br />

Truro, Cornwall, England. Von dort aus verbreitete<br />

sich die neue Form.<br />

1918 wurde Reverend Eric Milner-White, damals<br />

Dekan des King´s College in Cambridge,<br />

auf den Carol Service aufmerksam. Er hatte als<br />

Militärgeistlicher die Erkenntnis gewonnen,<br />

dass Gottesdienste kreative Elemente benötigen,<br />

um Menschen mit der Liebe Gottes zu<br />

berühren.<br />

Zu Weihnachten 1918 wurde der Carol Service<br />

das erste Mal in der Kirche des King´s<br />

College gefeiert und rief ein begeistertes Echo<br />

hervor. Fast sofort wurde der Gottesdienst „Of<br />

Nine Lessons and Carols“ von anderen Kirchen<br />

übernommen und auch in anderen Ländern<br />

aufgegriffen. Seit 1928 wurde er jährlich direkt<br />

vom King´s College im Radio übertragen, seit<br />

1963 auch im Fernsehen.<br />

Die Gottesdienstordnung ist über die Jahre in<br />

den unterschiedlichen Kirchen weltweit gleich<br />

geblieben. Lesungen und Gebete sind weitgehend<br />

festgelegt. Nur die Lieder und Chorgesänge<br />

variieren und erweitern den Rahmen.<br />

5·2006 Brennpunkt Gemeinde<br />

199


Peter Zimmerling: Bonhoeffer als Praktischer<br />

Theologe. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen<br />

2006, 231 Seiten, gebunden, € 29,90<br />

Dr. theol. Peter Zimmerling, Professor für Praktische<br />

Theologie an der Universität Leipzig, hat<br />

ein Buch vorgelegt, das zum 100. Geburtstag<br />

Dietrich Bonhoeffers seine bisher unbekannte<br />

Seite als Praktischer Theologe in den Vordergrund<br />

rückt.<br />

Auch wer Bonhoeffer zu kennen meint, ist<br />

überrascht, wie präzise und behutsam der<br />

Verfasser den Zusammenhang von Biografie,<br />

Spiritualität und Theologie Bonhoeffers herausarbeitet.<br />

„Eine Erkenntnis kann nicht getrennt<br />

werden von der Existenz, in der sie gewonnen<br />

ist“ (S.14). Besonders als Studiendirektor in<br />

Finkenwalde hat er die Einheit von Theologischer<br />

Arbeit, vita communis und Spiritualität<br />

vorgelebt.<br />

Abgesehen vom Einleitungskapitel, folgen alle<br />

Kapitel des Buchs dem gleichen Dreischritt: biografische<br />

Annäherung – theologische Grundlegung<br />

– Konkretion.<br />

An den Anfang stellt Zimmerling zwei Grundeinsichten<br />

Bonhoeffers: sein Verständnis der<br />

Praktischen Theologie als Funktion der Kirche<br />

und die Bedeutung der Spiritualität für seine<br />

Praktische Theologie. Er sieht in der Nachfolge<br />

Jesu, wie sie die Bergpredigt fordert, die Mitte<br />

und den Motor von Bonhoeffers Theologie<br />

und Leben. Danach werden alle wesentlichen<br />

Bereiche der Praktischen Theologie – abgesehen<br />

von der Katechetik – dargestellt: Die Lehre von<br />

der Predigt / Die Lehre vom Gottesdienst / Die<br />

Lehre von der Seelsorge / Die Lehre vom Gemeindeaufbau.<br />

Zimmerling wird – bei aller Sympathie für<br />

Bonhoeffers Praktische Theologie – nicht unkritisch.<br />

Er stellt zum Beispiel in seiner Predigtlehre<br />

eine problematische Identifizierung von Predigt<br />

und Christus fest, die jeden Prediger überfordern<br />

muss (S.92).<br />

Aus der kerygmatischen Grundlegung der<br />

Kirche folgert Bonhoeffer eine Orientierung<br />

des gesamten kirchlichen Handelns am Gottesdienst<br />

(S.194).<br />

Literatur<br />

Im Schlusskapitel fasst Zimmerling seine<br />

Einsichten von Bonhoeffers Praktischer Theologie<br />

zusammen: Sie ist christozentrisch,<br />

bibelorientiert und ekklesiologisch motiviert.<br />

Die Impulse für die akademische Praktische<br />

Theologie sieht Zimmerling in seinem Verständnis<br />

von Spiritualität als Voraussetzung der<br />

Praktischen Theologie, in seinem konsequenten<br />

Predigtansatz beim Bibeltext (im Korrektiv zu<br />

einem Predigtverständnis, das die Situation des<br />

Hörers zum Gesetz zu machen droht) und in<br />

seiner Seelsorgelehre, die zur seelsorgerlichen<br />

Gemeinde hinführt.<br />

Seine Impulse für die Gemeindepraxis liegen<br />

in der Betonung des Zweitakts von Kontemplation<br />

und Aktion in der gelebten Gemeinschaft<br />

der Kirche. Eine Fülle von biografischen Details<br />

und praktischen Hinweisen aus Bonhoeffers<br />

Arbeit als Pastor, Dozent und Studiendirektor<br />

machen dies Buch zu einer spannenden und<br />

herausfordernden Lektüre auch für jeden Interessierten,<br />

der Bonhoeffer zu kennen meint.<br />

Helmuth Reske, Celle<br />

Impressum<br />

Brennpunkt<br />

Gemeinde<br />

Impulse für missionarische Verkündigung und Gemeindeaufbau<br />

