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Drei Pfeile in der Kulmer Gasse. AvS - SPD Hamburg

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verheimlichen, aber das stellte sich als unmöglich heraus. Immerh<strong>in</strong> flohen aus<br />

<strong>Hamburg</strong> etwa 900.000 Menschen o<strong>der</strong> wurden evakuiert.. So viele Menschen<br />

kann man nicht verstecken.<br />

Jetzt meldete sich die Angst um me<strong>in</strong>e Eltern! Es war verboten, nach <strong>Hamburg</strong><br />

zu schreiben und aus <strong>Hamburg</strong> durfte auch ke<strong>in</strong>erlei Benachrichtigung abgehen.<br />

Geheimhaltung! So blieb ich alle<strong>in</strong> mit me<strong>in</strong>er Angst.<br />

Nach vier Wochen kam me<strong>in</strong>e Mutter an. Sie war mit dem Fahrrad geflohen.<br />

Nun hatte ich wenigstens me<strong>in</strong>e Mutter wie<strong>der</strong>, aber was war mit me<strong>in</strong>em Vater?<br />

Mutter erzählte, dass sie durch das Chaos nach Wandsbek-Gartenstadt gefahren<br />

war, dort war me<strong>in</strong> Vater als Sanitäter im Lazarett e<strong>in</strong>gesetzt. Gerade, als<br />

sie dort ankam, fuhr e<strong>in</strong> Laster vor, aus dem Blut floss , Arme und Be<strong>in</strong>e ragten<br />

unter <strong>der</strong> Plane hervor. Me<strong>in</strong> Vater sagte: „Dreh dich weg, sieh nicht h<strong>in</strong>! Das<br />

wirst Du de<strong>in</strong> ganzes Leben nicht wie<strong>der</strong> los.“<br />

<strong>Drei</strong> Wochen, nachdem me<strong>in</strong>e Mutter bei mir angekommen war, kam dann e<strong>in</strong><br />

Brief von ihr an, den sie unterwegs an mich abgeschickt hatte, um mir mitzuteilen,<br />

dass sie noch lebte. Noch lange nach dem Krieg bekam ich, wenn ich bei uns<br />

im Keller war und e<strong>in</strong> Flugzeug über uns h<strong>in</strong>weg flog, solche Angstzustände,<br />

dass mir die Be<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>knickten und ich mich irgendwo festhalten musste.<br />

Me<strong>in</strong>es Vaters jüngste Schwester Hertha kam mit me<strong>in</strong>em Cous<strong>in</strong> Peter zufällig<br />

auch nach Bamberg. Sie hatte <strong>in</strong> Hammerbrook gewohnt, e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> Stadtteile,<br />

die bei den Angriffen auf <strong>Hamburg</strong> am schlimmsten heimgesucht worden waren.<br />

Wir begegneten uns auf dem Meldeamt und natürlich konnte sie nur über<br />

die Katastrophe sprechen. Sie hatte dort über die verbrannten Leichen steigen<br />

müssen und diese Erzählungen waren für me<strong>in</strong>e Mutter sehr belastend, denn<br />

auch sie hatte ja den ganzen Schrecken miterlebt. Häufig setzte me<strong>in</strong>e Mutter<br />

sich <strong>in</strong> Bamberg dann an e<strong>in</strong>en Brunnen <strong>in</strong> <strong>der</strong> „Alten Hofhaltung“ weil das Plätschern<br />

des Wassers beruhigend auf sie wirkte.<br />

Es war auf die Dauer ke<strong>in</strong> Zustand, bei unserer Bekannten Luzie Strober zu<br />

wohnen, die selber sechs K<strong>in</strong><strong>der</strong> hatte und auch noch ihre eigenen Verwandten<br />

aus Nie<strong>der</strong>georgswer<strong>der</strong> 32 aufnahm. Daher bemühte sich me<strong>in</strong>e Mutter darum,<br />

woan<strong>der</strong>s unterzukommen. Im Meldeamt wurde sie von e<strong>in</strong>er Frau empfangen,<br />

die ganz offenbar sehr davon bee<strong>in</strong>druckt war, dass me<strong>in</strong>e Mutter e<strong>in</strong>e geborene<br />

„von“ war und e<strong>in</strong> – für Bamberger Verhältnisse – recht gutes Gehalt bezog. Und<br />

dann war ich auch noch im “Oberbau“, was sich toll anhörte und worunter man<br />

sich dort nichts vorstellen konnte. So erhielten wir sofort e<strong>in</strong> Zimmer und zwar<br />

bei e<strong>in</strong>em “geheimen Hofrat“ 33 , Dr. Herd. Alle Bamberger mit genügend Wohnraum<br />

mussten ja Flüchtl<strong>in</strong>ge aufnehmen.<br />

32 Kle<strong>in</strong>er Stadtteil Nähe Nor<strong>der</strong>elbe/Veddel<br />

33 Nichtakademischer Titel für Kab<strong>in</strong>ettsmitglie<strong>der</strong>, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Monarchien unmittelbar dem Monarchen bzw. Fürsten<br />

unterstanden<br />

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