Im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Missionarische<br />

Dienste herausgegeben von Bischof Axel Noack, Magdeburg,<br />

in Gemeinschaft mit Bischof Jochen Bohl,<br />

Dresden, Oberkirchenrätin Doris Damke, Bielefeld,<br />

Professor Dr. Michael Herbst, Greifswald, Regionalbischof<br />

Dr. Hans-Wilhelm Pietz, Görlitz, Präses<br />

Nikolaus Schneider, Düsseldorf, Professorin Dr. Karin<br />

Ulrich-Eschemann, Erlangen, Bischöfin Rosemarie<br />

Wenner, Frankfurt/Main, Pfarrerin Birgit Winterhoff,<br />

Halle (Westfalen)<br />

REDAK TION Hartmut Bärend (verantwortlich),<br />

Arnd Bäucker, Dr. Rosemarie Micheel,<br />

Annegret Puttkammer, Paul Rapp,<br />

Waldemar Wolf (geschäftsführender Redakteur),<br />

Postfach 10 11 42, 70010 Stuttgart,<br />

Telefon (07 11) 2159-222, Telefax (07 11) 2159-566,<br />

amd.wolf@diakonie.de; www.a-m-d.de<br />

5·2006 Brennpunkt Gemeinde<br />

207


Literatur<br />

Birgit Neumann, Antje Rösener: Was tun mit<br />

unseren Kirchen? Kirchen erleben, nutzen und<br />

erhalten. Ein Arbeitsbuch. Mit Abbildungen.<br />

Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2006, 192<br />

Seiten, kartoniert, € 19,95<br />

Im ersten Teil behandelt die Autorin Antje Rösener<br />

die bedrängenden Fragen des Schließens,<br />

Abreißens und Umnutzens von Kirchen, die<br />

nicht mehr als Gemeindekirchen erhalten werden<br />

können. Von der theologischen Reflexion<br />

des Kirchenraums im Protestantismus reicht das<br />

Spektrum ihres Beitrags, der die Erfahrungen<br />

vieler Berater und Beraterinnen aufnimmt, über<br />

die Fülle der Nutzungsoptionen bis zu offiziellen<br />

Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz und<br />

der VELKD.<br />

Sehr hilfreich empfand ich die Herausarbeitung<br />

von fünf Kriterien zur Beurteilung von<br />

Nutzungsmöglichkeiten. Zum Beispiel halboptimale<br />

Interimslösungen sind besser als radikale<br />

Lösungen, die nicht rückgängig zu machen<br />

sind. Das Verfahren der Umnutzung soll möglichst<br />

transparent-öffentlich verlaufen. Zum<br />

Abschluss werden vier exemplarische Beispiele<br />

der Umgestaltung und Umnutzung mit Fotos<br />

und praktischen Hinweisen genannt.<br />

Im zweiten Teil hat Birgit Neumann, die Magdeburger<br />

Referentin für „Offene Kirchen“, die<br />

vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten von offenen<br />

Kirchen – nicht nur für den Tourismus – darge-<br />

Vorschau auf Heft 6/2006:<br />

Vorbilder<br />

Barbara Kamprad: Vorbildsein im Zeitalter von Relativismus und Individualismus<br />

Karin Vorländer: Umfrage: Mein Vorbild<br />

Paul Ulrich Lenz: Aufsehen auf Jesus<br />

Peter Hennig: Nicht werden wie die Eltern?<br />

Michael Freitag: Haben Jugendliche Vorbilder?<br />

Fabian Vogt: Hilfe, ich bin ein Vorbild!<br />

Rahel Schöttler: Die Pfarrerin als Vorbild<br />

Traugott Weber: Der Pfarrer als Vorbild<br />

Beate Weingardt: Studienbrief S 47: „Ich wasche meine Hände in Unschuld“ –<br />

Wie viel Schuld (v)erträgt ein Mensch?<br />

208 Brennpunkt Gemeinde 5·2006<br />

stellt. Das Bewusstsein, dass Kirchen keine „geschlossenen“<br />

Kirchen nur für den innerkirchlichen<br />

Gebrauch bleiben dürfen, sondern in die<br />

Öffentlichkeit hineinwirken, ist in den letzten<br />

beiden Jahrzehnten erheblich gewachsen.<br />

Kirchengemeinden entwickeln zum Teil viel<br />

Initiative und Fantasie, die vorhandenen Raumqualitäten<br />

und Schätze ihrer Kirchen besser<br />

zu nutzen und zu präsentieren. Neu gebildete<br />

Arbeitsstellen für Kirche und Tourismus in den<br />

Landeskirchen beraten die Gemeinden und bieten<br />

Fortbildung für Haupt- und Ehrenamtliche<br />

an.<br />

Ein Leitbild, wofür die Kirche überhaupt geöffnet<br />

werden soll, und eine kurze Checkliste<br />

mit sechs Fragen geben praxisnahe Hilfen für<br />

alle, die ihre Kirchen öffnen wollen:<br />

1. Warum öffnen?<br />

2. Was genau möchten Sie tun?<br />

3. Wann soll geöffnet werden?<br />

4. Welche Gebäudeteile sind zugänglich?<br />

5. Wie gestalten Sie die Kirche?<br />

6. Wer macht mit welchen Zuständigkeiten mit?<br />

Hier liegt meines Erachtens die Hauptnot. Wie<br />

können wir für diese Aufgabe ehrenamtliche<br />

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gewinnen?<br />

Im dritten Teil befinden sich für die beiden<br />

Themenbereiche wichtige Adressen zur Beratung<br />

und zum Bestellen von Materialien, ausgewählte<br />

Internetseiten und weiterführende Literatur.<br />

Helmuth Reske, Celle

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